61Tagebuch 4. III. 1959 – 17. XII. 1959 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Do 23. IV. 1959

Mit Chacha im Wohnzimmer. (Sie liest mir Annes Brief an Küstermanns vor. Dann spielt sie Platte von Bachs Konzert für 2 Violinen mit Oistrach Vater und Sohn, von Deutsche Grammofongesellschaft; sehr guter Ton. Beim langsamen Satz kommen mir sehr die Tränen; beim letzten Satz „tanze“ ich für mich in der Ecke an der Eingangstür. Dann erzähle ich, wie gut mir die Musik getan hat in den schwierigen Zeiten.) – 11-1 wir fahren mit Grete zu Helgas Haus (das Baby ist dabei, die anderen sind in der Schule. Mein Rücken wird müde, weil ich mich für das Milchglas immer so weit beugen muss. Nachher im Auto müde. Zu Hause hingelegt; etwas jittery; ½ Miltown. Mittagessen (ohne Sven).) Brief von Ina: Angebot von Tarski (für spring semester 1960. Er glaubt, dann sei ich schon pensioniert. Ina hat schon Antwortbrief aufgesetzt, aber dann doch nicht abgeschickt.) Nachmittags im Bett geblieben. 5-8 mit Chacha geplaudert. (Über die Periode unserer Ehe, von der Zeit in Davos. Da habe ich sie zum ersten Mal sexuell erweckt, und die 🕮 Sexualbeziehung war sehr beglückend gewesen. Sie erzählt, sie habe dann oder ein andermal gesagt, sie wäre bereit, Broder aufzugeben, wenn ich Maue aufgeben würde. Aber ich habe nicht gewollt. Grete kommt; sie erzählt, wie ich nachts ChachacOriginal Ina. zu Broder begleitet und dann dort in der Gegend unendlich auf und ab marschiert gegangen sei. Ich habe während jener Zeit immer deprimiert ausgesehen, und das hat ihr so leid getan. Sie sagt, nachdem ich mit Eva und Sonja Beziehungen hatte, hatte ich beiderseits Freiheit erklärt, und die habe sie dann auch ausgeübt.) Abendessen. Nachher versucht Walter vergeblich unzählige Male das Telegrafenamt anzurufen, weil ich Ina einen Nachtbrief schicken will; es gelingt nicht! Abends Chacha noch ein wenig bei mir. (Über Frau Martin wohnt noch in Günterstal; sie sind nahe befreundet.) – Ich frage Sven, ob wir mal miteinander sprechen können; er: ja; aber es geht anscheinend nur Samstagnachmittag. – Spät Chacha auf meinen Wunsch noch ein wenig bei mir: (Wir überlegen, falls ich nach Deutschland käme, ob ich ein Treffen zu machen könnte, wo alle hinkommen, z.B. Elmau oder Freiburg, ich in Annemaries Haus, die anderen in einer Pension in Herdern. Sie meint, das sei aber doch eine Belastung für Annemarie.)

Walter macht vergeblich zahlreiche Versuche, das Telegraphenamt anzurufen, um einen Nachtbrief an Ina aufzugeben (wegen Berkeley). Schließlich geben wir es auf.