Wir fahren zu Agnes, und fahren dann mit ihr über Günterstal nach Horben. (Diesmal im Gasthaus gegessen, weil es draußen kühl ist. Agnes erzählt von Fritz Dörpfeld; er war nach dem 2. Weltkrieg jahrelang in russischer Gefangenschaft, lebt jetzt mit seiner Frau Kläre am Tegernsee; er hat aber durch die Gefangenschaft 🕮 etwas abbekommen, kann nicht mehr so aktiv tätig sein wie früher; er bastelt, Ledersachen und dergleichen, die seine Frau da verkauft, hat wohl auch eine Offizierspension. Über Hedwig von Rohden; sie hat sich von der Freundin und Loheland getrennt, lebt ziemlich ärmlich, hat jetzt eine Arbeit oder Anstellung am Goetheanum in Dornach in der Schweiz. Wilhelm von Rohden hat eine hohe, führende Stellung in der Bekenntniskirche. Friedrich ist immer noch sehr tätig.) – Wir bringen Agnes nach Hause und sind nachmittags allein. Wir sitzen auf dem Balkon am Wohnzimmer. (Annemarie erzählt von Kön. Er hat niemals mit ihr eine Aussprache gehabt, über die Änderung der Beziehung. Dass er die andere Frau heiraten will, hat er nur brieflich mitgeteilt. Er will aber mit ihr eine freundschaftliche Beziehung beibehalten. Ich sage, er braucht offenkundig Psychoanalyse; aber er ist schon 57 Jahre, und das ist ja wohl etwas spät dafür.) – Nach dem Abendbrot, noch am Tisch, spreche ich mit Annemarie über meine Zukunft. (Ich sage: Hanneli hat geschrieben: „Wenn Du in Deutschland bleibst, müsstest Du in der Nähe von einem von uns wohnen, aber nicht direkt bei ihm; nahe genug, sodass man für Dich sorgen kann“ oder so ähnlich. Annemarie sagt: Ja, z.B. eine möblierte Wohnung mit Bedienung in der Nähe von Stockdorf. Sie sagt, Chacha kocht ungern; früher hatte sie immer ein Mädchen, und nach dem Krieg führte Annemarie den Haushalt in Stockdorf. Ich sage, die praktischen Erwägungen sind kompliziert; in meinen Träumen bin ich immer in Versuchung, die praktischen Probleme zu vergessen und mir eine Märchenwelt vorzustellen. Sie fragt: Wie sieht die denn aus. Ich: Hier Da sitzt Chacha, und hier sitze ich, und wir haben uns lieb, und es gibt keine Probleme. Sie sagt, ich soll doch einfach alles mal mit Chacha überlegen. Aber ich 🕮 sage: Da muss ich sehr vorsichtig sein, um nicht Erwartungen zu erwecken, die ich dann nicht erfüllen kann. Vielleicht ist diese Vorstellung von mir nur ein Hilfeschrei eines allein gelassenen Kindes. In Wirklichkeit brauche ich viel mehr Zeit, um wieder innerlich ins Gleichgewicht zu kommen; ich bin noch ganz durcheinander, und daher noch nicht fähig, wichtige Entschlüsse zu treffen. Sie sagt, die Mama wird das gut verstehen; vor meinem Kommen war sie sehr aufgeregt; aber dann bald wurde sie ruhiger und heiter. Annemarie meint, ich soll mal ruhig abwarten; ich werde dann sehen, wie es in Stockdorf wird, wenn ich nächstens einige Zeit dort zubringe; die Chacha sei auch gewohnt, viel allein zu sein, weil gewöhnlich Lini viel zu sehr mit anderem beschäftigtsOriginal geschäftigt. ist und nur zur Hauptmahlzeit und morgens kurz bei ihr ist. Ich sage noch, ich habe oft seltsame Gefühle, z.B. als würde ich der Ina untreu, als ich schon bald nach ihrem Tod im Geist nach einer anderen Frau suchte; ich bin eben noch sehr durcheinander. Annemarie: Das ist doch sehr verständlich nach allem, was ich erlebt habe, ich werde schon darüber hinwegkommen. Ich: Ja, das glaube ich auch. Zur Guten Nacht umarme und küsse ich sie herzlich.)