71Tagebuch 5. I. 1967 – 4. I. 1968 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mi 8. XI. 1967

9 ½ – 11 Champawat hier. (Er hat fellowship für dieses Jahr, und will seine thesis schreiben. Weniger Betonung von AS, mehr über Testverfahren, wie Wissenschaftler es anwenden. Er fragt allerhand historische Fragen über den Ursprung verschiedener Gedanken bei mir oder im Wiener Kreis; ich rate ihm, Feigl zu fragen.) – 3 ½ – 5 ½Almuth Armstrong hier. (Sie wird gebracht von ihrer Kusine Helke …, Tochter von Dieter und Agnes Müller, die das Müllerhaus leiten. Wir erzählen, dass wir ihre Mutter am Müllerhaus getroffen haben. Helke hat streng gescheitelte schwarze Haare, fest anliegend; das sieht sehr stilisiert aus. Almuth hat lose, blonde Haare. Nach einiger Zeit geht Helke mit ihrem Baby fort. Almuth erzählt vom Tod ihres Vaters, letzten Frühling, und von seinem 🕮 tragischen Leben. Er brachte aus dem Krieg, wo er Arzt an der Ostfront war, eine russische Pflegerin Shura mit; sie hatten sich verliebt; nach einiger Zeit machte er Scheidung von Maina und heiratete Shura. Sie aber war so eifersüchtig, dass sie ihm nicht erlaubte, Maina oder die Kinder überhaupt zu sehen. Als Almuth zu Sylvias Hochzeit nach Deutschland kam und ihn anrief, sagte er: „Das ist ja schön“ und hing sofort wieder ab. Sie sagt, er hing sehr an seinen Kindern, und auch noch an Maina. Die Trennung hat ihn zermürbt, und er ist schließlich an einem Leberleiden gestorben. Zur Beerdigung ist aber Maina und alle ihre Kinder doch einfach hingegangen. Almuth arbeitete vor Jahren an der U.N. in NY. Dort wurde sie Um Geld zu verdienen, arbeitete sie eine Zeitlang als Stewardess bei der Tiger Line; dabei lernte sie ihren Mann kennen, der dort Pilot war. Sie hat später viele Reisen gemacht, auch nach Japan und anderen asiatischen Ländern; das liebt sie sehr. Sie spielt auch viel Klavier. Sie ist in vielem der Maina ähnlich: lebhaft, erzählend mit starken Gefühlen, stark liebend und stark verurteilend. Sie sagt, Maina hat ihr Vieles von Elisabeth erzählt, und von mir. Ich erzähle, wie Elisabeth und dann ich auch Maina kennen lernten, als sie 17 Jahre war. – Sie sagt, dass Maina bald mal herüberkommt. Ich sage, dass Maina herkommen soll, und sie soll mitkommen. Dem stimmt sie gleich lebhaft zu. Zum Abschied will ich sie auf die Wange küssen, aber sie küsst gleich mit dem Mund, und nochmal. Sie sagt, wir müssen auch mal ihren Mann kennen lernen; der sei so ein lieber Mensch, und alle mochten ihn gern. – Dann wird sie von einer Freundin abgeholt, die oben an Kentstraße wohnt.)