67Tagebuch 31. XII. 1962 – 31. XII. 1963 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag So 11. VIII. 1963

Vormittags ist es sonnig, ich sitze mit Annemarie (im Gartenhaus auf der Schaukel, mit Blick auf Teich und Haus. Ich frage nach Beziehung mit Kühn. Sie scheint zufrieden damit, wie es ist. Er hat große Scheu vor Heirat. Und sie müsste dann nach Düsseldorf ziehen, was sie nicht mag. KonenKühn oder Konen? trinkt zu viel, und das kommt aus inneren Schwierigkeiten. Auf meine Frage sagt sie, er will keine Psychotherapie; das ist ihm zu theoretisch und künstlich. Ich erzähle von Morris’ Bedenken, dass dann die schöpferische Quelle versiegt. Dann erzähle ich von meiner 🕮 Therapie; dass das Ziel nicht ist, den Menschen in einen anderen Typ zu verwandeln, sondern die Hemmungen zu beseitigen, sodass das, was in einem selbst steckt, herauskommen kann. Die stärkeren Gefühle bei Musik und Blumen; auch Sex wieder. – Aber ich habe Zweifel, ob Konen dafür zugänglich wäre; er ist jetzt 58, 13 Jahre älter als Annemarie.) – Lunch mit der Senora. (Ich sage ihr, dass man fühlt, wie sie das Haus und den Garten und alles im Haus mit Liebe gemacht hat; sie freut sich darüber.) – Nachmittags fährt Annemarie uns zu Diederichsens. (Dort sind wir 3 ½ – 7 ½. Nettes Esszimmer und Wohnzimmer; dazwischen Kamin und Büchergestelle. Sven sehe ich jetzt zum ersten Mal wieder. Wir sprechen auch über politische Fragen, obwohl Walter sagt, wir sollten lieber nicht in sowas geraten. Ich sage dagegen, dass ich gern die Meinungen Anderer höre, auch wenn sie nicht mit meinen übereinstimmen. Ich sage, es wäre am besten gewesen, Deutschland neutral und entwaffnet zu halten; dann wäre auch Wiedervereinigung möglich gewesen; jetzt sei sie unmöglich. Walter sagt, Deutschland hatte das natürliche Bestreben, wieder unabhängig zu werden, und dann auch Waffen zu haben. Sven sagt, wenn er im Radio die eine Seite hört, stimmt er zu; und wenn dann ein Anderer für andere Seite spricht, findet er das auch überzeugend. – Grete zeigt mir den Artikel über mich im großen Brockhaus; kurz, aber erstaunlich korrekt und verständig, Pr wird genannt; und Hinweise auf Artikel „Logische Syntax“, wo mein Buch als einziges genannt wird, und „Semantik“, wo Semantik und M&N genannt werden; dabei kommen sogar logische Formeln vor. – Später sehen wir Projektion von Farbaufnahmen; von ihrer kürzlichen Reise nach dem Isthums24https://en.wikipedia.org/wiki/Isthmus_of_Tehuantepec; dann von Annemaries Haus und den schönen Ausblicken.) 🕮 Walter bietet mehrmals an, uns nach Hause zu fahren; aber ich bestehe darauf, dass er zu Hause bleiben soll. Er fährt uns zu einem Taxistand, (und macht mit dem Fahrer den Preis aus: 15, und 2 Tip. Er fährt durch mehr ländliche Straßen als Annemarie, die die größeren, schnelleren ausgesucht hat. Wir reden mit ihm, und Ina erkennt zuletzt einige Merkmale, und so finden wir im Dunkeln das Haus.) Ich bin müde, aber nicht zu sehr. Wir haben noch Abendbrot am Tisch (Librada ist sonntags aus.). (Kleines Nembutal, gut geschlafen.)