68Tagebuch 1. I. 1964 – 31. XII. 1964 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mo 19. X. 1964

Letztes Packen und Abschied (ich sage Chacha Dank für alles, und dass ich mich bei ihr immer etwas wie zu Hause fühle.) – 9:30 Gerhard und Bärbel holen ab im Citroyen („Zitrönchen“) und fahren mich zum Flugplatz München-Riem.OMünchen (Dort fahren sie nach einiger Zeit ab, zurück nach Stuttgart; unterwegs erzähle ich von den schönen zwei Tagen mit Gittli; dass sie auch hören wollte über meine Analyse, und dass ich sie beruhigen konnte, dass Zornausbruch gegen Kinder nichts schadet, wenn sie das Gefühl haben, dass sie es verdient haben und auch fühlen, dass die Mutter sie liebt. Beim Abschied muss ich 🕮 denken an Gittlis geplantes Mitternachtsgespräch mit Gerhard, und wie schade es ist, dass ich dann nicht mehr dabei bin; zu Bärbel sage ich auch gute Wünsche für das Kind.) Bevor sie fortgehen kommen Maue und Gebhard (er ist Gittlis jüngstes Kind, ich glaube 9 oder 10 Jahre; er trägt ein bayerisches Hütchen, lange hellgraue Jacke und lange Hosen; sein Aussehen, sowohl Kleidung wie Gesicht, ist nicht besonders anziehend, und dazu macht er immer einen steifen Bückling. Aber ich unterhalte mich freundlich mit ihm während Maue fortgeht, um etwas zu besorgen; über „Maschinen“, d.h. Flugzeuge, und dergleichen. Im Moment, wo ich mich für Augentropfen hinlegen will, kommt Maue zurück. Danach ist es dann auch schon Zeit, für mich, hinauszugehen. Die beiden wollen hinaufgehen, damit sie Abflüge beobachten können. Darum wende ich mich zweimal um und winke mit meinem Arm.) Abflug 9:30 (Lufthansa)nach FrankfurtOFrankfurt an 12:30. Panam jetab 13:15. (Ich habe Fenstersitz, vorher belegt im Frankfurter Gebäude; Blick nach rechts hinaus, also ohne Sonne; die 2 Sitze neben mir sind frei, so auch bei den meisten anderen! So kann ich mich hinlegen, und auch mich hinlegen für die Augentropfen. Wir fliegen über Belgium, Kanal, Irland; meist Wolken unter uns; dann über dem Meer gibt es zuweilen Blick nach unten aufs Wasser. Über Irland fange ich an, meinen ersten Brief an Gittli zu schreiben; erst etwas zögernd, nachher eifrig weiter; auch, was sie von mir dem Gerhard sagen soll. Zuletzt noch über dem amerikanischen Kontinent, südlich fliegend, schließlich in Nebel. Zuletzt wird die Zeit knapp, ich muss hastig schreiben; auf einmal bemerke ich, dass ich noch Schuhe anziehen muss; dann eiligst Umschlag geschrieben, und Brief beendet, während wir schon landen und lange bis zum Gebäude rollen.ONew York5 PM = 10 PM deutsche Sommerzeit. Ich frage vergeblich nach Gepäckträger; das ist „Panam self service“; jemand gibt mir einen kleinen Gepäckwagen und ich lade meine Sachen selbst auf und rolle sie bis zum custom Tisch. Dann sehe ich oben Hempel und Student stehen und winke ihnen. Der Zollmann fragt, ob der Elektrorasierer, den ich schon im Flugzeug auf die Karte geschrieben habe, alles ist, was ich 🕮 eingekauft habe. Er fragt: Wo ist er; ich: in der Mappe; ich will ihn herausholen, aber er will ihn nicht sehen, sondern den kleinen braunen Plastikkoffer; ich fummele vergeblich mit dem Schlüssel; er: darf ich mal probieren? Er öffnet ihn leicht, schaut schnell hinein, wo nur folders sind, und sagt: das ist alles. Ein Beamter sagt 2 Negerporters, die einen großen Wagen haben, auch mein Gepäck darauf zu tun; sie fahren es durch große, selbstöffnende Türen hinaus, wo Hempel schon steht und ihnen was gibt. Ich frage, wo ein Postamt ist, aber das gibt es nicht, oder ob Hempel oder der Student Tyler Marken hat, aber sie haben keine. Tyler erfährt, dass oben eine Buchhandlung ist, wo eine Waage ist, vielleicht haben sie auch Marken. Ich bitte ihn, hinauf zu gehen, da ich gern möchte, dass er heute noch zur Post kommt, damit er ganz sicher Freitag in Freiburg ausgetragen wird. Er geht lange Zeit fort, und sagt dann, es ist erledigt, für 30 c. Wir gehen mit dem Gepäck zum Parkplatz. Der Student fährt uns zuerst nach Manhattan, wo ich die 6:15 PM Tropfen nehme (das ist äquivalent zu deutscher Zeit 11:10 PM). Dann fährt er zum riesig hohen U.N. Gebäude (vorher waren wir zwischen zwei Teilen der World’s Fair durchgefahren), später durch den Lincoln-Tunnel, und dann noch eine lange Strecke (im ganzen 2 ½ Stunden Fahrzeit) nach PrincetonOPrinceton nach 8h (= 1 AM deutsche Zeit!). Wir essen etwas. Ich bin erstaunt, dass ich nicht noch viel mehr müde bin. Zwischen 9 und 10 PM (2-3 AM deutsche Zeit) endlich zu Bett!)