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Zu den Editionsprinzipien und Gestaltungsrichtlinien siehe den Editorischen Anhang A von Band 1 dieser Ausgabe.
Die folgenden Ausführungen sind jedem Band dieser Edition beigefügt, da es sich um grundlegende Informationen zur Überlieferung, Transkription und Textauswahl handelt.
Wie die Tagebücher Carnaps den Weg in seinen Nachlassbestand fanden, lässt sich nur indirekt rekonstruieren: Schriftliche Bemerkungen darüber bei Carnap selbst fehlen. Carnaps privater Besitz hat bis zur endgültigen Ansiedlung in Los Angeles im Jahr 1954, aus der dann der Nachlassbestand in Pittsburgh hervorging, in dem sich die Tagebücher finden, mehrere Umzüge mitgemacht: von Barmen nach Jena (1909), von Jena nach Wiesneck (1919), von Wiesneck nach Wien (1926), dann nach Prag (1931), nach Chicago (1935), nach Princeton (1952). Carnap hat bei diesen Umzügen Teile des vorhandenen Materials an Büchern und Schriften zurückgelassen. Das Tagebuchmaterial scheint er aber stets als Ganzes aufbewahrt zu haben. Er hat auch Anstrengungen unternommen, die einzelnen Teile zu sortieren, so etwa bei dem hier edierten Material durch eine Nummerierung einiger Tagebuchteile, die mit TB 10, also dem „Kriegstagebuch“, als Nr. 1 beginnt und bis TB 23 (Nr. 13) fortgeführt wird. Die Nummerierung wurde von Carnap aber auch auf die davor liegenden Konvolute TB 6 bis TB 9 (Nr. \(-\)3, \(-\)2, \(-\)1‚ 0) ausgedehnt, nicht jedoch auf die früheren und späteren Konvolute. Die genaue Bedeutung dieser Nummerierung ist unklar. Vermuten könnte man, dass zum Zeitpunkt der Nummerierung das Tagebuch für Carnap mit dem Kriegstagebuch erst richtig begann. Man sollte diese Interpretation aber nicht überstrapazieren, da die Nummerierung offensichtlich vorwiegend organisatorischen Charakter hat.
Bei der Ordnung seines Nachlasses hat Carnap zunächst 1968 einen Teil seiner persönlichen Dokumente als Vorlass an die UCLA übergeben. Dabei handelte
Es gibt keine Indizien dafür, dass Carnap selbst Teile seines Nachlasses unter Verschluss halten oder von einer Publikation ausschließen wollte. Namentlich die Tagebücher hat Carnap selbst wohl aufgrund ihres Wertes als historisches Zeugnis, gemeinsam mit der Langfassung seiner Autobiografie, zumindest als forschungsrelevant betrachtet. Bei der Etablierung des Pittsburgher Bestandes wurden dennoch zunächst auf Betreiben der Familie Carnaps Teile des Bestandes für die Forschung gesperrt. Der Grund dafür war wohl, dass die Familie zunächst zögerte, intime Details im privaten Teil des Nachlasses öffentlich sichtbar zu machen. Diese gesperrten Teile umfassten daher vor allem die Tagebücher und den privaten Briefwechsel. Trotz dieser Restriktionen wurde bereits in den 1980er-Jahren ein Teil der Tagebücher von Karl H. Müller (Wien) in Pittsburgh eingesehen und – allerdings ohne Erlaubnis durch die Verantwortlichen – im Auszug transkribiert (im Folgenden Müller-Transkription genannt). Diese Transkriptionen umfassen auf 403 maschinschriftlichen Seiten die Zeit zwischen Juli 1927 und Juni 1933, wobei vom Transkriptor als unwichtig befundene Passagen weggelassen wurden. Namen wurden in der Müller-Transkription durchwegs in den von Carnap verwendeten Kurzschreibweisen belassen, phonetisch geschriebene Namen wurden häufig unkorrekt transkribiert (vgl. Abschnitt ). Trotz dieser Mängel fungierte die Müller-Transkription für Jahrzehnte als wichtige Grundlage der Forschung zur Philosophie Carnaps und des Wiener Kreises.
Etwa um das Jahr 2000 herum wurden dann die Restriktionen des Carnap-Nachlasses gelockert und es konnten Passagen der Tagebücher auf Benutzeranfrage hin transkribiert werden, wobei Passagen mit privatem Charakter geschwärzt werden mussten. Diese von Jerry Heverly und Brigitta Arden erstellten Transkriptionen dienten beispielsweise als wichtige Quelle für die Gödel-
In Carnaps Gesamtwerk spielen die in Kurzschrift verfassten Texte eine besondere Rolle. Fast alle von Carnap publizierten Texte wurden zunächst in kurzschriftlicher Form ausgearbeitet, um erst in einem zweiten Schritt handschriftlich ab den frühen 1920er-Jahren maschinenschriftlich für den Druck vorbereitet zu werden. Auch die unpubliziert gebliebenen Texte Carnaps sind überwiegend in Kurzschrift verfasst. Das gilt für zahlreiche Manuskripte, die aus verschiedenen Gründen nicht bis zur Publikation weiterverfolgt wurden. Es gilt für Carnaps Ausarbeitungen von Vorlesungen und Vorträgen, gelegentlich auch für zu Archivzwecken erstellte Abschriften von Briefen und anderen Texten. Es gilt vor allem aber für die hier edierten Tagebücher und die in ihrem Umfeld verfassten Gesprächsnotizen und Leselisten.
Bemerkenswert ist diese Praxis der Verwendung von Kurzschrift zunächst in einem linguistisch-orthografischen Sinn. Kurzschrift erzeugt einen orthografisch neutralen Text, indem sie dem Prinzip der phonetischen Reproduktion eines Textes folgt. (Aus diesem Grund werden die kurschriftlich verfassten Texte Carnaps hier auch in die sogenannte neue, heute übliche Rechtschreibung übertragen.) Kurzschrift ist daher auch sehr stark an die Lautbildung der Sprache, für die sie intendiert ist, gebunden, im Fall Carnaps die deutsche Sprache. Gelegentlich eingestreute englische Ausdrücke werden von Carnap phonetisch in die Kurzschrift übertragen oder langschriftlich notiert.
Bei Carnap ist die Verwendung von Kurzschrift aber aus einem zweiten Grund bemerkenswert, nämlich dem, dass er 1935 in die USA emigriert ist und sich seither privat und öffentlich überwiegend in der englischen Sprache artikuliert hat. Diese Konversion war sehr weitgehend. So sprach man zu Hause (obwohl Carnaps Frau Ina gebürtige Österreicherin, also nativ deutschsprachig war) hauptsächlich Englisch und auch die Korrespondenz mit aus Deutschland und Österreich stammenden Freunden und Kollegen wie Neurath, Feigl, Hempel erfolgte ab etwa 1940 überwiegend auf Englisch. Carnap, der 1942 die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm, entwickelte ein Selbstbild als Amerikaner und Vertreter einer amerikanischen Philosophie und Denkweise und er blieb diesem Selbstbild bis zum Ende seines Lebens treu, auch wenn er Mitte der 1960er-Jahre, nach dem Selbstmord seiner Frau Ina, kurz überlegt hatte, dauerhaft nach Deutschland zurück zu kehren.
Seit den 1940er-Jahren war Carnap ein sich als Teil der amerikanischen Kultur verstehender Philosoph, der sich von seinen deutschen Wurzeln distanzierte und nach 1945 nur mit profundem Misstrauen die Wiederannäherung an seine Familie und die in der NS-Zeit in Deutschland verbliebenen alten Freunde betrieb. Das macht es umso erstaunlicher, dass diese kulturelle Konversion sich eben nicht auf die Sprache ausgedehnt hat, in der Carnap seine Texte (mit Ausnahme der Korrespondenz) formulierte. Bis zu seinem Tod konzipierte Carnap seine Schriften – die meisten Manuskripte und alle Tagebücher – in Kurzschrift und also in der deutschen Sprache, wenn auch mit gelegentlichen englischen Einsprengseln. Für die Publikation vorzubereitende Texte wurden aus dem deutschsprachigen kurzschriftlichen Original in einen englischsprachigen maschinenschriftlichen Text übertragen. Seit den 1950er-Jahren hat Carnap dafür meist die Übersetzung zunächst auf Band gesprochen. Der maschinenschriftliche Text wurde dann in den meisten Fällen von Ina Carnap erstellt und dabei auch korrigiert. Diese englischen Übersetzungen wurden schließlich noch von Dritten – etwa Herbert Feigl, Carl Gustav Hempel oder Maria Reichenbach – weiter korrigiert und inhaltlich kritisiert.
Trotz seiner Identifikation mit der amerikanischen Kultur ist Carnap also im Wesentlichen ein deutschsprachiger Autor geblieben. Ein Grund dafür mag darin gelegen haben, dass Carnap bis zu seinem Lebensende kein idiomatisches Englisch erworben hat. Seine englischen Texte sind grammatikalisch fehlerhaft geblieben und waren daher immer korrekturbedürftig. Carnap hat sich bei der Formulierung seiner Gedanken in der Muttersprache wohler gefühlt und sich daher, jenseits der kulturellen Konversion, für die private Verwendung des Deutschen entschieden.
Eine Konsequenz der Verwendung von Kurzschrift war, dass Carnaps durchwegs auf Englisch erschienene Texte für die Publikation zunächst übersetzt werden mussten. Sind die publizierten Texte Carnaps also ab der Mitte der 1930er-Jahre mit wenigen Ausnahmen das Produkt einer Übersetzung (durch Rudolf und Ina Carnap) plus einer sprachlichen Bearbeitung durch Dritte, so repräsentieren nur die kurzschriftlichen Texte den Charakter einer die Produktion von Carnaps Gedanken authentisch repräsentierenden Rede. Das muss nicht bedeuten, dass Carnaps Gedanken in den kurzschriftlichen Originalen automatisch besser artikuliert sind. Im Gegenteil beinhaltet ja der Prozess der Übersetzung und Bearbeitung durch Dritte auch die Möglichkeit des Überdenkens, Kommentierens, Diskutierens und Optimierens. Ina Carnap und erst recht Hempel, Feigl und Maria Reichenbach haben in diesem Prozess nie nur sprachliche Korrekturen vorgenommen, sondern immer auch inhaltliche Kritik einfließen lassen. Existiert also ein autorisierter englischer Text, so kann davon ausgegangen werden,
Dass Carnap selbst ebenfalls dieser Ansicht gewesen ist, lässt sich auch an seiner durchwegs geübten Praxis ablesen, die diversen Vorstufen (kurzschriftlicher, handschriftlicher, maschinenschriftlicher Natur) zu vernichten, sobald ein Text einmal publiziert war. So fehlen diese Vorstufen mit ganz wenigen Ausnahmen für alle von Carnap jemals publizierten Bücher und Aufsätze. Carnap, der jenseits davon ein akribischer und häufig pedantischer Archivierer gewesen ist, hat hier bewusst die publizierte Endfassung als authentischen Ausdruck seiner Gedanken dadurch hervorgehoben, dass er alle diese Funktion tendenziell nicht erfüllenden Vorstufen vernichtet hat. Umso bemerkenswerter sind daher die wenigen Ausnahmen von dieser Regel, die sich im Nachlass finden. Wichtigstes Beispiel dafür ist die Autobiografie Carnaps.
Carnap hat also im Fall seiner Autobiografie die Vorfassungen aufbewahrt, weil er der Auffassung war, dass durch die für den Schilpp Volume erforderlichen Kürzungen wichtige Teile verloren gegangen waren: Er plante sogar, eine eventuelle Publikation einer Langfassung selbst durchzuführen (wozu es aber nicht mehr kam). Diese Langfassung wäre wohl auf Englisch erschienen, befindet sich die entsprechende Notiz doch am Beginn der gestrichenen Teile des englischsprachigen Typoskripts. Carnap hat aber eben auch die kurzschriftliche Fassung entgegen seiner sonstigen Praxis aufbewahrt. Und er hat dies offenbar nicht nur für die eigene Referenz getan (zur Unterstützung der Erstellung einer englischspra
Die Autobiografie ist ihrerseits weitgehend ein Destillat der Tagebücher und der Texte in deren Umfeld. Informationen aus der Autobiografie können direkt zu den Tagebüchern zurückverfolgt werden. Andererseits aber dient die Autobiografie auch der Ergänzung der Tagebücher, indem sie dort nicht vorhandene Informationen hinzufügt, etwa zu Carnaps familiärem Hintergrund, aber auch zu den unterschiedlichen Kollektiven, in denen er sich bewegt hat sowie, nicht zuletzt, zu den inhaltlichen Details seiner Philosophie. Die Tagebücher und die Autobiografie (plus weitere verwandte Texte: die Lektürelisten und Gesprächsprotokolle) bilden eine von Carnap intendierte inhaltliche Einheit. Die Texte unterscheiden sich grundlegend von seinen philosophischen Schriften und stehen dennoch in einer engen Beziehung zu ihnen (siehe Teil B der Einleitung zu Band 1 dieser Edition). Sie haben einen eigenständigen Charakter als biografische, philosophie- und kulturhistorische Dokumente und sollen deshalb in dieser Edition in einer eigenen Abteilung zusammengefasst werden.
Carnap verwendete zur Niederschrift der Tagebücher und der meisten seiner Manuskripte die zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland verbreitete Kurzschrift des Systems Stolze-Schrey.
Die so skizzierte Struktur von Carnaps Kurzschrift wirft Probleme für die Transkription auf. Erstens sind die Symbole der Kurzschrift durchwegs sehr sparsam und zur Minimierung des Schreibaufwandes einfacher als die Buchstaben des lateinischen Alphabetes gehalten. Aus diesem Grund sind manche Zeichen schwer voneinander zu unterscheiden. Hinzu tritt, dass die bestimmte Buchstaben und Lautfolgen symbolisierenden Hoch- und Tiefstellungen sowie unterschiedliche Strichlängen und -dicken oft nicht leicht zu erkennen sind: Prädikate wie „hoch“, „tief“, „kurz“, „lang“, „dick“ oder „dünn“ sind durchaus unscharf und daher in vielen Fällen für die Transkribierenden schwer bis gar nicht eindeutig zuzuordnen. Auch eine Kurzschrift, die, wie dies bei Carnap (zumindest in den früheren Jahren) der Fall ist, sehr präzise notiert ist, wirft ungleich größere Transkriptionsprobleme auf als eine Langschrift von vergleichbarer Qualität. Zweitens führen ad hoc eingeführte Kurzschreibweisen zu Transkriptionsproblemen. Sie erfordern eine eingehende Lektüre des umliegenden Textes und können oft nur tentativ aufgelöst werden. Transkription von Kurzschrift ist eine hermeneutische Herausforderung. Das heißt, es ist für eine erfolgreiche Transkription unerlässlich, mit dem historischen, biografischen und fachlichen Kontext eines Textes vertraut zu sein und den Text sinnerfassend in diesem Kontext zu lesen. Viele Textbestandteile können nur unter Zuhilfenahme von umfangreichen Hintergrundinformationen interpretiert und korrekt transkribiert werden.
Die für diese Edition von Brigitta Arden und Brigitte Parakenings erstellte Transkription profitierte von deren jahrelangen Erfahrungen mit Carnaps kurzschriftlichen Texten und ihren einschlägigen biografischen und historischen Kenntnissen. Die Transkriptionen wurden dann vom Herausgeber gemeinsam mit Lois M. Rendl und Roman Jordan in \(\mathsf{\LaTeX}\)konvertiert und textkritisch bearbeitet, wobei bei diesem Teil des Prozesses bei den Bänden 1 und 2 vor allem die Arbeit von Lois M. Rendl von Bedeutung war, der in intensivem Austausch mit Brigitte Parakenings die privaten und beruflichen Netzwerke Carnaps erschloss. Nach der Erstellung der Apparate wurde der gesamte Text von Arden und Parakenings nochmal mit den Originalen verglichen. Viele problematische Stellen, die noch in der Müller-Transkription unkorrekt oder unvollständig wiedergegeben waren, konnten so am Ende korrekt transkribiert bzw. ergänzt werden.
Zwei Szenarien sind hier zu erwähnen: erstens die Entschlüsselung von schwer lesbaren Namen und Begriffen. Dass Namen und technische (vor allem fremdsprachliche) Begriffe häufig schwer lesbar sind, liegt daran, dass sie in der Kurzschrift entweder buchstabengetreu oder phonetisch reproduziert werden können. Carnap wendet beide Techniken an. So transkribiert er etwa „Lunch“ oder „Princeton“ buchstabengetreu, hingegen „shower“ (ksl. „Schauer“) und „Office“ (ksl. „Offis“) phonetisch. Schwer transkribierbar werden Carnaps Texte in der Emigration auch dadurch, dass er künstliche Mischformen aus Deutsch und Englisch verwendet, wie beispielsweise „gemifft“ (aus dem englischen Wort „miff“, hier also etwa in der Bedeutung von „verärgert“). Diese Merkmale in Kombination mit den oben erwähnten Charakteristika der Kurzschrift führen dazu, dass vor allem Namen (und in den späteren Tagebüchern auch fremdsprachliche Ausdrücke) überdurchschnittlich häufig ein Problem für die Transkription darstellen. Besitzt man jedoch spezifische Informationen über Personen, die Carnap in einem bestimmten Kontext begegnet sein könnten, so kann man diese Informationen mit möglichen Lesarten einer problematischen Kurzschriftstelle abgleichen und so die Anzahl möglicher Interpretationen reduzieren; im Idealfall ergibt sich eine einzige Lesart als die mit hoher Sicherheit richtige. Konnte der Interpretationsspielraum bei einem schwer lesbaren Namen oder Begriff derart eingegrenzt werden, dass sich eine einzige Lesart aufdrängt, so wird diese stillschweigend angenommen. Nur in solchen Fällen, wo es mehrere Lesarten gibt oder die einzige gefundene immer noch als unsicher eingestuft wurde, werden entsprechende Hinweise im textkritischen Apparat gegeben: Text wird als
Zweitens die Verwendung von kurzschriftlichen Abkürzungen. Carnap kürzt nicht nur Begriffe („Off“ für „Offizier“) in der Kurzschrift durch verkürzte Schreibweisen ab, sondern auch und vor allem Personennamen. So schreibt er einen neu auftretenden Namen nur beim ersten Vorkommen aus (in etwa der Hälfte der Fälle wegen der besseren Lesbarkeit sogar langschriftlich) und kürzt diesen dann in allen folgenden Stellen ab, etwa durch Verwendung des Anfangsbuchstabens oder der ersten Silbe des Namens. Diese Kurzschreibweisen werden von Carnap gelegentlich über Jahrzehnte verwendet („Eli“ für „Elisabeth“). Sie werden hier stillschweigend aufgelöst, es sei denn, sie erweisen sich als mehrdeutig (in diesem Fall wird eine erläuternde Fußnote gesetzt). Diese Perspektive der Transkription ergibt sich aus einer genauen durchgehenden Textlektüre, die jede Passage immer im Kontext des umliegenden Textes liest, fast von selbst. Sie ist für die Sinnerfassung des Textes dennoch von grundlegender Bedeutung, wie folgendes Beispiel illustriert.
Am 23. III. 1929 traf Carnap im Umfeld der Davoser Hochschultage den Journalisten Hermann Herrigel. Carnap schrieb den Namen „Herrigel“ an diesem Tag aus, kürzte ihn aber bei den weiteren Begegnungen am 30. III. und 3. IV. mit „H“ ab. Allerdings erwähnte Carnap bei seinem Bericht über die Davoser Hochschultage auch mehrfach Martin Heidegger, dessen Vorträge er hörte, den er aber persönlich nicht sprach.
In dieser Edition wurden kurzschriftliche Kurzschreibweisen im Stil von „H“ für Herrigel oder „Off“ für „Offizier“ stillschweigend ergänzt, sobald die Herausgeber die Lesart als gesichert betrachtet haben. Die Ergänzungen mussten stillschweigend erfolgen, um eine Aufblähung des textkritischen Apparates und einen daraus resultierenden unübersichtlichen Text zu vermeiden. Nur in den Fällen, wo die Lesart der Herausgeber als nicht völlig gesichert angesehen wurde, ist die Ergänzung textkritisch als solche gekennzeichnet.
Carnaps Nachlass enthält, neben den Tagebüchern, eine Reihe von weiteren chronologischen Aufzeichnungen: Taschenkalender, finanzielle Aufzeichnungen sowie diverse Listen über geschriebene Briefe, gekaufte Bücher, gelesene Bücher und Gesprächsprotokolle. Bei dieser Edition wurde versucht, diejenigen chronologischen Aufzeichnungen Carnaps zu erfassen, die von unmittelbarem Wert als historische und biografische Dokumente sind. Unberücksichtigt blieben daher etwa die Taschenkalender, die Listen über Ein- und Ausgaben, Einkäufe, Briefein- und -ausgänge, weil diese Informationen zwar indirekt relevant sein könnten, für die Erschließung von biografischen Details aber für sich genommen keinen dokumentarischen oder historischen Wert besitzen. Hingegen wurden die Gesprächsprotokolle Carnaps und auch seine Lektürelisten als wichtige die Tagebücher ergänzende Dokumente identifiziert, zumal Carnap diese Dokumente offensichtlich selbst zur Ergänzung und Entlastung der Tagebücher erstellt hat. Diese beiden Textsorten werden getrennt von den Tagebüchern mitediert, die Leselisten im Anhang der jeweiligen Bände, die Gesprächsprotokolle in einem Ergänzungsband, der auch die kurzschriftliche Urfassung von Carnaps Autobiografie enthalten wird (vgl. oben, Abschnitt ).
Bei den tagebuchartigen Aufzeichnungen Carnaps waren zum Teil Entscheidungen hinsichtlich der Abgrenzung zum Briefwechsel nötig. So können Briefe ihrerseits einen tagebuchartigen Charakter annehmen, zumal dann wenn sie über mehrere Tage verfasst werden und Ereignisse chronologisch protokollieren. Als Abgrenzungskriterium diente hier die Frage, ob solche Aufzeichnungen (nur) als an den Adressaten geschicktes (und daher bei Carnap durchwegs langschriftlich verfasstes) Briefdokument vorliegen oder aber (auch) in der Gestalt von chronologisch angeordneten kurzschriftlichen Abschriften. Ist Letzteres der Fall, dann wird dieses Material als Tagebuch identifiziert, ansonsten bleibt es dem Briefwechsel vorbehalten (und einer Erfassung in den einschlägigen Teilen dieser Nachlassedition). So wurden die Tilly-Briefe (TB 3 = TBT) in diese Edition aufgenommmen, weil sie exklusiv in Carnaps kurzschriftlicher und tagebuchartiger Abschrift vorliegen, während die Brieforiginale nicht erhalten sind. Nicht aufge
Die der Tagebuchedition zugeordneten Textkonvolute aus dem Nachlass von Carnap enthalten immer wieder auch Passagen mit Inhalten, die nicht den oben beschriebenen Kriterien genügen: Beispielweise sind finanzielle Aufzeichnungen eingestreut, Namens- oder Adresslisten. Solche nicht tagebuchartigen Inhalte werden nicht mitediert, es wird aber im textkritischen Apparat auf diese Inhalte verwiesen.
Die hier edierten Tagebuchteile setzen zunächst, von Mai 1920 bis Juli 1922 (TB 22–23), das von Carnap auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit verwendete kalenderartige Format fort (vgl. Faksimile ), in dem in vorgeschriebenen Datumszeilen ein sehr begrenzter Raum für einen Tageseintrag besteht. Die in (TB 22) noch zu findende Funktion als Terminkalender tritt in (TB 23) in den Hintergrund. In diesen ersten beiden Konvoluten finden noch die in Band 1 zu findenden Schreibmaterialien Verwendung: in (TB 22) linierte (10 \(\times \) 16 cm), in (TB 23) karierte (17 \(\times \) 11 cm) Heftblätter.
Ab August 1922 verwendet Carnap zur Niederschrift der Tagebücher Ringmappen mit normierten Einlegeblättern (Organizer-Format). Zunächst sind dies Blätter mit zwei Löchern im sehr kleinen Format 11 \(\times \) 8 cm, dann, ab Juli 1927, die Blätter mit sechs Löchern im Format 15‚2 \(\times \) 9 cm, die Carnap dann bis zu seinem Lebensende für die Niederschrift der Tagebücher verwendet (vgl. Faksimile u. ). Die neuen Formate lassen mehr Platz für einzelne Tageseinträge, was dem Umstand Rechnung trägt, dass die Tagebücher in dieser Zeit immer mehr den narrativen Ton übernehmen, der zuvor etwa schon in den Kriegstagebüchern zu finden ist.
Die hier edierten Tagebuchteile weisen nur am Anfang längere zeitliche Lücken auf. So setzt TB 22 am 2. V. 1922 fort, wo TB 21 am 22. X. 1919 endet, eine Lücke von über sechs Monaten also. In TB 22 ist eine längere Lücke zwischen dem 6. X. 1920 und dem 7. I. 1921 (92 Tage). Ob Carnap in der Zeit dieser Lücken kein Tagebuch geführt hat oder die Blätter des Tagebuchs verloren gegangen sind, lässt sich nicht rekonstruieren. Von Januar 1921 an liegt Carnaps Tagebuch durchgängig bis zu seinem Lebensende vor. Gelegentliche Lücken von jeweils wenigen Tagen lassen sich dadurch erklären, dass in diesen Tagen eben kein Tagebuch geführt wurde. Der überlieferte Bestand ist also, ab Januar 1921, zumindest für den hier edierten Zeitraum, vollständig: kein einziger Zettel der von Carnap verwendeten Ringmappen scheint verloren gegangen zu sein.
Die Leselisten aus dem hier edierten Zeitraum wurden von Carnap zwar, wie sich aus den Seitennummerierungen des vorhandenen Materials vermuten lässt, durchgängig geführt, es sind jedoch die Teile aus der wichtigen Zeit zwischen Mai 1924 und August 1928 leider nicht auffindbar gewesen. Wie vollständig Carnaps Leselisten im hier edierten Zeitraum sind, ist nicht völlig klar. In der Anfangsphase (bis 1924) scheint Carnap diese Listen noch sehr konsequent geführt zu haben, Lücken sind hier nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Später, nach der Übersiedlung nach Wien, sind die Leselisten signifikant weniger umfangreich. 1921 etwa enthält die Leseliste ca. 200 Einträge, von 1929 bis Ende 1935 sind es aber insgesamt weniger als 300 Einträge. Dieser Unterschied muss aber nicht darauf hindeuten, dass Carnap in dem späteren Zeitraum die Leselisten weniger konsequent geführt hat. 1921 war er noch Student und hat große Mengen an Literatur für seine Dissertation gesichtet, später war er als Privatdozent in Wien und Professor in Prag beruflich sehr beschäftigt und hatte weniger Zeit für die Lektüre.
Die folgende Übersicht gibt für alle hier abgedruckten Texte, anhand der im Inhaltsverzeichnis verwendeten Bezeichnung, die Provinienz im Carnap-Nachlass an, sowie den Zeitraum und die Anzahl der Textseiten im Original, die hier abgedruckte Inhalte enthalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei manchen Tagebuchteilen (Tagebuch 22 bis 27 sowie 35) Ausschnitte von Carnap später entnommen und an anderen Stellen abgelegt worden sind. Diese Ausschnitte werden in der Edition an den ursprünglichen Orten eingefügt, die folgende Tabelle gibt aber ihre Lage im Carnap-Nachlass wieder.
Name | Provenienz | Datum | S. | |
Tagebuch 22 [12] | RC 025‑03‑05 | 2. V. 1920 – 15. V. 1920 | 1 | |
RC 025‑75‑01 | 16. V. 1920 – 23. IV. 1921 | 19 | ||
Tagebuch 23 [13] | RC 025‑75‑02 | 24. IV. 1921 – 22. V. 1922 | 26 | |
RC 025‑03‑05 | 23. IV. 1922 – 6. V. 1922 | 1 | ||
RC 025‑75‑02 | 7. V. – 1. VII. 1922 | 5 | ||
RC 025‑90‑01 | 2. VII. 1922 – 29. VII. 1922 | 2 | ||
RC 025‑75‑02 | 30. VII. 1922 – 1. VIII. 1922 | 1 | ||
Tagebuch 24 | RC 025‑92‑04 | 1. VIII. 1922 – 5. IX. 1922 | 18 | |
RC 025‑72‑01 | 6. IX. 1922 – 31. XII. 1922 | 22 | ||
Tagebuch 25 | RC 025‑72‑02 | 1. I. 1923 – 25. II. 1923 | 13 | |
RC 025‑92‑02 | 26. II. 1923 – 13. III. 1923 | 4 | ||
RC 025‑72‑02 | 14. III. 1923 – 8. V. 1923 | 20 | ||
RC 025‑07‑02 | 9. V. 1923 – 7. X. 1923 | 84 | ||
RC 025‑72‑02 | 8. X. 1923 – 5. I. 1924 | 32 | ||
Tagebuch 26 | RC 025‑72‑03 | 6. I. 1924 – 3. VIII. 1924 | 44 | |
RC 025‑92‑06 | 4. VIII. 1924 – 20. VIII. 1924 | 10 | ||
RC 025‑72‑03 | 21. VIII. 1924 – 31. XII. 1924 | 28 | ||
Tagebuch 27 | RC 025‑72‑04 | 1. I. 1925 – 25. VII. 1925 | 48 | |
RC 025‑92‑05 | 25. VII. 1925 – 7. VIII. 1925 | 6 | ||
RC 025‑72‑04 | 7. VIII. 1925 – 3. I. 1926 | 20 | ||
Tagebuch 28 | RC 025‑72‑05 | 3. I. 1926 – 31. XII. 1926 | 84 | |
Tagebuch 29 | RC 025‑72‑06 | 1. I. 1927 – 30. VI. 1927 | 58 | |
Tagebuch 30 | RC 025‑73‑01 | 1. VII. 1927 – 28. XII. 1927 | 26 | |
Tagebuch 31 | RC 025‑73‑02 | 30. XII. 1927 – 30. XII. 1928 | 48 | |
Tagebuch 32 | RC 025‑73‑03 | 30. XII. 1928 – 31. XII. 1929 | 76 | |
Tagebuch 33 | RC 025‑73‑04 | 31. XII. 1929 – 6. I. 1931 | 68 | |
Tagebuch 34 | RC 025‑73‑05 | 6. I. 1931 – 25. XII. 1931 | 46 | |
Tagebuch 35 | RC 025‑75‑10 | 26. XII. 1931 – 5. VII. 1932 | 18 | |
RC 025‑67‑01 | 5. VII. 1932 – 20. VII. 1932 | 4 | ||
RC 025‑75‑10 | 21. VII. 1932 – 6. XI. 1932 | 14 | ||
RC 025‑89‑01 | 7. XI. 1932 – 21. XI. 1932 | 8 | ||
RC 025‑75‑10 | 22. XI. 1932 – 31. XII. 1932 | 8 | ||
Tagebuch 36 | RC 025‑75‑11 | 1. I. 1933 – 8. I. 1934 | 40 | |
Tagebuch 37 | RC 025‑75‑12 | 9. I. 1934 – 8. I. 1935 | 74 | |
Tagebuch 38 | RC 025‑75‑13 | 8. I. 1935 – 15. XII. 1935 | 70 | |
Tagebuch 39 | RC 025‑82‑01 | 15. XII. 1935 – 31. XII. 1935 | 9 | |
Leselisten 1920 bis 1935 | [-1821] | RC 025‑03‑05 | Anfang 1920-VIII.1922 | 20 |
[-1914] | RC 025‑03‑05 | VIII.1922-V.1924 | 6 | |
[-2134] | RC 025‑03‑06 | VIII.1928-IV.1934 | 10 | |
[-2205] | RC 025‑02‑01 | V.1934-XII.1935 | 4 |
Die folgende Tabelle gibt Hinweise auf die Herkunft der im Abbildungsteil reproduzierten Fotografien. Bei den nur mit „RC“ bezeichneten Fotos konnten die Nachlasssignaturen bis Redaktionsschluss nicht ermittelt werden.
Nummer | Beschreibung | Provenienz |
Abbildung 1 | Rudolf Carnap, um 1922 | RC 023‑74‑11 |
Abbildung 2 | Haus der Carnaps in Wiesneck | RC 022‑52‑04 |
Abbildung 3 | Auf dem Gipfel des Ajusco | RC 022‑16‑03 |
Abbildung 4 | Familie Carnap bei der Gartenarbeit | RC 023‑72‑15 |
Abbildung 5 | Beim Segeln | RC 022‑64‑17 |
Abbildung 6 | Glaris | RC 022‑30‑01 |
Abbildung 7 | Glaris | RC 022‑30‑02 |
Abbildung 8 | Rio Bravo, Hamburg | RC 022‑65‑19 |
Abbildung 9 | Maue Gramm | RC 024‑41‑02 |
Abbildung 10 | Davos, Café | RC 022‑33‑20 |
Abbildung 11 | Davos, Skijöring | RC 022‑45‑16 |
Abbildung 12 | Davos, Februar 1928 | RC 022‑33‑26 |
Abbildung 13 | Lainzer Tiergarten | RC 024‑17‑30 |
Abbildung 14 | St. Märgen | RC 022‑60‑16 |
Abbildung 15 | Rheinfähre bei Waldshut | RC 022‑64‑10 |
Abbildung 16 | Rudolf Carnap, Foto Hellmuth Gall | RC 023‑35‑03 |
Abbildung 17 | Familie Carnap, Todtnauberg | RC 022‑64‑15 |
Abbildung 18 | Am Schluchsee | RC 022‑64‑13 |
Abbildung 19 | Rudolf Carnap, Passfoto | RC 022‑02‑07 |
Abbildung 20 | Ina Stöger, Foto Trude Fleischmann | RC 022‑27‑03 |
Abbildung 21 | Familie Carnap, Buchenbach | RC 023‑72‑10 |
Abbildung 22 | Im Auto mit Hellmuth Gall | RC 022‑58‑08 |
Abbildung 23 | Mit Buch, Foto Trude Fleischmann | RC 022‑02‑15A |
Abbildung 24 | Birgit Gramm | RC 024‑07‑04 |
Abbildung 25 | Gerhard Gramm | RC 024‑07‑07 |
Abbildung 26 | Keilberg, beim Schifahren | RC 022‑89‑01 |
Abbildung 27 | W. V. O. Quine in Prag | RC |
Abbildung 28 | Rudolf Carnap und Carl Gustav Hempel | RC 023‑71‑17 |
Abbildung 29 | Mit Hempel auf der Wiese | RC 022‑85‑09 |
Abbildung 30 | Rudolf Carnap in Prag | RC 022‑92‑07 |
Abbildung 31 | Rudolf Carnap und Hans Reichenbach | RC 022‑17‑01 |
Abbildung 32 | Kongress Prag 1934, Tischszene | RC 022‑17‑03 |
Abbildung 33 | Jørgen und Krista Jørgensen | RC 022‑17‑07 |
Abbildung 34 | Mit Alfred Tarski in Prag | RC 022‑17‑08 |
Abbildung 35 | Rudolf Carnap und Max Black | RC 023‑72‑04 |
Abbildung 36 | Rudolf und Ina Carnap, Eva Hempel | RC 023‑28‑29 |
Abbildung 37 | Herbert Feigl | RC 023‑71‑16 |
Abbildung 38 | Mit Joseph Henry Woodger | RC 023‑72‑12 |
Abbildung 39 | Hof der Sorbonne | RC 022‑138‑17 |
Abbildung 40 | Vorhalle der Sorbonne | RC 022‑138‑18 |
Abbildung 41 | Kongress Paris 1935, Foto von Karl Dürr | RC 022‑138‑16 |
Abbildung 42 | Heinrich Neider und Rudolf Carnap | RC 022‑138‑09 |
Abbildung 43 | Lustin, Bahnhof | RC 022‑138‑02 |
Abbildung 44 | Rudolf Carnap in Lustin | RC 022‑138‑12 |
Abbildung 45 | Lustin, Foto von Uuno Saarnio | RC 022‑138‑15 |
Abbildung 46 | Im Café Fenix, Foto von Maria Lutman | RC 022‑26‑01 |
Abbildung 47 | Rudolf Carnap, Foto von Francis Schmidt | RC 022‑27‑01 |