Vormittags ist Ina sehr erregt (weil sie kaufen gehen muss. Sie sagt immer wieder, dass sie gar nicht weiß, was sie für warme Mahlzeiten kaufen soll; ich sage, sie kann es auf morgen verschieben. Aber sie besteht darauf, dass sie es heute müsste. Nachher gibt zu sie zu, dass sie noch einen Fisch und (), ein Stück da hat. Mal sitze ich lange mit ihr auf dem Sofa im Wohnzimmer; ich sage, sie solle mir, wie einem Analytiker, alles sagen über ihre Gefühle; aber sie sagt, da ist gar nichts zu sagen. Immer wieder kommt sie in mein study; beim dritten Mal sagt sie, sie sollte eigentlich nicht kommen und mich stören; ich sage, sie soll nur immer kommen, wenn sie wünscht. Sie ist böse auf sich selbst oder ihr Schicksal, dass sie nicht mehr genug Entscheidungskraft hat um einzukaufen. Sie schlägt mit den Fäusten auf den Tisch und sagt, „es geht nicht mehr, ich kann nicht mehr“. Ich glaube auch, einmal sagt sie: „ich muss mich aufhängen, ich kann nichts Anderes mehr tun“. Ich verweise sie streng, sie solle nicht solchen Unsinn reden. – Um 12h kommt sie, wie üblich, mit mir zum Schlafzimmer zum Tröpfchen Nehmen. Danach sage ich, 🕮 ich werde in ½ Stunde kommen, um mit ihr spazieren zu gehen. Sie sagt, sie will heute nicht. Ich sage, sie soll mich doch nicht alleine gehen lassen, gestern war es doch so schön zusammen. Aber sie will nicht. Ich denke, ich werde sie nachher doch noch überreden. Kurz vor 1h mache ich mich zum Spaziergang fertig. Dann schaue ich mich vergeblich nach ihr um und rufe; aber sie ist nicht da. Ich denke, vielleicht ist sie doch zum Markt gefahren; sie sollte aber doch nicht fortgehen, ohne es mir zu sagen. Ich schaue in die Garage, das Auto ist da. Ich denke, vielleicht ist sie allein ein bisschen spazieren gegangen und schaue vorne hinaus, und dann hinten in der ally, und die Margarita14vermutlich Marguerita Boulevard in Santa Monica Straße nach beiden Richtungen, aber ich kann sie nicht sehen. Dann werde ich ernstlich besorgt und schaue genauer in der Garage nach. Zuerst ins Auto, ob sie vielleicht versucht hat, sich durch Karbondioxide zu töten. Dann schaue ich weiter herum. Die Einfahrtstür ist geschlossen; durch die hintere Eingangstüre kommt nur wenig Licht herein, und die einzige elektrische Birne, nahe an der Eingangstüre, gibt auch nur spärliches Licht, sodass ich sehr wenig sehen kann. Ich schaue über den hinteren Teil des Autos hinüber und sehe etwas Weißes hängen, wie ein Sack an einem weißen Strick. Da erschrecke ich und denke, da hat Ina sich erhangen. Beim Hinsehen sehe ich aber nur den weißen Sack, also war das eine Schreckfantasie. Ich gehe ums vordere Teil des Autos herum und wieder nach hinten. Es scheint wirklich nur ein weißer Sack. Ich fasse ihn an, er ist lauwarm. Ich denke, Ina hat irgendwelche Essstoffe 🕮 aufgehängt. Ich drehe es, und plötzlich sehe ich Inas Gesicht! Und dann auch unten ihre dunklen Hosen (diese und das schwarze Haar hatte ich nicht sehen können). Dann sehe ich daneben auch die Treppenleiter stehen; auf der muss sie hinaufgestiegen sein, ich sehe die Wäscheleine (die mit glänzend weißem Plastik überzogen ist) hat sie sorgfältig mehrmals um den Balken gewunden und geknotet; und dann geht der weiße Strick herunter, und sie hat eine Schlinge um den Hals. Ich schreie sie an; ich versuche vergeblich, die Schlinge zu lösen oder sie zu heben. Dann renne ich in die Küche und hole eine Schere und renne zurück und schneide den Strick durch, während ich den linken Arm um sie lege. Sie sinkt auf den Zementboden. Ich löse die Schlinge; ich schreie sie wieder an, sie solle mich hören; mal glaube ich sogar, eine kleine Bewegung des Gesichts zu sehen. Dann laufe ich zum Telefon am Esstisch. Ich diale operator und sage: Hier ist ein Unfall, emergency; bitte schicken Sie einen Doktor oder Hilfe; sie verbindet mich mit Polizei; ich gebe Namen und Adresse an; ich sage: Meine Frau hat sich erhängt, ich habe sie heruntergenommen, sie ist noch warm, bitte schnell Hilfe. Der Mann sagt, sie werden sofort einen Wagen schicken. Ich frage: Soll ich noch einen Doktor anrufen? Er sagt: nein, sie sorgen für alles. Ich mache Haustür vorne und hinten auf, und Tür zur Garage. Dann gehe ich zu Ina zurück und versuche, die beiden Arme zu bewegen, um Atmung wieder anzuregen. Ich öffne ihre Bluse und versuche zu fühlen mit der Hand, ob das Herz 🕮iEs folgt ein Einfügungen überschriebenes Blatt, das die Einschübe zum 25. V. 1964 enthält, die hier an der vorgesehenen Stelle eingefügt sind. Danach folgt ein Blatt mit einer Einfügung zum 26. V. (Dr. Mott), die hier an die richtige Stelle gesetzt ist.jAm Seitenkopf steht die gedrängt geschriebene und durchgestrichene, weil durch den untenstehenden längeren Text ersetzte Einfügung: 6h Dr. Mott kommt ganz unerwartet (Mia hatte ihn angerufen ohne es mir zu sagen. Es tut mir gut, die schrecklichen Erlebnisse und meine Gefühle alle auszusprechen, auch meinen Zorn darüber, was sie mir angetan hat, aus Rachegefühl? Er: Da ist gewiss eine Menge Hostilität und Aggression, aber nicht Rache persönlich gegen mich, sondern gegen die Eltern, die sie wollte in keinem Falle eine Bürde für mich werden, und auch nicht ihre Freiheit verlieren..noch im Gang ist; ich bin aber zu aufgeregt, etwas zu spüren; ich lege mein Ohr auf die Brust, kann aber nichts hören. Dann höre ich die Sirene von der Ambulanz. Ich eile zur Haustüre und führe die Leute mit ihren Apparaten zu Ina: der eine hält ein oxygene Maske für Inas Nase, der andere dreht einen Motor an. Der Mann fühlt mehrmals das Herz an mit der Hand; nach einigen Minut ich frage, ob das Herz noch geht, und habe wieder Hoffnung. Er antwortet nicht. Schließlich, nach einigen Minuten sagt er „she’s gone“. Jetzt erst wird mir richtig klar, dass keine Hoffnung mehr ist und alles vorbei ist. Sie gehen ins Haus und telefonieren; einer nimmt mich am Arm, sie sehen wohl, wie der Schock mich getroffen hat. Ich sitze im Wohnzimmer; ein Mann nimmt Personalien von Ina auf. – Ich rufe Olaf Helmer an, in RAND: „Ina hat Selbstmord begangen. Könntest Du kommen?“ Er kommt schon bald her. Er macht viele Telefonanrufe für mich.) – (4-5 gehe ich zu Bett und ruhe mich aus. Endlich allein, kann ich mich mal ausweinen. Ich mache Ina bittere Vorwürfe, dass sie mir das angetan hat, und so unnötig. Ich mache mir Vorwürfe, dass ich nicht früher nach ihr gesucht oder ganz bei ihr geblieben bin.) Später kommt Ernst Moody kurz; er hat sich gleich gedacht, dass es Selbstmord war, und er stimmt mir zu, dass es keinen Zweck hat, zu versuchen, das zu verbergen, weil es sich doch herumspricht. Dann kommt Mia. Sie räumt auf, besonders die Küche und Inas Zimmer. Kalish kommt. 🕮kDer folgende Einschub steht mit Markierung auf einem vorgelagerten eigenen Blatt und ersetzt den oben in der Fußnote wiedergegebenen gestrichenen Einschub zum Besuch von Dr. Mott.(26. 6h abends) Dr. Mott kommt ganz unerwartet. Mia hatte ihn angerufen (sie erzählt mir später, dass sie das Erste von Benson hörte, noch bevor Mutzli, nach vergeblichem Anruf im College, sie zu Hause erreichte) nach 5h, und er sagte ihr, er würde sofort zu mir fahren. Ich erzähle ihm alles von den schrecklichen Erlebnissen, noch mehr Einzelheiten als irgendeinem Anderen; und es tut mir gut, das alles auszusprechen, auch meinen Zorn und meine Hilflosigkeit, dass ich sie nicht zum Leben zurückrufen kann; mein Zorn: „Wie kannst Du mir das antun!“ Ich sage ihm, dass ich gar nicht erfassen konnte, dass sie es wirklich getan hatte; ist das nicht eine enorme Hostilität, wie eine Rache gegen mich? Er sagt: Da ist gewiss eine Menge Aggression in dieser Handlung; aber ich habe nicht recht, dass diese Aggression gegen mich persönlich gerichtet ist; im Gegenteil, dieser Eindruck bei mir ist eine Projektion meiner Aggressivität gegen sie. Ich: Vielleicht hat er recht; ich habe sie sogar auf die eine Backe geschlagen, mit der Begründung vor mir selbst, dass ich sie damit aus der Ohnmacht aufwecken wollte. Er: Meine Aggression ist verständlich; aber Ina wollte nichts gegen mich tun; im Gegenteil, sie liebte mich so, und wollte auf keinen Fall eine Bürde für mich werden (ich dachte später: ja, so wie ihr kranker Vater viele Jahre eine Bürde für die Mutter war); darum war sie so entsetzt, als sie sich am Morgen unfähig fühlte, einkaufen zu gehen, und sich nicht abhalten konnte, immer wieder ins study zu kommen, aber dann sich dafür tadelt, dass sie mich stört. Sie glaubte fest, dass ihr Zustand immer schlechter werden würde; sodass sie dann keine Hilfe mehr für mich wäre und sogar eine Bürde, oder Hospital gebracht würde, wo sie dann völlig unfrei sein würde und nicht mehr über sich entscheiden könnte. Später fährt Mia nach Hause, und Olaf und Mutzli und ich 🕮 fahren zu Helmers zusammen. Später kommen Hempel und Diane an. (Sie haben auf Mutzlis Nachricht hin gleich Toby bei Freunden untergebracht und sind dann hergeflogen. Olaf holt sie vom ab; sie werden bei Helmers wohnen für 2 Tage. Wir essen alle zusammen; und ich bleibe noch bis 10 Uhr. Dann bringen Olaf und Hempel mich nach Hause, und warten noch, bis ich ausgezogen bin.) – (Ich schreibe im Bett noch Tagebuch (bis zu Mias Ankunft, vorige Seite unten). Dabei muss ich viel weinen, und alles Entsetzen kommt wieder hoch bei der grausigen Szene, wie ich Ina finde. Ich kann es noch immer nicht fassen, dass wirklich alles aus ist; ich meine immer, Ina müsse hereinkommen, damit ich alles Schreckliche mit ihr besprechen kann, warum sie so plötzlich es tun musste, und warum sie mir gar keine kleinste note hinterlassen hat, um zu sagen, dass sie mich doch liebt, auch wenn sie das Schreckliche tun musste. Ich denke mir, sie hatte keine Zeit dazu, sie wusste, dass sie dies unbedingt richtig machen müsse, weil man sie nach einem verfehlten Versuch ins Hospital bringen würde; und das schien ihr das Allerschlimmste, weil sie dann nicht mehr über sich verfügen könnte, da sie doch nicht an Heilung glaubte.) – (Später, unter dem Leintuch, damit niemand mich vom Nachbarhaus hören kann, sing’ ich das ganze Lied „Der Mond ist aufgegangen“, das wir noch gestern nacht zusammen gesungen haben.) (Ich nehme heute ein großes Nembutal, während ich sonst nur ein kleines nehme; und nach einer Stunde noch 1 großes. Dann gut geschlafen. Beim Aufwachen habe ich das Gefühl, etwas Schönes geträumt zu haben, aber ich kann es nicht mehr erinnern. Und dann ist die Rückkehr zur grausamen Wirklichkeit bitter. Ich denke daran, dass Ina mehrmals am Morgen zitiert hat: „nun ging er“.) 🕮