68Tagebuch 1. I. 1964 – 31. XII. 1964 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Di 13. X. 1964

11 zu Rohs (Taxi 10.–. Ursprünglich wollte ich mehrere Tage zu ihnen kommen, wie ich telefonisch von BZ vorgeschlagen hatte. 🕮 Aber durch Lisi erfuhr ich, dass Juliane eifrig an einem Buch arbeitet; und vor dem Abendbrot musste er noch schnell ein ms von ihr revidieren, das er dann vor 9:45 zum nahen Postamt bringen musste. – Roh zeigt mir seine Bücher: eine Geschichte der bildenden Kunst von 1900 bis Gegenwart, und andere. Und auch seine Collagen; dies sind Bilder zusammengeklebt aus Stücken, die er aus alten Illustrationen aus Zeitschriften und anatomischen Büchern zusammengestellt hat; er hatte viele hunderte gemacht; in verschiedenen Städten sind Ausstellungen von ihnen gemacht worden; jetzt will er ein Buch „Metamorphosen“ aus ausgewählten zusammenstellen. – Über Sozialismus; ich erkläre meine Argumente für Sozialismus, durch Analogie zur Monarchie; sie sind beide sozialistisch im starken Sinne. Sie sind entschieden gegen die Aufrüstung von Deutschland, besonders jetzt die bilaterale Atomgeschichte mit Amerika. – Ich erzähle von Ina: ihr erster Brief und erster Besuch, ihre Mithilfe bei meiner Arbeit. – Er hat Einladung von einer Mäzenatin für abstrakte Malerei in N.Y., für beide hinzukommen und dort zu wohnen; er möchte es gern, fürchtet aber, dass die dann erwarten wird, dass er ein Buch über ihre Malerei schreibt; Juliane aber denkt, es würde zu anstrengend für ihn. Ich sage: Du willst ihn in Watte packen; genau wie Ina mich. – Sie fragen nach der Entwicklung von Inas Depression, und ich erzähle kurz einige Phasen. – Er fragt, ob ich jetzt positiv denke über meinen Entschluss herüberzukommen diesen Sommer. Ich: ja, sehr; ich war so zerschlagen; und da gibt es nichts Besseres als Kontakt mit anderen Menschen, besonders den Kindern, und Teilnahme an ihren Problemen, usw. – Über Flitners; dass ich sie in Hamburg mehrmals sah; er sagt, er freut sich immer, Wilhelm wiederzutreffen; aber lieber ohne Lisi; ich sage, mir geht es ebenso. Er sagt, Wilhelm habe leider Lisi zur Religion gebracht, die früher dagegen war, wie ihr geliebter Bruder Hans. Andererseits habe Lisi starke Hemmungen in Bezug auf Sex, und habe das auf Wilhelm übertragen. 🕮 Dieser habe viel zu spät eine Auflockerung erfahren und sogar eine kleine polygame Phase gehabt; da habe sie mit Scheidung gedroht, und er musste alle Beziehungen abbrechen! Ich sage, dass mir ihr Puritanismus zum ersten Mal klar wurde, als ich Flitners auf der Lindenhöhe besuchte; sie war unfreundlich zu mir, aber es äußerte sich nicht direkt, sondern durch heftige Reaktion in philosophischen Gesprächen; später erfuhr ich dann, dass sie böse war auf gewisse meiner polygamischen Erlebnisse. – Zum Abschied sagen sie, dass es gut sei, dass es nicht für lange sei. Ich küsse Juliane, und umarme Franz.) – Abends bei Rohs telefoniert mit Chacha (sie fragt, ob ich bei Maue gut versorgt werde; ich: ja, sehr; darauf fragt sie : Solltet Ihr nicht zusammen wohnen? Ich bin höchst erstaunt, als sich herausstellt, dass sie meint: drüben!); und mit Annemarie (ich erzähle, wie viele Menschen ich gesehen habe und in den nächsten Tagen sehen werde; und dass es sehr nett war mit Gittli.) – Ich erzähle Maue (sie schlägt vor, dass Hanneli doch hier wohnen könnte; sie würde ihr ihr Zimmer geben (wie auch der Gittli) und selbst dann im augenblicklich leeren Studentenzimmer im Souterrain schlafen.)