68Tagebuch 1. I. 1964 – 31. XII. 1964 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Di 8. XII. 1964

(Mit Dr. Halpern telefoniert, dass es ziemlich besser ist, nur täglich einmal (heute sogar erst später, und weniglich).) – 10 ½zu Dr. Piper. (Es sieht viel besser aus; ich soll die Salbe weiter nehmen; dazu aber verschreibt er neue Pillen.) – Zur pharmacy (die neue prescription für Pillen, morgens und abends zu nehmen, gegen Übersensitivität der Haut; 25 $ bar genommen, sie haben nicht ). Nach Hause für Tropfen. – Schnell zum market (Milch und weißes Brot gekauft). Schnell lunch gegessen. Ich will mich 🕮 für ½ Stunde hinlegen, werde aber vom Telefon unterbrochen, aber ich komme zu spät hin. - 1:15 Frau Jokl holt mich im Auto ab (wir sind in 20 Min. schon am Flugplatz. Dann aber suchen wir sehr lange nach einem Parkplatz. Dann gehen wir hinein. Das Luftzeug ist schon 12 Minuten vor Fahrplanzeit angekommen; die Passagiere kommen schon den escalator hinunter. Dabei eine Frau mit welligem weißen Haar; sie spricht mit dem Mann neben ihr; trotzdem scheint sie mir ähnlich und ich schaue sie fragend an und als sie auch richtig schaut, sage ich „Maina?“ Sie hat nur eine kleine Handtasche. Sie erzählt beim Gehen und im FlugzeugSinn? sehr lebhaft von Tochter, Enkelkind, dem Schweizer, der ihr im Flugzeug gut zusprach, als sie Angst bekam, und vielem anderen.) In meine neue Wohnung. Wir essen etwas, und sprechen noch etwas, sind aber beide müde, und legen uns hin, 3-4; dann sprechen wir wieder. Um 6h im Dunkeln zum Markt, und zum Blumenladen (bunte Astern, weil die sie an die Gärten erinnern). ½7-8 Abendessen. Dann will sie eigentlich bald zu Bett, weil sie wenig geschlafen hat. Wir sprechen aber noch bis 10. (Sie spricht von ihrem Glauben als eine große Hilfe im Leben, da sie nicht verzagen kann , sondern immer Zuversicht hat, dass alles von der Vorsehung weise angeordnet ist. Ich erzähle auch mal von Ina; sie meint, ein richtiger Glaube sei ein Schutz gegen Depression; ich sage, vielleicht bei den üblichen depressiven Stimmungen, aber bei wirklichen pathologischen, tiefen Depressionen hilft nichts mehr. Ich erzähle, wie ich in den letzten Tagen etwas mehr Hoffnung hatte, obwohl sie seit Wochen von dem bevorstehenden Ende gesprochen hatte; so kam es doch als furchtbarer Schock. Sie erzählt von ihren Kindern und anderen. Bei Almuth sagt sie einerseits, dass die die beiden Jungen ganz ohne Schranken aufwachsen lässt, sodass sie zu wild sind und jetzt für sie, Maina, eine arge Belastung und Ermüdung; dass sie, Almuth, andererseits aber doch nicht die U.S. Bürgerschaft annimmt, als ob sie vielleicht doch noch an Deutschland hänge. Wenn Maina zu ihren Kindern von ihrem 🕮 Glauben spricht, so sagen sie, sie hätten doch auch einen religiösen Glauben; aber das ist etwas Vages, an das man sich wirklich festhalten kann.) (Ich komme wenig zu Worte, wie bei Maue. Aber es sind doch meist interessante Geschichten, und mehr relevant zu einem topic, wie hier der Glaube oder die Lebenseinstellung. Sie erwartet von ihren Kindern Toleranz gegenüber ihrer Stellung; es ist aber nicht sicher, dass sie selbst ihnen gegenüber wirklich tolerant ist. Almuths Mann ist ein schweigsamer Texaner, sehr guter, zuverlässiger Charakter, hat aber außer seinem Fach, dem Fliegen, kaum Interessen.)