67Tagebuch 31. XII. 1962 – 31. XII. 1963 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Fr 23. VIII. 1963

Gegen Mittag gehe ich wieder die Landstraße ins Dorf hinein. Auf einmal kommt Annemarie im Auto. (Sie hat Einkäufe für uns gemacht. – Ich sitze mit ihr im Garten. Ich sage ihr noch mehr über die Einsichten aus meiner Analyse und meine Angst vor dem Heiraten; das Hinausschieben der Karriere, Vater Schöndubes Missbilligung; Scholz, Reichenbach und Schlick; der Wiener Kreis. – Bei Tisch mit Ina nochmal über Analyse; ich glaube heute, wenn ich damals schon Therapie 🕮 genommen hätte, wäre trotz unserer Unterschiede die Ehe vielleicht bestehen geblieben; und später eine Ehe mit Maue möglich gewesen; und später Kinder mit Ina möglich gewesen.) – Nach dem Essen sitzen wir noch etwas zusammen. Dann muss Annemarie abfahren. (Beim Hinausgehen im Garten sagt sie: „Papa, ich danke Dir so sehr.“ Ich: „warum“; sie: „weil Du so ein lieber Mensch bist“. Es bewegt mich sehr. Ich sage, wieviel Freude mir das Zusammensein mit ihr und Annette gemacht hat. Auf einmal muss sie weinen. Ich lege den Arm um sie und sage: Es ist gut, dass man manchmal weint, man soll es nicht unterdrücken, und vielleicht sehen wir uns bald wieder.) Dann fährt sie ab. Nachher hat auch Ina Tränen.