68Tagebuch 1. I. 1964 – 31. XII. 1964 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Di 8. IX. 1964

Vormittags wir zu Feigls. (Er sagt, das Wiener Institut würde gerne ein Symposion machen, an dem ich teilnehmen könnte, über induktive Logik; gut bezahlt, und Reise bezahlt. Ich möchte aber keine solchen Sachen mehr übernehmen nach Alpbach; ich kann Leuten ohne Vorkenntnisse nicht die Grundideen meiner induktiven Logik in einem Vortrag klarmachen. Ich sage Feigl, dass ich jetzt leicht Flugreisen machen kann, und eventuell nach Minnesota kommen würde, für eine Konferenz über meine induktive Logik. Das freut ihn sehr. Aber er ist ja zunächst mal für ein Jahr weg.) Wir gehen für ½ Stunde spazieren, einen steilen Weg hinauf. Maria erzählt mir, dass Feigl ganz pessimistisch ist über seine Neuritis, und nicht mal in Wien einen Spezialisten konsultieren will. Da ist immer eine Wechselwirkung zwischen seiner deprimierten Stimmung und der Neuritis, und er meint, kein Arzt könnte helfen. Er klagt oft über Schmerzen; aber er nimmt nicht ein neues schmerzstillendes Mittel, das ihm sein Arzt verschrieben hat. Ich spreche nachher mit ihm und rate ihm dringend, einen Spezialisten in Wien zu konsultieren.) – Nachmittags wieder zu Feigls zum Kaffee. (Wir schreiben zusammen Karten an Mia und Hempels. – 6 – 7 ½Flitner bei mir. (Er hat einiges in meiner Autobiographie gelesen. Auf seine Frage erkläre ich ihm: die 2 Begriffe der Wahrscheinlichkeit, Keynes; Kontroverse mit Statistikern; es sind 2 verschiedene Begriffe. Aber 🕮 meine Theorie ist zunächst nur auf einstellige Prädikate anwendbar; aber ich habe Ideen, wie sie auf quantitative Begriffe anwendbar wird. – Er ist für Planung, aber scheut zurück vor den Gefahren. Ich sage: Neurath warnte auch vor den Gefahren.) – 7 ½ – 9 wir mit Flitner und Rohs Abendessen. (Flitner erzählt: Nohls Frau starb schon ca. 1930. Da er sehr wohlhabend war, konnte er sich dann leisten, einer Frau, frühere Schülerin, die auch Sachen schrieb, eine eigene Wohnung in seinem 3-stöckigen Haus zu geben; sie leitete dann seinen Haushalt und pflegte ihn vielleicht auch in kranken Zeiten; da war aber noch jemand für die Arbeiten von Kochen, Reinigen usw. – Ich sage: Das rauhe Klima in Süddeutschland, besonders München, ist ein großes Problem für mich, falls ich mich entschließen sollte, ganz nach Deutschland zu ziehen. Juliane bestätigt, dass es nette Dörfer, nicht zu teuer, oberhalb der französischen Riviera gibt. Ferner empfiehlt sie Hotel Enrotel in Garda am Gardasee, mit schönem Park, wo Wohnungen, vermutlich möbliert, verkauft werden, aber oft auch von den Besitzern zeitweise vermietet werden. Ich frage Flitner, wenn ich für einige Monate dorthin ginge, würde er dann auch vielleicht dahin kommen? Er sagt: wahrscheinlich ja. Alle sagen auf meine Fragen über die oberitalienischen Seen, dass es dort sehr schön sei; einige Orte seien jetzt zu snobistisch und teuer geworden, andere seien einfacher. Es gibt aber im Winter oft Regen oder Nebel, und zuweilen auch Schnee. Annemarie sagt, Agnes habe Schuhe mit Hufeisen, die gut gegen Ausgleiten im Schnee schützen. – Franz sagt, er habe lange nichts von oder über Maue gehört; wie es ihr ginge. Annemarie sagt, sie lebt allein, nachdem Gerhard verheiratet ist und in Stuttgart wohnt. Ich denke mir, sieuOriginal er. will damit andeuten, dass dort ja auch eine Möglichkeit für mich wäre.) 🕮