71Tagebuch 5. I. 1967 – 4. I. 1968 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag So 15. I. 1967

Axel Leijonhufvud2Sohn von Helene Neovius; vgl. Axel Leijonhufvud - Wikipedia hier 11 – 2 ½ bei mir alleine, ohne Essen! (Tilly schrieb mir, dass er seine Doktorthesis fertig hat! Darauf rufe ich ihn an, um dass ich schlechtes Gewissen habe, und ob er doch noch für Gespräch kommen will. Er kommt dann gleich um 11; im Gespräch vergesse ich völlig die Zeit; schließlich geht er; und dann merke ich erst, dass es 2 ½ ist. Ich dachte, es wären vielleicht 1 (nachher sagt Hanneli, ich müsse immer selbst aufpassen, und dem Gast ein Signal geben, wenn es Zeit ist zu gehen. – Langes Gespräch über Ökonomietheorie, woraus ich allerhand lerne (siehe K); er meint, wenn alle Glieder der Gesellschaft von den Präferenzen („Preisen“) aller anderen unterrichtet wären, würde sich immer ein Gleichgewicht einspielen; denn die Differenzengleichungen haben immer eine Lösung, wo die demand Kurve und die Preiskurve sich schneiden. Ich sage, da gibt es aber keine unique Lösung; und die wirkliche Lösung wird auch mitbestimmt dadurch, dass einer einen anderen schließlich überredet oder dergleichen; der consumer, auch wenn seine Einkäufe quantitativ? seinen Wünschen entsprechen auf der Basis der vorgegebenen? Preise, kann sich dann doch sehr übervorteilt vorkommen; die Lösung, die wirklich herauskommt, ist ja nicht notwendig 🕮fair. Ich sage, dass ich ein Ketzer sei, und den Glauben an das heutige „freie Unternehmungs“-System nicht teile, er sagt: in Russland und dass ich glaube, Planwirtschaft wäre besser. Er sagt: In Russland hat sie aber zu katastrophalen Zuständen geführt; er scheint völlig überzeugt vom Kapitalismus. – Ich leihe ihm 2 Bücher, auf seine Bitte, weil sie Fragen beantworten, die er mit stellt: Gardner, R T, und Ambid.) – (Hanneli ist mit Kulka in Ojai.) Sie kommen zurück 4 ¼, genau wie Hanneli mir telefoniert hatte. Hier war gerade ein Mann bei mir aufgetaucht, der Vater eines Mädchens, für das Dr. Kulka j und Schule sammeln? wollte. – 6 – 7 essen wir zusammen. (Dr. Kulka sagt, sie hat viel Lebensweisheit gefunden in den Upanishaden, und jetzt in Suzukis Zen-Buddhismus. Sie liebt auch Kazantsakis Fortsetzung der Odyssee, weil da im echt homerischen Stil die Lebensfreude des Odysseus geschildert wird, wie er wieder fortgeht, Helena besucht und dem Agamemnon fortnimmt, usw. – Über die verschiedenen Richtungen der Psychoanalyse in LA; das ist sehr interessant für Hanneli.) – (Abends telefoniert Hanneli lange mit Erika; diese war sehr enttäuscht, dass sie so bald abfahren musste, wo sie doch vorhatte, der Mama ihr Herz auszuschütten über die Probleme: Sie wird sehr leicht eifersüchtig wenn Eich mit einem anderen Mädchen freundlich ist; dann läuft sie fort und ist nachher abweisend zu ihm; Hanneli meint, sie fühlt sich unsicher, hat Selbstzweifel, ob irgendeiner sie wirklich gern mag; dabei gewinnt sie in Wirklichkeit leicht die Herzen aller Menschen.)