68Tagebuch 1. I. 1964 – 31. XII. 1964 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Fr 25. IX. 1964

Mit Hanne zur Elbe spazieren, in warmer Sonne. (Hanne sagt, dass es gut sei, dass ich in LA noch 2 Monate im Haus bleiben werde; man müsse die Erinnerungen nicht zu schnell aufgeben, sondern bewahren, sodass die Intensität des Schmerzes dabei langsam abnehmen kann. Sie erzählt von einem Bekannten, der nach Verlust seiner Frau sehr bald schon wieder heiratete; aber dann kamen später die beiseite geschobenen Erinnerungen heftig wieder hervor und brachten große Schwierigkeiten. Sie meint, die Tatsache, dass ich noch nicht wieder in den Straßen spazieren gegangen bin, zeigt, dass ich es noch nicht überwunden habe. Da sei eine Aufgabe, für die man sich genug Zeit geben muss. Ich erzähle ihr auch, wie ich mich wieder bald daran gewöhnt habe, in die Garage und in Inas Zimmer zu gehen; und von „Inas Tod“ als Zeitbezeichnung zu sprechen. Und ich bin froh, dass ich jetzt wieder leicht im Gespräch Redensarten von Ina oder dergleichen erwähnen kann, wie neulich „gefärbte Milch“; Hanne sagt, sie hat bemerkt, dass ich froh darüber war. – Über Beziehung zu Chacha. Ich sage, dass ich schon 1963 in Mexiko und jetzt wieder in Stockdorf gleich gut Kontakt mit Chacha 🕮 hatte und es mir wohl tat, dass ich so lieb und warm von ihr empfangen wurde. Sie sagt, sie habe immer angenommen, dass ich eigentlich nie aufgehört habe, Chacha lieb zu haben. Früher dachte ich, unsere Ehe sei auseinander gegangen, weil wir zu sehr verschiedene Typen seien; aber durch die Analyse kam ich dazu zu denken, dass das kein notwendiges Hindernis, wenn auch eine Erschwerung ist; dass wir wahrscheinlich zusammengeblieben wären, wenn ich, und besser noch wir beide, früher analysiert worden wären. Trotzdem aber will ich jetzt keinen Schritt machen, sondern abwarten, wie es sich in mir entwickelt. Und besonders bin ich vorsichtig in Äußerungen zu Chacha, um ja keine vorzeitigen Erwartungen zu erwecken. Hanne meint, das Zusammenwohnen von Chacha mit Angermanns ginge doch wohl nicht auf die Dauer; wenn sie zu Hause ist, wird sie immerzu krank, aber wenn sie anderswo ist, geht es ihr besser. Wenn ich für dauernd herüberkäme, wäre es wohl am besten und mit Chacha zu leben wünschte, wäre es wohl am besten, wenn wir nicht dort wohnten, sondern anderswo, bei München oder in Freiburg.) – 4-9 Martha Hörmann und Flitners hier. (Martha Hörmann hat nicht mehr das kleine, anmutige Gesicht, sondern ein volleres, etwas plumperes; ganz weißhaarig. Ihre Schwester Frieda kommt mit herein für einige Minuten. Ich sage „Sie“, wie in Briefen, und wie auch Flitners. Sie zeigt Fotos aus der Serazeit, und erzählt vieles. Sie weiß genau, wann und wo jedes Fest und jede Vagantenfahrt war, und wer dabei war; ähnlich wie Agnes. 8-9 sitzen wir am Kaminfeuer.) (Chacha telefoniert: Maue sagt, die Sache mit Gittli könnte um eine Woche verschoben werden; Chacha meint, das sei praktischer, denn sie habe Zimmer für uns im TH belegt von 28.9. bis 5.10.) 🕮