RUDOLF CARNAP. Tagebücher und Leselisten. 1908–1919 |
Die Dokumente von Kahn studiert (über Erbschaftssteuer usw.). –4 zu Dr.Yvonne ruft an, und kommt zum lunch. (Ich habe sie seit vielen Wochen nicht gesehen. Sie war lange in Mexiko. Sie klagt, dass ihre Mutter dem Kind Steffi ausreden will, dass der Vater Jude ist; da er doch an Christus glaube (was zwar nicht stimmt) so könne er nicht Jude sein. Ich erkläre Yvonne meiner Mutter Prinzip, die Ethik nicht auf Gottesglauben zu basieren; und dass ich dadurch von der Krise verschont blieb, als ich nicht mehr glaubte. Das interessiert sie sehr (ich sage aber nichts vom Schilppband). Sie betont beim Abschied wiederum, dass ihre eigentliche Liebe zu Ina war, und dass ich „als Bonus noch dazu kam; sie sieht mich als „einen Mann“ an, der alles über das Leben weiß! Ich: leider gar nicht.) – 4 zu Dr. Mott. (Zum zweiten und letzten Mal vor der großen Reise; ich: ich war nach der vorigen Stunde erstaunt, dass ich überhaupt nicht von Ina und meinen Gefühlen zu ihr gesprochen hatte. Ich schaue mit Beschämung auf die ersten Tage nach Inas Tod zurück, besonders meine Gespräche mit ihm; voll von self-pity‚ und schon so früh mit dem starken Wunsch, eine andere Frau zu finden. Er sagt, das ist natürlich bei solchen Menschen, die sich besonders geschützt bei der Mutter fühlten, dann aber als Kind mal einen Schreck bekommen haben, weil die Mutter mal fortging, als könnte sie verschwinden. – Ich sage, mir scheint, dass ich mit Chacha ganz besonders vorsichtig sein muss, um nicht „Erwartungen hervorzurufen“; jetzt ist es ja anders als 1959 in Mexiko, wo sie wusste, dass ich Ina hatte. Er: Ich habe mich oft von dieser Sorge, Erwartungen zu erregen,