Ganzen Tag zum Plattenhof (meist am Waldrand über dem Hof, wo man ins Simonswälder Tal hinunter sieht. Über meine Weltanschauung. Die Werte waren, nach Mutters Erziehung im Sinne von Großvaters Buch „Ethik“, nicht auf Theologie basiert. Daher wurde sie nicht erschüttert durch mein allmähliches Aufgeben des Glaubens. Ich glaube, wie Rousseau und Pestalozzi, an die natürliche, ursprüngliche Güte Gutheit des Menschen. Daher bin ich optimistisch auf lange Sicht, wenn auch nicht für die nächsten hundert Jahre. Die Menschheit ist in den letzten 400 Jahren gewaltig verbessert worden; wenn sie nicht durch Atomkrieg ausgerottet wird, ist kein Grund da, anzunehmen, dass sie nicht weiter verbessert wird. – Johannes sieht einen gewaltigen Unterschied zwischen seiner Auffassung, dass Christus die einzige Verkörperung Gottes gewesen ist, einerseits, und andererseits nicht nur meine atheistische Auffassung, sondern, nach ihm nicht wesentlich verschiedene davon [!] die Auffassung eines Gottesgläubigen, dass Christus nur einer von mehreren von Gott inspirierten Menschen war. – Ich gebe ihm zu, dass es ein ernstes Problem ist, die Tatsache zu erklären, dass die Gottesvorstellung unter allen Völkern zu finden sei; aber dass es doch jetzt ganz gute Erklärungen auf weltlichem Boden gibt. Er: Da war wohl Feuerbach der erste, der es versuchte? Ich: Ich glaube, dass die Erklärung von Freud besser ist, dass es aus einem Bedürfnis nach einem 🕮 idealisierten Vater kommt. – Johannes fragt, wie unsere Heirat geschah. Ich erzähle von Verwundung, Verlobung, Kriegstrauung, Zeit in Berlin, Jena, Wiesneck. – Erklärung der Scheidung: Früher glaubte ich, es sei Unverträglichkeit der Charaktere; nach der Psychoanalyse vermute ich jetzt, dass es durch neurotische Züge auf beiden Seiten verursacht war: meine Mutterbindung, und ihre Vaterbindung; und dass, wenn wir beide analysiert worden wären, die Ehe vielleicht nicht gescheitert wäre.) 6 ½ herzlicher Abschied von Sabine. – Abends telefoniert mit Chacha und Hanne (siehe Notizen). – Nachts heftiges Gewitter, das mich aus tiefem Schlaf aufweckt; dann kann ich lange nicht wieder einschlafen.