68Tagebuch 1. I. 1964 – 31. XII. 1964 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag So 4. X. 1964

Vormittags neblig. Spaziergang. – Nachmittags immer noch Nebel; ins Dorf (Kaffee und Kuchen; telefoniert mit Rohs; ich kann am 11. zu ihnen kommen.) – Abends liegen wir auf den Betten und sprechen über alte Erinnerungen. 🕮 (Chacha spricht wieder von deraOriginal den. Verschiedenheit unserer Interessen. Ich: Ich glaube nach der Analyse, dass dies nicht unbedingt Hinderung von gutem Zusammenleben sein muss. Die wesentlichen Gründe lagen woanders. Z.B. meine Unreife; ich machte keine Bemühungen, mich um einen Beruf und Versorgung der Familie zu bekümmern. Ich war auch unbeholfen und gehemmt im Sexuellen. ChachabOriginal Ina. erzählt, dass ich es ohne Vorbereitung wollte; dass sie nie Orgasmus erlebte ( mit mir früher (erst später mit Broder; und dann mit mir in Davos); dass sie dadurch kühl wurde, und daher mir etwas fehlte; dass ich mich darum der Margret zuwandte; ich habe ihr erzählt nach der Bodenseefahrt mit Margret, dass sie nicht gewollt hätte, obwohl ich es wünschte. Als sie von Mexiko zurückkam und mich in Davos traf, wollte ich schon nicht mehr ernstlich; ich sagte, ich sei inzwischen so nahe mit Maue, und wolle diese im Engadin treffen; andererseits sperrte Broder sich von ihr ab. So geriet sie mit Gall zusammen, was sie jetzt sehr verärgert. Ich sage, es kam doch bei ihr aus einem inneren Bedürfnis heraus, und sie soll diese Person nicht so herabsetzen. – Ich erkläre meine Hemmungen durch den Mangel meiner Mutter an natürlicher Zärtlichkeit; vielleicht weil sie sich ihre erste, starke Liebe versagen musste, und die spätere Ehe mehr eine Vernunftheirat war. Gegensatz zu Maues spontaner Zärtlichkeit mit dem Söhnlein. Sie sagt auch noch, wie unpsychologisch ich war, als ich einmal Prof. Diepgen, ihren Gynäkologen in Freiburg, konsultierte, und dann, anstatt seine Ratschläge für Vorspiel durchzuführen, ihr die Ratschläge erzählte, sodass sie schon von vornherein eine Abscheu davor bekam. – Ich sage schließlich: Wir hatten uns wirklich lieb und hatten den besten Willen; leider genügt das aber nicht für gutes Zusammenleben. Vielleicht wäre es besser gegangen, wenn wir beide vorher analysiert worden wären.)