Telefonieren wegen Augentropfen. (Christoph telefoniert mit pharmazeutischem Institut der Universität, Dr. Range; und dann rufe ich diesen an. In ½ stündigem Telefongespräch liest er mir aus allerhand Büchern über U.S. drugs vor, und beschreibt mir dabei nicht in großen, unnötig Details, die chemischen Substanzen und medizinischen Wirkungen. Schließlich kommt er zum Ergebnis: Epitrate = Epinephrine (das sei dasselbe wie Adrenalin) –Bitartrate (tratre sei weniger). Aber er rät mir doch, zu einer Augenklinik zu gehen, damit die Konzentration usw. nach Befund der Augen gewählt wird. – Ich rufe Universitätsaugenklinik an, zuerst den Oberarzt, und dann Fräulein Dr. Topell, und mache Verabredung.) Maue fährt mit mir im Taxi zur Augenklinik. (Fräulein Dr. Topell sagt, dass es in Deutschland ganz unüblich sei, das Epitrate zu verwenden, aber man könne es bestellen. Ich frage, was sie denn für die Nacht vorschlage; sie sagt Pilocarpin in Tropfen, das ist Pilocarpin in Öltropfen; das Öl bewirkt, dass das Pilocarpin langsamer und länger wirkt; ein Tropfen genüge, und zwar nur abends, anstatt Pilocarpin; nur wenn der erste Tropfen nicht ins Auge kommt, einen zweiten nehmen; das Auge fasse gar nicht mehr als einen Tropfen. Sie macht Druckmessung: R 26, L 22, also höher als zuletzt in LA. Sie schreibt Rezept, nimmt aber kein Geld, trotz meines Protestes. Wir bekommen 🕮 es dann sofort in der Apotheke beim Romanplatz, fertig.) – (Beim Mittagessen erzählt Maue von Christiansen; ihr alter Kummer, schon aus Briefen bekannt, dass er Nutto nicht erlaubte zu kommen; sie findet das unerhört. Ich sage: Aber er hatte doch eine Neurose! Aber das mildert ihr Urteil nicht; anscheinend hat sie keine Ahnung über Neurose und Psychoanalyse. Dann kritisiert sie Chacha sehr hart, weil die bei Einladung zu spät oder eine Stunde zu früh kam, oder nachmittags nicht wegging, obwohl Maue ein Abendessen für Gäste für 7 Uhr richten musste. Ich sage: Sie hätte es ihr offen sagen sollen, dass es ihr lieber sei, dass sie ginge; umgekehrt… sie erklärt selbst, dass das durch LEH und dergleichen komme, und ich stimme zu; Chacha und ich und manche unserer Freunde haben die konventionellen Regeln der Gesellschaft nie richtig gelernt. Sie: Das sind nicht bloss Konventionen, sowas muss man doch spüren! Sie ist ärgerlich, dass ich wie früher kritisierte Leute immer verteidige.) – 6 ½ langer Spaziergang (durchs Nymphenburger Schloß unten durch, und ein kleines Stück in den Park.) – Chacha telefoniert: Sie hat Magen-Darm-Beschwerden (liegt zu Bett, steht immer wieder auf, um sich Essen zu richten, damit Lini nicht zuviel zu tun hat, aber das wird ihr zuviel. Sie überlegt, jetzt schon zum TH zu gehen, um sich richtig zu kurieren; und ich soll dann nach Rückkehr von Hamburg auch hinkommen; jetzt nicht nach Stockdorf kommen, sondern Lini wird meinen Koffer herbringen.) – Beim Abendbrot spreche ich nochmal von Psychoanalyse (ich sage, dass es bedauerlich ist, dass die Gebildeten in Deutschland gar nichts von Psychoanalyse und Neurosen oder neurotischen Schwierigkeiten wissen, im Gegensatz zu U.S. Ihr Vorwurf gegen Christiansen, der Nutto jahrelang nicht zu sich kommen ließ, beruht einfach auf Ignoranz. Wie viel schlimmer muss es Johannes erschienen sein, als ich ihn auf seiner Hochzeitsreise nach Mexiko 1953 nicht nach Princeton lassen wollte wegen meiner Neurose. Maue sagt, sie hat das Gefühl, dass, wenn man sich mit solchen Dingen befasst, man irgendwie angesteckt oder unrein wird, oder dass man sich nicht so leicht einer Stimmung hingeben solle, indem man ihr den Ehrentitel „Depression“ gibt. Ich sage, dass es doch gut wäre, wenn 🕮 die Eltern mehr über diese Dinge wüssten, damit sie ihre Kinder besser verstehen, und ihnen in Schwierigkeiten helfen könnten. Zum Trost über Gerhards „Schreibhemmung“ erzähle ich von Hempel und seinem Perfektionismus. – Sie erzählt auch von den Kriegsjahren und wie sie geschuftet hat, damit die Familie immer genug zu essen hatte; ich sage, da war sie wirklich sehr tüchtig, und wir haben sie dafür bewundert.) – Vorher schon rufe ich Maina an (ob sie mich hier mal besuchen will, und sage, dass ich später, nach Hamburg, bei Chacha im TH sein werde. Sie sagt, da will sie lieber mal dorthin kommen für einige Tage; sie möchte auch gern mit mir über Amerika sprechen, weil sie hinüber reisen will, zu ihrer Tochter Almuth.) (Maue sagt beim Abendessen, sie habe doch beabsichtigt, mich immer um 8 zu entlassen, sie erzähle zu viel, und Gerhard habe ihr gesagt, all die Geschichten über den Mann Lütts, den ich gar nicht kenne, könnten mich doch nicht interessieren. Ich sage, es eilt doch nicht; es genügt, wenn ich mich um 9 zurückziehe. Aber dann plaudert sie doch noch bis 10!)