\tbtwoA{670} \diary{38}{8.\,I.\,1935\,--\,15.\,XII.\,1935} \ersteseite{538707} \tbentryllong{8}{1}{1935}{}\ort{Oberschreiberhau [Szklarska Por\c{e}ba Gorna]} \fnA{Fortsetzung des Satzes am Ende des vorigen Kapitels. Auf der Seite steht davor~\original{8.}.}ohne Ski. Zackelfallklamm\IO{Zackelfallklamm}; dann Hauptweg hinauf. \mbox{Viele} Hörnerschlitten kommen herunter, auch Rodel; sogar auch Skiläufer, wahnsinnig! Steil und abgefahren.{\tolerance1000\par} \tbentry{9}{1}{1935}{} \uline{Abfahrt} Jägerhüttenweg\IO{Jägerhüttenweg}, durch Wald zum Wosseckerweg\IO{Wosseckerweg}. Dort rät ein Mann, lieber zur Wosseckerbaude\IO{Wosseckerbaude} hinauf und den anderen Weg (Plachkammweg\IO{Plachkammweg}) hinunter. So tun wir; eine einsame Jüdin schließt sich uns an, fährt gut, steile Waldwege. Hinunter ins Mummelbachtal\IO{Mummelbachtal}. Dann sanft an diesem entlang hinab nach \uline{Harrachsdorf}\IO{Harrachsdorf}; wir warten den Autobus nicht ab, sondern auf Ski weiter zum Bahnhof\IO{Polaun!Bahnhof Polaun} Polaun\IO{Polaun}. Ab~16,36; mehrmals umsteigen und lange Aufenthalte. \uline{Prag}\IO{Prag} an~21,56.\ort{Prag [\hbox{Praha}]} Taxi. \tbentry{10}{1}{1935}{} 5~Vorlesung, 6\,\hbox{--}\,7\,\textonehalf{} Seminar. \tbentry{11}{1}{1935}{} Zeppelins\IN{\zeppelin} 1.~Teil der \uline{Übersetzung der Syntax}\IC{\logischesyntaxenglisch}; angefangen zu lesen. Nachmittags und abends \uline{Zetkin}\IN{\zetkin} und \uline{Bardenhewer}\IN{\bardenhewer} hier. \tbentry{12}{1}{1935}{} 11\,\hbox{--}\,1~Vorlesung; nur noch wenige Hörer. Ina\IN{\ina} Husten. Darum mittags nach Hause. \tbentry{13}{1}{1935}{} Zeppelins\IN{\zeppelin} Übersetzung der Syntax\IC{\logischesyntaxenglisch} gelesen. \tbentry{14}{1}{1935}{} 5\,\hbox{--}\,7~Vorlesung.\fnA{Es folgen zwei leere Einträge, beim 15.\,I.\,1935 das Symbol~\original{\kreis}.} %\tbentry{15}{1}{1935}{\kreis} %\tbentry{16}{1}{1935}{} \tbentry{17}{1}{1935}{Ina}\IN{\ina} 5~Vorlesung, 6~Seminar. 4\textsuperscript{h}~{Dr.~\uline{Alter}}\IN{\alter}; will Syntax der deutschen und der tschechischen Sprache untersuchen, auch der Dichtungssprache. \tbentry{18}{1}{1935}{} Entwurf für französischen Aufsatz\IC{\franzoesischeraufsatz}.\fnE{Vermutlich deutschsprachiger Entwurf von Carnap, ,,Les Concepts psychologiques et les concepts physiques sont-ils foncièrement différent``.} \tbentry{19}{1}{1935}{} 11\,\hbox{--}\,1~Vorlesung. %\tbentry{20}{1}{1935}{} \tbentry{21}{1}{1935}{} 5\,\hbox{--}\,7~Vorlesung.~\neueseite{538723} \tbmanyentries{\tbentry{22}{1}{1935}{}, \tbentry{23}{1}{1935}{\kreis}} Reichenbachs\IN{\reichenbach} Buch ,,Wahrscheinlichkeitstheorie``\IW{\reichenbachwahrscheinlichkeit} gelesen.\fnE{Reichenbach, \emph{Wahrscheinlichkeitslehre}.} %\tbentry{23}{1}{1935}{\kreis} %\textwh{Reichenbachs\IN{\reichenbach} Buch ,,Wahrscheinlichkeitstheorie``\IW{\reichenbachwahrscheinlichkeit} gelesen.} \tbentry{24}{1}{1935}{} 5\textsuperscript{h} Fakultätssitzung\II{\fakultaetssitzungprag}. Frank\IN{\frankphilipp} stellt Antrag auf ordentliche Professur für mich.\pagebreak \tbtwoA{671} %\tbentry{25}{1}{1935}{} \tbentry{26}{1}{1935}{} 11\,\hbox{--}\,1~Vorlesung. 3~Kino ,,Der Springer von Pontresina``. \textonehalf{}\,7\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,11 \uline{zu Franks}\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau}. Dort später auch \uline{Josef Winternitz}\IN{\winternitzbruder}. Über die Erklärung des Ergebnisses der Saarabstimmung\IO{Saar}.\fnE{Im Versailler Vertrag festgelegte Abstimmung über den zukünftigen Status des Saarlandes, das zunächst unter Völkerbundsmandat gestanden war. Bei der Abstimmung am~13.\,I.\,1935 stimmten 90,73\,\% für den Anschluss an Deutschland, 8,86\,\% für den Status quo und 0,4\,\% für den Anschluss an Frankreich. KPD, SPD und prominente Exilanten hatten dazu aufgefordert, für den Status quo zu stimmen. Vgl. Benz et~al., \emph{Enzyklopädie des Nationalsozialismus}, 773.} Über Sinowjew\IN{\sinowjew}. Winternitz\IN{\winternitzbruder} meint, dass die Verschwörung zwar nicht von ihm, aber von der von ihm gegründeten Gruppe ausgegangen sei.\fnE{Grigori Sinowjew war zunächst Mitstreiter Stalins, wurde aber aufgrund einer 1934 von Stalin konstruierten Verschwörung schließlich 1936 hingerichtet.} Winternitz\IN{\winternitzbruder} rechnet als Hauptkriegsgefahr den Plan Deutschlands\IO{Deutschland}, mit Polen\IO{Polen} gegen Russland\IO{Russland}. \tbentry{27}{1}{1935}{} Nachmittags \uline{Vo\v{c}adlo\IN{\vocadlo} und Frau hier}. Ina\IN{\ina} fragt ihn nach seinem politischen Standpunkt aus. Gemäßigter Pazifist, dabei gemäßigter Patriot und Demokrat; er glaubt nicht an faschistische Gefahr hier. \tbentry{28}{1}{1935}{} \uline{Dr.~Gutmann}\IN{\gutmanndr}. Rät: Nochmal Aspirin; und heiße \sout{T} Dusche auf die Schultern. 5\,\hbox{--}\,7~Vorlesung. Abends 8\,\textonequarter{}\,\hbox{--}\,9\,\textonehalf{} im Mozarteum\IO{Prag!Mozarteum Prag} \uline{Burians}\IN{\burian} Truppe \textit{D}\,35 ,,\textit{\uline{Vojna}}`` (Krieg),\fnE{Inszenierung der avantgardistischen Theatertruppe D\,35 von Emil František Burian.} 6 Szenen aus Volksliedern, Tänze usw.: Bauernkarneval, Hochzeit, Krieg, Soldaten. Moderner russischer Stil; in der Wirkung antimilitaristisch; packend. \tbentry{29}{1}{1935}{\kreis} \uline{Aufsatz\IC{\franzoesischeraufsatz} für Abel Rey}\IN{\abelrey} ausgearbeitet.\fnE{Vgl. TB~18.\,I.\,1935\diaryref{TB-18-I-1935}.} \tbentry{30}{1}{1935}{} Feigls\IN{\feigl} Aufsatz\IW{\feiglpsychophysischeprobleme} über psychophysische Probleme gelesen;\fnE{Herbert Feigl, ,,The Logical Analysis of the Psychophysical Problem``.} er tritt zu meiner Verwunderung entschieden für Physikalismus ein und erklärt ihn gut! \tbentry{31}{1}{1935}{} \textonehalf{}\,5\textsuperscript{h}: 2 Kolloquien Mengenlehre. 5\textsuperscript{h}~Vorlesung (erst~2, dann 4~Hörer), 6\textsuperscript{h} Seminar (nur Schwarz\IN{\schwarzstudent}, Reach\IN{\reach}, Palauschek\IN{\palauschek}). 8\textsuperscript{h}~in der tschechischen Universität\II{Tschechische Universität Prag}: Vortrag von \uline{Lévy-Bruhl}\IN{\levybruhl} ,,\textit{La recherche sociologique: les rapports de la science pure et de la science appliqu\'{e}e}``. Theorie der Moral als empirischer Wissenschaft, von der philosophischen Moral so unterschieden, wie die heutige Physik von der des Aristoteles\IN{\aristoteles}, die keine Wissenschaft war, sondern Spekulation über Begriffe. \pagebreak Diese Moraltheorie könn\-\tbtwoA{672}te dann praktisch angewendet werden. \uline{Normative} Wissenschaft gibt es nicht. Kein prinzipieller Unterschied zwischen Sozial- und Naturwissenschaften.~\neueseite{538743} In der Diskussion sagt er, dass er nicht Comtist und Positivist sei; er gibt dann aber Frank\IN{\frankphilipp} zu, dass er Positivist im weiteren Sinne ist, wie das Wort bei uns (nicht in Frankreich\IO{Frankreich}) verstanden wird. Nachher mit ihm, Frank\IN{\frankphilipp}, R\'{a}dl\IN{\radl} und anderen in den Spele\v{c}-Klub\IO{Prag!Spele\v{c}-Klub}, bis nach~11. Er hat kein Durchreisevisum durch Deutschland\IO{Deutschland} bekommen, weil er an Versammlungen für Dimitrov\IN{\dimitrov} und Thälmann\IN{\thaelmann} teilgenommen hat! Heidegger\IN{\heidegger} lehnt er sehr ab; als ich sage, dass Bergson\IN{\bergson} nur graduell verschieden, nimmt er ihn doch in Schutz; subtile, auf Erfahrung beruhende Metaphysik.~-- R\'{a}dl\IN{\radl} ist erstaunt, als ich ihm den Unterschied zwischen Logistik und unserer Richtung klarmache; er fragt, ob wirklich die Mehrheit unserer Richtung links stehe.~-- Ich sage Levy-Bruhl\IN{\levybruhl} vom geplanten Pariser Kongress\II{\pariserkongress}. \tbentry{1}{2}{1935}{} Briefe. \tbentry{2}{2}{1935}{} 11\,\hbox{--}\,1~Vorlesung (9 \gestrunl\ Hörer). Mittags mit Frank\IN{\frankphilipp} und Ina\IN{\ina}. Nachmittags Kino\IO{Prag!Kino}, Rasmussens\IN{\rasmussen} Film ,,Polarjäger``, Grönlandeskimos, sehr aufschlussreich und schön.\fnE{Nach dem Drehbuch des Polarforschers Knud Rasmussen entstandener Film ,,Palos brudefærd`` (,,Palos Brautfahrt``).} Abends in der Kantgesellschaft\II{\kantgesellschaftprag} (Urania\II{\uraniaprag}\IO{Prag!Urania Prag}) \uline{Vortrag von Gomperz}\IN{\gomperz}: Zur Soziologie der Krise der Toleranz, ,,Cuius regio, illius opinio``\IW{\gomperzvortragprag}.\fnE{Publiziert als Gomperz, ,,\,,Cuius regio, illius opinio`\,``.} Geht aus von Mills\IN{\mill} Schrift über Freiheit\IW{\millfreiheit};\fnE{John Stuart Mill, \emph{On Liberty}.} erhebt Bedenken gegen die unbeschränkte Pressfreiheit, da sie missbraucht worden ist von Soldschreibern und Ignoranten. Schließlich soziologische Untersuchung: Möglichkeit der Gleichschaltung besonders durch Rundfunk; warum lässt man sich das gefallen? Weil der ganze Mittelstand in wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Staat; in diesem Punkt habe die materialistische Geschichtsauffassung recht, wenn auch nicht allgemein. Zukunft sieht trübe aus; unsicher; aber sicher die Alternative: Entweder es wird mal wieder wirtschaftlich unabhängige Existenzen im Mittelstand geben, oder es ist endgültig vorbei mit der Geistesfreiheit. \tbentry{3}{2}{1935}{} 1\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,4 wir beide zum Essen bei \uline{Professor Otto}\IN{\ottoprof}; dort auch: \uline{Gomperz}\IN{\gomperz}, Kraus\IN{\krausoskar}, Utitz\IN{\utitz}, alle mit Frau\IN{\gomperzfrau}. Bei Tisch langweilig. Nachher Gespräch mit Gomperz\IN{\gomperz}; er stimmt mir zu, dass Mill\IN{\mill} fälschlich theoretische und praktische Fragen gleich behandelt; Kraus\IN{\krausoskar} kommt dazu und stört die Diskussion mit heftigen~\neueseite{538761} Einwänden. \gestrunl\ Gomperz\IN{\gomperz} erzählt, dass Zilsel\IN{\zilsel} in seinem Kreis\II{\gomperzzirkel} zweimal über meine Syntax\IC{\logischesyntax} referiert hat.\shortenpage \tbtwoA{673} \tbentry{4}{2}{1935}{} 5\,\hbox{--}\,7~Vorlesung. Doktor \uline{Hirano}\IN{\hirano} plötzlich da (außer ihm nur 2~Studenten!). Mit ihm kurz ins Fenix\IO{Prag!Fenix}. Er doziert Mathematik an der Hochschule für Naturwissenschaften\IO{Tokio!Hochschule für Naturwissenschaften} in Tokio\IO{Tokio}; war in Göttingen\IO{Göttingen} bei Weyl\IN{\weyl}, dann 1~Jahr in Wien\IO{Wien}, bei Hahn\IN{\hahnhans} und Menger\IN{\menger}; arbeitet jetzt hauptsächlich logische Grundlagen der Mathematik. Seine Frau\IN{\hiranofrau} ist Mathematikerin. Nagel\IN{\nagel} hat ihm Pension Fischer\IO{Prag!Pension Fischer} empfohlen. \tbentry{5}{2}{1935}{} 4\,\hbox{--}\,7 \uline{Hirano}\IN{\hirano} hier. Über einige logische Probleme. %\tbentry{6}{2}{1935}{} \tbentry{7}{2}{1935}{} 5~Vorlesung (dabei Hirano\IN{\hirano} und Frau und zuerst 1, später noch 2~Studenten); 6~Seminar (dabei \textwh{Hirano\IN{\hirano} und Frau}, und 3~Studenten). \tbentry{8}{2}{1935}{} \textonehalf{}\,11\,\hbox{--}\,3 \uline{Hirano\IN{\hirano} und Frau} hier. Über Japan\IO{Japan}. Er ist sehr für internationale \uline{Hilfssprache}. Viele in Japan\IO{Japan} lernten Esperanto (er auch früher mal); \gestrunl\ wir erzählen ihm über Basic. Er meint, die jetzige Regierung, weil national, werde künstliche Sprache vorziehen! Er glaubt, dass man bald offiziell etwas machen werde (in 10 bis~20~Jahren). Über einige logische Probleme; er ist sehr interessiert zu hören, dass die Syntax\IC{\logischesyntax} wichtig ist für Grundlagen der Mathematik; Ausschaltung der inhaltlichen Redeweise und der metaphysischen Probleme aus den Grundlagenfragen der Mathematik. Er will jetzt die Syntax\IC{\logischesyntax} lesen und dann nochmal kommen oder schreiben. Sie schenken uns einen Holzschnitt \editor{von} Hiroshige\IN{\hiroshige} (moderne Nachbildung) und ein {\lspitz}bemaltes{\rspitz} Seidentüchlein.~-- Briefe. \tbentry{9}{2}{1935}{} 11\,\hbox{--}\,1 \uline{letzte Vorlesung} (5~Studenten). Das Semester schließt diesmal 1~Woche später, weil im Dez. 10~Tage ausgefallen sind (Studentenstreik wegen Insignien). Nachmittags Kino\IO{Prag!Kino} ,,Das Meer ruft`` mit Heinrich George\IN{\georgeheinrich}; gut. 6\,\hbox{--}\,10 \uline{Franks}\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau} bei uns. Plan eines Colloquiums\II{\colloquiumphilosophischegrundlagen}.\fnE{Zum Prager Donnerstagszirkel von Frank und Carnap siehe Tuboly, ,,Building a New Thursday Circle``. Vgl. TB~18.\,III.\,1935\diaryref{TB-18-III-1935}. und 14.\,I.\,1932.} Wir schenken Hania\IN{\frankphilippfrau} einen {\lspitz}Bären{\rspitz}.~\neueseite{538789} %\tbentry{10}{2}{1935}{} \tbentry{11}{2}{1935}{} 6\,\hbox{--}\,10 \uline{zu Franks}\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau}. Dort \uline{Professor Roman Jakobson}\IN{\jakobsonroman}, Russe, Professor der slawischen Sprache in Brünn\IO{Brünn}, möchte für seinen linguistischen ,,Prager Zirkel``\II{\pragerlinguistenkreis} einen Vortrag von mir über Syntax\IC{\logischesyntax}.\fnE{Zu Carnaps Vortrag im Prager Linguistenkreis vgl. TB~20.\,V.\,1935\diaryref{TB-20-V-1935}.} Ich sage meine Bedenken. Er wird das Buch ansehen. Sie lehnen die atomisierende frühere Betrachtung ab und wollen die ganzen Sprachstrukturen untersuchen und vergleichen. Der linguistische Kongress\II{\linguistenkongress}\fnE{Der \emph{4. Internationale Linguistenkongress}, der 1936 in Kopenhagen stattfand.}\pagebreak habe eine Resolution zugunsten einer \tbtwoA{674} internationalen Hilfssprache angenommen \gestrunl\ und arbeite mit der amerikanischen Organisation (\textit{IALA}?)\II{\iala}\fnE{International Auxiliary Language Association (IALA).} zusammen. Mit seinem Kreis\II{\pragerlinguistenkreis} hängt auch Trubetzkoy\IN{\trubetzkoj}~-- Wien\IO{Wien} zusammen. Jakobson\IN{\jakobsonroman} ist Sowjetbürger, Vertragsprofessor, ist oft in Prag\IO{Prag}. Nachher auch über Dialektik. Frank\IN{\frankphilipp} und ich versuchen ihm zu erklären, dass wir die Tatsachen, die er besonders in der Sprachentwicklung behauptet, nicht leugnen, aber die dialektische Formulierung für sehr bedenklich halten. Er schlägt mir vor, mit Wellek\IN{\wellek}~-- Prag\IO{Prag} zu sprechen.\fnA{Es folgt ein leerer Eintrag mit dem Symbol~\original{\kreis}.} %\tbentry{12}{2}{1935}{\kreis} \tbentry{13}{2}{1935}{} Briefe. \tbentry{14}{2}{1935}{} \textwh{Briefe.} Schlick\IN{\schlick} \textit{MS}\IW{\schlickpsychologischebegriffe} über psychologische Begriffe gelesen (auf Französisch).\fnE{Schlick, ,,De la relation entre les notions psychologiques et les notions physiques``.} Er gibt die These des Physikalismus zu! \tbentry{15}{2}{1935}{} Briefe. \tbentry{16}{2}{1935}{Ina}\IN{\ina} Sportzug 14,20 (bis Polaun\IO{Polaun} ohne Umsteigen)~-- 20~nach \uline{Schrei\-ber\-hau}\IO{Schreiberhau}.\ort{Schreiberhau [Szklarska Por\c{e}ba]} In Jakobstal\IO{Jakobstal} wird ein in Strickerhauser\IO{Strickerhauser} eingestiegenes Fräulein von Zollleuten aus dem Zug geholt. Bei König\IO{Schreiberhau!Hotel König} (trotz Vorbestellung) alles besetzt. Hotel Schenkenstein\IO{Schreiberhau!Hotel Schenkenstein}. Bis~4\textsuperscript{h} beide gar nicht geschlafen. Unten Billardspieler; an der Außenwand Regenröhre mit Getöse. \gestrunl{} \tbentry{17}{2}{1935}{} Gestern auf den Straßen Bäche, heute schon kälter. Schneegestöber. Inas\IN{\ina} Armbanduhr, von Agnes\IN{\agnes} geschickt. Wir sehr müde, bleiben im Haus. Nachmittags in Königshotel\IO{Schreiberhau!Hotel König}. Schönes Zimmer. Kino: ,,\editor{Der junge} Baron Neuhaus`` (\unl\ Romantik).~\neueseite{538813} \tbentry{18}{2}{1935}{} Bank\IO{Schreiberhau!Bank}, Besorgungen. Zu Fuß hinauf. Mittags in der Zackelfallbaude\IO{Zackelfallbaude}. Nachmittags in \uline{Neue schlesische Baude}\IO{Neu schlesische Baude}. \tbentry{19}{2}{1935}{} Vormittags auf Horizontalenweg (Richtung Alte Schlesische Baude\IO{Alte schlesische Baude}); Spur hört auf, wir turnen schwierig durchs Gelände, harter Schnee, steile Hänge. Hinauf auf einen Weg, und zurück. Nachmittags ich alleine zum Pferdekopffelsen\IO{Pferdekopffels}, Reifträger, Weg zu den Übungswiesen, Kammweg\IO{Kammweg}, Jägerhütte\IO{Jägerhütte}. Wir nehmen ein anderes Zimmer~(14), weil unseres kühl. Aber da ist es auch nicht viel wärmer, wegen starkem Südwind und undichten Fenstern und ungenügender Heizung. \tbentry{20}{2}{1935}{} Vormittags zur Elbfallbaude\IO{Elbfallbaude}, herrliche Sonne, schöne Aussicht. Nachmittags zurück: Quarksteine\IO{Quarksteine}, Übungswiese\IO{Übungswiese}, Mummelkamm\IO{Mummelkamm}.\shortenpage \tbtwoA{675} \tbentry{21}{2}{1935}{} Auch wieder: Sonne, aber starker Südwind, und sehr harter Schnee. Vormittags Sausteine\IO{Sausteine}, Richtung Alte Schlesische Baude\IO{Alte schlesische Baude}; sehr mühsames Kanten. Wir kehren um, Wosseckerbaude\IO{Wosseckerbaude}, Elbfallbaude\IO{Elbfallbaude}. Nachmittags zurück, anstatt Weg durchs Gelände, Jägerhütte\IO{Jägerhütte}. \tbentry{22}{2}{1935}{} Ina\IN{\ina} bleibt zu Hause, weil Fußgelenk überanstrengt. Ich alleine Schreiberhauabfahrtsweg\IO{Schreiberhau}, {\lspitz}Schasterweg{\rspitz} hinauf zum Mummelkamm\IO{Mummelkamm}, über Jägerhütte\IO{Jägerhütte} hinunter. Nachmittags ich alleine Wosseckerweg\IO{Wosseckerweg}, halb hinunter ins Tal. Starker Wind, neblig.{\tolerance2000\par} \tbentry{23}{2}{1935}{} Mit Ina\IN{\ina} nach Schreiberhau\IO{Schreiberhau}. Per Rodel, weil Inas\IN{\ina} Fußgelenk nicht gut. Zusammen auf einer Rodel, unerwartet schnell sind wir unten. Bank\IO{Schreiberhau!Bank}, Besorgungen. Zu Fuß hinauf. Endlich Neuschnee. (Endlich warmes Zimmer.) \tbentry{24}{2}{1935}{} 10\,\textit{cm} Neuschnee. Vormittags zur Schneegrubenbaude\IO{Schneegrubenbaude}. Anfangs Aussicht,~\neueseite{538831} auf dem Kamm alles in Nebel. Zurück über Quarksteine\IO{Quarksteine}, Wosseckerbaude\IO{Wosseckerbaude}, vom Wosseckerweg\IO{Wosseckerweg} am Bach entlang hinunter, anderen Bach hinauf, bis Wosseckerwiese\IO{Wosseckerwiese} und zurück nette Abfahrt; zum Kamm\IO{Kamm} über Jägerhütte\IO{Jägerhütte}; auf der Baudenwiese\IO{Baudenwiese} endlich feiner Schnee, wir üben noch etwas.~-- (Abends lese ich: Lawrence\IN{\lawrence}, Die gefiederte Schlange\IW{\lawrenceschlange}, über den Quetzalcoatlkult in Mexiko\IO{Mexiko}; und Katz\IN{\katz}, \editor{Ein} Bummel um die Welt\IW{\katzbummel}.)\fnE{Siehe LL \refcn{2189} und \refcn{2190}.} \tbentry{25}{2}{1935}{} Sturm und Schneegestöber. Vormittags zu Hause geblieben. Nachmittags zu Fuß Spaziergang, Weg nach Schreiberhau\IO{Schreiberhau} hinab. \tbentry{26}{2}{1935}{} Skiabfahrt, Lämmergraben\IO{Lämmergraben}, durch Fuchsnässe\IO{Fuchsnässe} zur Zackelfallbaude\IO{Zackelfallbaude} (jetzt bei Neuschnee geht's gut; sonst schwierig), Schreiberhau\IO{Schreiberhau}. Bank\IO{Schreiberhau!Bank}. Zu Fuß hinauf.~-- Zur Wosseckerbaude\IO{Wosseckerbaude}, Schlitten bestellt. \tbentry{27}{2}{1935}{} \textonehalf{}\,9 der Schlittenmann aus Harrachsdorf\IO{Harrachsdorf} holt unser Gepäck. Kurz darauf fahren wir los: Jägerhütte\IO{Jägerhütte}, Wosseckerweg\IO{Wosseckerweg} (leicht, weil es etwas pappt), wir sind noch vor dem Schlitten in Harrachsdorf\IO{Harrachsdorf}, Erlebach\IO{Erlebach}, vor~\textonehalf{}\,11. \gestrunl\ 10\,\textthreequarters{} Auto nach Bahnhof Polaun\IO{Polaun!Bahnhof Polaun}. 11,59\,\hbox{--}\,15,53 nach Prag\IO{Prag}. In Turnov\IO{Turnov} \uline{Ina\IN{\ina} Daumen geklemmt} in Wagentür. \uline{Prag}\IO{Prag},\ort{Prag [Praha]} Wilsonbahnhof\IO{Prag!Wilsonbahnhof}, der Bahnarzt\IN{\bahnarzt} ist telegrafisch benachrichtigt und steht schon bereit! Protokoll\-aufnahme. Mit dem Doktor Bahne\IN{\bahnarzt} in seine Wohnung. Dort schneidet er den ganzen Nagel weg und verbindet. Er hofft, dass nicht amputiert werden muss (rechter Daumen). Ina\IN{\ina} sehr tapfer.~-- Zu Hause hilft die Davi\-\tbtwoA{676}dova\IN{\davidova}.~-- Briefe vom Institut New York\IO{New York}\II{\iie}:\fnE{Institute of International Education. Vgl. TB~23.\,XII.\,1935\diaryref{TB-23-XII-1935}.} Will keine Vortragstour für Philosophie arrangieren, wegen zu schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse!{\tolerance1000\par} \tbentry{28}{2}{1935}{} 5~Vorlesungsbeginn (Logik). 6 \uline{Vortrag de Broglie}\IN{\broglie} im Physikalischen Institut\II{Physikalisches Institut der tschechischen Universität Prag} der tschechischen Universität\II{Tschechische Universität Prag}; populär; spricht sehr schnell, vieles entgeht mir. Frank\IN{\frankphilipp} da.~-- Brief von der Harvard University\II{Harvard University, Cambridge (Ma)}: Einladung für 300-Jahrfeier, Sept.~1936, Vortrag, Ehrendoktorat!\fnE{Vgl. TB~1. bis~7.\,IX.\,1936.} Wir sind sehr froh darüber; der erste Schritt nach Amerika\IO{Amerika}; gerade nach der gestrigen Enttäuschung. \tbentry{1}{3}{1935}{} (Ina\IN{\ina} alleine zum Arzt; die Wunde wird besser.)~\neueseite{538839} \tbentry{2}{3}{1935}{} 11\,\hbox{--}\,1~Vorlesung (System der Wissenschaften), 10~Hörer. Mittags mit Ina\IN{\ina} und Franks\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau} im Fenix\IO{Prag!Fenix} (zuerst auch Glaser\IN{\glaser}). Hania\IN{\frankphilippfrau} begeistert über die Harvardeinladung.\II{Harvard University, Cambridge (Ma)} Nachmittags wir alle ins Kino ,,Alle Welt lacht``,\fnE{Deutsche Fassung von ,,Vesyolye rebyata`` (,,Die ganze Welt lacht``/,,Lustige Burschen``).} russischer lustiger Film, Frank\IN{\frankphilipp} übersetzt für uns (der musizierende Hirte). Nachher auf Hanias\IN{\frankphilippfrau} Wunsch noch zusammen ins Caf\'{e}\IO{Prag!Caf\'{e}}, bis \textonehalf{}\,8. Frank\IN{\frankphilipp} erzählt von Wien\IO{Wien}: Waismann\IN{\waismann} hat im Zirkel\II{\schlickzirkel} über Identität vorgetragen; meine Syntax\IC{\logischesyntax} betone zu sehr den Formalismus; die eigentliche Aufgabe sei aber, festzustellen, was die Umgangssprache mit den Wörtern meine. ({\lspitz}Da{\rspitz}~haben wir die von Neurath\IN{\neurath} vorausgesehene Entwicklung zur Phänomenologie!) Frank\IN{\frankphilipp} hat häufig opponiert, ihm stimmten dann Menger\IN{\menger}, Gödel\IN{\goedel}, Tarski\IN{\tarski} zu. Schlick\IN{\schlick} sagte dann, alles wäre ein Missverständnis, und wollte versöhnen. \tbentry{3}{3}{1935}{} Korrektur Gültigkeitskriterium\IC{\gueltigkeitskriterium} gelesen.\fnE{Carnap, ,,Ein Gültigkeitskriterium für die Sätze der klassischen Mathematik``.} Französische Übersetzung ,,Psychologische Begriffe``\IC{\franzoesischeraufsatz} gelesen.\fnE{Carnap, ,,Les Concepts psychologiques et les concepts physiques sont-ils foncièrement différent?{}``.} Jespersen\IN{\jespersen} ,,Internationale Sprache``\IW{\jesperseninternationalesprache} gelesen.\fnE{Siehe LL \refcn{2192}.} \tbentry{4}{3}{1935}{} 5\,\hbox{--}\,7~Vorlesung. Abends müde, fiebrig. \tbmanyentries{\tbentry{5}{3}{1935}{}\,\hbox{--}\,\tbentry{11}{3}{1935}{}} \uline{Grippe}, Halsschmerzen. \textit{Do},~7. Doktor Bahne\IN{\bahnarzt} hier, Ina\IN{\ina} bringt ihn mit. Auf seinen Rat Wickel; die tun gut. Ina\IN{\ina} pflegt mich, tut alles mit der linken Hand. \tbtwoA{677} \tbentry{12}{3}{1935}{} Vormittags ein wenig auf; Briefe geordnet. \tbentry{13}{3}{1935}{} Briefe. \tbentry{14}{3}{1935}{Ina}\IN{\ina} Vor- und nachmittags auf. \textwh{Briefe.} \tbentry{15}{3}{1935}{} \textwh{Briefe.} \tbentry{16}{3}{1935}{} Zeppelins\IN{\zeppelin} Übersetzung II\IC{\logischesyntaxenglisch} korrigiert. \tbentry{17}{3}{1935}{} \uline{Franks}\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau} hier. \textonehalf{}\,2\,\hbox{--}\,5; mittags Festessen, Rehrücken, zur Genesung. Ich nachmittags zum ersten Mal wieder spazieren.~\neueseite{538837} \tbentry{18}{3}{1935}{} 5\,\hbox{--}\,7 zum ersten Mal wieder \uline{Vorlesung}. 7\,\textonequarter{}\,\hbox{--}\,9\,\textonehalf{} erster Abend des ,,\uline{Colloquiums} für philosophische Grundlagen der Naturwissenschaften``\II{\colloquiumphilosophischegrundlagen}, das ich mit Frank\IN{\frankphilipp} machen will.\fnE{Vgl. TB~9.\,II.\,1935\diaryref{TB-9-II-1935}.} Thema für dieses Semester: ,,Physik und Biologie``. Heute Referat von Frank\IN{\frankphilipp}: ,,Was bedeuten die neueren Theorien der Physik für die Grenzfragen zwischen Physik und Biologie?\grqq\ Frank\IN{\frankphilipp} trägt gut vor. Diskussion, besonders Gicklhorn\IN{\gicklhorn} und Dozent Fortner\IN{\fortner}, und Fürth\IN{\fuerth}. Auch Berwald\IN{\berwald} und Löwner\IN{\loewner} sind da. %\tbentry{19}{3}{1935}{} \tbentry{20}{3}{1935}{} Morgens \uline{Ina}\IN{\ina} schlimm den \uline{Fuß verknaxt}; dazu noch der Daumen nicht heil.~-- Aufsatz ,,Gültigkeitskriterium``\IC{\gueltigkeitskriterium} für englische Übersetzung bearbeitet.\fnE{Vgl. Carnap, \emph{The Logical Syntax of Language}, \S\,34a-i und die Bemerkungen dazu ebd., S.\,xi.} \tbentry{21}{3}{1935}{} 5 Fakultätssitzung\II{\fakultaetssitzungprag}. Habilitationsvortrag Sitte\IN{\sitte}. Der Antrag für meine ordentliche Professur wird beschlossen; dabei gibt Frank\IN{\frankphilipp} Harvardeinladung\II{Harvard University, Cambridge (Ma)} bekannt. %\tbentry{22}{3}{1935}{} \tbentry{23}{3}{1935}{} 11\,\hbox{--}\,1~Vorlesung (die erste nach der Grippe). \sout{Nachmittags Kino\IO{Prag!Kino}} Ina\IN{\ina} kommt trotz Abratens in die Stadt. Nachmittags Kino ,,Menschen im Hotel``. \tbentry{24}{3}{1935}{} Nachmittags 3\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,10 \uline{Bardenhewer}\IN{\bardenhewer}, Zetkin\IN{\zetkin} und Lukas\IN{\bardenhewerlukas} hier. Ich berichte Harvardeinladung\II{Harvard University, Cambridge (Ma)}. Zetkin\IN{\zetkin} und ich erzählen vom Krieg. Er war bei der \gestrunl\ Sanität, anscheinend später als Arzt, auch vor Verdun\IO{Verdun}. \tbentry{25}{3}{1935}{Ina}\IN{\ina} 5~Vorlesung, 7\,\textonehalf{}\,\hbox{--}\,9\,\textonehalf{} \uline{Colloquium} ,,Physik und Biologie``\II{\colloquiumphilosophischegrundlagen}. Referat Frank\IN{\frankphilipp}. Auch Pringsheim\IN{\pringsheim} da; und Zetkin\IN{\zetkin}; und Hania\IN{\frankphilippfrau} (Ina\IN{\ina} nicht. Wegen Fuß.) \tbentry{26}{3}{1935}{} Briefe.\pagebreak \tbtwoA{678} \tbentry{27}{3}{1935}{\kreis} (\kreis~zum 1.~Mal seit 12.2.) \tbentry{28}{3}{1935}{} 5~Vorlesung, 6 erstes \uline{Seminar} (Logik I); 6~Teilnehmer.~\neueseite{538709} %\tbentry{29}{3}{1935}{}~\neueseite{} \tbentry{30}{3}{1935}{} 11\,\hbox{--}\,1~Vorlesung. Mittags wir mit Frank\IN{\frankphilipp}. Nachmittags Kino\IO{Prag!Kino} ,,Der unsichtbare Mann`` (nach Wells\IN{\wells}), aufregend, gute Tricks.\fnE{,,Der Unsichtbare`` (,,The Invisible Man``).} 6\,\hbox{--}\,11 \uline{zu Franks}\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau}. Es kommt Rudolf \uline{Philipp}\IN{\philipp}, Kommunist (Trotzkist), Freund von Dubislav\IN{\dubislav}, hat \sout{im} vor 1~Jahr nach meinem Vortrag bei sozialistischen Studenten diskutiert. Hat das berühmte Buch\IW{\philippbata} über Bata\IN{\bata} geschrieben.\fnE{Philipp, \emph{Der unbekannte Diktator Thomas Bata}.} Schreibt jetzt \gestrunl\ Buch\IW{\philipprussland} über Russland\IO{Russland};\fnE{Vermutlich Philipp, \textit{Stiefel der Diktatur}.} wird anscheinend sehr interessant. Er ist frech und gescheit. Erzählt, wie er vor dem Krieg bei antisemitischen Studentenausschreitungen in Prag\IO{Prag} von Wien\IO{Wien} hergeschickt wurde zu Raufereien, und mehrmals Säbel gefochten hat, hatte Meisterschaft. Vielleicht schneidet er etwas auf, ist aber sicher intelligent, starker Aktivitätsdrang. Hat Bata\IN{\bata} Arbeiter nach Russland\IO{Russland} gebracht und dort Schuhproduktion organisiert. Später der Germanist Professor \uline{Körner}\IN{\koernerjosef}. Erzählt über die politische Diskussion in Cysarz'\IN{\cysarz} Seminar. Philipp\IN{\philipp} sagt, dass Doppler\IN{\doppler} ihm erzählt hat: Kraus\IN{\krausoskar} hat im Seminar gesagt, eigentlich müsste man mich gerichtlich verfolgen wegen meiner anti-ethischen Einstellung; (er habe auch mit Masaryk\IN{\masaryk} darüber gesprochen?); aber er lasse es doch; denn ich glaubte selbst nicht, was ich da sagte.\fnE{Vgl. TB~11.\,IV.\,1935\diaryref{TB-11-IV-1935}.} Philipp\IN{\philipp} formuliert richtig, dass ich nicht ethische Grundsätze ablehne, sondern nur \gestrunl\ die Möglichkeit leugne, sie wissenschaftlich abzuleiten.~-- Auf der Straße frage ich, was man wählen soll. Er meint, doch Sozialdemokraten (oder sonst eine tschechische Links-Koalitionspartei). Es komme vor allem darauf an, die linke Koalition zu retten, um den Faschismus hier zu vermeiden. \tbentry{31}{3}{1935}{} Syntaxübersetzung\IC{\logischesyntaxenglisch} revidiert. \tbentry{1}{4}{1935}{} 5\,\hbox{--}\,7~Vorlesung. 7\,\textonehalf{}\,\hbox{--}\,9\,\textonehalf{} \uline{Colloquium} Physik--Biologie\II{\colloquiumphilosophischegrundlagen}. Vortrag Gicklhorn\IN{\gicklhorn}. Lebhafte Diskussion. Ina\IN{\ina}, Hania\IN{\frankphilippfrau}, Frau Schmidl\IN{\schmidl} da. Auch Doktor Keller\IN{\kellerdr}, {\lspitz}Zeisel{\rspitz}\IN{\zeisel}, Löwner\IN{\loewner}, Mainx\IN{\mainx}. Nachher wir mit Franks\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau} und \uline{Frau Schmidl}\IN{\schmidl} in Franks\IN{\frankphilipp} Zimmer Tee. Sie erzählt vom Bauhaus\II{\bauhaus}, sehr kritisch. Sie war dort, als ich Vortrag hielt.\fnE{Die Vorträge Carnaps im Oktober 1929, vgl. TB~15.\,X.\,1929\diaryref{TB-15-X-1929}.} Bis~10\,\textthreequarters{}.~\neueseite{538705} \tbtwoA{679} \tbentry{2}{4}{1935}{} Jespersen\IN{\jespersen}, Philosophy of Grammar\IW{\jespersenphilosophy}, gelesen.\fnE{Siehe LL \refcn{2197}.}~-- 5\textsuperscript{h} plötzlich kommt \uline{Philipp}\IN{\philipp}, den wir am~30. kennengelernt haben. Als ich ihm sage, dass er seinem psychologischen Typus nach mehr Künstler ist, zwar viel besser beobachtet als ich, aber die Aussagen über Einzelheiten nicht so zuverlässig sind, wird er sehr empört, redet sich immer mehr in Affekt hinein, sodass er gar nicht mehr zuhört, was ich sage, um seine Missverständnisse aufzuklären; dabei beklagt er sich, dass ich ihn nicht zu Wort kommen lasse! Wir zanken uns schließlich, bis wir beide erledigt sind. Ina\IN{\ina} sagt ihm, dass ich traurig darüber sei. Allmählich beruhigt er sich. Er liest aus seinem Russland\IO{Russland} \textit{MS}\IW{\philipprussland} vor. Erzählt von weiteren Überlegungen zu einem Buch; will den dialektischen Materialismus behandeln und \gestrunl{} zurechtrücken. Erzählt von Dubislav\IN{\dubislav}; hat mit ihm Hörspiel für Moskau\IO{Moskau} gemacht. Hat bei ihm viel gelernt zur Methodik und Klärung des Denkens. Hat früher (z.\,B. über Schweden\IO{Schweden}) leichtfertig geschrieben, sich hierin aber ganz gewandelt (aha, daher die Überempfindlichkeit). Er lässt mir verschiedene \textit{MS}-Kapitel\IW{\philipprussland} da, möchte schriftliche Bemerkungen dazu haben.~-- Bis~11\textsuperscript{h}! \tbentry{3}{4}{1935}{} \uline{Aufsatz\IC{\lewisaufsatz} für Lewis}\IN{\lewis} angefangen.\fnE{Das Manuskript zu Carnap, ,,Testability and Meaning``. C.\,I. Lewis hatte Carnap im Frühjahr 1934 (in nicht überlieferten Briefen) kontaktiert und um eine Reaktion zu seinem Aufsatz Lewis, ,,Experience and Meaning`` gebeten. Vgl. Rudolf Carnap an Moritz Schlick, 13.\,V.\,1934 (MS 95/Carn-39) sowie MSGA I/6, 703\hbox{--}706.} \tbentry{4}{4}{1935}{} 4\textsuperscript{h} mit Ina\IN{\ina} in die Bilderausstellung von \uline{Frau Schmidl}\IN{\schmidl}; dort auch sie selbst. Melancholisches Selbstporträt; Porträt von Josef Frank\IN{\frankjosef}.~-- 5~Vorlesung; 6~Seminar (nur 4~Teilnehmer). \tbentry{5}{4}{1935}{} 3\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,11~(!) \uline{Philipp}\IN{\philipp} hier. Ich mache Bemerkungen zu seinem \textit{MS} ,,Naturwissenschaft und Marxismus``; z.\,B. gegen Induktion. Über einen Aufsatz von Asmus\IN{\asmus}, Wissenschaft in Russland\IO{Russland}:\fnE{Aufsatz nicht identifiziert.} Falsche Gegenüberstellung von Mensch und Natur; natürliche und künstliche Vorgänge.~-- Über Kriegsgefahr; er würde sich (obwohl Österreicher) hier sofort als Artillerieoffizier stellen. Er hält den Antimilitarismus der Kommunisten hier für einen Fehler; man müsse die konkrete Situation berücksichtigen.~-- Wegen Machverein\II{\machverein} verweise ich ihn an Frank\IN{\frankphilipp}. \tbentry{6}{4}{1935}{} 11\,\hbox{--}\,1~Vorlesung. Mittags mit Ina\IN{\ina} und Frank\IN{\frankphilipp}. 4\textsuperscript{h}~zu \uline{Doktor Bahne}\IN{\bahnarzt} (Arm; Lunge; Füße). Für Arm soll \gestrunl\ Röntgenaufnahme gemacht werden.~-- Kino ,,Assev``.~\neueseite{538703} \tbtwoA{680} \tbentry{7}{4}{1935}{} \uline{Ferien}. \tbentry{8}{4}{1935}{\kreis} Briefe. \tbentry{9}{4}{1935}{} Lewis\IN{\lewis}-Aufsatz\IC{\lewisaufsatz} gearbeitet. \tbentry{10}{4}{1935}{} Briefe. \tbentry{11}{4}{1935}{} Zu Doktor \uline{Mandler}\IN{\mandler}, Röntgenaufnahme der linken Schulter. Besorgungen. 6\,\hbox{--}\,10 \uline{zu Franks}\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau}. Dort auch Professor \uline{Kraus}\IN{\krausoskar}. Heftige, aber freundliche Diskussion. Er gibt zu, unsere Stellung zu den moralischen Werten in seiner Vorlesung Kultur gefährlich genannt zu haben, bestreitet aber, gesagt zu haben, dass man die Gerichte dagegen anrufen müsste. Er schreibt ein Buch\IW{\krauswerttheorien} über die Entwicklung der Werttheorien; den Abschnitt über uns (im Kapitel über ,,Relativismus``!) will er uns vorlesen oder mir schicken.\fnE{Siehe Kraus, \emph{Die Werttheorien}, 433\hbox{--}441, wo sich Kraus mit der Wertphilosophie von Schlick und Carnap auseinandersetzt. Vgl. TB~6.\,III.\,1934\diaryref{TB-6-III-1934}.} \tbentry{12}{4}{1935}{} Geschrieben, gekramt. \tbentry{13}{4}{1935}{} Wir wollen abreisen. Plötzlich habe ich argen \uline{Schwindel}, und Bauchdrücken, kein Fieber. Bleibe zu Bett.{\tolerance1000\par} \tbentry{14}{4}{1935}{\kreis} Briefe. \tbentry{15}{4}{1935}{Ina}\IN{\ina} \uline{Abreise} Prag\IO{Prag} \textit{M}\,14,18. 22,10 \uline{Eisenach}\IO{Eisenach}.\ort{Eisenach} (Ab~{\lspitz}Drösida{\rspitz}~II.). Hotel Kaiserhof\IO{Prag!Eisenach}, 5~Minuten vom Bahnhof. (3,50\,\textit{M}.) \tbentry{16}{4}{1935}{} Eilzug 9,19\,\hbox{--}\,14,56 \uline{Münster}\IO{Münster}.\ort{Münster} In Kassel\IO{Kassel} 11\,\textonehalf{} steigt \uline{Bachmann}\IN{\bachmannfriedrich} ein; Scholz\IN{\scholzheinrich} hat ihn eingeladen, aus Marburg\IO{Marburg} zu kommen. Mit ihm zu \uline{Scholzens}\IN{\scholzheinrich}. Wir wohnen bei ihnen, oben im Mädchenzimmer. Sie empfangen uns sehr herzlich. Sie gleicht Kasperle\IN{\kasper}, blond, streng, ordentlich; die ,,kleine Herrin``. Er ist sehr erfreut, dass ich komme. Für morgen setzen wir Vortrag an. Ab~5\textsuperscript{h} spreche ich mit Becker\IN{\beckeralbrecht} und Bachmann\IN{\bachmannfriedrich}; über Modalität und Kriterium der Intensionalität. 8\textsuperscript{h}~kommt Scholz\IN{\scholzheinrich} wieder. \gestrunl\ Ferner einige andere.~\neueseite{538701} Zusammen bis~12\textsuperscript{h} geredet; zuletzt aber nicht mehr Wissenschaft. \tbentry{17}{4}{1935}{} Ina\IN{\ina} geht's nicht gut; muss sich Injektionen machen lassen; dann besser. Mit Scholz\IN{\scholzheinrich} \textonehalf{}\,10\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,12; dabei Becker\IN{\beckeralbrecht} und Bachmann\IN{\bachmannfriedrich}. Dann mit diesen bis mittags. Nachmittags \unl\ ruhe ich mich aus; 4\,\hbox{--}\,5 mache ich Vortrag. Mit Bachmann\IN{\bachmannfriedrich} ins Seminar. Schöne Bibliothek\IO{Münster!Bibliothek}; alle Sachen von Frege\IN{\frege} und den Warschauern. \uline{Mein Vortrag} ,,Kritische Punkte bei der Aufstellung \tbtwoA{681} eines Axiomensystems``;\fnE{Siehe die zweiseitige kurzschriftliche Vortragsskizze (\href{http://doi.org/10.48666/808416}{RC~110"~07"~11}).} erstaunlich viele Zuhörer (vielleicht~30); auch Behnke\IN{\behnke} und Kratzer\IN{\kratzer}. Ich weise auf die Wichtigkeit der Formbestimmungen hin; Beispiel von Unkorrektheiten bei Fraenkel\IN{\fraenkelabraham}, Reichenbach\IN{\reichenbach}, Quine\IN{\quine}. Abendessen bei Scholz\IN{\scholzheinrich} mit vielen Gästen, auch Mathematiker Köthe\IN{\koethe} aus Graz\IO{Graz}. Dann zusammen bis nach Mitternacht. Über Syntax\IC{\logischesyntax} gesprochen. Ich erkläre allgemeine Syntax als Dechiffrierverfahren. Also sind Bedeutungen der logischen Zeichen durch die sprachlichen Bestimmungen festgelegt. Scholz\IN{\scholzheinrich} fragt: ,,Konventionalismus in der Logik``. Ich: Man kann alles machen; aber die Logik bleibt doch gültig, so wie wir sie haben. Bis nach Mitternacht. (Endlich gut geschlafen.) \tbentry{18}{4}{1935}{} Vormittags mit Bachmann\IN{\bachmannfriedrich}, Becker\IN{\beckeroskar}, Roth\IN{\rotheugen}. Bachmann\IN{\bachmannfriedrich} erklärt, was er über Extremalaxiome gemacht hat. Dann erkläre ich: Präzisierung des Fraenkelschen\IN{\fraenkelabraham} \textit{AS} der Mengenlehre; Roth\IN{\rotheugen} wird das vielleicht in den Sommerferien ausführen.~-- Bachmann\IN{\bachmannfriedrich} mit zum Bahnhof\IO{Münster!Bahnhof}. 15,53\,\hbox{--}\,17,22 nach Hagen\IO{Hagen}. Auto nach \uline{Vollmerhausen}\IO{Vollmerhausen}.\ort{Vollmerhausen} Agnes\IN{\agnes} und Reinhard\IN{\reinhardkaufmann}. Die 3 großen Töchter\IN{\kaufmannursula}\IN{\kaufmanndorothea}\IN{\kaufmanngisela} sind weg. \tbentry{19}{4}{1935}{Karfreitag} Vormittags mit Agnes\IN{\agnes} über Verkauf Barmen\IO{Barmen}. {\lspitz}Schutte{\rspitz}\IN{\schutte} hat sie einigermaßen hintergangen; sie hat den großen Fehler gemacht, den Verkauf abzuschließen, ohne genau zu bestimmen, bis wohin, und einen viel schlechteren Preis anzunehmen als der im Dezember gebotene. Gestern~\neueseite{538719} Nachmittag war {\lspitz}Schutte{\rspitz}\IN{\schutte} wieder da; das bringt sie immer ganz durcheinander. Die schwierigen verwickelten Verhältnisse haben sie sehr bedrückt, weil sie nichts mehr klar durchschaute.~-- Mittags Kummer, weil ich sage, in der Steuersache mit Elisabeth\IN{\elisabeth} hätte sie besser mich vorher gefragt.~-- Nachmittags wieder über Verkaufsgeschichte, und Verteilungsfrage.~-- Abends im Radio Matthäuspassion. \tbentry{20}{4}{1935}{} Vormittags mit Agnes\IN{\agnes} Geldfragen geregelt. Reinhard\IN{\reinhardkaufmann} kommt dazu; sein Regalitätsprinzip.~-- Nachmittags mit Ina\IN{\ina} auf den Berg\IO{Vollmerhausen!Berg} spazieren. Briefe geschrieben.~-- Abends mit Ina\IN{\ina} und Reinhard\IN{\reinhardkaufmann} Spaziergang nach Dieringhausen\IO{Dieringhausen}. \tbentry{21}{4}{1935}{Ostern} Mit Reinhard\IN{\reinhardkaufmann} über Wilhelm Carnap\IN{\carnapwilhelm}. Er nimmt Johannes\IN{\carnapjosephjohannes} und Gertrud\IN{\carnapgertrud} in Schutz; meint, es ist hauptsächlich Hildes\IN{\carnaphilde} Fehler.~-- Ostereier\-suche der Kinder im Garten.~-- Nachmittags wir~4 spazieren. Reinhard\IN{\reinhardkaufmann} über \uline{Elisabeth}\IN{\elisabeth}; er meint, ihr Fehler ist, dass sie sich nicht auf bescheidenere Verhältnisse umstellen kann. \pagebreak Wenn ich ordentlicher Professor in \tbtwoA{682} München\IO{München} wäre, würden wir auch die Kinder bei uns behalten und die Münchner\IO{München} Ausbildungsmöglichkeiten ausnutzen. Das ist jetzt das Gegebene. Auswärtige Schulen sind zu teuer, \gestrunl\ wohl auch nicht nötig, da München\IO{München} so viel bietet.~-- Agnes\IN{\agnes} hat oft Kummer über Elisabeths\IN{\elisabeth} Briefe; damals schrieb sie dreimal, Agnes\IN{\agnes} solle die Steuerbescheinigung ausstellen lassen, obwohl Agnes\IN{\agnes} ihr immer wieder schrieb, mit Gutachten des Beraters, dass das nicht möglich sei.~-- Abends \uline{Jupp Weife}\IN{\weifejupp}, das Original, Knochenheiler; wird gerufen, um meine Schulter zu begutachten. Rät Übungen mit Strickziehen am Türbalken; für Inas\IN{\ina} Füße Salzwasserumschläge. Witziger Mann. (Fordert von Reinhard\IN{\reinhardkaufmann} nur~3\,\textit{M}, weil ,,sein Freund``, er gibt ihm~5.)~-- Spät zu Bett. Wenig geschlafen.~\neueseite{538711} \tbentry{22}{4}{1935}{} Agnes\IN{\agnes} und Reinhard\IN{\reinhardkaufmann} schenken mir noch Hemden und Anzug; die werden nach Eisenach\IO{Eisenach} geschickt.~-- Gustav Lück\IN{\lueck} fährt uns \textonehalf{}\,9 nach Köln\IO{Köln}. Köln\IO{Köln} ab~10,02\,\hbox{--}\,13,47 (Sommerzeit~\gestrunl~= \textit{MEZ}) \uline{Brüssel}\IO{Brüssel}.\ort{Brüssel [Bruxelles]} Da wir erst später kommen wollten, ist \uline{Eva}\IN{\ahrendseva} nicht zu Hause. Wir warten auf der Promenade über 1~Stunde, dann kommt sie. Oppenheim\IN{\oppenheim} hat uns eingeladen; ich telefoniere mit ihm; sein Haus soll für uns ,,eine Mischung von Hotel und eigenem Haus`` sein.~-- Viele Briefe da. 7\textsuperscript{h}~Oppenheim\IN{\oppenheim} und Eva\IN{\ahrendseva} holen \uline{Hempel}\IN{\hempel} ab; er war Ostern in Berlin\IO{Berlin}, um die Eltern auf die Heirat vorzubereiten. \tbentry{23}{4}{1935}{} Wir wohnen bei Oppenheim\IN{\oppenheim}. Nach dem Frühstück geht er mit uns durch den Park zu Hempels\IN{\hempel}\IN{\ahrendseva}. Vormittags ich mit Hempel\IN{\hempel} im Park\IO{Brüssel!Park}. Über Wiener Kreis\II{\schlickzirkel}, Neurath\IN{\neurath}, Wittgenstein\IN{\wittgenstein}. Mittags wir alle bei Oppenheim\IN{\oppenheim}. Er bringt uns Baldrian und Autosuggestion zum Einschlafen bei.~-- Nachmittags mit Hempel\IN{\hempel} über Grellings\IN{\grelling} Brief;\fnE{Nicht überliefert.} Analyse der Begriffe ,,\textit{A} weiß, dass~\ldots`` und ,,\textit{A} sieht, dass~\ldots``; ,,\textit{A} denkt, dass~\ldots``. (Schnupfen.) \tbentry{24}{4}{1935}{} Oppenheim\IN{\oppenheim} mit uns zu Hempel\IN{\hempel}; er vormittags mit Ina\IN{\ina} spazieren. Ich mit Hempel\IN{\hempel} über Abgrenzungskriterium (ich lasse beliebig viele Operatoren zu). Mittags wir alle bei Oppenheim\IN{\oppenheim}.~-- Nachmittags lese ich Hempels\IN{\hempel} \textit{MS} ,,Typusbegriff in der Psychologie``\IW{\hempeloppenheimaufsatz};\fnE{MS zu Hempel und Oppenheim, \emph{Der Typusbegriff im Lichte der neuen Logik}.} spreche dann mit beiden darüber, wäre bereit, es für Verleger zu begutachten.~-- Abends bei Hempels\IN{\hempel}\IN{\ahrendseva}.~-- \tbentry{25}{4}{1935}{} Nachts tauben Fuß, auf dem Teppich gestürzt!~-- Vormittags mit Hempel\IN{\hempel} über Typusbegriff; über Reichenbachs\IN{\reichenbach} Symbolik: Fehler, mögliche Verbesserungen.\fnE{Vermutlich Reichenbach, \emph{Wahrscheinlichkeitslehre}.} Nachmittags bei Hempels\IN{\hempel}\IN{\ahrendseva} Briefe geschrieben.~\neueseite{538717} \tbtwoA{683} \tbentry{26}{4}{1935}{} Vormittags Taxi in die Stadt. American Express\IO{Brüssel!American Express}, Konto eröffnet. \mbox{Taxi} zurück. 1~Stunde mit Oppenheim\IN{\oppenheim} und Hempel\IN{\hempel}; Oppenheim\IN{\oppenheim} sucht Beziehung zu Reichenbachs\IN{\reichenbach} Wahrscheinlichkeitslogik.~-- Nachmittags mit Hempel\IN{\hempel} im {\lspitz}Palais{\rspitz}\IO{Brüssel!Palais} spazieren. \tbentry{27}{4}{1935}{} Vormittags mit Oppenheim\IN{\oppenheim} und Hempel\IN{\hempel} gesprochen. Ich erkläre: 2~Wege zur Auflockerung des aristotelischen Klassensatzes: 1)~Russells\IN{\russell} Relationentheorie; 2)~Reichenbachs\IN{\reichenbach} mehrwertige Logik.\fnE{Vgl. TB~25.\,IX.\,1935\diaryref{TB-25-IX-1935}.} Ich glaube, dass erste genügt.~-- Mittags kommt Oppenheim\IN{\oppenheim} mit uns zu Hempels\IN{\hempel}\IN{\ahrendseva} zum Essen. Nach dem Essen: Über Oppenheims\IN{\oppenheim} ,,Unerkennbares``, worüber er zu Ina\IN{\ina} gesprochen hatte.\baustellex{WISS} Weil jede Beschreibung unvollendet. Ich erkläre: Fehler der Vertauschung der Operatoren. \gestrunl\ Dann über seine Abstraktionstheorie mit Merkmal- und Umfangsanzahlen;\fnE{Zu dem Konzept der Merkmalszahlen vgl. Oppenheim, \emph{Die natürliche Ordnung der Wissenschaften}, 232\,f.\baustellex{WISS}} ich drücke meine Skepsis aus, bin aber zu müde.~-- Nachmittags kommen kurz Doktor Sack\IN{\sack} und Frau; er ist Physiker, Schweizer; früher bei Debye\IN{\debye}, alleine, jetzt Assistent an der Universität Brüssel\II{Universität Brüssel}.~-- Mit Hempel\IN{\hempel} im Park der Abbaye\IO{Brüssel!Abbaye} spazieren. Über Vereinheitlichung, Symbolistik und Terminologie. Zu Hause über Präzisierung der Fraenkelschen\IN{\fraenkelabraham} Mengenlehre. Über Verifizierbarkeit und Sinnkriterium.~-- Eva\IN{\ahrendseva} geküsst, sie möchte aber nur ganz schnell.~-- Bis~10\,\textonehalf{}. Über Geldprobleme. Und anderes.~-- \tbentry{28}{4}{1935}{} Oppenheim\IN{\oppenheim} fährt uns und Hempels\IN{\hempel}\IN{\ahrendseva} im Auto zur Bahn\IO{Brüssel!Bahn}. Er macht im Auto Gespräch mit Ina\IN{\ina}, als Ersatz für erhofften Spaziergang. Sie sagt, dass sie Komplimente {\lspitz}an{\rspitz} Frauen nicht liebt. Er spricht von ,,geistigem Flirt`` und ,,Seelenroman``~(!). Er lädt uns herzlich ein, auf Hin- und Rückreise Paris\IO{Paris} im September wieder nach Brüssel\IO{Brüssel} zu kommen. \uline{Abreise}~10,13. Über Köln\IO{Köln}~-- Wuppertal\IO{Wuppertal}~-- \uline{Eisenach}\IO{Eisenach}~20,16.\ort{Eisenach} Hotel Sofienhof\IO{Eisenach!Hotel Sofienhof}.~(2,75).~\neueseite{538715} \tbentry{29}{4}{1935}{} In Eisenach\IO{Eisenach} Paket von Agnes\IN{\agnes}. Ab~10,47. 15,55 \uline{Dresden}\IO{Dresden}.\ort{Dresden} Wir wollten 16,34 weiterfahren. Aber \uline{Schorli} Kampfke\IN{\kampfkeschorli} \uline{und Ruth} Meßmer\IN{\messmerruth} sind am Bahnhof\IO{Dresden!Bahnhof} und laden uns ein, dazubleiben. Beim Tee im Wartessal entschließe ich mich schnell. \sout{Ruth}\IN{\messmerruth} Wir wohnen bei ihnen. Ruths\IN{\messmerruth} Webstuhl (80\,\textit{M}, 1\,\textit{m} Gewebebreite); auch Teppiche aus Tuchstreifen gewebt. Ich bin erstaunt, als sich herausstellt, dass Ina\IN{\ina} mit ihren ,,alten Freunden`` erst 1~Abend zusammengewesen ist. Ruth\IN{\messmerruth} (,,Babby``) 22~Jahre, tanzt zweimal Solo, nach Platte; es strengt sie sehr an; Herzfehler, darum keine Ausbildung möglich. \pagebreak Durch die Nähe der aktiven und zyklischen Schorli\IN{\kampfkeschorli} ist sie in \tbtwoA{684} den Hintergrund gedrängt, und daher schüchtern. Ich tanze zweimal mit ihr, ruhig. Sie tanzt mit Schorli\IN{\kampfkeschorli}. Nachher liegt sie auf dem Diwan ruhig in meinem Arm, und fühlt sich wohl. Ich schlafe in der Kammer hinter der Küche; ich komme aber nochmal im Pyjama hinein. \tbentry{30}{4}{1935}{} Vormittags wir mit Ruth\IN{\messmerruth}; Schorli\IN{\kampfkeschorli} ist im Geschäft\IO{Dresden!Geschäft}. Zusammen auf die Bank\IO{Dresden!Bank}. Abreise 12,24. Ruth\IN{\messmerruth} gibt jedem von uns ein ,,{\lspitz}Könschen{\rspitz}`` zum Abschied. 15,43 \uline{\ulinesp{Prag}}\IO{Prag}.\ort{Prag [Praha]} Kalt, wir heizen wieder. \tbentry{1}{5}{1935}{\kreis} Briefe. \tbentry{2}{5}{1935}{} Gelesen; Briefe. \tbentry{3}{5}{1935}{} Nachmittags 5\,\hbox{--}\,9 \uline{bei Franks}\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau}. Hania\IN{\frankphilippfrau} zu Bett, nach der Mandeloperation, kann nur schwach sprechen, ist aber ganz munter. Es war gar nicht so schrecklich, wie sie gefürchtet hatte. Beide waren am~13.4. vergeblich am Bahnhof\IO{Prag!Bahnhof} gewesen, zu unserer Abreise! \tbentry{4}{5}{1935}{} Englischen Text vom \uline{Lewisaufsatz}\IC{\lewisaufsatz}\IN{\lewis} angefangen.\fnE{Vgl. TB~3.\,IV.\,1935\diaryref{TB-3-IV-1935}.} \tbentry{5}{5}{1935}{} \textwh{Englischen Text.} \tbentry{6}{5}{1935}{} \textwh{Englischen Text.} (Hania\IN{\frankphilippfrau} telefoniert, Ina\IN{\ina} soll alleine kommen, damit ich beim englischen Aufsatz bleiben kann; weil es ihr schon besser geht.) \tbentry{7}{5}{1935}{} \textwh{Englischer Text vom \uline{Lewisaufsatz}\IC{\lewisaufsatz}\IN{\lewis}.}~\neueseite{538713} \tbentry{8}{5}{1935}{} Englischen Aufsatz\IC{\lewisaufsatz} geschrieben (bis~64). \uline{Ferienende}. \tbentry{9}{5}{1935}{} \textonehalf{}\,4\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,5 mit Dozent \uline{Wellek}\IN{\wellek} im Caf\'{e} Thoma\IO{Prag!Caf\'{e} Thoma}; Dozent für englische Literaturgeschichte, war 3~Jahre in Amerika\IO{Amerika}, kennt Whitehead\IN{\whitehead}, Weyl\IN{\weyl} usw., in Princeton\IO{Princeton Universität}. Über meinen Vortrag bei Linguisten am~20. Über Ogden\IN{\ogden}; er ist sehr gegen Basic.~-- 5\textsuperscript{h} erste Vorlesung. 6~Seminar (nur 3~Teilnehmer). %\tbentry{10}{5}{1935}{} \tbentry{11}{5}{1935}{} 11\,\hbox{--}\,1~Vorlesung. Nachmittags zu Doktor \uline{Bahne}\IN{\bahnarzt}. Er teilt mit, dass Doktor Mandler\IN{\mandler} aufgrund der Röntgenaufnahme annimmt: keine Kno\-chen\gestrunl arthritis in linker Schulter, sondern Gelenkkapsel. Er empfiehlt {\lspitz}dringend{\rspitz} 4~Wochen Trentschin\IO{Trentschin}-Teplitz\IO{Teplitz}. Ich bin abgeneigt. Er verschreibt Sachen zum Schlucken und Einreiben; und Pistyan\IO{Pistyan [Piešťany]}-Schlamm-Kompres\-sen.~-- Kino ,,Der stählerne Strahl``. \tbentry{12}{5}{1935}{} Briefe. \tbtwoA{685} \tbentry{13}{5}{1935}{} Wieder Ofen geheizt.~-- 5~Vorlesung. 7\,\textonehalf{}\,\hbox{--}\,9\,\textonehalf{} Colloquium\II{\colloquiumphilosophischegrundlagen}: \uline{Vortrag Pringsheim}\IN{\pringsheim}: \glqq Hat die Biologie eigene Gesetze?\grqq. Frank\IN{\frankphilipp}, Fürth\IN{\fuerth} und ich kritisieren einiges.\fnA{Es folgt ein leerer Eintrag mit der Bemerkung~\original{Ina}.\IN{\ina}} %\tbentry{14}{5}{1935}{Ina}\IN{\ina} \tbentry{15}{5}{1935}{} Nochmal Poppers\IN{\popper} Buch\IW{\popperldf} gelesen, für Rezension\IC{\rezensionpopper}.\fnE{Popper, \emph{Logik der Forschung} und Carnap, ,,Rezension von Karl Popper, \emph{Logik der Forschung}``.}~-- Abends kommt \uline{Hansi Stöger}\IN{\stoegerhansi}, wohnt bei uns. \tbentry{16}{5}{1935}{} Nachmittags Zahnarzt Kaper\IN{\kaper}. 5~Vorlesung. 5\,\textthreequarters{}\,\hbox{--}\,8\,\textonehalf{}~(!) Fakultätssitzung\II{\fakultaetssitzungprag}, lebhafte \uline{Diskussion über Freundlichs\IN{\freundlich} Berufung}.\fnE{Erwin Finlay-Freundlich, der 1936 an die Deutsche Universität in Prag berufen wurde. Vgl. Klüber, ,,Erwin Finlay-Freundlich``.} Ich gegen die Missdeutung des demokratischen Prinzips; konsequent wäre Ablehnung nur, wenn Juden als schlechter qualifiziert angesehen würden; dann müsste die Fakultät auch entsprechende Beschlüsse über die gegenwärtigen Mitglieder fassen. Der Kommissionsantrag (Freundlich\IN{\freundlich} und Wilkens\IN{\wilkens} zusammen an 1.~Stelle) wird mit 14 gegen 5~Stimmen angenommen. Dagegen~\neueseite{538725} stimmen: Brandt\IN{\brandt}, Liebus\IN{\liebus}, Spengler\IN{\spengler}, Stark\IN{\stark}, Rudolph\IN{\rudolf} (charakteristisch: Geographie, Geologie, Mineralogie, Paläontologie, Pflanzengeographie). \tbentry{17}{5}{1935}{} Popper\IN{\popper}\IW{\popperldf} gelesen. \tbentry{18}{5}{1935}{} 11\,\hbox{--}\,1~Vorlesung.~-- Nachmittags Kino\IO{Prag!Kino} ,,In den Krallen des Teufels`` (nach der Geschichte von Stevenson\IN{\stevenson} von der Zauberflasche). \tbentry{19}{5}{1935}{} Parlaments- und Senatswahl. Wir wählen beide sozialdemokratisch\II{\sozialdemokratischeparteitschechien}, wenn auch mit schwerem Herzen; es ist Gefahr, dass die Koalition sonst nach rechts rutscht.\fnE{Vgl. TB~30.\,III.\,1935\diaryref{TB-30-III-1935}.} 5\,\hbox{--}\,10 \uline{bei Franks}\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau}. Dort auch Professor P\v{r}ibram\IN{\pribram} (der Mediziner) und \uline{Professor Reiche\IN{\reichenprof} und Frau}, Physiker aus Breslau\IO{Breslau}, pensioniert. \tbentry{20}{5}{1935}{} 5\,\hbox{--}\,7~Vorlesung. 7\,\textonehalf{} \uline{mein Vortrag\IC{\logischesyntax} im \textit{Cercle Linguistique}}\II{\pragerlinguistenkreis} ,,Logische Syntax der Sprache``, aufgefordert von Professor Jakobson\IN{\jakobsonroman}.\fnE{Zu Carnaps Vortrag im \emph{Prager Linguistenkreis} siehe die zweiseitige kurzschriftliche Vortragsskizze (\href{http://doi.org/10.48666/808420}{RC~110"~07"~03}).} Dabei sind: Ina\IN{\ina}, Frank\IN{\frankphilipp} und Hania\IN{\frankphilippfrau}, Zetkin\IN{\zetkin} und Bardenhewer\IN{\bardenhewer}. Es diskutieren: Jakobson\IN{\jakobsonroman} (er hat schon etwas die Syntax\IC{\logischesyntax} gelesen, und hat den Vortrag beinahe als Einziger verstanden), Wellek\IN{\wellek}, Seidel\IN{\seidel}, Hessen\IN{\hessensergius}, Otto\IN{\ottoprof} (redet Unsinn, obwohl er glaubt, mir zuzustimmen)\pagebreak, Kraus\IN{\krausoskar}, Landgrebe\IN{\landgrebe}. Lebhafte Diskussion. Die \tbtwoA{686} meisten Linguisten bezweifeln, dass das lebendige Phänomen der Sprache in solchen schematischen Begriffen eingefangen werden könne; nur Jakobson\IN{\jakobsonroman} verteidigt lebhaft den Wert der logischen Syntax für wissenschaftliche Linguistik. Bis~11\textsuperscript{h}! Mit Ina\IN{\ina} im Taxi nach Hause. \tbmanyentries{\tbentry{21}{5}{1935}{}, \tbentry{22}{5}{1935}{\kreis}} Rez.\IC{\rezensionpopper} Popper\IN{\popper} geschrieben. %\tbentry{22}{5}{1935}{\kreis} %\textwh{Rez\editor{ension}\IC{\rezensionpopper} Popper\IN{\popper} geschrieben.} \tbentry{23}{5}{1935}{\kreis} Zahnarzt. 5~Vorlesung, 6~Seminar. \tbentry{24}{5}{1935}{} Nachmittags 4\,\hbox{--}\,9 \uline{Bardenhewer}\IN{\bardenhewer}, \uline{Zetkin}\IN{\zetkin} und Lukas\IN{\bardenhewerlukas} hier. Bardenhewer\IN{\bardenhewer} ist erstaunt, dass wir sozialdemokratisch\II{\sozialdemokratischeparteitschechien} gewählt haben; Zetkin\IN{\zetkin} gibt aber die Berechtigung des taktischen Gesichtspunktes zu. \tbentry{25}{5}{1935}{} 11\,\hbox{--}\,1~Vorlesung. Mittags mit Frank\IN{\frankphilipp} und Glaser\IN{\glaser}.~-- Kino\IO{Prag!Kino} ,,\textit{SOS}~Eisberg``, mit \gestrunl\ Udet\IN{\udet}, Riefenstahl\IN{\riefenstahl}, Diessl\IN{\diessl}; sehr schöne Eisbergaufnahmen.~\neueseite{538729} \tbentry{26}{5}{1935}{} Wahl in die Landesvertretung.~-- Vortrag für morgen vorbereitet. \tbentry{27}{5}{1935}{} Zahnarzt.~-- 5~Vorlesung. 7\,\textonequarter{}\,\hbox{--}\,9\,\textonehalf{} Colloquium\II{\colloquiumphilosophischegrundlagen}. \uline{Mein Vortrag} ,,Die Beziehungen zwischen Biologie und Physik, vom Standpunkt der Wissenschaftslogik``.\fnE{Siehe die einseitige kurzschriftliche Vortragsskizze (\href{http://doi.org/10.48666/808423}{RC~110"~07"~07}).} Pringsheim\IN{\pringsheim} und Pascher\IN{\pascher} sind im Ganzen einverstanden. Gicklhorn\IN{\gicklhorn} hat Bedenken gegen ,,zu viel Physik``, formuliert sie aber sehr unklar.~-- Heute kam die 2.~Harvard\II{Harvard University, Cambridge (Ma)}-Einladung: Für Sommerkurse~1936.\II{Harvard Summer School 1936}\fnE{Vgl. TB~28.\,II.\,1935\diaryref{TB-28-II-1935} sowie TB~2.\,VII. bis~15.\,VIII.\,1936.} \tbentry{28}{5}{1935}{} Briefe.~-- Rezension\IC{\rezensiondubislavzwei} Dubislav\IN{\dubislav} geschrieben.\fnE{Carnap, ,,Rezension von Walter Dubislav, \emph{Naturphilosophie}``.} \tbentry{29}{5}{1935}{} Neuraths\IN{\neurath} \textit{MS}\IW{\neurathwirtschaftswiss} (Wirtschaftswissenschaft; für Einheitswissenschaft\II{\einheitswissenschaftschriftenreihe}) gelesen.\fnE{Neurath, \emph{Was bedeutet rationale Wirtschaftsbetrachtung?}} \tbentry{30}{5}{1935}{Himmelfahrt} Nachmittags 5\,\hbox{--}\,10 \uline{Franks\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau} hier}. Hania\IN{\frankphilippfrau} meint (zu~Ina\IN{\ina}), dass ich sie eigentlich doch nicht verstehe (vielleicht, weil ich ihr beim Linguistenvortrag so unverständlich und fremd war), und sucht mehr Verbindung mit Ina\IN{\ina}.~-- Mit Frank\IN{\frankphilipp} über Wahrscheinlichkeitsdeutung der Wellenfunktion; die Aufgabe wäre, die Regeln der Übersetzung aus der Sprache der Wellenfunktionen in die Sprache des Beobachtbaren aufzustellen, ohne das übliche, aber nicht korrekte Zwischenglied der Partikelsprache. \tbentry{31}{5}{1935}{\kreis} Rez.\IC{\rezensionheyting} Heyting\IN{\heyting} geschrieben.\fnE{Carnap, ,,Rezension von Arend Heyting, \emph{Mathematische Grundlagenforschung}``.} \tbentry{1}{6}{1935}{} 11~Vorlesung.~-- Nachmittags Kino\IO{Prag!Kino} ,,Wenn ich eine Million hätte``. \tbtwoA{687} \tbentry{2}{6}{1935}{} Briefe. \tbentry{3}{6}{1935}{} Zahnarzt.~-- 5~Vorlesung. \tbentry{4}{6}{1935}{} Nachmittags Zahnarzt.~-- Stadtbibliothek\IO{Prag!Stadtbibliothek Prag}. \tbentry{5}{6}{1935}{} Wieder Lewis-Aufsatz\IN{\lewis}\IC{\lewisaufsatz} gearbeitet (Pause seit~8.\,5.). Gr.\,Sp. \tbentry{6}{6}{1935}{} Zahnarzt.~-- 2 Kolloquium. Vorlesung (letzte). Fakultätssitzung\II{\fakultaetssitzungprag}. \tbentry{7}{6}{1935}{\kreis} \uline{Ferien}.~-- Popperrezension\IN{\popper}\IC{\rezensionpopper} fertig gemacht.~\neueseite{538721} %\tbentry{8}{6}{1935}{} \tbmanyentries{\tbentry{9}{6}{1935}{}, \tbentry{10}{6}{1935}{}} Lewis-Aufsatz\IC{\lewisaufsatz}\IN{\lewis} geschrieben. %\tbentry{10}{6}{1935}{} %\textwh{Lewis-Aufsatz\IC{\lewisaufsatz}\IN{\lewis} geschrieben.} \tbentry{11}{6}{1935}{Ina}\IN{\ina} Mit Ina\IN{\ina} 10 bis~12\,\textonehalf{}~(!) im \uline{Heilfonds}\IO{Prag!Heilfonds} (Hybernska\IO{Prag!Hybernska}, Doktor Vukowska\IN{\vukowska}, der nicht Deutsch sprechen will); ärztliche Untersuchung, Röntgenaufnahme.~-- Ministerium\IO{Prag!Ministerium}, mit Havelka\IN{\havelka} wegen Rückerstattung der Auslagen für Staatsbürgerschaft. Er sagt: Abwarten.~-- 3\textsuperscript{h} Zahnarzt, fertig.~-- Institut\II{Philosophisches Institut der Deutschen Universität Prag}. 5\,\hbox{--}\,6\,\textonehalf{} Kolloquium\II{\carnapfrankzirkel}. \tbentry{12}{6}{1935}{} Nachmittags Antiquar Marel\IN{\marel} hier. Bietet 300\,\textit{K} für die ganzen Bücher! \tbmanyentries{\tbentry{13}{6}{1935}{}, \tbentry{14}{6}{1935}{}} Lewis-Aufsatz\IC{\lewisaufsatz}\IN{\lewis} geschrieben. %\tbentry{14}{6}{1935}{} %\textwh{Lewis-Aufsatz\IC{\lewisaufsatz}\IN{\lewis} geschrieben.} \tbentry{15}{6}{1935}{} 11\,\hbox{--}\,12\,\textonehalf{} Sitzung der Prüfungskommissionsmitglieder\II{\mafa} in unserer Fakultät\IO{Prag!Fakultät der Universität Prag}, wegen Änderung der Prüfungsbestimmungen. Meine Änderungsvorschläge, wie an Pascher\IN{\pascher} geschrieben, werden gebilligt.~-- Nachmittags 4\,\hbox{--}\,7 wir \uline{mit Franks}\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau} im Baumgarten\IO{Prag!Baumgarten}. Hania\IN{\frankphilippfrau} hat Pal\'{e}ologues\IN{\paleologue} Memoiren\IW{\paleologuememoirs} gelesen,\fnE{Paléologue, \emph{An Ambassador's Memoirs}.} in Englisch~(!), erzählt begeistert von Rasputin\IN{\rasputin}: dass man seine Triebe nicht zurückdrängen, sondern ausleben, sündigen soll~(!). Gewitter.~-- 19,52 \uline{\ulinesp{Eva Bergemann}}\IN{\eva} kommt für 1~Tag; Rosenbaum\IN{\rosenbaum} hat hierher geschrieben. Abends noch bis~1\textsuperscript{h} bei ihr im Bett. Sie klagt wie immer, dass er alles unentschieden lässt, seiner Frau nicht gesagt hat, dass Eva\IN{\eva} kommt, usw. Nun schreibt er, sie soll für 1~Jahr kommen; aber er will sich von seiner Frau nicht trennen. Das wird wieder eine Quälerei. Ich sage ihr, sie solle sich innerlich von ihm frei machen, und neuen Mann suchen. Aber sie kann nicht los von ihm. Sie schreibt aber jetzt an seine Frau, legt es ihm bei, um ihn nicht zu kränken, und schreibt ihm, dass er ihr das unbedingt geben muss.~\neueseite{538727}{\tolerance1000\par} \tbentry{16}{6}{1935}{} Mit Eva\IN{\eva} spazieren: {\lspitz}Schafranka{\rspitz}\IO{Schafranka Kloster}, Kloster auf dem Weißen Berg\IO{Weißer Berg}. Über politische Lage, ihre Kinder, Eltern; \pagebreak meine Amerikapläne\IO{Amerika}.~-- 17,12~\uline{Eva\IN{\eva} \tbtwoA{688} reist ab}. Sie ist durch die Aussprache etwas beruhigt und getröstet. Sie wird jetzt ihre Doktorarbeit fertig machen und approbiert werden; vielleicht noch vor den Ferien.~-- Mit Ina\IN{\ina} ins Kino: ,,Maskerade``.\fnA{Es folgen zwei leere Einträge, beim 16.\,VI.\,1935 das Symbol~\original{\kreis}.} %\tbentry{17}{6}{1935}{\kreis} %\tbentry{18}{6}{1935}{} \tbentry{19}{6}{1935}{} Englischen Aufsatz\IC{\lewisaufsatz} geschrieben. \tbentry{20}{6}{1935}{Fronleichnam} \textwh{Englischen Aufsatz\IC{\lewisaufsatz} geschrieben.} \uline{Gertrud Barden\-hewer}\IN{\bardenhewer} hier, zum Nähen, \textonehalf{}\,9~(!)\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,4. Zetkin\IN{\zetkin} musste in die Schweiz\IO{Schweiz}. Er schreibt wieder höchst unglücklich über die Trennung von ihr. Wir geben ihr 50\,\textit{K} für Erzgebirgskinder, die in das Lager Sazava kommen. \tbentry{21}{6}{1935}{} 4 wir zu \uline{Vo\v{c}adlos}\IN{\vocadlo}. Dort \uline{Kingsley Martin}\IN{\martinkingsley} aus London\IO{London}, Ethiker oder Mitarbeiter beim ,,The New Statesman``\II{\newstatesman}, sozialistische Zeitschrift, bei der auch Russell\IN{\russell} mitmacht. Er war mit Vo\v{c}adlo\IN{\vocadlo} in der Tatra\IO{Tatra}, dann 3~Wochen Kur in Pistyan\IO{Pistyan}. Fliegt leider morgen schon nach London\IO{London} zurück. Er fragt mich über die Lage der Deutschen in Böhmen\IO{Böhmen}. Ich: Schuld auf beiden Seiten, unnötige Erschwerungen, besonders in der Sprachenfrage. Er ist mit \uline{Ogden}\IN{\ogden} befreundet; erzählt, wie er mit einem Millionär und Tochter um die Welt reiste, aber plötzlich von Bombay\IO{Bombay} zurückkam. Wir klagen über Schwierigkeiten mit der Syntax-Übersetzung\IC{\logischesyntaxenglisch}, und dass Ogden\IN{\ogden} nicht die Wahrheit schreibt. Er will Ogden\IN{\ogden} berichten, dass Ina\IN{\ina} ihn zwar nicht hasst, aber zornig auf ihn ist. Später wir alleine mit Frau Vo\v{c}adlo, die sehr still ist. Sie hat Russells\IN{\russell} Ehebuch\IW{\russellehebuch} ins Tschechische übersetzt.\fnE{Russell, \emph{Marriage and Morals}.} \tbentry{22}{6}{1935}{} Endlich Bescheid vom Heilfonds\IO{Prag!Heilfonds}: Pistyan\IO{Pistyan} ist bewilligt.\fnE{Vgl. TB~11.\,V.\,1935\diaryref{TB-11-V-1935}.}~-- Briefe. \tbentry{23}{6}{1935}{} Übersetzung\IC{\logischesyntaxenglisch} Syntax~III gelesen.~-- 9\,\hbox{--}\,11 Gertrud Bardenhewer\IN{\bardenhewer} und Lukas\IN{\bardenhewerlukas} hier.~-- Nachmittags \textonehalf{}\,5\,\hbox{--}\,10 \uline{Franks\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau} hier}. Wir machen Pläne, dass sie vielleicht Sommer 1936 mit uns~\neueseite{538731} nach Amerika\IO{Amerika} fahren, weil er sein Geld in Deutschland\IO{Deutschland} dafür nehmen kann. Hania\IN{\frankphilippfrau} sagt, dass sie sehr an uns hängt und uns sehr vermissen wird. \tbentry{24}{6}{1935}{} Übersetzung\IC{\logischesyntaxenglisch} Syntax~III gelesen. \tbentry{25}{6}{1935}{\kreis} \textwh{Übersetzung\IC{\logischesyntaxenglisch} Syntax~III gelesen.}~-- Sehr heiß. \tbentry{26}{6}{1935}{} Wegen \uline{Hitze} Reise nach Wien\IO{Wien} verschoben. \tbentry{27}{6}{1935}{} Abnorme Hitze.~-- Briefe. \tbtwoA{689} \tbentry{28}{6}{1935}{} \gestrunl\ Gewitter, Abkühlung. Plötzlich zur Reise entschlossen. Franks\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau} am Bahnhof, Schwierigkeiten, die Fahrkarten zu bekommen. Wilson\IO{Prag!Wilson-Bahnhof} ab~16,20. \uline{\ulinesp{Wien}}\IO{Wien} \textit{FJ} an,\ort{Wien} 22,20. Hotel Union\IO{Wien!Hotel Union}. Zimmer zur Seitengasse, laut. Am nächsten Tag zwei Einzelzimmer zum Hof.\setort{Prag [Praha]}{\tolerance1000\par} \tbentry{29}{6}{1935}{}\setort{Wien} 10\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,1 \uline{Popper}\IN{\popper}. Er liest meine Rezension\IC{\rezensionpopper} und ist im Allgemeinen einverstanden und anscheinend sehr zufrieden; nur sagt er, dass er den Empirismus nirgends abgelehnt hat. Er erzählt, dass beim \unl\ Schlick\IN{\schlick} ihn mal zu sich bestellt und ihn sehr unfreundlich angefahren hat, wegen Wittgenstein\IN{\wittgenstein}- und Schlickzitaten\IN{\schlick}; die ersteren hat er daraufhin gestrichen, die letzteren verlängert. \textonehalf{}\,1 \uline{Tarski}\IN{\tarski}, beim Essen im Hotelgarten\IO{Wien!Hotelgarten}. Rockefeller\II{\rockefellerstiftung} hat ihm das Stipendium nicht verlängert, und daher nicht Prag\IO{Prag} bewilligt; er wollte am liebsten \textonehalf{} Jahr Wien\IO{Wien} und \textonehalf{} Prag\IO{Prag}.\fnE{Vgl. dazu und zum Folgenden Feferman, \emph{Alfred Tarski}, 91 u. 98\,ff.}~-- \textonehalf{}\,4 kommt \uline{Gödel}\IN{\goedel}. Er sagt, er sei nicht unzufrieden mit Princeton\IO{Princeton}, im Gegenteil. Er hat nur wegen Krankheit die Einladung verschoben, fährt September hin, zunächst für \textonehalf{} Jahr. Neumann\IN{\neumannvon} oder Weyl\IN{\weyl} (er wusste nicht wer) haben schon mal beiläufig von der Idee gesprochen, mich einzuladen. Er selbst hat hauptsächlich Quantenmechanik gearbeitet,~\neueseite{538739} wie Neumann\IN{\neumannvon}; und wird das auch weiter tun. Das Heft der ,,Ergebnisse`` wird Tarski\IN{\tarski} alleine schreiben.\fnE{Siehe zu dieser Diskussion das kurzschriftliche Gesprächsprotokoll (\href{http://doi.org/10.48666/808425}{RC~102"~43"~08}). Das ,,Heft der Ergebnisse`` ist das geplante Buch \textit{Mathematische Grundlagenforschung} für die Serie \textit{Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete}. Gödels Buch sollte Kapitel über Logizismus und Antinomien, Logikkalkül und Metamathematik beinhalten. Die ersten beiden Kapitel wurden von Gödel in Kurzschrift ausgearbeitet (dieser Text wird derzeit von Jan von Plato für die Publikation vorbereitet). Zwischenzeitlich bat Gödel wegen Zeitmangel Carnap und Tarski um Mitarbeit. Die Herausgeber danken Jan von Plato für diese Informationen.} \textonehalf{}\,5~\uline{Tarski}\IN{\tarski} kommt dazu. Über den Wahrheitsbegriff. \tbentry{30}{6}{1935}{} \textonehalf{}\,10 \uline{Tarski}\IN{\tarski}, im Garten. Wichtige Bemerkungen zu meiner Syntax\IC{\logischesyntax}, die ich noch für englische Übersetzung\IC{\logischesyntaxenglisch} verwerten kann.\fnE{Vgl. das lt. einer Randbemerkung Carnaps von Maria Kokoszyńska verfasste, aber mit ,,Tarski`` betitelte und auf den 26.\,VII.\,1935 datierte dreiseitige Manuskript ,,Bemerkungen zur ,Logischen Syntax`\,`` in (\href{http://doi.org/10.48666/825475}{UCLA CM20-05}).} Seine ,,Wahrheitstheorie``; ,,Semantik`` umfasst die Syntax und dazu die Wahrheitsbegriffe. \textonehalf{}\,1\,\hbox{--}\,2 dazu \uline{Rand}\IN{\rand}, beim Essen. Sie stellt Fragen, über Objektsprache usw., hat merkwürdig wenig verstanden.~-- \textonehalf{}\,4\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,5 zu \uline{Menger}\IN{\menger}. Erzählt von seiner neuen Variationsrechnung, und seinem Kolloquium.\II{\mengerscolloquium} Mit Ina\IN{\ina} zu \uline{Kaufmann}\IN{\kaufmannfelix}; \textonehalf{}\,6\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,11. Auch Tarski\IN{\tarski} kommt hinzu. Zuerst auf der Dach\-\tbtwoA{690}terrasse. Kaufmann\IN{\kaufmannfelix} singt lustige neue philosophische Lieder.\fnE{Vgl. Kaufmann, \emph{Wiener Lieder zur Philosophie und Ökonomie}.} 1\,\textonehalf{}~Stunden mit ihm allein über sein \textit{MS} und Physikalismus.\fnE{Vgl. das einseitige Typoskript ,,Bemerkungen zum MS Kaufmann, Physikalismus-Kritik. (26-VI.35)`` (\href{http://doi.org/10.48666/808428}{RC~028"~20"~02}).} \tbentry{1}{7}{1935}{} Im Arkaden\IO{Wien!Arkaden} 11 \uline{Neider}\IN{\neider}. Er, Kraft\IN{\kraftvictor} und andere wollen kleinen Zirkel veranstalten, ich sage zu.~-- 12\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,2 \uline{Schlick}\IN{\schlick}. \ulinesp{Ich vermeide wissenschaft\-liche Diskussion\textspkl{!}} Nur zum Schluss einiges. Ich sage, dass Fundament-Aufsatz\IW{\schlickfundament}\fnE{Schlick, ,,Über das Fundament der Erkenntnis``.} unklar, weil nicht zu ersehen, ob konstatierende Sätze oder nicht. Er meint, nicht-geschriebene Sätze, Erlebnisse, die Sätze sind; aber jedenfalls Sätze, und das Ganze sei psychologisch gemeint.~-- 3\,\hbox{--}\,4 geht Kaufmann\IN{\kaufmannfelix} mit uns ins Hotel France\IO{Wien!Hotel France} zu Doktor \uline{Machlup}\IN{\machlup}, bisher Pappenfabrikant, und Nationalökonom; die Wiener Universität\II{Universität Wien} wollte ihn nicht habilitieren, weil Jude; er war jetzt Gastprofessor in Harvard\II{Harvard University, Cambridge (Ma)}, und hat an vielen Orten Vorträge gehalten; hat jetzt full professorship in Buffalo\IO{Buffalo} bekommen. Er gibt uns Angaben über: Schiffsreise (er ist, obwohl vermögend, zurück 3.~Klasse gefahren! Das komme jetzt immer mehr auf; es waren zufällig 5 University Professoren zusammen), Harvard\II{Harvard University, Cambridge (Ma)}; Sommerwohnung von Professor zu mieten; meist zwischen Weihnachten und März seien die~\neueseite{538733} philosophischen Kongresse, da würden die Professurkandidaten verschachert, März\,\hbox{--}\,April kämen dann die Ernennungen, für Herbst. Er meinte, Harvardehrendoktor werde sehr auf die anderen Universitäten einwirken.~-- 5\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,8 \uline{bei Kraft}\IN{\kraftvictor}: Neider\IN{\neider}, Juhos\IN{\juhos} (ich gebe ihm \textit{MS}\IW{\juhosms} zurück,\fnE{MS von Juhos, ,,Empiricism and Physicalism``.} er sagt, es wird in ,,Analysis``\II{\analysis} gedruckt!), Rand\IN{\rand}, Frenkel\IN{\frenkelelse}, Hollitscher\IN{\hollitscherwalter}, Gödel\IN{\goedel} (leider ist Tarski\IN{\tarski} nicht erreichbar), (Zilsel\IN{\zilsel} ist verhindert). Ich erkläre Hempels\IN{\hempel} Aufsätze\IW{\hempeltheoryoftruth}\IW{\hempelfactsprop};\fnE{Hempel, ,,On the Logical Positivists´ Theory of Truth`` sowie ders., ,,Some Remarks on ,Facts` and Propositions``.} er hätte nicht ,,Wahrheitskriterium``, sondern ,,empiristisches Nachprüfungsverfahren`` sagen sollen. Und der Vergleich zwischen Sätzen in Bezug auf \unl verträglichkeit ist nur die 2.~Hälfte des Prüfungsverfahrens; die erste ist die Aufstellung des Satzes aufgrund einer Beobachtung. Dieses zweite wird von Neurath\IN{\neurath} so in den Vordergrund geschoben, dass es aussieht, es wäre allein da; das wäre dann allerdings Kohärenztheorie, und kein Empirismus mehr; aber das ist doch wohl von Neurath\IN{\neurath} und Hempel\IN{\hempel} nicht gemeint, sicher nicht von mir. Neurath\IN{\neurath} hätte nicht sagen dürfen, man könne den Satz nicht mit der Tatsache vergleichen, sondern: Diese Formulierung sei abzulehnen, \shortenpage weil leicht zu Scheinproblemen verführend. \tbtwoA{691} Dann über ,,Berechtigung`` der \textit{P}-Bestimmungen. Ich sage: Sie sind, ebenso wie die \textit{L}-Bestimmungen, in den üblichen wissenschaftlichen Abhandlungen gewissermaßen stillschweigend vorausgesetzt; das zeigt sich daran, dass man sagt, jemand widerspreche sich in seinen hypothetischen Vermutungen, wenn auch nur ein \textit{P}-Widerspruch vorliegt.~-- \textonehalf{}\,8\,\hbox{--}\,9 mit \uline{Gödel}\IN{\goedel} im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}. Ich erzähle von Russell\IN{\russell}, und seiner Idee, die Koordinatensysteme aus der theoretischen Physik zu entfernen;\fnE{Vgl. TB~2.\,X.\,1934\diaryref{TB-2-X-1934}.} er meint, das ginge wohl, werde aber wahrscheinlich unnötig kompliziert. \tbentry{2}{7}{1935}{} \textonehalf{}\,10\,\hbox{--}\,11 mit \uline{Waismann}\IN{\waismann} im Hotelgarten\IO{Wien!Hotelgarten}. Er hat allerhand Stunden zu geben, auch einen kleinen Kreis beisammen (die zusammen pro Stunde 15\,\textit{S} zahlen), so dass es gegenwärtig~\neueseite{538735} trotz nicht hoher Bezahlung der Stunden geht. Aber sie erwarten September ein Kind! Er will während der Ferien sein Buch\IW{\waismannbuch} bestimmt fertig machen.\fnE{Waismann, \emph{Logik, Sprache, Philosophie}. Vgl. TB~24.\,III.\,1932\diaryref{TB-24-III-1932}.} Wittgenstein\IN{\wittgenstein} hat gesehen, dass Zusammenarbeit nicht geht und ihm jetzt vollständig freie Hand gelassen. Wittgenstein\IN{\wittgenstein} selbst will wahrscheinlich seine umfangreichen Ausarbeitungen unveröffentlicht lassen. Er sage, er hoffe, dass er imstande sein werde, seine Eitelkeit so weit zu beherrschen, dass er kein Buch veröffentlicht. Er wolle Cambridge\IO{Cambridge} jetzt verlassen, und die Philosophie ganz auf\-geben, irgendetwas ganz anderes tun, vielleicht Medizin studieren!~-- \uline{Wien\IO{Wien} ab} Ostbahnhof\IO{Wien!Ostbahnhof} 11,50; sehr heiß im Zug: \uline{\ulinesp{Pistyan}}\IO{Pistyan} an 15,12.\ort{Pistyan [Piešťany]} Auf Empfehlung des Autobusschaffners gleich in den \uline{Cyril Hof}\IO{Pistyan!Cyril Hof}. Sehr nette Zimmer, aber nur kaltes fließendes Wasser. Hohe Aufzahlung für hier essen (anstatt im ,,Pro Patria``\IO{Pistyan!Pro Patria}, wo wir es am ersten Tag tun, was aber derb und primitiv ist), und für getrennte Zimmer. Abends besehen wir Einzelzimmer im Hotel Exzelsior\IO{Pistyan!Hotel Exzelsior} und möchten umziehen. Die Direktorin ist aber weg. \tbentry{3}{7}{1935}{} Wir beschließen, doch zu bleiben, weil Haus ruhiger und nette helle Zimmer. Wir bekommen getrennte Zimmer (später bewilligt Doktor Koller\IN{\koller} das auch offiziell, ausnahmsweise). Untersuchung durch den Assistenten Doktor Meisl\IN{\meisl}. Ich fange mit den Bädern an. Ziemlich anstrengend, weil man stark schwitzt. \tbentry{4}{7}{1935}{} Untersuchung durch den Chefarzt Doktor Koller\IN{\koller}. Er ist sehr freundlich, untersucht genau; bewilligt getrennte Zimmer, Darmbäder, Baldrian. Ich bekomme: Täglich (außer am Ruhetag) Schlammpackung (32\,\textdegree) 20\,\textit{min}, 10\,\textit{min} Spiegelbad im Bassin, Trockenpackung 20\,\textit{min} (\sout{im} in den ,,alten \tbtwoA{692} Bädern``). Im Irmabad\IO{Pistyan!Irmabad}: Zander\fnE{Auf den schwedischen Arzt Gustav Zander zurückgehende Heilgymnastik.} (an 6~Apparaten), Diathermie (an beiden Schultern). 2~$\times$~wöchentlich subaquales Darmbad (im Patria\IO{Pistyan!Pro Patria}, Schwester Fanny\IN{\fanny}), Ina\IN{\ina} schaut beim ersten Mal zu.~\neueseite{538737} \tbentry{5}{7}{1935}{} Ruhetag (aber Zander, Diathermie, Darmbad).~-- Ich lese das \textit{MS}\IW{\kokoschinskawahrheitsbegriff} von Frau Lutman\IN{\kokoschinska}, über Wahrheitsbegriff;\fnE{Kokoszyńska-Lutman, ,,Über den absoluten Wahrheitsbegriff und einige andere semantische Begriffe``. Zur intellektuellen Biografie von Maria Kokoszyńska-Lutman vgl. Anna Brożek, ,,Maria Kokoszyńska``.} gut. \tbentry{6}{7}{1935}{} Kreuz wird geröntgt.~-- \uline{Tarski}\IN{\tarski} schreibt, er hat die Absicht, für 10~Tage herzukommen, aufgegeben, weil zu kostspielig. Schade, es wäre viel mit ihm zu besprechen.~-- Unsere Mahlzeiten im Cyril\IO{Pistyan!Cyril Hof} sind ungeheuer reichhaltig, auch immer Obst dabei (Kirschen und 1 Pfirsich). \tbentry{7}{7}{1935}{Ina}\IN{\ina} Nachmittags \gestrunl\ auf den Roten Turm-Berg\IO{Pistyan!Roter Turm-Berg}. Die Flugzeuge vom Flugplatz\IO{Pistyan!Flugplatz} kommen immer herüber. \tbentry{8}{7}{1935}{} Prokurist \uline{Tolnai}\IN{\tolnai} von der Kurdirektion\IO{Pistyan!Kurdirektion} kommt nachmittags zu mir. Doktor Hexner\IN{\hexner} aus Pressburg\IO{Pressburg} hat angerufen (vermutlich auf Kaufmanns\IN{\kaufmannfelix} Veranlassung?). Er bewilligt mir Irmabad\IO{Pistyan!Irmabad}, und fragt nach allen Wünschen.~-- Terminologie geschrieben.\fnE{Vgl. TB~19.\,VII.\,1935\diaryref{TB-19-VII-1935}.} \tbentry{9}{7}{1935}{} Ruhetag. Sodabad. \textwhl{Terminologie geschrieben.} \tbentry{10}{7}{1935}{} Von jetzt an im Irmabad\IO{Pistyan!Irmabad} gebadet. \tbentry{11}{7}{1935}{} Ärztliche Visite von Doktor Hohvath\IN{\hohvath}. Schultern etwas beweglicher; aber Symptome am Kreuz.~-- Tarski\IN{\tarski} gelesen.\fnE{Vermutlich Tarski, ,,Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen``.} \tbentry{12}{7}{1935}{} \textwh{Tarski\IN{\tarski} gelesen}. Eine kleine \uline{Schwedin}, \uline{Britta} Wiedebeck\IN{\britta}, ist hier, die ,,kleine \uline{Schwalbe}``, mit weißem Kleid, hängenden blonden Haaren. Sie ist immer mit dem Stubenmädchen zusammen, spricht sehr schnell und laut. Ina\IN{\ina} findet sie allein in ihrem Zimmer. Aber sie ist scheu.~-- Alte schwedische Erinnerungen\IO{Schweden} werden geweckt, Tilly\IN{\tilly}, Elin\IN{\hederstroemfrau}; Melodien; ich schlafe wenig. \tbentry{13}{7}{1935}{\kreis} Ina\IN{\ina} hat mit der Schwalbe\IN{\britta} in ihrem Zimmer etwas gesprochen; ich begrüße sie nur kurz, muss dann zum Bad. Sie ist sehr fromm, lauter Pfarrer und Bischöfe~\neueseite{538749} unter den Vorfahren. Sie fragt gleich nach unserem Glauben und ist entsetzt, als Ina\IN{\ina} berichtet, dass wir nichts glauben. \tbtwoA{693} Ina\IN{\ina} spielt auf soziale Verbesserungen an; aber sie meint, entschieden, dass das die Menschen nicht bessert. Man kann nur den einzelnen Menschen helfen, indem man sie bessert.~-- Nachmittags mit Ina\IN{\ina} am Waagufer die Straße hinunter, dann auf den Berg, und den Kammweg in Richtung zur Bacchusvilla. Schöne Aussicht auf die Landschaft, die ,,Kornkammer der Slowakei``\IO{Slowakei}.~-- Ina\IN{\ina} hat mittags die Schwalbe\IN{\britta} gefragt, ob sie mit uns spazieren gehen will, aber sie musste mit der Mutter; abends treffen wir sie beim Hinausgehen und fragen wieder. Sie sagt ,,nein; lieber nicht``. Die hat doch wohl Angst vor den Ungläubigen. \tbentry{14}{7}{1935}{} Die Schwalbe\IN{\britta} weicht uns aus. Beim Mittagessen zeigt sie anderen Leuten Fotos aus ihrer Heimat, und huscht schnell an uns vorbei. \sout{Abends} Beim Abendessen verabschiedet sie sich von anderen.~-- Nach dem Abendessen gehen wir noch etwas aus. Plötzlich beim Eingang in den Kurpark\IO{Kurpark} treffen wir die \uline{Schwalbe}\IN{\britta}, die alleine nach Hause will. Da sie keine Zeit hat, mit uns noch spazieren zu gehen, sage ich, dass wir mit ihr kommen wollen. Ich erzähle von der Wanderung durch \sout{Schweden}\IO{Schweden} Värmland\IO{Värmland}, und spreche etwas Schwedisch. Sie ist mit ihrer Mutter hier; diese hat Nervenschmerzen im Gesicht, ist nervös und klassenbewusst; sie macht ihr Vorwürfe, dass sie mit dem Stubenmädchen immer zusammenhockt. Der Vater ist gestorben, war Lehrer. Sie wohnen (sie als einziges Kind) in Strängnäs\IO{Strängnäs}, am Mälaren\IO{Mälaren}, 90\,\textit{km}~westlich von Stockholm\IO{Stockholm}, gegenüber dem Prästgard\IO{Strängnäs!Prästgard} (Verwandter?). \gestrunl\ Ich spreche von Uppsala\IO{Uppsala}; sie hat einen verwandten Professor Backlund\IN{\backlund}~(?) dort, und noch einen Theologieprofessor. Sie will Handarbeitslehrerin werden, auf das Seminar in Stockholm\IO{Stockholm} gehen, ist jetzt wegen zu vieler Anmeldungen~\neueseite{538747} nicht \sout{angemeldet} \sout{worden} angenommen worden. Ich sage, ob sie meint, dass Leute, die nicht glauben, was sie glaubt, schlecht sind. ,,Irgendetwas muss man doch glauben``. Und ,,in allen Menschen, auch in den Dieben, steckt doch irgendetwas Gutes``. Ich:~,,Wir beide sind wohl die Diebe, weil wir nichts glauben``. Da wird sie böse, das habe sie nicht gesagt. Ich sage, dass es Spaß war. Sie sagt, sie versteht so schlecht Spaß. In der Schule ist sie immer zornig geworden, wenn jemand Spaß mit ihr machen wollte. Ich versuche ihr klarzumachen, dass jeder seinen eigenen Weg suchen muss, und dass man sich hüten muss, über die Leute nach ihrem Glauben zu \gestrunl\ urteilen. Wir wandeln so noch etwas in der Nähe herum, dann muss sie hinein.~-- Es war nett, mal wieder Schwedisch und über Schweden\IO{Schweden} zu hören. Ein Funken von der alten Schwedenliebe fällt auf jeden, der von dort kommt; trotz aller Differenzen, die weitere Gespräche doch wohl schwierig machen würden. \tbtwoA{694} \tbentry{15}{7}{1935}{} (Die Schwalbe\IN{\britta} reist vormittags ab.) \tbentry{16}{7}{1935}{} Terminologie geschrieben. \tbentry{17}{7}{1935}{} Ruhetag. \tbentry{18}{7}{1935}{} Arztuntersuchung bei Doktor Koller\IN{\koller}. Er rät, noch 1~Woche oder wenigstens 3~Tage auf eigene Kosten zuzusetzen. Wir sind unentschlossen. Können 3~Tage so viel ausmachen? Der Aufenthalt ist doch sehr teuer. \tbentry{19}{7}{1935}{} Erste Rundfrage zur Terminologie verschickt (an~8).\fnE{Siehe den auf den 18.\,VII.\,1935 datierten und an Albrecht Becker, Behmann, Bernays, Gödel, Helmer, Hempel, Neurath und Tarski adressierten Rundbrief zur Frage der ,,Vereinheitlichung der Terminologie und Symbolik der Logistik`` (\href{http://doi.org/10.48666/808436}{RC~115"~08"~10}).} Gymnastik bei Frau Neumann\IN{\neumannfraupistyan} begonnen. \tbentry{20}{7}{1935}{} Philosophischen Fragebogen begonnen.\fnE{Vgl. den Eintrag zum Vortag.} \tbentry{21}{7}{1935}{\kreis} Abends zur Volksbelustigung. Ärmlich. Wir besuchen das Zelt mit dem Motorradfahrer in der Kugel.~-- Wir beschließen, doch \textit{Di} zu reisen.~\neueseite{538741} \tbentry{22}{7}{1935}{} Direktor Imre Winter\IN{\winterimre} führt uns nachmittags durch sein Museum\IO{Pistyan!Museum}.\fnE{Balneologisches Museum Piešťany.} Dann besuchen wir Prokurist Tolnai\IN{\tolnai} zum Abschied. Er bedauert, dass wir nicht öfter gekommen sind; er hätte uns seiner Familie vorstellen wollen.~-- Ina\IN{\ina} packt. \tbentry{23}{7}{1935}{} Die letzten Bäder. \uline{Abreise}~14,59. Über Pressburg\IO{Pressburg}~-- Brünn\IO{Brünn}. \uline{Prag}\IO{Prag} an~23,33\ort{Prag [Praha]} (10\,\textonehalf{}~Stunden!). \tbentry{24}{7}{1935}{} Briefe. Syntax-Übersetzung\IC{\logischesyntaxenglisch} durchgesehen. %\tbentry{25}{7}{1935}{} \tbentry{26}{7}{1935}{} 12\,\hbox{--}\,3 mit \uline{Franks}\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau} und \uline{von Mises}\IN{\mises} \gestrunl\ wir beide im Caf\'{e} Starba\IO{Prag!Caf\'{e} Starba} und dann im Garten vom Savarin\IO{Prag!Savarin}. Hania\IN{\frankphilippfrau} will zu Ferienkursen nach England\IO{England}, ins College Exeter\II{Exeter College, University of Oxford}, fürchtet sich aber etwas davor. Frank\IN{\frankphilipp} verrät nichts von seinen Plänen, will aber Anfang September nach England\IO{England}, dann Paris\IO{Paris}. Er hat den Brief des Ministeriums\IO{Prag!Ministerium} wegen der Devisen für mich durch {\lspitz}Wied{\rspitz}\IN{\wied} vom Minsterium\IO{Prag!Ministerium} holen lassen, in Tschechisch, sonst hätte es noch Wochen gedauert. Mises\IN{\mises} sagt, Reichenbach\IN{\reichenbach} habe in Istanbul\IO{Istanbul} und anscheinend auch dort beim Ministerium\IO{Istanbul!Ministerium} gesagt, er habe einen Ruf nach Amerika\IO{Amerika}. Damit habe er sich aber verspekuliert; das Ministerium habe ihm das gewünschte erste Jahr nicht bewilligt, sondern gesagt, er könne ganz gehen, wenn er \tbtwoA{695} wolle.\fnE{Vgl. TB~12.\,IX.\,1935\diaryref{TB-12-IX-1935}.} Mises\IN{\mises} behauptet, Reichenbachs\IN{\reichenbach} Buch\IW{\reichenbachwahrscheinlichkeit}\fnE{Reichenbach, \emph{Wahrscheinlichkeitslehre}.} noch nicht gelesen zu haben. Ich gebe ihm meine Rezension Popper\IN{\popper}\IC{\rezensionpopper}; er beanstandet die Wendung ,,die von Mises\IN{\mises} aufgestellte und von Reichenbach\IN{\reichenbach} verbesserte Definition der Wahrscheinlichkeit``.\fnE{Siehe Carnap, ,,Rezension von Karl Popper, \emph{Logik der Forschung}``, 291.} Er will wahrscheinlich im Sommer nach Russland\IO{Russland}, kommt deshalb nicht nach Paris\IO{Paris}.~-- Abends 8\textsuperscript{h} kommt plötzlich unerwartet \uline{Tom Chambers}\IN{\chamberstom}, Quines\IN{\quine} junger Freund, Chemiker, Harvardfellow. Bei uns arge Unordnung. Er besucht überall Laboratorien, besonders für physikalische Chemie \sout{der organi} des Organischen. War in München\IO{München} und Wien\IO{Wien}, will nach Skandinavien\IO{Skandinavien}. Bis \textonehalf{}\,10.~\neueseite{538745} \tbentry{27}{7}{1935}{} Briefe geschrieben. \tbentry{28}{7}{1935}{} \textonehalf{}\,1\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,4 Tom \uline{Chambers}\IN{\chamberstom} hier. Die Studenten in München\IO{München} sind unfreundlich gegen die Amerikaner; er vermutet: wegen Kriegseintritt. Die Professoren in München\IO{München} und Deutschland\IO{Deutschland} überhaupt beklagen sich, dass keine Studenten mehr wissenschaftlich arbeiten; alle Forschung wird für technisch-praktischen Bedarf eingestellt. Er ist ziemlich unpolitisch, in Amerika\IO{Amerika} sei \sout{kri} kein Grund für politisches Interesse, alles liefe glatt; hier in Europa\IO{Europa} fange er an, sich zu interessieren; er meint, Quine\IN{\quine} sei Kommunist.~-- Von Harvard\II{Harvard University, Cambridge (Ma)}. Er wohnt in einem Studentenhaus. Jeder Fellow bekommt dort \gestrunl\ Schlafzimmer, Arbeitszimmer, Bad! Studentinnen gibt es dort nicht. Vielleicht aber wird nächsten Sommer für die vielen Besucher in diesen Häusern etwas Besonderes eingerichtet.~-- Ina\IN{\ina} geht mit ihm nachmittags \gestrunl\ Dom\IO{Prag!Prager Dom} und Judenfriedhof\IO{Prag!Judenfriedhof} besichtigen. \tbentry{29}{7}{1935}{\kreis} Geschrieben. %\tbentry{30}{7}{1935}{} \tbentry{31}{7}{1935}{} Geschrieben. Ina\IN{\ina} packt. \tbentry{1}{8}{1935}{} \uline{Abreise} mit Ina\IN{\ina}. Prag\IO{Prag} ab~15,38, über Fürth\IO{Fürth}~-- Schwandorf\IO{Schwandorf}. \uline{München}\IO{München} an 23,30.\ort{München} Hotel Eden\IO{Prag!Hotel Eden}. \tbentry{2}{8}{1935}{} Ina\IN{\ina} fährt 10,19 schon nach Burgstein\IO{Burgstein}. Ich 12,22~Starnberg\IO{Starnberg}~-- \uline{\ulinesp{Söcking}}\IO{Söcking}.\ort{Söcking} Spaziergang mit Maue\IN{\maue}. Es geht ihr gut. Hellmuth\IN{\gall} sieht sie selten, war aber Ostern in Hinterzarten\IO{Hinterzarten}, wo er oft heraufkam.~-- Gerhard\IN{\gerhardgramm} ist viel anständiger, dank der Erziehung durch \uline{Gerti} Burger\IN{\burgergerti}, Loheländerin; sie wohnt bei Bodes\IN{\bodezwei}\IN{\bodefrau}, verwahrt oft die Kinder, gibt ihnen auch Gymnastik. Sie mag Hanneliese\IN{\hanneliese} sehr gern. Man weiß nicht, warum die nicht zu ihr zur Stun\-\tbtwoA{696}de kommt.~-- Abends kommt plötzlich Hans Gerhard \uline{Sievers}\IN{\sievershans} auf Motorrad, Sohn des Legationsrats\IN{\sievers}, lernt auf~\neueseite{538753} Gartenarchitekt, kann nirgends ankommen, weil nicht rein arisch, was er früher gar nicht gewusst hat! Alle sind überhaupt kritisch, Maue\IN{\maue} sagt: Außer Bodes\IN{\bodezwei}\IN{\bodefrau} und Chacha\IN{\elisabeth} alle ihre Bekannten. Viel mehr als voriges Jahr.~-- Ich schlafe in Gramms\IN{\gramm} Zimmer mit Gittli\IN{\birgit}, wodurch mein Schlaf sehr unruhig. \tbentry{3}{8}{1935}{} Meist in großer Gesellschaft beisammen. Gymnastikstunde der Kinder bei Gerti\IN{\burgergerti} zugesehen. Rücken strecken, auf dem Boden liegend; das wäre gut für mich. Abends wird die Prinzessin mit großem Geläute hinübergebracht. Sie ist aber immer sehr nett, gar nicht mehr anspruchsvoll. Abends in Gramms\IN{\gramm} Zimmer, allein. \tbentry{4}{8}{1935}{Ina}\IN{\ina} Ganzen Vormittag mit Gittli\IN{\birgit} Rätsel, Buchstaben"~, Zahlen- und Figuren"~, besonders diese mag sie gern; sie ist sehr klar und geschickt dabei. Nachmittags fährt Sievers\IN{\sievershans} los.~-- Abends Maue\IN{\maue} endlich bei mir. \sout{Das} Mein Unterbewusstsein sorgt für Monogamie. \tbentry{5}{8}{1935}{} Söcking\IO{Söcking} ab Autobus~8,23. In Starnberg\IO{Starnberg} Karten von Annemarie\IN{\annemarie} und Maina\IN{\maina}, ich soll nach Elmau\IO{Elmau} kommen. Ich habe Lust dazu, aber es regnet, darum lieber auf September verschieben. Starnberg\IO{Starnberg} ab~9,28 Schnellzug, Halt in Klais\IO{Klais}; über Mittenwald\IO{Mittenwald}; in Innsbruck\IO{Innsbruck} \uline{Feigl}\IN{\feigl}, zusammen nach Ötztal\IO{Ötztal}, und im Auto nach \uline{Längenfeld}\IO{Längenfeld}.\ort{Längenfeld} Dort kommt Ina\IN{\ina}, die schon seit~2. in Burgstein\IO{Burgstein} ist. \ulinesp{Brief von Morris\IN{\morris}:} \uline{\ulinesp{Einladung nach Chicago\II{University of Chicago}}} für Januar\,\hbox{--}\,März 1936. 5\textsuperscript{h}~kommt \uline{\ulinesp{Woodger}}\IN{\woodger} mit seinem Auto mit den Kindern und Frau Riggenbach\IN{\riggenbach} (Schweizerin, aus England\IO{England}). Eden\IN{\woodgerfrau} liegt im Spital\IO{Innsbruck!Spital}, Halswirbel\neueseite{538759} operation wegen Autounfall, muss 6\hbox{--}8~Wochen im Gipsverband liegen. Zusammen hinauf, Hubenerweg\IO{Innsbruck!Hubenerweg}. \uline{\ulinesp{Burgstein}}\IO{Burgstein}.\ort{Burgstein} Wir bekommen das untere \textit{NO}-Zimmer. \tbentry{6}{8}{1935}{} Ina\IN{\ina} bleibt zu Bett. Ich mit Woodger\IN{\woodger} und Feigl\IN{\feigl} rechts am Berg\IO{Burgstein!Berg} hinauf. Über Biologie, Empirismus. Nachmittags mit Woodger\IN{\woodger} spazieren. \tbentry{7}{8}{1935}{} Vormittags mit Ina\IN{\ina} und Woodger\IN{\woodger} links am Berg hinauf. Woodger\IN{\woodger} über Lebenskunst, Verhältnis zwischen Ehe und Gesellschaft.~-- Wir beschließen, Hintertux\IO{Hintertux} aufzugeben, und hier zu bleiben; es würde zu teuer, besonders für Woodgers\IN{\woodger} Kinder.~-- Nachmittags am Waldrand gesessen, Woodger\IN{\woodger} \textit{MS}\IW{\woodgerbuch} angefangen.\fnE{Vermutlich MS von Woodger, \emph{The Axiomatic Method in Biology}.} (Heute zu müde zum Arbeiten oder Diskutieren, weil schlecht geschlafen.) \tbtwoA{697} \tbentry{8}{8}{1935}{} Wir ziehen ins alte Haus um, weil ruhiger.~-- Angefangen, am englischen \textit{MS} zu arbeiten (Aufsatz\IC{\lewisaufsatz} für Lewis\IN{\lewis}).\fnE{Vgl. TB~3.\,IV.\,1935\diaryref{TB-3-IV-1935}.} \tbentry{9}{8}{1935}{\kreis} Woodger\IN{\woodger} mit den beiden großen Jungen, Feigl\IN{\feigl} und Frau Riggenbach\IN{\riggenbach} über Gries\IO{Gries} \gestrunl\ zu den Hütten. Sie kommen \textonehalf{}\,11~abends zurück! Die Jungen ganz erschöpft, Woodger\IN{\woodger} hat den Weg unterschätzt und sie zu weit geführt.~-- Ich englisches \textit{MS}\IC{\lewisaufsatz}. \tbentry{10}{8}{1935}{} Woodger\IN{\woodger} scheint sehr verliebt in Ina\IN{\ina}; sogar Zärtlichkeiten, obwohl er sonst ,,Moralist``, worüber Ina\IN{\ina} spottet.~-- Englisches \textit{MS}\IC{\lewisaufsatz}. \tbentry{11}{8}{1935}{} Nachmittags alle zusammen zur \uline{Plattengrube}\IO{Plattengrube}. Dort schöne Aussicht. Lange in der Sonne gelegen. Woodger\IN{\woodger} und Andrew\IN{\woodgerandrew} wird's zu langweilig, sie gehen. Wir beiden Paare bleiben. Beim Abstieg mit Margret Riggenbach\IN{\riggenbach} gesprochen. Sie ist als Krankenschwester ausgebildet, hat bei ihrem Bruder, der Psychiater ist, gearbeitet, und bei dem Sohn Forel\IN{\forel}. Zu viel Arbeit. Jetzt als Erzieherin, das gefällt ihr besser. Auch über Faschismus und~\neueseite{538757} Schweiz\IO{Schweiz}. Sie meint, die meisten Gebildeten sind gegen Hitler\IN{\hitler}. \tbentry{12}{8}{1935}{} Ganz früh reist Frau Riggenbach\IN{\riggenbach} ab. Feigl\IN{\feigl} war sehr an sie attachiert; sagt, dass er schon in der ersten Nacht zum Ziel gekommen sei~(!). Feigl\IN{\feigl} erzählt etwas von Kasperles\IN{\kasper} Melancholie; sie wollen deshalb kein Kind mehr.~-- Es kommen 22~Ferienjungen aus Wien\IO{Wien}. Daher müssen wir wieder aus dem alten Haus ausziehen. 2.~Stock; ich \textit{SO}-Zimmer mit Balkon, Ina\IN{\ina} daneben. \tbentry{13}{8}{1935}{} Woodger\IN{\woodger} \textit{MS}\IW{\woodgerbuch} gelesen.~-- Briefe. \tbentry{14}{8}{1935}{} Englischer Aufsatz\IC{\lewisaufsatz}. Mit Feigl\IN{\feigl} seinen Aufsatz über metaphorische Sprache durchgesehen.\fnE{Nicht identifiziert. Die nachfolgende Bemerkung legt nahe, dass der Aufsatz unpubliziert geblieben ist.} Er \gestrunl\ gibt selbst zu, dass es ziemlich schlimm ist. \tbentry{15}{8}{1935}{} Vormittags mit Feigl\IN{\feigl}. Richtung Plattengrube\IO{Plattengrube} hinauf. Über Testability, Sprachform; Diskussion Schlick\IN{\schlick}~-- Neurath\IN{\neurath}~-- Hempel\IN{\hempel}; keine Kohärenztheorie; wir einigen uns gut, die Differenzen scheinen klein (aber die metaphorische Geschichte von gestern schwebt doch im Hintergrund).~-- Nachmittags mit Woodger\IN{\woodger} und Feigl\IN{\feigl}; Woodger\IN{\woodger} erklärt die Hauptzüge seines Systems.\pagebreak \tbtwoA{698} \tbentry{16}{8}{1935}{} Englischer Aufsatz\IC{\lewisaufsatz}. Woodger\IN{\woodger} revidiert das \textit{MS}; Ina\IN{\ina} tippt es.~-- Nachmittags mit Ina\IN{\ina} spazieren. Woodger\IN{\woodger} hat sie geküsst und ist sehr glücklich und stolz darüber. Mehr wünscht er nicht. \tbentry{17}{8}{1935}{} Endlich schönes Wetter. Auf den \uline{Gamskogel\IO{Gamskogel}} (2815\,\textit{m}). Mit Ina\IN{\ina}, Feigl\IN{\feigl}, Woodger\IN{\woodger} und Andrew\IN{\woodgerandrew}. Steil im Wald hinauf. Einmal stürzt Andy\IN{\woodgerandrew} kopfüber 2\hbox{--}3\,\textit{m} hohe Felswand hinunter; sein Vater fängt ihn in den Armen auf. Wir alle sind sehr erschreckt; Woodger\IN{\woodger} bleibt aber ruhig. Der Junge ist tapfer. Vorbei am Platteck\IO{Platteck} (unser Rastplatz vor 3~Jahren). Dann anstatt des schwer zu findenden Steilkletterweges sehr lange Traverse über die Schlucht bis auf den Grieser Weg\IO{Grieser Weg}, und diesen hinauf zum \gestrunl\ Gipfel.~\neueseite{538751} Beinahe 6~Stunden! Herrliche Aussicht. Ich bin sehr froh, dass ich so viel aushalte. Abstieg nach Gries\IO{Gries}. Dann 2~Stunden \gestrunl\ nach Burgstein\IO{Burgstein}; dies letzte Stück teils im Dunkeln, sehr ermüdend. \tbentry{18}{8}{1935}{} Faul. Feigls\IN{\feigl} Bemerkungen über Amerika\IO{Amerika} notiert. \tbentry{19}{8}{1935}{\kreis} \gestrunl\ Gestern abend war Sokrates\IN{\woodger} bei Ina\IN{\ina}, im Arm, Gespräche. Ich heute früh im Bett darüber ein wenig {\lspitz}schnecklich{\rspitz}, zu Inas\IN{\ina} Kummer. Und Ina\IN{\ina} Kummer über Feigls\IN{\feigl} Bemerkung gestern, dass sie mich zu viel korrigiert (,,Großmutter``).~-- Kaufmann\IN{\kaufmannfelix} sagt ab.~-- Abends \uline{Frau Schmidl}\IN{\schmidl}. Wir begleiten sie halbwegs nach Huben\IO{Huben}, wo sie wohnt. \tbentry{20}{8}{1935}{} Ina\IN{\ina} und Woodger\IN{\woodger} im Auto nach Innsbruck\IO{Innsbruck}, zu Besorgungen.~-- Mit Feigl\IN{\feigl} spazieren; über seine Metaphysik. Er weiß die antimetaphysischen Gegenargumente genau, und sagt, dass er sie immer den Metaphysikern gegenüber vorbringt. Aber hier möchte er seine Magenschmerzen auskramen.\fnE{Die Bemerkungen beziehen sich vermutlich auf Feigls in dieser Zeit entstehende Tendenzen, im Gegensatz zu Carnap einen ,,wissenschaftlichen Realismus`` zu verteidigen. Vgl. Feigl, \emph{Sense and nonsense in scientific realism} sowie Neuber, \emph{Der Realismus im logischen Empirismus}, 109\hbox{--}132.}~-- Englischer Aufsatz\IC{\lewisaufsatz} fertig. \tbentry{21}{8}{1935}{} Nachmittags mit Feigl\IN{\feigl} spazieren; über Induktion, und Zweckmäßigkeit der \textit{P}-Bestimmungen.\fnE{Vgl. Carnap, \emph{Logische Syntax der Sprache}, 133\hbox{--}135.} \tbentry{22}{8}{1935}{} \uline{Ina}\IN{\ina} geht mit Woodger\IN{\woodger} und Feigl\IN{\feigl} in die \uline{Oberötztaler Alpen}\IO{Oberötztaler Alpen}. Ich schreibe langen Brief an Langford\IN{\langford} (auf seinen Brief, über Satz, der über sich selbst spricht).~-- Aufsatz\IC{\scientiaaufsatz} zur Erwiderung auf Schrödinger\IN{\schroedinger} angefangen.\fnE{Carnap, ,,Existe-t-il des prémisses de la science qui soient incontrôlables?{}``, \pagebreak eine Erwiderung auf Schrödinger, ,,Quelques remarques au sujet des bases de la connaissance scientifique``.} \tbtwoA{699} \tbentry{23}{8}{1935}{} Noch allein. Schrödinger\IN{\schroedinger}-Aufsatz\IC{\scientiaaufsatz} fertig.~-- Syntaxübersetzung\IC{\logischesyntaxenglisch} revidiert. \tbentry{24}{8}{1935}{} Nachmittags kommen Ina\IN{\ina} und die anderen zurück. Sie waren: Similaun-Hütte\IO{Similaun!Similaun-Hütte}, Similaun\IO{Similaun}, Langereckhütte\IO{Langereck!Langereckhütte}. Ganz braun. Gestern sehr anstrengender Tag, 13~Stunden~\neueseite{538755} gegangen, meist über Gletscher, in herrlicher Umgebung; Ina\IN{\ina} meint, es sei vielleicht der schönste Tag ihres Lebens. Woodger\IN{\woodger} bewahrte wieder seinen Eigensinn. Wollte kein Obst mitnehmen (so dass Ina\IN{\ina} ihm oben abgab), die Nase nicht einschmieren (so dass arge Bräune entstanden), auf dem Gletscher das Seil nicht in die Hand nehmen, so dass Ina\IN{\ina}, die vor ihm ging, belästigt wurde und einmal beinahe gestürzt wäre.~-- Wir ziehen in die beiden Zimmer auf der Nordseite, 1.~Stock, um. \tbentry{25}{8}{1935}{\kreis} Ina\IN{\ina} geht fleißig ans Tippen.~-- Ich mit Woodger\IN{\woodger} über Mendelismus. \tbentry{26}{8}{1935}{} Ina\IN{\ina} tippt fleißig. Ich schreibe einiges für \gestrunl\ Paris\IO{Paris}. Lewisaufsatz\IC{\lewisaufsatz}\IN{\lewis} ist fertig getippt; verglichen. \tbentry{27}{8}{1935}{} Geschrieben, gepackt (Ina\IN{\ina}). \tbentry{28}{8}{1935}{} \textwh{Geschrieben, gepackt (Ina\IN{\ina}).} 11\textsuperscript{h} von Burgstein\IO{Burgstein}. Woodger\IN{\woodger} mit seinem Auto, Feigl\IN{\feigl}, Ina\IN{\ina} und ich fahren in die Dolomiten\IO{Dolomiten}. Nachmittags in \uline{Innsbruck}\IO{Innsbruck} Besorgungen. Zum Brenner\IO{Brenner} hinauf, Regen. Vom Brenner\IO{Brenner} hinunter, viele Flaggen, Soldaten usw., weil Manöver hier. \uline{Sterzing}\IO{Sterzing = Vipiteno}\ort{Sterzing [Vipiteno]} (Vipiteno\IO{Vipiteno = Sterzing}), Hotel Posta Vecchia\IO{Sterzing!Hotel Posta Vecchia}. Wir wohnen in der dependance, eine lange Galerie von Zimmern im Garten. Ab~3\textsuperscript{h} wenig mehr geschlafen. \tbentry{29}{8}{1935}{} Weiter über Franzensfeste\IO{Franzensfeste} Waidbruck\IO{Waidbruck} (Ponte all'Isarco\IO{Ponte all'Isarco})~-- \uline{Bozen}\IO{Bozen}.\ort{Bozen [Bolzano]} Ina\IN{\ina} holt Paula Paulino\IN{\paula} zu uns. Zusammen gegessen. Viel Obst auf dem Obstmarkt gekauft. Mussolini\IN{\mussolini} ist in der Stadt. Viele Soldaten, Miliz, Schwarzhemden usw. Es ist wieder ganz warm geworden. \uline{Feigl\IN{\feigl} verlässt uns}, fährt zu Schlick\IN{\schlick} auf den Ritten\IO{Ritten} (dann Wien\IO{Wien} und Paris\IO{Paris}). Wir mit Paula\IN{\paula} zum \uline{Kohlerer\IO{Kohlerer} hoch} hinaufgefahren. Prachtvoller Ausblick auf den Rosengarten\IO{Bozen!Rosengarten}. Dann hinunter~\neueseite{538763} ins Tal Fassa\IO{Fassatal}; sehr schön. \textit{\uline{Canazei}\IO{Canazei}},\ort{Canazei} Albergo Maria\IO{Canazei!Albergo Maria}, schöne billige Zimmer mit Fließwasser. Wir machen noch Spaziergang, sehen die Sellagruppe\IO{Sellagruppe}. Wunderbar die einzelnen Dolomitenmassive\IO{Dolomiten}. Sokrates\IN{\woodger} vermisst die Gletscher!{\tolerance1000\par} \tbtwoA{700} \tbentry{30}{8}{1935}{}\kern-.1em Morgens Regen, auf einmal klart es auf. Herrliche Fahrt zum \uline{Pordoi-\allowbreak Joch}\IO{Pordoi-Joch} (zwischen Sella\IO{Sella} und Marmolada\IO{Marmolada}, die aber nicht sichtbar). Hinunter nach Arabba\IO{Arabba}. Dann verlassen wir die Dolomitenstraße\IO{Dolomitenstraße}, fahren ganz um die Sella\IO{Sella} herum. Über einen Pass, hinunter nach \sout{Cor\unl} \uline{Corvara}\IO{Corvara}.\ort{Corvara} Wunderbares Skigebiet. Hinauf zum \uline{Grödnerpass}\IO{Grödnerpass}. Ich mit Paula\IN{\paula} \textonehalf{} Stunde auf dem Weg zum Rifugio di Passagio\IO{Rifugio di Passagio}; wir gehen bis zu der Schlucht zwischen den Felsen, wo der Weg im Geröll hinaufgeht. Es wäre sehr verlockend, hinaufzugehen, die Hütte wird mitten zwischen den Felsen liegen, an einem See. Hinunter ins Grödnertal\IO{Grödnertal}. Bald verschwinden die schönen Berge; in \textit{\uline{Ortisei}}\IO{Ortisei}\ort{Ortisei} sieht man nur liebliches Tal; erstaunlich, dass es so berühmt ist als Dolomitenort\IO{Dolomiten}. Von hier fahren wir mit der Seilbahn in 5~Minuten hinauf zur \uline{Seiseralpe}\IO{Seiseralpe}. Von der Bergstation\IO{Bergstation} 20\,\textit{min} hinunter zur \uline{Trattoria del Colle}\IO{Trattoria del Colle}. Schöne Lage. Darum beschließen wir zu bleiben, trotzdem die Zimmer sehr einfach sind (nur Kerzen), kein Schrank usw. Um~5\textsuperscript{h} fahren Woodger\IN{\woodger} und Paula\IN{\paula} schon hinunter, weil Woodger\IN{\woodger} merkwürdiger\-weise schon um~7\textsuperscript{h} in Bozen\IO{Bozen} sein will (Ina\IN{\ina} glaubt, er will seinen Abschiedskummer im Wein ertränken). Woodger\IN{\woodger} will beim Abschied an der Berg\-station\IO{Bergstation} eine speech halten, aber ich bremse ihn ab. Er dankt aber herzlich für die Ferien usw.~-- Sie schicken dann unser Gepäck und Obst herauf; 2~Jungen bringen es zu unserem Haus.~\neueseite{538767} Nun sind wir endlich allein, und unsere richtigen Ferien für uns fangen an. Wunderbar der Abendsonnenschein auf Langkofel\IO{Langkofel}, Plattkofel\IO{Plattkofel} und dahinter Sella\IO{Sella}; rötlich-violett, dann in Grau erblassend. Nach dem Abendessen prachtvoller Sternenhimmel mit leuchtender Milchstraße.~-- Wir bekommen doch 2~getrennte \mbox{Zimmer}.{\looseness1\par} \tbentry{31}{8}{1935}{\kreis} Wir gehen über die Almwiese\IO{Almwiese} hinauf, auf einen \gestrunl\ Vorhügel des Pizberges\IO{Pizberg} (der höchste Gipfel auf unserem Kamm). Auch mal zum Gipfel, aber da liegen unzählige Leute, weil nah von der Seilbahn\IO{Pizberg!Seilbahn}. Mittags hinunter, am Neubau vorbei (der vom Wirt der Trattoria del Colle\IO{Trattoria del Colle} erbaut wird) zum Haus \textit{Dellai}\IO{Dellai} (mit rotem Dach) \gestrunl. Dort Mittag. Dann nach \mbox{Osten} hinüber (in Richtung auf die Saltriahütte\IO{Saltriahütte}), im \gestrunl\ spärlichen Baumbestand schließlich ein schönes Nest gefunden.~(\kreis). Sonnenbad. Gelegen und gelesen.~-- 7\textsuperscript{h}~zur Bergstation\IO{Bergstation}, Post geschrieben; keine Post ist angekommen. Wieder herrlicher Abendsonnenschein auf den Bergen.~-- \mbox{Wegen} des Richtfestes für den Neubau sind die Arbeiter hier; sie machen furchtbaren Lärm mit Singen, Grammophon, Tanzen, Aufstampfen (dass unsere Betten zittern) bis~\textonehalf{}\,2. Die letzten Gäste gehen um~2. Schlechte Nacht.{\looseness1\par} \tbtwoA{701} \tbentry{1}{9}{1935}{Ina}\IN{\ina} Erst 10\textsuperscript{h} weg. Nahe bei Troy-Hütte\IO{Trotz-Hütte} vorbei, hinunter zum Pizbach\IO{Pizbach}, auf kleinem Steg hinüber, steil im Wald hinauf. Wir kommen auf den Horizontalweg, der von der Saltriahütte\IO{Saltriahütte} nach Pana\IO{Pana}~-- Sankt Christina\IO{Santa Christina} hinuntergeht; diesen Weg weit nach links. Dann rechts schräg hinauf, zur \uline{Zallinger Hütte}\IO{Zallinger Hütte}. Mittag. \textonehalf{}~Stunde hinauf zum \uline{Fassajoch}\IO{Fassajoch}, dicht~\neueseite{538765} \gestrunl\ beim Plattenkofel\IO{Plattenkofel}. Prachtvoller Blick hinüber über das Fassatal\IO{Fasstal} auf den Marmoladagletscher\IO{Marmoladagletscher}. Zurück von der Zallinger Hütte\IO{Zallinger Hütte} durch Waldtal, vorbei an Demetz\IO{Demetz} (Tirler\IO{Tirler}) Hütte zur \uline{Christomannos-Hütte}; schöne Zimmer mit fließendem Wasser; nur Kerzen, elektrisches Licht soll für den Winter eingerichtet werden (Dieselmotor). Die Hütte liegt unten beim Zusammenfluss der beiden Bäche. Wieder hinauf auf die Hochfläche und zu unserem Haus zurück. \tbentry{2}{9}{1935}{\kreis} Faul in der Sonne gelegen, auf einem Hügel nah beim Haus. Gelesen. (Mittags~\kreis~\unl.) \tbentry{3}{9}{1935}{} Trübes Wetter. In schwachem Regen vor einer Almhütte\IO{Malga Troy!Almhütte} oberhalb Malga Troy gesessen. Nach~4\textsuperscript{h} mit der Seilbahn\IO{Malga Troy!Seilbahn} hinunter. Autobus gerade weg. Plätze in einem Mietauto gefunden, mit Engländerinnen. \textonehalf{}\,6~\uline{Waid\-bruck}\IO{Waidbruck}\ort{Waidbruck [Ponte~all'Isarco/""Ponte Gardena]} (Ponte all'Isarco\IO{Ponte all Isarco}), Hotel Post\IO{Waidbruck!Hotel Post}. (Einzelzimmer mit fließ\editor{endem Wasser},~8\,\textit{L}.) \tbentry{4}{9}{1935}{} Ina\IN{\ina} hat keine Post von Klotz\IN{\klotzpetrus} und entschließt sich, mit mir zu fahren. 9,20\,\hbox{--}\,12,25 nach \uline{Innsbruck}\IO{Innsbruck}.\ort{Innsbruck} Ina\IN{\ina} ins Hotel Greif\IO{Innsbruck!Hotel Greif}, sehr einfaches Zimmer. Wir holen Post. Besorgungen. \sout{Ich} \textspkl{Ina}\IN{\ina} wird bis morgen bleiben und dann einige Tage nach Salzburg\IO{Salzburg} fahren. Ich 16,30\,\hbox{--}\,18,23 nach \uline{Krais}\IO{Krais}. Zu Fuß nach \uline{\ulinesp{Elmau}}\IO{Elmau}.\ort{Elmau} \uline{Annemarie}\IN{\annemarie} kommt mir halbwegs entgegen und trägt den Rucksack. Sie ist groß, erwachsen, temperamentvoller als früher, fühlt sich sehr wohl hier und soll als Helferin tüchtig sein. Später kommt auch \uline{Maina}\IN{\maina} uns entgegen.~-- Im Schloss\IO{Elmau!Schloss} schöne Halle, Treppen, Gänge; ich bekomme~\neueseite{538769} sehr nettes Zimmer ganz oben, gegen Süden.~-- In der Halle begrüßen mich Michael Müller\IN{\muellermichael}, der mich morgen vor seiner Abreise noch sprechen möchte, und Doktor Johannes Müller\IN{\muellerjohannes}. Ich esse schnell etwas im großen schönen Speisesaal. Dann \uline{Konzert}; Frauenquartett~(\luecke); Divertimento von Mozart\IN{\mozart}, dann Quartett von Beethoven\IN{\beethoven}. Dann mit Annemarie\IN{\annemarie} in Mainas\IN{\maina} Zimmer. Ihre Kinder schlafen in der offenen Liegehalle. Gerhard\IN{\gerhard} vertritt jetzt einen Arzt in Partenkirchen\IO{Partenkirchen}, kommt oft herauf. Beide sind Gegner der Partei\II{\nsdap}, haben auch mit Elisabeth\IN{\elisabeth} heftig diskutiert; Gerhard\IN{\gerhard} ist als alter Krieger für Ordnung und Zucht und vermisst das in der Partei\II{\nsdap}~(!). Der Vater Müller\IN{\muellerjohannes} sei wie immer dafür, sich dem Gegebenen zu fügen und \tbtwoA{702} nach besten Kräften dabei mitzumachen, damit doch etwas Gutes daraus wird. \tbentry{5}{9}{1935}{} Beim Frühstück kommt \uline{Michael Müller}\IN{\muellermichael}, möchte mich einiges über Wiener Kreis\II{\schlickzirkel} fragen. Warum wir von den deutschen Professoren abgelehnt werden. Ich erkläre, dass wir nüchterne Wissenschaft treiben, die deutsche Metaphysik als Scheintheorie ablehnen. Er kritisiert Heidegger\IN{\heidegger}, der sich 150\,\%ig verhalten habe und sich dadurch sowohl bei Studenten als auch bei den Parteistellen geschadet habe. Er will meinen Meta\-physik\-aufsatz\IC{\ueberwindungdermetaphysik} lesen.~-- Weil es regnet, mit Annemarie\IN{\annemarie} in der offenen Liege\-halle gelegen. Ich erzähle von Amerikaeinladungen\IO{Amerika}, London\IO{London}, Prager Universität\II{Deutsche Universität Prag}.~-- Mittags neben Frau Schäfer\IN{\schaeferfrauelmau}; sie schwelgt in Mainberger\IO{Mainberg}\II{\elmau} Erinnerungen, anscheinend etwas der Gegenwart entrückt. Nachmittags mit \uline{Annemarie}\IN{\annemarie} etwas im Teesaal gesessen. Dort Wandbilder von Mainberg\IO{Mainberg}. Ich frage nach ihren \uline{Berufsplänen}. Sie \unl\ will im Winter zu Hause sein, Klavierstunden,~\neueseite{538777} Weben usw. Nächste Ostern in ein Schneideratelier\IO{München!Schneideratelier} einer gebildeten Frau in München\IO{München} als Lehrling eintreten, für 3~Jahre! Immer von~8\,\hbox{--}\,6, mit etwa 1~Stunde Mittagspause. Sie wählt das nicht aus Not, sondern weil sie es am \sout{besten} meisten möchte. Nudi Christiansen\IN{\nudi} hat ihr auch zugeraten, aber auch gesagt, dass die Lehrlingszeit schwer ist. Auch Gartenbau würde ihr gefallen, aber das bringt nichts ein.~-- Zum Tee wir beide zu Maina\IN{\maina}. Dabei die kleine Sylvia\IN{\sylvia}, 1\,\textonehalf{}~Jahre, lieb und vergnügt, unverzogen.~-- Mit Annemarie\IN{\annemarie} spazieren, etwas Regen, zur Jägeralm\IO{Jägeralm}. Von Eline\IN{\eline} hat Mama\IN{\elisabeth} ihr erzählt; ihre Gefühle zu Eline\IN{\eline} seien dadurch gar nicht geändert. Ich erzähle ihr von Gittli\IN{\birgit} und Gerhard\IN{\gerhard}. Sie nimmt es sehr gefasst auf. ,,Das ist aber witzig``. Sie \gestrunl\ sei nun mit Gittli\IN{\birgit} ebenso verwandt wie mit Eline\IN{\eline}. Ich sage ihr, dass sie zu Maue\IN{\maue} darüber sprechen kann, aber nicht zu Nutto\IN{\gramm}. Sie ist aber sicher überhaupt sehr schweigsam. Ich erkläre ihr die Geldfragen: Grundstück, Grundstücksverkauf, Hypothek, Monatsgeld. Beim Abendessen neben \uline{Michaels\IN{\muellermichael} Frau Dorothee Müller\IN{\muellerdorothee}}. Sie erzählt, dass sie sehr anti sei, ihr Mann sehr pro. Er sei gegen den Willen der Fakultät von der Regierung hingeschickt, worauf zwei andere Professoren, die Waffen gestreckt haben und abgesetzt bzw. versetzt worden sind. Daher Studentenboykott gegen ihn, weil fast alle Studenten der Bekennenden Kirche angehören. Sie meint aber, sie kämpfe auf verlorenem Posten, weil für Individualismus, während Michael\IN{\muellermichael} die jüngere {\lspitz}Generation{\rspitz} vertrete, mehr amerikanisch, sozusagen bolschewistisch sei. Ich dagegen: Man muss nicht liberalistisch im Sinne des 19.~Jahrhunderts sein, sondern noch moderner, amerikanischer, bolschewistischer. Für die eigentliche Revolu\-\tbtwoA{703}tion und {\lspitz}nicht{\rspitz} bloß~\neueseite{538779} dem Namen nach Revolution. Es sei keine gesellschaftliche Umschichtung geschehen; sie sei erst unvollständig; das jetzige Regime vertrete im Grunde (im Unterschied zu Strasser\IN{\strasser}) die Sache der wirtschaftlichen Machthaber.\fnE{Gregor Straßer hatte in den 1920er-Jahren eine ,,sozialistische`` Ausrichtung der \mbox{NSDAP} betrieben, sich dann aber mit Hitler entzweit und wurde 1934, während des ,,Röhm-Putsches``, ermordet.}~-- Nach dem Abendessen wir beide mit Maina\IN{\maina} und Dorothee\IN{\muellerdorothee} in Mainas\IN{\maina} Zimmer. Dorothee\IN{\muellerdorothee} zeigt große Bernsteinstücke, die sie am Strand gefunden hat und verarbeitet. Sie sagt, Michael\IN{\muellermichael} hat nie Zeit, ihre Argumente anzuhören, er wolle sie gar nicht überzeugen; sie sei nicht eigensinnig, im Gegenteil, wolle sich gern von einem Mann führen lassen. Sie fährt bald für 10~Tage nach New York\IO{New York}, 3.~Klasse, um die Eltern drüben zu besuchen (früher reich, jetzt ganz verarmt). Sie hat 5~Kinder und will noch 3 dazu. \tbentry{6}{9}{1935}{} Beim Frühstück mit \uline{Otti Ulmer}\IN{\ulmerotti}. Sie zeigt mir Bilder von Ulmer\IN{\ulmer} und den 5~Kindern. Sie erzählt, dass Ulmer\IN{\ulmer} sich nach dem Umsturz schwer durchgerungen habe und nun schließlich doch positiv stehe, indem er möglichst das Gute sehen und fördern wolle. Er bleibe aber dabei innerlich frei und kritisiere vieles.~-- Es regnet. Zuletzt sind alle Wagenplätze besetzt. Annemarie\IN{\annemarie} geht ein Stück mit, Maina\IN{\maina} ganz. Maina\IN{\maina} erzählt, dass Gerhard\IN{\gerhard} jetzt weniger sinnlich ist als früher und sie mehr; er kommt als Kamerad, und sie bräuchte einen Mann. Sie liebt den Architekten und Bildhauer von Saalfeld\IN{\saalfeld} (in München\IO{München}), er sie aber nicht so wie sie ihn. Sie sei eigentlich meist einsam, ihr Vater\IN{\muellerjohannes} verstehe sie doch nicht. Sie zieht sich dann in das Traumland ihrer Fantasie zurück, besonders in den vielen schlaflosen Nächten. Sie hat viel Freude an der kleinen Sylvia\IN{\sylvia}, hat aber wenig Zeit, sich um ihre Kinder zu kümmern, ist immer~\neueseite{538771} beschäftigt mit Küche, Vorratsbestellung und -verwaltung usw. Sie schreibt selbst die Bestellungen, führt die Kartothek usw., hat keine Schreibhilfe. Sie leidet sehr \sout{Darm} unter Dickdarmkatarrh (Colitis), besonders nachts Schmerzen, besonders nach seelischen Erregungen.~-- Krais\IO{Krais} ab~12,33. In Garmisch\IO{Garmisch} eine Pause. \uline{München}\IO{München} an~15,29.\ort{München} Am Bahnhof\IO{München!Bahnhof} Elisabeth\IN{\elisabeth} und Hanneliese\IN{\hanneliese}. Später kommt \uline{Franz}\IN{\rohfranz} mit dem Auto. Wir fahren in ein Caf\'{e}\IO{München!Caf\'{e}}, zu \uline{Schrimpf}\IN{\schrimpf}. Er ist an der Kunstschule Berlin\IO{Berlin!Kunstschule Berlin}; über Freiheit und allerhand. Hilde\IN{\rohhilde} kurz. Elisabeth\IN{\elisabeth} kommt nochmal und lernt Schrimpf\IN{\schrimpf} kennen. Mit Franz\IN{\rohfranz} zu deren neuen Haus in Ramersdorf\IO{Ramersdorf}. Dort wohne ich (Diwan im Wohnzimmer, weil seine Mutter dort). Franz\IN{\rohfranz} war mit einer Freundin, die ihn eingeladen hat, \pagebreak in Venedig\IO{Venedig}, Hilde\IN{\rohhilde} war al\-\tbtwoA{704}leine in Kastelruth\IO{Kastelruth}. Sie sagt, die Sache mit der Freundin war anfangs sehr schlimm für sie; nun sei aber alles in Butter. \tbentry{7}{9}{1935}{} Vormittags mit Franz\IN{\rohfranz} in die Stadt. Reisebüro\IO{München!Reisebüro}, wegen Dampfer nach Amerika\IO{Amerika}. \textonehalf{}\,2 ab nach Gauting\IO{Gauting}; in Laim\IO{Laim} steigt \uline{Hanneliese}\IN{\hanneliese} dazu. In Gauting\IO{Gauting} \uline{Elisabeth}\IN{\elisabeth}, sie haben nette Zimmer dort; wir essen im Garten. Nachmittags zum neuen Haus. Dort der Architekt \uline{Schrauth}\IN{\schrauth}. Er nimmt sich liebevoll aller Kleinigkeiten an, macht alles möglichst praktisch, aber besorgt auch sonst sehr vieles für Elisabeth\IN{\elisabeth}, was mit dem Bau zusammenhängt, Schwierigkeiten mit den Nachbarn usw. \gestrunl\ Zurück, zusammen abendgegessen. Hanneliese\IN{\hanneliese} hat Lust, Heilgymnastik zu lernen. Loheland\II{\loheland} ist ihr zu \sout{kl} künstlich.\fnE{Die anthroposophische Loheland-Gymnastik.} Helferin nach Elmau\IO{Elmau}\II{\elmau} möchte sie auch nicht, weil zu vornehm dort, sondern lieber mal zu Mengershausens\IN{\mengershausens} in Bayrischzell\IO{Bayrischzell}.\fnE{Johannes Müllers ,,Pflegestätte persönlichen Lebens`` auf Schloss Elmau und das Naturheilhotel ,,Tannerhof`` in Bayrischzell waren zwei lebensreformerische Erholungsangebote.} 9\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,11~nach Hause. \tbentry{8}{9}{1935}{} Mit Franz\IN{\rohfranz} über Pariser Programm\II{\pariserkongress}, Reichenbach\IN{\reichenbach} usw. 11\,\hbox{--}\,1 nach~\neueseite{538773} \uline{Gauting\IO{Gauting}, zu Elisabeth\IN{\elisabeth} und Hanneliese}\IN{\hanneliese}. Mittags und nachmittags im Garten\IO{Gauting!Garten} gegessen. Dann zum Neubau\IO{Gauting!Neubau} gegangen und zurück. Elisabeth\IN{\elisabeth} hat \editorstr{für} zu den 23500, die Haus- und Grundstückkosten, 8000 beigetragen (außerdem bisher 1500 Nebenkosten, Spediteur usw.), \sout{die Bausparkasse wird} [hierüber siehe besonderen Zettel].\fnE{Konnte nicht identifiziert werden.} Ich erkläre Elisabeth\IN{\elisabeth} die Sache mit Grundstück und Monatszahlungen, auch von Fritz\IN{\doerpfeldfritz} und {\lspitz}Föderlich{\rspitz}\IN{\foederlich}. \sout{Meine} Die Erleichterung meiner Sorgen, weil jetzt die Kinderzahlungen für einige Jahre sichergestellt.~-- Elisabeth\IN{\elisabeth} macht kurze graphologische Beurteilungen der Schriften von Tarski\IN{\tarski} und Morris\IN{\morris}; interessant, manches zutreffend. (Morris\IN{\morris} empfindlich, großzügig denkend; Tarski\IN{\tarski} im Kleinen genau, aber ohne großen Durchblick, und menschlich zurückgeblieben.)~-- Elisabeth\IN{\elisabeth} hat Hanneliese\IN{\hanneliese} schon über Eline\IN{\eline} aufgeklärt. Wir überlegen zu dritt~(!), ob man es auch Eline\IN{\eline} selbst schon sagen soll. Elisabeth\IN{\elisabeth} meint, lieber doch noch etwas warten; ich: lieber bald. Elisabeth\IN{\elisabeth} hat Hanneliese\IN{\hanneliese} noch nichts von Birgit\IN{\birgit} gesagt, weil schwierig, weil Hanneliese\IN{\hanneliese} Maue\IN{\maue} nicht mag.~-- \mbox{Grete}\IN{\grete} und Walter\IN{\diederichsenwalter} geht es ziemlich gut. Sie haben aber jetzt eine Menge Schulden gemacht, um das Hotel neu herzurichten.~-- 21,30~ab. \tbentry{9}{9}{1935}{\kreis} Mit Roh\IN{\rohfranz} zur Reichsautobahn\IO{Reichsautobahn} gegangen.~-- Geschrieben. \tbtwoA{705} Nachmittags 15\,\textonehalf{} holen wir \uline{Ina}\IN{\ina} am Bahnhof\IO{München!Bahnhof} ab; Rohs\IN{\rohfranz}\IN{\rohhilde} und wir zusammen im Caf\'{e}\IO{München!Caf\'{e}}. Dann ich mit Ina\IN{\ina} zum American Express\IO{München!American Express}, Kabine auf Dampfer ,,Bremen`` bestellt; 400 mit angezahlt. Abends mit Rohs\IN{\rohfranz}\IN{\rohhilde} zusammen. \tbentry{10}{9}{1935}{\kreis} Geschrieben, gepackt. Nachmittags kommt \uline{Hilde Horn}\IN{\hornhilde}. Sie erzählt, dass Gertrud\IN{\gertrud} 1\,\textonehalf{} Jahre gesessen hat, sie meint, auf Veranlassung von Martin\IN{\vogelmartin}.\fnE{Vgl. TB~24.\,X.\,1929\diaryref{TB-24-X-1929}. Aufgrund des politischen Hintergrunds von Gertrud Vogel könnte sich das ,,Gesessen`` ugsprl. auf einen Gefängnisaufenthalt beziehen.} Ihre Kinder sind ihr genommen. Sie hat aber jetzt eine gute Stellung als Sekretärin in einem Konzern in Frankfurt\IO{Frankfurt}.~-- 4\textsuperscript{h} kommt \uline{Hanneliese}\IN{\hanneliese}, weil sie mich~\neueseite{538775} so gerne nochmal sehen wollte. Ich geh' mit ihr spazieren bis~6\textsuperscript{h}; Autobahn\IO{München!Autobahn} und weit herum. Sie erzählt von dem Plan, Ostern in 1~Jahr, nach der Schule (Einjähriges) 1~Jahr Frauenschule zu besuchen, wo man hauptsächlich Praktisches lernt (Haushalt, Kranken- und Kinder\-pflege usw.); und dann möchte sie~-- das ist ihr geheimer Plan~-- nach Mexiko\IO{Mexiko} sich hinüberverdienen und dort irgendwo bei Grete\IN{\grete} oder so etwas tun, bis sie hier mit 21~Jahren angenommen werden kann zur Ausbildung in Heilgymnastik. Warum gerade Mexiko\IO{Mexiko}? \gestrunl\ Nicht hauptsächlich die Menschen dort, sondern überhaupt, sie kann es nicht sagen. Wir kommen zurück; bei Ina\IN{\ina} ist der \uline{Erzabt Petrus Klotz}\IN{\klotzpetrus}. Er erzählt von Südtirol\IO{Südtirol}; viele junge Leute desertieren, werden von Österreich\IO{Österreich} dann nach Deutschland\IO{Deutschland} abgeschoben und hier sofort in Stellen untergebracht; der Krieg sei in ganz Italien\IO{Italien} nicht populär. Er wundert sich über die modernen Bilder an den Wänden, möchte Roh\IN{\rohfranz} gern fragen, wie er die verteidigen will. Ich zeige ihm meine Bücher, Aufbau\IC{\konstitutionstheorie} und Syntax\IC{\logischesyntax}; wir erzählen von der bevorstehenden Amerikareise\IO{Amerika}. Wir müssen laut rufen, weil er so schwerhörig ist. Er ist aber gewandt in der Konversation und findet immer wieder ein Thema. Zwischendurch bringe ich \uline{Hanneliese}\IN{\hanneliese} um~7\textsuperscript{h} an die Elektrische. Sie ist gern in der Schule, in einigen Fächern, besonders Stenographie, und die Zahlen und Namen in Geographie und Geschichte ist sie schwach; aber sie macht sich keinen besonderen Kummer darüber. Ina\IN{\ina} und ich bringen um \textonehalf{}\,8 den Erzabt\IN{\klotzpetrus} an die Elektrische.~-- Abends 9\,\hbox{--}\,10 kommt noch \uline{Horn}\IN{\hornwilhelm}. Frage der Gewaltanwendung; Franz\IN{\rohfranz} und ich und Ina\IN{\ina} gegen ihn und \mbox{Hilde}\IN{\hornhilde}. Ich sage: Ich dachte früher auch so, aber wir haben durch Österreich\IO{Österreich} umlernen müssen.~-- \tbentry{11}{9}{1935}{}\kern-.1em Gepackt. Bei der Abfahrt plötzlich Reifenwechsel nötig.~\neueseite{538781} Ina\IN{\ina} nimmt späteren Zug. Ich dann mit Franz\IN{\rohfranz} noch Hemden gekauft. \uline{Ab}~13,06. Über Stuttgart\IO{Stuttgart}\,\hbox{--}\,Karlsruhe\IO{Karlsruhe}\,\hbox{--}\,Appenweier\IO{Appenweier}\,\hbox{--}\,Kehl\IO{Kehl}\,\hbox{--}\,\uline{Straßburg}\IO{Straßburg}~20,32.\ort{Straßburg [Strasbourg]} Hotel Termi\-\tbtwoA{706}nus\IO{Straßburg!Hotel Terminus}.\shortenpage \tbentry{12}{9}{1935}{} Ab~9,54; \uline{\ulinesp{Paris}}-Est\IO{Paris} an 16,45.\ort{Paris} Zum ersten Mal in Paris\IO{Paris}. Palace-Hotel\IO{Paris!Palace-Hotel}, Ecke Boulevard St.~Germain Rue du Four\IO{Paris!Ecke Boulevard St.~Germain Rue du Four}. Sehr kleines Zimmer, aber mit warmem Wasser. Abendessen mit \uline{Reichenbach}\IN{\reichenbach}; er erzählt, dass man ihm in Istanbul\IO{Istanbul} nicht \editorstr{mal} erlaubt hat, ganz fortzugehen; in New York\IO{New York} (durch Hook\IN{\hook}) waren ihm für das Jahr 4000\,\textit{\$} geboten. Er bereut jetzt, dass er früher nicht Oxford\IO{Oxford} angenommen hat; sonst wäre er jetzt in Amerika\IO{Amerika}. Er will aber versuchen, durch Rockefeller\II{\rockefellerstiftung} oder irgendwie sonst hinüberzukommen.\fnE{Zur Situation Reichenbachs in Istanbul und seine Versuche, in den USA beruflich Fuß zu fassen, vgl. Gerner, \emph{Hans Reichenbach}, 141\hbox{--}143.} Wir besprechen noch die Änderungen im Kongressprogramm\II{\pariserkongress}; Rougiers\IN{\rougier} Neuentwurf: nur 2 anstatt 3 parallele Sektionen. Ich bin im Ganzen einverstanden, meine aber, man müsse telegraphisch Neuraths\IN{\neurath} Einverständnis einholen, weil dieser doch die Hauptarbeit mit dem Programm getan hat und gekränkt sein würde, wenn man es ohne sein \sout{extrem} Wissen radikal ändert. \tbentry{13}{9}{1935}{} Ich ziehe in größeres Zimmer mit schönem Schreibtisch um (25~anstatt 20~Franc). Vormittags Gespräch mit \uline{Tarski}\IN{\tarski}. Über \textit{L}-Bestimmungen; über Relativität seiner Wahrheitsdefinition.\fnE{Vgl. das auf diesen Tag datierte dreiseitige Gesprächsprotokoll in (\href{http://doi.org/10.48666/825477}{UCLA CM20-05}).} Mittags und nachmittags mit \uline{Morris}\IN{\morris}. Nachmittags mit ihm in die Cit\'{e} Universitaire\IO{Paris!Cit\'{e} Universitaire}, wo er im Amerikanischen Haus\IO{Paris!Amerikanisches Haus} wohnt. Er berichtet ausführlich über die Situation in Chicago\II{University of Chicago}. Spannung zwischen ihm und dem Präsidenten \textit{Hutchins}\IN{\hutchins}, der für scholastische Philosophie ist und ihn als Chairman abgelehnt hat. \gestrunl\ Der Engländer kommt nicht hin. Vielleicht wird Smith\IN{\smith} Chairman, vielleicht wird auch nur ein vorübergehender ernannt; Ausländer nicht ausgeschlossen. Das wird sich wohl in den nächsten Monaten zeigen. Der Dean der Division~\neueseite{538787} of Humanities, \textit{McKeon}\IN{\mackeon}, ist zwar für mittelalterliche Philosophie, der Präsident hat ihn dort eingesetzt, aber mehr objektiv. Er hat gesagt, dass ich der hervorragendste Vertreter unserer Richtung sei, und würde vielleicht einer Einladung nicht entgegentreten. Morris\IN{\morris} betont, dass jetzt nur sehr wenige Universitäten in der Lage sind, zeitweise Einladungen zu machen; dass für nächsten Herbst mehr Chance auf dauernde Berufung ist (wenn auch keine große) als auf zeitweise Einladung von irgendwo. Höchstens weil die Lage in Chicago\II{University of Chicago} ungeklärt, \gestrunl\ könnte vielleicht Einladung für 1~Jahr kommen. Sonst würde man wohl sowohl in Chicago\II{University of Chicago} wie in Harvard\II{Harvard University, Cambridge~(Ma)} einige Monate als genügende Probezeit ansehen. Wenn ich Dauer\-stellung in Chicago\II{University of Chicago} annehme, könnte ich trotzdem jederzeit einem Ruf etwa von Harvard\II{Harvard University, Cambridge~(Ma)} folgen. Wenn beide Universitäten mich ha\-\tbtwoA{707}ben möchten, so wäre das der günstigste Fall, der für einen Philosophen überhaupt eintreten kann. Ausführlich auch über meine Vorlesungen in Chicago\II{University of Chicago} (siehe besonderen Zettel).\fnE{Nicht überliefert.} Morris\IN{\morris} fährt jetzt 3.~Klasse auf ziemlich kleinem Dampfer, um zu sparen; aber das würde er nicht mit seiner Frau\IN{\morrisfrau} tun. Draußen essen wir zusammen in der Studentenspeisebaracke\IO{Paris!Studentenspeisebaracke}. Bis~9\textsuperscript{h}.~-- Korrektur der französischen Broschüre\IC{\franzoesischebroschuere} gelesen;\fnE{Carnap, \emph{Le Problème de la Logique de la Science. Science Formelle et Science du Réel}.} die Fußnoten von Vouillemin\IN{\vouillemin} gestrichen. \tbentry{14}{9}{1935}{} Frühstück mit \uline{Reichenbach}\IN{\reichenbach}. Trotz vielfacher Bitten verweigert er die Abtretung englisch-amerikanischer Austauschzeitschriften;\fnE{Vermutlich Zeitschriften, die von den Wienern und Berlinern gemeinsam angeschafft wurden, zum ,,Austausch``.} Begründung: Situation in Istanbul\IO{Istanbul}, ohne jede Verbindung, ohne Zeitschriften in der Bibliothek\IO{Istanbul!Bibliothek}. Auch über Popper\IN{\popper}; aber ruhig und versöhnlich.~-- \uline{Frey\-mann}\IN{\freymann} vom \uline{Verlag Hermann}\II{\verlaghermann} kommt. Über die französische Broschüre\IC{\franzoesischebroschuere}. Boll\IN{\boll} sei vollständig verkracht mit Rougier\IN{\rougier} und Vouillemin\IN{\vouillemin}; er Freymann\IN{\freymann} sei der Einzige, der immer noch gut mit ihm auskomme.~-- In Tarskis\IN{\tarski} Wohnung, er ist eben weg.~--~\neueseite{538785} Im Hotel\IO{Paris!Hotel} geschrieben.~-- Mittags im Procope\IO{Paris!Procope} mit \uline{Frank}\IN{\frankphilipp}, Morris\IN{\morris}, Reichenbach\IN{\reichenbach}. Dann im Hotel\IO{Paris!Hotel} mit Frank\IN{\frankphilipp} und \uline{Vouil\-le\-min}\IN{\vouillemin} gesprochen; er ist einverstanden, dass seine Fußnoten gestrichen werden, und dass eine Note am Schluss angefügt wird.~-- In Tarskis\IN{\tarski} Wohnung; er ist nicht da; mit \uline{Frau Dr.~Kokoszy\'{n}ska}\IN{\kokoschinska} gesprochen, über Semantik, Wahrheitsbegriff, Hempel\IN{\hempel} usw.~-- Schließlich \uline{Tarski}\IN{\tarski}; er hat Schwierigkeiten mit der Polizei, Rougier\IN{\rougier} muss intervenieren.~-- \textonehalf{}\,7~(anstatt~6)\,\hbox{--}\,9 Sitzung mit Reichenbach\IN{\reichenbach}, Rougier\IN{\rougier}, Morris\IN{\morris}, Frank\IN{\frankphilipp}, Neurath\IN{\neurath}. Neurath\IN{\neurath} ist böse, dass Rougier\IN{\rougier} und Reichenbach\IN{\reichenbach} seine ganze Arbeit mit dem Programm wieder umgeworfen haben. Wir machen noch einige Programmänderungen, beschließen die Vorsitzenden. 9\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,11 zusammen bei Lipp\fnE{Brasserie am Boulevard St.~Germain.} gegessen. Neurath\IN{\neurath} entwickelt seine Auffassung über Schlicks\IN{\schlick} Lebenslauf und -entwicklung: Haupttendenz auf Glück, Jugend, Lebenssinn usw.; moralisch eingestellt; Hauptaufgabe: Propagierung eines anderen, besonders eines jugendlichen, nämlich 1)~Einstein\IN{\einstein}, 2)~ich 3)~Wittgenstein\IN{\wittgenstein}. \tbentry{15}{9}{1935}{} Frühstück mit Reichenbach\IN{\reichenbach} und Neurath\IN{\neurath}. Es kommt der Berliner Montessori-Lehrer Bulowa\IN{\bulowa}, jetzt in London\IO{London}.~-- Vormittags mit \uline{Tarski}\IN{\tarski}; interessantes Gespräch über Befreiung gewisser syntaktischer Begriffe von der Bezogenheit auf die \sout{definierend} definierbaren Ausdrücke, statt des\-\tbtwoA{708}sen Bezug auf \uline{alle} Ausdrücke (siehe Aufzeichnungen).\fnE{Vgl. TB~13.\,IX.\,1935\diaryref{TB-13-IX-1935}.} Mittags plötzlich \uline{Hempels}\IN{\hempel}\IN{\ahrendseva} da, alle zusammen zum Essen im Procope\IO{Paris!Procope}.~-- Ausgeruht~-- \textonehalf{}\,4\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,5 Besprechung der~6.~-- Zusammen ins Palais Royal\IO{Paris!Palais Royal}, Institut des Völkerbundes\IO{Paris!Institut des Völkerbundes}\II{\institutvoelkerbund} für intellektuelle Zusammenarbeit. Offizieller Tee mit Begrüßungsansprachen.~\neueseite{538783} Viele Bekannte begrüßt (Stebbing\IN{\stebbing}, Ayer\IN{\ayer}, \uline{Rus\-sell}\IN{\russell}, Jørgensens\IN{\joergensen}\IN{\joergensenkrista}, Ajdukiewicz\IN{\ajdukiewicz}, Scholz\IN{\scholzheinrich}, Bachmann\IN{\bachmannfriedrich}, Becker\IN{\beckeralbrecht}, Aster\IN{\aster}, Dürr\IN{\duerr} und Frau\IN{\duerrfrau}, \uline{Oppen\-heim}\IN{\oppenheim} und Frau\IN{\oppenheimfrau}, Braithwaite\IN{\braithwaite} und Frau\IN{\braithwaitefrau}~\luecke\ und neue Leute (Frau Oppenheim\IN{\oppenheimfrau}, Enriques\IN{\enriques}, Bergmann\IN{\bergmann} aus Jerusalem\IO{Jerusalem} mit Grüßen von \mbox{Maja}\IN{\maja},~\luecke). Neurath\IN{\neurath} redet Russell\IN{\russell} zu, einige Worte zu sprechen, wie er sich von Hegels\IN{\hegel} Philosophie freigemacht hat. Er tut das auch. \ulinesp{Be\-grü\-ßungs\-worte} von Rougier\IN{\rougier}, Russell\IN{\russell}, Frank\IN{\frankphilipp}, Reichenbach\IN{\reichenbach}, Ajdukiewicz\IN{\ajdukiewicz}. Frau Braith\-waite\IN{\braithwaitefrau} sagt, dass Wittgenstein\IN{\wittgenstein} vielleicht jetzt die Philosophie aufgibt, und dass dann kein Grund mehr sein werde, mir die Aufzeichnungen nicht zu schicken.\fnE{Vgl. TB~5.\,X.\,1934\diaryref{TB-5-X-1934}.} Ich verabrede mich mit \uline{Russell}\IN{\russell} zum Abendessen; als dann Frau \uline{Oppen\-heim}\IN{\oppenheimfrau} mich einlädt, sagt sie, er soll mitkommen, dazu dann nur Hempels\IN{\hempel}\IN{\ahrendseva}. Nette zwanglose Tischunterhaltung. Russell\IN{\russell} über Induktion, Wahrscheinlichkeit, Intelligenz der Amerikaner, Entwicklung zum Kollektivismus, was Wasser auf Oppenheims\IN{\oppenheim} Mühle ist. Nachher wir fünf (ohne Frau Oppenheim\IN{\oppenheimfrau}) schönen Abendbummel durch die herrlich beleuchteten Tuilerien\IO{Paris!Tuilerien}, Louvre\IO{Paris!Louvre}, Obelisk\IO{Paris!Obelisk}, beleuchteter Eiffelturm\IO{Paris!Eiffelturm}. Über die Seinebrücke\IO{Paris!Seinebrücke}; wir begleiten Russell\IN{\russell} heim. Er spricht über Chinesen, sie seien intelligenter als Japaner. Über die Gefahren des Heroismus. Das sei romantisch und kulturgefährlich. Ich: Man muss es nur sublimieren. Er: Das geht im Großen doch nicht. Er meint, der moralische Mut zu neuen Gedanken hat nichts zu tun mit dem physischen Mut des Soldaten.~-- Ich sollte noch Disposition für Vortrag\IC{\vortragkongresspariseins} morgen schreiben; auf Hempels\IN{\hempel} Zu\-reden lasse ich es für morgen früh. (\textonehalf{}\,11~zu Hause.)~\neueseite{538799}{\tolerance1000\par} \tbentry{16}{9}{1935}{} Vortragsdisposition\IC{\vortragkongresspariseins} geschrieben; darum später zum Kongress\II{\pariserkongress}.\fnE{Zum \emph{1. Kongreß für Einheit der Wissenschaft}, der vom 16. bis~21.\,IX.\,1935 in Paris stattfand, vgl. Stadler, \emph{Studien zum Wiener Kreis}, 402\hbox{--}412 sowie \emph{Actes du Congrés International de Philosophie Scientifique}.}\foto{Paris mit Russell Neurath etc.} Vormittags: Enriques\IN{\enriques}, Reichenbach\IN{\reichenbach}, ich (,,Von der Erkenntnistheorie zur Wissenschaftslogik``\IC{\vortragkongresspariseins}\fnE{Siehe auch die dreiseitige kurzschriftliche Vortragsskizze (\href{http://doi.org/10.48666/808438}{RC~110"~07"~05}).}), Morris\IN{\morris}, Neurath\IN{\neurath}. Diskussionen. Frau Lutman\IN{\kokoschinska} zu meinem Vortrag bis~1~Uhr.~-- Mittags im Procope\IO{Paris!Procope} mit Hempels\IN{\hempel}\IN{\ahrendseva}, Feigl\IN{\feigl} usw.~-- Ausgeruht.~-- Nachmittags 3\,\hbox{--}\,7 (anstatt~6\,\textonequarter{}) Sitzung; \pagebreak ich Vorsitzender. \tbtwoA{709} Frank\IN{\frankphilipp}, du~Noüy\IN{\nouy}, \uline{Woodger}\IN{\woodger} (viel zu schwierig, spricht ganz ohne Einfühlung in das arme Publikum); dann Diskussion, ich zu Woodger\IN{\woodger}. Dann \uline{Tarski}\IN{\tarski}, über den Begriff der logischen Folgerung; dazu ich und andere diskutiert.~-- Im Caf\'{e}\IO{Paris!Caf\'{e}} zusammen mit Hempels\IN{\hempel}\IN{\ahrendseva}, Feigl\IN{\feigl}, Reichenbach\IN{\reichenbach}, später Frank\IN{\frankphilipp} und Neurath\IN{\neurath}. Gemütliche Unterhaltung. Bis~9\textsuperscript{h}.~-- Hempel\IN{\hempel} erzählt mir, dass es Neurath\IN{\neurath} wirtschaftlich ganz übel gehe; Olga\IN{\neuratholga} soll Selbstmordgedanken haben. Wir erwägen Pläne, Geld zur Vorbereitung des nächsten Kongresses\II{\kongresskopenhagen}\fnE{\textit{2. Internationaler Kongreß für Einheit der Wissenschaft}.} zu sammeln und ihm zu geben. (\textonehalf{}\,10 zu Hause.) Etwas geschrieben. Ina\IN{\ina} schickt lustige Fotos von Tirol\IO{Tirol}. \tbentry{17}{9}{1935}{} Vormittags spät in die Sitzung, nur \uline{Feigls}\IN{\feigl} Vortrag\IW{\feiglvortragparis} gehört (über Realismus)\fnE{Feigl, ,,Sense and Nonsense in Scientific Realism``.} und dazu diskutiert. Mittags mit \uline{\ulinesp{Russell}}\IN{\russell}, Morris\IN{\morris} und \gestrunl\sout{jam} Benjamin\IN{\benjamin} im Procope\IO{Paris!Procope}. \ulinesp{Über die Zukunft Europas}\IO{Europa}. Russell\IN{\russell} meint, ein großer Krieg stehe sicher bevor in den nächsten Jahren; England\IO{England}, Frankreich\IO{Frankreich} und Deutschland\IO{Deutschland} würden zerstört. Vielleicht \editor{würden} dann die Amerikaner kommen und Europa\IO{Europa} beherrschen.~-- Nachmittags etwas geschrieben; dann über Seine-Brücke\IO{Paris!Seine-Brücke} gebummelt, plötzlich starker Regen. Zum American Express\IO{Paris!American Express}.~-- Zum Schluss der Nachmittagssitzung.~-- Dann mit allen ins Caf\'{e} d'Harcourt\IO{Paris!Caf\'{e} d'Harcourt}. \uline{Scholz}\IN{\scholzheinrich} schüttet seinen ganzen Zorn der schlechten Programmänderung vor mir und Hempel\IN{\hempel} aus; wir sagen, dass Reichenbach\IN{\reichenbach} schuld ist.~\neueseite{538797} Dann mit zwei intelligenten jungen Amerikanern: Cohn\IN{\cohnparis} und Summerville\IN{\summerville}. Sie stellen gescheite Fragen über die Bestrebungen des Wiener Kreises\II{\schlickzirkel} und über die Bedeutung der logischen Analyse für den Fachwissenschaftler. \textonehalf{}\,11 nach Hause. Noch Baldrian gekauft und {\lspitz}anschließend{\rspitz} geschluckt. \tbentry{18}{9}{1935}{} Sitzung über \uline{Induktion}. Reichenbach\IN{\reichenbach}, Schlick\IN{\schlick} (\textit{MS}\IW{\schlickpariseins} wird vorgelesen),\fnE{Schlick, ,,Sind die Naturgesetze Konventionen?{}``. Schlick reiste nicht nach Paris, ,,weil der Kongress mitten in meinen bevorstehenden italienischen Aufenthalt fällt. Aber ich werde schriftliche Beiträge senden.`` Moritz Schlick an Rudolf Carnap, 21.\,VI.\,1935 (\href{http://doi.org/10.48666/825152}{RC~029"~27"~02}).} \uline{ich} (,,Wahrheit und Bewährung``\IC{\vortragkongresspariszwei}), Popper\IN{\popper}. Sehr lebhafte Diskussion bis~2\textsuperscript{h}. Zu meinem Vortrag sprechen: Grelling\IN{\grelling}, Ajdukiewicz\IN{\ajdukiewicz}, Ayer\IN{\ayer}, Neurath\IN{\neurath}, Tarski\IN{\tarski}, Lutman\IN{\kokoschinska}, Reichenbach\IN{\reichenbach}.~-- Scholz\IN{\scholzheinrich} hat sich heute früh heftig mit Reichenbach\IN{\reichenbach} verkracht.~-- Mittags mit Neider\IN{\neider}, Hempels\IN{\hempel}\IN{\ahrendseva}, usw. im italienischen Restaurant. Ausgeruht.~-- Nachmittags später in die Sitzung. Reichenbach\IN{\reichenbach} (über Wahrscheinlichkeit),\IW{\reichenbachvortragparis}\fnE{Reichenbach, ,,Wahrscheinlichkeitslogik als Form des wissenschaftlichen Denkens``.} Schlick\IN{\schlick} (\textit{MS}\IW{\schlickpariszwei} über Wahrscheinlich\-\tbtwoA{710}keit\fnE{Schlick, ,,Gesetz und Wahrscheinlichkeit``.} wird vorgelesen), Hosiasson\IN{\hosiasson}, Popper\IN{\popper}. Diskussion bis~7\textsuperscript{h}.~-- Abends mit Hempels\IN{\hempel}\IN{\ahrendseva} und dem {\lspitz}Juristen{\rspitz}~\luecke\ im d'\,Harcourt\IO{Paris!d' Harcourt}. Dann Besprechung mit Neurath\IN{\neurath} usw.: Für nächstes Jahr (wo ich nicht dabei sein werde) wird kleine Konferenz in Kopenhagen\II{\kongresskopenhagen}\IO{Kopenhagen} in Aussicht genommen, über Physik und Biologie.\fnE{Der \emph{2. Internationale Kongress für Einheit der Wissenschaft} fand vom 21.-26.\,VI.\,1936 in Kopenhagen statt. Vgl. Stadler, \emph{Studien zum Wiener Kreis}, 412\hbox{--}418. Carnap nahm an diesem Kongress nicht teil, er unterrichtete im Sommer 1936 an der Harvard University.}~-- Hempel\IN{\hempel} erzählt mir von Dubislavs\IN{\dubislav} ,,privater Verhinderung``.\fnE{Dubislav war im Frühjahr 1935 einer Freundin gegenüber gewalttätig geworden und befand sich zu der Zeit des Pariser Kongresses in Berlin im Gefängnis. Vgl. Milkov, \emph{On~Walter Dubislav}.} \tbentry{19}{9}{1935}{} \uline{Tarski}\IN{\tarski} und \uline{Lutman}\IN{\kokoschinska} Vorträge\IW{\tarskivortragpariszwei}\IW{\kokoschinskavortragparis} über Semantik;\fnE{Tarski, ,,Grundlegung der wissenschaftlichen Semantik``; Kokoszyńska-Lutman, ,,Syntax, Semantik und Wissenschaftslogik``.} ich diskutiere dazu. \uline{Scholz}\IN{\scholzheinrich} etwas negativ, aber rührender Vortrag über Aussagenlogik.\fnE{Vermutlich Scholz, ,,Die klassische deutsche Philosophie und die neue Logik``.}~-- Nachmittags etwas geschrieben, über die Seine-Brücke\IO{Seine-Brücke} gebummelt, starker Regen. Zum American Express\IO{Paris!American Express} gefahren. Schecks gekauft. Zum\linebreak Schluss zur Sitzung.~-- Abends \uline{bei Natkin\IN{\natkin}}; höchst moderne interessante kleine Atelierwohnung. Dabei noch Reichenbach\IN{\reichenbach}, Gödel\IN{\goedel}, Barbara Schlick\IN{\schlickbarbara}; Feigl\IN{\feigl} liegt leider erkältet zu Bett. Feines Essen (Austern usw.), Natkin\IN{\natkin} zeigt seine Bücher über Fotografie.\fnE{Der nach der Promotion bei Schlick in Paris als Fotograf tätige Natkin veröffentlichte zahlreiche Bücher über Fotografie. Vgl. Stadler, \emph{Studien zum Wiener Kreis}, 240\,f.} Um Mitternacht fährt er uns im Auto nach Hause.{\tolerance500\par} \tbentry{20}{9}{1935}{} Vorträge \uline{Neurath}\IN{\neurath} (Soziologie\IW{\neurathvortragpariseins}),\fnE{Neurath, ,,Mensch und Gesellschaft in der Wissenschaft``.} \uline{Hempel}\IN{\hempel} (Typusbegriff\IW{\hempelvortragparis}),\fnE{Hempel und Oppenheim, ,,L'importance logicque de la notion de type``.} Walter\IN{\walterzuerich},~\neueseite{538791} Hollitscher\IN{\hollitscherwalter}; ich diskutiere kurz zu Hempel\IN{\hempel}. Bis \textonehalf{}\,3~(!). Neurath\IN{\neurath} sagt, wir sollen um~3 wieder zur Nachmittagssitzung kommen, ich schwänze aber. Mit Hempel\IN{\hempel} und Eva\IN{\ahrendseva} im Taxi zur Cit\'{e} Universitaire\IO{Paris!Cit\'{e} Universitaire}, \uline{Feigl}\IN{\feigl} besucht; liegt krank im Bett und schwitzt. Morgen will er aber nach Amerika\IO{Amerika} fahren. [Heute fahren Gödel\IN{\goedel} und \gestrunl\ \uline{Bernays}\IN{\bernays}; dieser ist plötzlich aufgetaucht; ich spreche etwas mit ihm über Logik; er ist aber sehr intuitionistisch und philosophisch; vielleicht hat Weyl\IN{\weyl} ihn gerade deswegen nach Princeton\IO{Princeton} eingeladen.\fnE{Paul Bernays war im akademischen Jahr 1935/36 als Visiting Scholar am Institute for Advanced Studies in Princeton.}] 5\textsuperscript{h}~zu \uline{\ulinesp{Russell}}\IN{\russell} ins Hotel\IO{Paris!Hotel}. \shortenpage Zuerst englische Dame bei ihm, ich \tbtwoA{711} verstehe fast nichts. Dann mit ihm über meine Auffassung der Logik. Er hat Bedenken vom Standpunkt seiner realistischen Logik: Die Arithmetik ist von den Dingen abhängig; denn vielleicht haben wir nicht genug Symbole. 6\textsuperscript{h}~kommt \uline{Reichenbach}\IN{\reichenbach} und erzählt Russell\IN{\russell} (in schnellem, fließendem Englisch) seine Theorie der Induktion. 7\textsuperscript{h}~kommt \uline{Tarski}\IN{\tarski}. Wir alle gehen zum Essen in ein kleines Restaurant. \ulinesp{Über die Zukunft Europas\IO{Europa}.} \ulinesp{Russell}\IN{\russell} berichtet wieder seine pessimistische Auffassung. Auch England\IO{England} sei gefährdet; denn wenn London\IO{London} von der Luft aus angegriffen würde, würden alle Menschen aufs Land flüchten und die Nahrungsmittelversorgung würde nicht mehr funktionieren; großer Zusammenbruch. Er fürchtet nicht sehr für Russland\IO{Russland}, weil er meint, Frankreich\IO{Frankreich} würde ihm sicher helfen. Nachher ins Hotel\IO{Paris!Hotel} in ein Zimmer. Dort sprechen \ulinesp{Tarski\IN{\tarski} und ich mit ihm \textspkl{Russell}\IN{\russell} über Logik.} Ich berichte über die Ergebnisse von Gödel\IN{\goedel}, die er noch nicht kennt, aber sehr interessant findet. Wir beide sprechen zu ihm über die Unmöglichkeit, bestimmte Dinge in bestimmter Sprache zu definieren, über die Notwendigkeit transfiniter Typen. Von Variablen, die verschiedene Typen durchlaufen usw. Er sagt, das ist ihm alles sehr neu und schwer~\neueseite{538793} verständlich. Die neue Generation müsse jetzt weiter Logik machen. Um~11\textsuperscript{h} gehen wir. \tbentry{21}{9}{1935}{} Ich wecke Neurath\IN{\neurath} \textonehalf{}\,10 (wo er schon die Sitzung anfangen sollte). \uline{Neurath}\IN{\neurath} über Enzyklopädie\II{\enzyklopaedie}. Dann \uline{mein Vortrag}\IC{\vortragkongressparisdrei} über logische Probleme der Vereinheitlichung der Begriffe (Reduktion usw.).\fnE{Carnap, ,,Über die Einheitssprache der Wissenschaft``.} Großes Interesse. Neurath\IN{\neurath} sagt, das hätte ich lieber in den großen Sitzungen vortragen sollen. Diskussion über Enzyklopädie\II{\enzyklopaedie}.~-- Mit Freymann\IN{\freymann} gesprochen über meine neue eben erschienene Broschüre\IC{\franzoesischebroschuere}.\fnE{Carnap, \emph{Le Problème de la Logique de la Science}.} Er zahlt mir das Honorar.~-- Ausgeruht. Zum Schluss der Schlusssitzung gegangen. Ich ermutige die \uline{Stebbing}\IN{\stebbing}, mit nach Belgien\IO{Belgien} zu kommen. Sie fürchtet, sie wird zu schlecht verstehen.~-- Geschrieben.~-- 8\,\hbox{--}\,12\textsuperscript{h} zum Diner bei \uline{Lecomte du Noüy}\IN{\nouy}, mit Enriques\IN{\enriques}, Neurath\IN{\neurath}, Reichenbach\IN{\reichenbach}, Frank\IN{\frankphilipp}, Rougier\IN{\rougier}, J\o{}rgensen\IN{\joergensen}, Morris\IN{\morris}. Mit J\o{}rgensen\IN{\joergensen} über die Gefahr des Krieges. Mit J\o{}rgensen\IN{\joergensen} und Neurath\IN{\neurath} über die historischen Linien, die zum Wiener Kreis\II{\schlickzirkel} führen. \tbentry{22}{9}{1935}{} Neurath\IN{\neurath} beklagt sich bitter, dass Grelling\IN{\grelling} seine Schrift\IW{\neuratheinheitswissenschaftbuch} so schlecht rezensiert\IW{\grellingrezensioneinheitswiss} hat.\fnE{Grelling, ,,Rezension von \emph{Einheitswissenschaft}``.}~-- Scholz\IN{\scholzheinrich} und Reichenbach\IN{\reichenbach} haben sich inzwischen versöhnt. \textonehalf{}\,11\,\hbox{--}\,1 mit \uline{Bachmann}\IN{\bachmannfriedrich} über seine \textit{MSe} Axiomatik\IC{\extremalaxiome}\IW{\bachmannfriedrichaxiomatik}. \pagebreak Eines wird in \tbtwoA{712} den Kongressvorträgen veröffentlicht (unter seinem Namen), ein anderes allgemeineres schreibt er jetzt (unter unser beider Namen) für Erkenntnis\II{\erkenntnis}.\fnE{Bachmann, ,,Die Begriffe der Abhängigkeit und Entbehrlichkeit von Axiomen in Axiomensystemen, in denen ein Extremalaxiom auftritt`` sowie Bachmann und Carnap, ,,Über Extremalaxiome``.} Mit ihm im Procope\IO{Paris!Procope} gegessen.~-- Ausgeruht.~-- \uline{Natkin}\IN{\natkin} holt \uline{Neider}\IN{\neider} und mich in seinem Auto ab. Er wollte ursprünglich nach Versailles\IO{Versailles}. Da ich Paris\IO{Paris} noch nicht gesehen habe, fahren wir lieber in Paris\IO{Paris} herum. Dabei klemmt sich Neider\IN{\neider} den Finger und~\neueseite{538795} muss verbunden werden. Unten am Eiffeltum\IO{Paris!Eiffelturm}. Champs Élys\'{e}es\IO{Paris!Champs-Élysées}, Triumphbogen\IO{Paris!Triumphbogen}, Bois du Boulogne\IO{Paris!Bois du Boulogne} (schöner sehr großer Park mit großem Teich und vielen Leuten auf den Wiesen), Sacré Coeur\IO{Paris!Sacré Coeur} (große Kirche wie Moschee auf dem Berg), dabei kleine alte Häuser, nahe bei Natkins\IN{\natkin} Wohnung; Notre Dame\IO{Paris!Notre Dame} (sehr schön; wir konnten nicht mehr hinein). 5\,\hbox{--}\,7 Tee in der Union Interalli\'{e}e\IO{Paris!Union Interalliée}. Mit \uline{Meiner}\IN{\meinerfelix} etwas gesprochen; er ist zufrieden, dass die Kongressvorträge nicht in der Erkenntnis\II{\erkenntnis} erscheinen; im nächsten Heft sollen 48~Seiten Bericht erscheinen.\fnE{Siehe die unter der Überschrift ,,Paris 1935. Erster Internationaler Kongress für Einheit der Wissenschaft (Congres International de Philosophie Scientifique)`` zusammengefassten Beiträge in \emph{Erkenntnis} 5, 1935, 377\hbox{--}428.}~-- Dann zu Fuß mit Hempels\IN{\hempel}\IN{\ahrendseva} durch Louvre\IO{Paris!Louvre}, Tuilerien\IO{Paris!Tuilerien}, Seine-Brücke\IO{Paris!Seine-Brücke}. Mit Morris\IN{\morris}, Tarski\IN{\tarski}, Bachmann\IN{\bachmannfriedrich} gegessen. Abschied von Morris\IN{\morris}.~-- Etwas geschrieben.~-- \tbentry{23}{9}{1935}{} Mit \uline{Neurath}\IN{\neurath} und \uline{Hempel}\IN{\hempel} über mein \textit{MS} ,,Testability``\IC{\lewisaufsatz}. Neurath\IN{\neurath} hat Bedenken gegen die absoluten Begriffe ,,verifizierbar``, ,,vollständig nachprüfbar``. Ferner meint er, dass er die alte Wiener Auffassung nicht gemocht habe, positivistische These usw., und dass er hauptsächlich den Anstoß zur \sout{Umf}\gestrunl\ Umwandlung der Anschauungen des Wiener Kreises\II{\schlickzirkel} gegeben habe, nicht nur im Physikalismus.~-- Mittags mit \uline{Neurath}\IN{\neurath}, \uline{Lutman}\IN{\kokoschinska}, Frank\IN{\frankphilipp}, Neider\IN{\neider} über Neuraths\IN{\neurath} Bedenken gegen den Wahrheitsbegriff, den Tarski\IN{\tarski} definiert hat; er meint, die Metaphysiker werden das ausnutzen.\fnE{Zur durch Tarskis und Kokoszyńskas Pariser Präsentation ausgelösten Debatte über den Wahrheitsbegriff siehe Mancosu, \emph{The Adventure of Reason}, 415\hbox{--}439.}~-- Eiligst im Taxi zum Hotel\IO{Paris!Hotel} und dann zur Bahn\IO{Paris!Bahn}. 14,20\,\hbox{--}\,19,05 über Namur\IO{Namur} nach \uline{Lustin sur Meuse}\IO{Lustin sur Meuse},\ort{Lustin sur Meuse} in Belgien\IO{Belgien}, in den Ardennen\IO{Ardennen}. Hotel Bristol\IO{Lustin sur Meuse!Hotel Bristol}. Wir sitzen gemütlich zusammen und machen noch einen kleinen Spaziergang zusammen. J\o{}rgensens\IN{\joergensen}\IN{\joergensenkrista} sind im Auto hergekommen. Außerdem: Hempels\IN{\hempel}\IN{\ahrendseva}, Grellings\IN{\grelling}\IN{\grellingfrau}, Stebbing\IN{\stebbing}, Neider\IN{\neider}. Tarski\IN{\tarski} und Lutman\IN{\kokoschinska} konnten leider nicht.~\neueseite{538801}\pagebreak \tbtwoA{713} \tbentry{24}{9}{1935}{} Spaziergang alle zusammen über die Felsen über der Maas\IO{Maas}, und ins Dorf Lustin\IO{Lustin}. Mit Grelling\IN{\grelling} über seine gegenwärtige Lage. Stebbing\IN{\stebbing} hat in der Nacht bis~2\textsuperscript{h}~(!) mein \textit{MS} ,,Testability``\IC{\lewisaufsatz} gelesen; die anderen lesen es heute.~-- Nachmittags mit Stebbing\IN{\stebbing} und \uline{Jørgensens}\IN{\joergensen}\IN{\joergensenkrista} in deren Auto nach \uline{Namur}\IO{Namur}. Erst in die Stadt. Ich versuche mich vergeblich zu erinnern, ob ich hier im Krieg war. Erst als wir die Straße zur Zitadelle\IO{Namur!Zitadelle} hinauffahren, erinnere ich mich, dass ich hier zum Nachrichtenkurs war (ich glaube November~17) und an einem dienstfreien Tag auf diesen Berg\IO{Namur!Berg} gegangen bin.\fnE{Da das Kriegstagebuch einzig in der Zeit zwischen August und Oktober 1917 eine Lücke aufweist, könnte der Kurs in Namur, das im Kriegstagebuch sonst nicht vorkommt, eigentlich nur in dieser Zeit stattgefunden haben.} Oben an Ina\IN{\ina} und Bank Brüssel\IO{Brüssel}\IO{Brüssel!Bank Brüssel} geschrieben. Dann im Auto das Maastal\IO{Maastal} hinauf, an Lustin\IO{Lustin} vorbei (auf der anderen Flussseite) nach \uline{Dinant}\IO{Dinant}. \gestrunl\ Auch wieder eine Festung hoch über den Felsen.~-- Abends kommt \uline{Frank}\IN{\frankphilipp} an; mittags ist \uline{Saarnio}\IN{\saarnio} mit Frau und kleinem Sohn gekommen. \tbentry{25}{9}{1935}{} Vormittags allgemeine Diskussion über \uline{Reduktion}. Grelling\IN{\grelling} fragt, ob die Reduktionen analytisch oder wenigstens konventionell sind. Jørgensen\IN{\joergensen} hat Bedenken, dass der Kampf gegen die Metaphysik schwächer wird, wenn keine scharfe Kluft mehr zwischen empiristischer und metaphysischer Sprache besteht.~-- Nachmittags großer Spaziergang mit \uline{Hempel}\IN{\hempel} und Oppenheim\IN{\oppenheim}. Dabei gesprochen über mehrwertige Logik. Sie wollen eine topologische Logik neben die metrisch mehrwertige von Tarski\IN{\tarski} stellen.\fnE{Vgl. Hempel, ,,A Purely Topological Form of Non-Aristotelian Logic``.} Über die Entsprechung zwischen mehrwertiger Logik mit einstelligen Prädikaten und zweiwertiger Logik mit mehrwertigen Prädikaten (worüber ich zu ihnen in Brüssel\IO{Brüssel} gesprochen hatte).~-- Abends wir alle zusammen Lochbillard gespielt; sehr lustig; Stebbing\IN{\stebbing} gewinnt. \tbentry{26}{9}{1935}{} Vormittags Diskussion über Tarskis\IN{\tarski} Begriff der \uline{Wahrheit}. Ich versuche zu zeigen, dass er dem Begriff der Umgangssprache entspricht. Neider\IN{\neider} bringt in Neuraths\IN{\neurath} Sinne Bedenken vor, sowohl gegen die Definition selbst als auch gegen die Gefahr, dass sie von Metaphysikern~\neueseite{538807} missdeutet und missbraucht wird. Frank\IN{\frankphilipp} und Saarnio\IN{\saarnio} reisen 11\,\textonehalf{} ab. 2\textsuperscript{h}~fährt Neider\IN{\neider} ab; und Jørgensens\IN{\joergensen}\IN{\joergensenkrista} im Auto. (Neider\IN{\neider} will Neurath\IN{\neurath} besuchen.)~-- Nachmittags mit \uline{Hempel}\IN{\hempel} spazieren. Über Springer\II{\springerverlag}. Über seine geplante Erwiderung\IW{\hempelerwiderung} auf Juhos\IN{\juhos}\IW{\juhosms}.\fnE{Hempel, ,,Some Remarks on Empirisim`` ist eine Erwiderung auf Juhos, ,,Empiricism and Physicalism``.} Wir gehen von der {\lspitz}Felsenterrasse{\rspitz}\IO{Maas!Felsenterrasse} zur Maas\IO{Maas} hinunter, mit der Fähre hinüber nach Profondeville\IO{Profondeville} und am Ufer zurück, \pagebreak zuletzt über \tbtwoA{714} die Brücke\IO{Maas!Brücke}. Über die Frage meiner Vertretung: Frank\IN{\frankphilipp} schlägt Neurath\IN{\neurath} vor; Chance für Hempel\IN{\hempel}, vielleicht nach Neurath\IN{\neurath}.\fnE{Als Carnaps Vertreter bzw. Nachfolger in Prag wurde zunächst Walter Dubislav vorgeschlagen, auch Otto Neurath war im Gespräch. Vgl. TB~31.\,IX.\,1937\diaryref{TB-31-IX-1937}.} Vielleicht dabei Habilita\-tion. Chance später: Nachfolger.~-- Abends nur noch: Hempels\IN{\hempel}\IN{\ahrendseva}, Oppenheim\IN{\oppenheim}, Stebbing\IN{\stebbing} und ich. Wir spielen Billard. Stebbing\IN{\stebbing} dankt mir beim Abschied sehr, dass ich sie hierher aufgefordert habe; vielleicht käme ich mal nach Cambridge\IO{Cambridge}; sie habe Moore\IN{\moore} eine Professur für Logistik (für mich) vorgeschlagen. (Aber ich glaube nicht, dass daraus was werden kann.) \tbentry{27}{9}{1935}{} (Stebbing\IN{\stebbing} fährt schon 7\textsuperscript{h} ab.) Bücher auf die Post\IO{Dinant!Post}. Mit Hempel\IN{\hempel} und Eva\IN{\ahrendseva} die Chancen besprochen. Gepackt. Mit den dreien 11,35 nach Namur\IO{Namur} \uline{abge\-fahren}. Abschied, Eva\IN{\ahrendseva} geküsst. Sie fahren nach Brüssel\IO{Brüssel}, ich später über Lüttich\IO{Lüttich}~-- Aachen\IO{Aachen}~-- \uline{Köln}\IO{Köln}, an 15,03. \uline{Agnes}\IN{\agnes} am Bahnhof\IO{Köln!Bahnhof}. Inas\IN{\ina} Uhr abgeholt. \uline{Wilhelm Carnap}\IN{\carnapwilhelm} getroffen. Wir alle im Auto nach \uline{\ulinesp{Vollmerhausen}}\IO{Vollmerhausen}.\ort{Vollmerhausen} Agnes\IN{\agnes} hat mir schon erklärt, und \uline{Reinhard}\IN{\reinhardkaufmann} sagt es mir selbst, dass er nicht einwilligen kann.\fnE{Bezug unklar.} Abends schenkt er mir eine Reihe von Anzügen und eine Pelzjoppe. \tbentry{28}{9}{1935}{} Mit \uline{Agnes}\IN{\agnes} über geschäftliche Sachen. Sie klagt wieder über Schutte\IN{\schutte}; nach Ostern seien mit ihm noch viel unangenehmere Sachen passiert als vorher~(!). Und sie scheint ihm so ziemlich in allem nachgegeben zu haben~(!). Aber sie will den~\neueseite{538803} letzten Verlust alleine tragen.~-- Ich gehe ins Büro und tippe ans\fnA{Original~\original{ins}.} Dekanat. Nachmittags mit \uline{Wilhelm Carnap}\IN{\carnapwilhelm} spazieren. Über die Lage in Europa\IO{Europa}.~-- \textonehalf{}\,5\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,8 wir alle im Auto: zuerst nach Wiedenest\IO{Wiedenest}, alte Kirche\IO{Wiedenest!Alte Kirche} besehen. Dann zur Aggertalsperre\IO{Aggertal}, bei deren Erbauung Reinhard\IN{\reinhardkaufmann} viel mitgewirkt hat. Sie ist jetzt leer gelaufen, um eine geborstene Ablaufsperre zu reparieren. In Gummersbach Koffer gekauft. Abends erzähle ich ein wenig von Paris\IO{Paris} und Belgien\IO{Belgien}. \tbentry{29}{9}{1935}{} Vormittags mit Agnes\IN{\agnes} noch über Geschäftliches, und über Kleidungsstücke; Mantel von Reinhard\IN{\reinhardkaufmann}. {\lspitz}Zeime{\rspitz}\IN{\zeime} wird angerufen; er sagt: nur Gelegenheitsgeschenke möglich, nicht Vorschuss.~-- Agnes\IN{\agnes} (und vielleicht Reinhard\IN{\reinhardkaufmann}) will im Dezember nach Bremen\IO{Bremen} kommen. \textonehalf{}\,2~im Auto ab; über die Talsperre. Am Bahnhof \uline{Hagen}\IO{Hagen}\IO{Hagen!Bahnhof Hagen} noch 1~Stunde mit Agnes\IN{\agnes} gesessen. Ich erzähle etwas von Ina\IN{\ina}, dass es uns gut geht usw. 15,26~ab. \uline{Erfurt}\IO{Erfurt} an~21,05.\ort{Erfurt} Hotel Stadt Chemnitz\IO{Erfurt!Hotel Stadt Chemnitz} (Thomasstraße\IO{Erfurt!Thomasstraße}, 5~Minuten vom Bahnhof\IO{Erfurt!Bahnhof}; Zimmer \tbtwoA{715} mit Frühstück~3,00). (Wasser kalt, Klingel funktioniert nicht, Federbett, schlecht geschlafen.) \tbentry{30}{9}{1935}{Ina}\IN{\ina} Als ich hinunterkomme, erfahre ich, dass Johannes\IN{\johannes} da gewesen ist; man hat ihn weggeschickt, ich wohnte nicht hier! Ich eile zum Bahnhof\IO{Erfurt!Bahnhof}, finde ihn dort.\fnE{Johannes Carnap war zu dieser Zeit im Landerziehungsheim Gebesee und besuchte seinen Vater im 20\,km entfernten Erfurt. Vgl. Brief von Rudolf Carnap an Maue Gramm, 16.\,X.\,1935 (\href{http://doi.org/10.48666/808441}{RC~024"~08"~47}).} Zusammen gefrühstückt; dabei die Briefe von Elisabeth\IN{\elisabeth} und Hanneliese\IN{\hanneliese} gelesen. Dann zeigt Johannes\IN{\johannes} mir Erfurt\IO{Erfurt}. Die Häuser auf der Krämerbrücke\IO{Erfurt!Krämerbrücke}, Rathaus\IO{Erfurt!Rathaus}, schiefe Kirche\IO{Erfurt!Kirche}, Dom\IO{Erfurt!Dom}. Wir besteigen Domturm\IO{Erfurt!Domturm} und haben schöne Aussicht. Die große Glocke. Im Hotel\IO{Erfurt!Hotel} zusammen gegessen. Johannes\IN{\johannes} verzehrt mit Appetit eine große Portion Gänsebraten. Zusammen im Zimmer ausgeruht. Dann zu Fuß durch die Anlagen auf den Burgberg\IO{Erfurt!Burgberg}. Johannes\IN{\johannes} verschwindet in den Gebüschen. Johannes\IN{\johannes} erzählt von den Ferien, vom Gut. Der Vater Natz\IN{\natz}~\neueseite{538805} hat ihn aufgefordert, Vorträge zu halten in der Familie z.\,B. ,,Über den Wert der Höflichkeit`` und ,,Was ich werden will und warum``. \sout{Ich} Er will Ingenieur werden, in Haubinda\II{\haubinda} (Ostern) in die Schlossergilde, später auf die Technische Hochschule\IO{München!Technische Hochschule München}, dann als Ingenieur zu Rusche\IN{\ruscheotto} nach Mexiko\IO{Mexiko}. Er erzählt auch von seinen Sportleistungen, Sprünge durch Reifen, Salto usw. Er fragt nach der Kriegsgefahr, und ob Deutschland\IO{Deutschland} aus der gegenwärtigen Situation nicht Vorteil ziehen könnte und unvermerkt Österreich\IO{Österreich} nehmen. Ich sage, dass ein Krieg in Europa\IO{Europa} ein sehr großes \sout{Unkl} Unglück für alle Beteiligten sein würde, auch für die Sieger.~-- Straßenbahn zurück.~-- 5\textsuperscript{h}~Johannes\IN{\johannes} fährt auf seinem Rad ab, an der Lenkstange Buch und Kekse von Dorothea\IN{\kaufmanndorothea} (nach Gebesee\II{\landerziehungsheimgebesee}\IO{Gebesee}~20\,\textit{km.} Zu Rad 1\,\textonehalf{} Stunde). Ich \gestrunl\ 17,26~ab, und \uline{\ulinesp{Dresden}}\IO{Dresden} an~20,23.\ort{Dresden} \uline{Ina}\IN{\ina} und \uline{Schorli}\IN{\kampfkeschorli} im Auto an der Bahn. Wir fahren in die Tauscherstraße\IO{Dresden!Tauscherstraße}. \uline{Ruth}\IN{\messmerruth} ist schon da (gestern statt morgen gekommen). Trotzdem sollen wir dableiben. Wir kommen bald zum~,,Du``. Ruth\IN{\messmerruth} tanzt etwas allein; dann wieder in meinem Arm auf dem Diwan wie voriges Mal. Beide sind sehr lieb zu mir. Wir schlafen in deren Zimmer in Betten, sie zusammen auf dem Diwan. Ich sage, sie sollen uns noch besuchen. Ruth\IN{\messmerruth} zu mir, spät in der Nacht. Sie lässt sich sanft streicheln, aber wir werden doch beide erregt. Später gehen wir beide zu den beiden auf den Diwan hinüber, und liegen alle~4 dort. Schorli\IN{\kampfkeschorli} will nicht, dass Ruth\IN{\messmerruth} uns sagt, was sie gesagt hat. Als Ruth\IN{\messmerruth} und Ina\IN{\ina} weglaufen, ist sie sehr gehemmt, ist aber froh, als ich sie direkt frage, ob sie einmal zu mir kommen wird. ,,Ja, ganz bestimmt``. Vielleicht \textonehalf{}\,2 kommen wir endlich zur Ruhe, alle erschöpft.~\neueseite{538809}\pagebreak \tbtwoA{716} \tbentry{1}{10}{1935}{} In der Früh kommen beide zu uns herüber. Schorli\IN{\kampfkeschorli} zu mir, zuerst sind wir beide sanft und zärtlich, nachher erregt; Ina\IN{\ina} läuft fort; Schorli\IN{\kampfkeschorli} will wohl, aber ist zu gehemmt.~-- Schorli\IN{\kampfkeschorli} hat sich freigenommen, bleibt zu Hause.~-- Nach dem Essen Schorli\IN{\kampfkeschorli} und Ina\IN{\ina} in die Stadt, Besorgungen. Ich bleibe mit Ruth\IN{\messmerruth}; wir liegen zusammen, sanft.~-- In der Elektrischen frage ich sie, und sie sagt, dass sie gerne \gestrunl\ hier ist, aber zuweilen unter mehr Menschen muss; sie war 8~Wochen auf Schloss Lauenstein\IO{Schloss Lauenstein}, habe dort Kontakt mit Menschen gefunden, aber meist nur äußerlich. Zuweilen auch mit Männern, aber nicht bis zum Letzten.~-- An der Bahn\IO{Dresden!Bahn} Abschied. Schorli\IN{\kampfkeschorli} fällt der Abschied von Ina\IN{\ina} sehr schwer. Sie bedeutet ihr viel, weil Ina\IN{\ina} auch menschlich ihr viel gab, sie zum Reden brachte, sie auflockerte, auch die Frau in ihr entdeckte und betonte.~-- 16,32~ab Dresden\IO{Dresden}. (wegen Kalender~II.\fnE{Möglicherweise Fahrt in der zweiten Klasse.}) \gestrunl\ \uline{\ulinesp{Prag}}\IO{Prag} an~19,52.\ort{Prag [Praha]} Mit vielen Koffern und neuen Sachen. Nach 2~Monaten wieder zu Hause. \tbentry{2}{10}{1935}{} Aufs \uline{Ministerium}\IO{Prag!Ministerium}; Havelka\IN{\havelka} wegen Urlaub gefragt. Er ist freundlich und meint, der Minister werde es sicher bewilligen (Dekan Pollak\IN{\pollak} hatte schon mit ihm gesprochen). Da das Fach nicht obligat, mache der Wegfall der Vorlesungen für 1~Semester nichts. \sout{Wegen} Für die Beförderung zum Ordinarius bestehe eine gute Chance; aber frühestens im Januar.~-- Mittags mit Ina\IN{\ina}. Nachmittags zu \uline{Calve}\IN{\calve}; er möchte die Bücher höchstens in Kommission nehmen.~-- Zum Dekan \uline{Pollak}\IN{\pollak}. 2~Stunden bei ihm. Wegen Urlaub. Wegen Popper\IN{\popper} Habilitationsplan; er hat Bedenken, ob man die Opposi\-tion in der Fakultät schon wieder herausfordern solle, \sout{da} bevor die Sache Freundlich\IN{\freundlich} vorbei ist. Er spricht ausführlich über Antisemitismus. Zeigt mir Sachen von und über Brandt\fnA{Original~\original{Brand}.}\IN{\brandt}, die für das Niveau charakteristisch sind. \tbentry{3}{10}{1935}{} Gekramt, geschrieben. Mit Ina\IN{\ina} über Dresden\IO{Dresden}; die beiden haben ihr ausführlich geschrieben: Sie haben doch miteinander gesprochen (was sicher notwendig war). \tbentry{4}{10}{1935}{} Nachmittags 4\,\hbox{--}\,8 \uline{Tarski}\IN{\tarski} und Frau Dr.~\uline{Lutman}\IN{\kokoschinska} hier. Über Neuraths\IN{\neurath} Bedenken gegen den~\neueseite{538817} Wahrheitsbegriff. Über Schächter\IN{\schaechter} und Waismann\IN{\waismann}; Tarski\IN{\tarski} findet auch ihre Analyse der Umgangssprache dilettantisch. Über politische Lage Europas\IO{Europa}. \tbentry{5}{10}{1935}{} Nachmittags \textonehalf{}\,4\,\hbox{--}\,7 \uline{Tarski\IN{\tarski} und Lutman}\IN{\kokoschinska} hier. Über Spielraum und Satzverknüpfungen. Über quasi-syntaktische Sätze; wir stimmen überein,\tbtwoA{717} dass die semantischen Sätze analog als quasi-objektivistische Sätze zu bezeichnen wären, da sie sich eigentlich auf die Objekte beziehen.\fnE{Zu den Gesprächen mit Tarski und Kokoszyńska an diesem und den folgenden Tagen vgl. die einschlägig datierten Notizen in (\href{http://doi.org/10.48666/825479}{UCLA CM20-05}).}~-- Gr.\,Sp. \tbentry{6}{10}{1935}{\kreis} Briefe.~-- \textonehalf{}\,4\,\hbox{--}\,9 \uline{Tarski\IN{\tarski} und Lutman}\IN{\kokoschinska} hier. Tarski\IN{\tarski} fragt, was wir Wittgenstein\IN{\wittgenstein} verdanken. Ich: 1)~Anti-Metaphysik, 2)~tautologischer Charakter der Logik und Mathematik, 3)~Sprachanalyse. In Letzterem aber teils fördernd, teils hemmend, weil man nicht formulieren könne.\fnE{Vermutlich Anspielung auf Wittgensteins vor allem von Carnap und Neurath sehr kritisch betrachteten Grundsatz in Wittgenstein, \emph{Tractatus logico-philosophicus}, 7: ,,Was sich überhaupt sagen läßt, läßt sich klar sagen; und wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.``} Der Einfluss der Warschauer hat uns geholfen, diese Hemmungen zu überwinden.~-- \sout{Es} Er verteidigt seine Ansicht, dass beim wirklichen Schließen nur \textit{a}"~Bestimmungen angewendet werden.\fnE{Vgl. Carnap, \emph{Logische Syntax der Sprache}, 124.}~-- Ich gebe beiden allerhand Sonderdrucke. \tbentry{7}{10}{1935}{} Mit Ina\IN{\ina} auf \uline{amerikanisches Konsulat}\IO{Prag!Amerikanisches Konsulat}. Der Immigrationsinspektor liest die Einladungsschreiben von Harvard\II{Harvard University, Cambridge (Ma)} usw. und die Bescheinigung, dass ich hier Professor bin, und sagt darauf, dass ich das Visum (für 1~Jahr) leicht bekommen werde. Bei der Ankunft in New York\IO{New York} wird man erst bestimmen, wie lang man uns Aufenthaltserlaubnis gibt.~-- Zum \uline{Dekan Pollak}\IN{\pollak}. Neue Bescheinigung. Seine Befürchtungen wegen Wiederaufnahme des Insignienstreits.\fnE{Vgl. TB~24.\,XI.\,1934\diaryref{TB-24-XI-1934}.}~-- Mittags im Fenix wir mit \uline{Tarski\IN{\tarski} und Lutman}\IN{\kokoschinska}. Sie macht Aufnahmen mit der Leica.\fnE{Vgl. Abb.\,\refcn{lutman}.} Über die Bedeutung der logischen Zeichen. Ich: Wenn die Übersetzung gewisser deskriptiver Sätze gegeben ist und die Umformungsbestimmungen, so sind die Übersetzungen der übrigen, zusammengesetzten Sätze und damit die Bedeutung der vorkommenden logischen Zeichen schon mitgegeben.\fnE{Zu Carnaps damaliger Auffassung von Übersetzung vgl. Carnap, \emph{Logische Syntax der Sprache}, 165\hbox{--}176.}~-- Zu Doktor \uline{Bahne}\IN{\bahnarzt}. Er rät, Schwefelinjektion prophylaktisch gegen Rheumatismus; 3~Wochen, das sind 6~Injektionen. \tbentry{8}{10}{1935}{} Nachmittags \uline{Frank}\IN{\frankphilipp} hier. Er war bei Hania\IN{\frankphilippfrau} in England\IO{England}. Sie gibt deutschen~\neueseite{538811} Unterricht und russische Tänze, im Austausch gegen englische Sprache. Sie ist gern dort, wollte aber doch nicht zum Ferienkurs ins College Exeter\II{Exeter College, University of Oxford}.\shortenpage \tbtwoA{718} \tbentry{9}{10}{1935}{} Briefe. Kartothek.\fnE{Seit den 1930er-Jahren hat Carnap umfangreiche Kartotheken verwendet, in denen er vor allem seine Lektüreerfahrungen (,,Reading Notes``) sowie Kontaktadressen, einschließlich biografischer Notizen, dokumentiert hat. Vgl. den ca. 7.500 Karten umfassenden Bestand in (RC~113"~114").} \tbentry{10}{10}{1935}{\kreis} Vortrags \textit{MS} ,,Von der Erkenntnistheorie zur Wissenschaftslogik``\IC{\vortragkongresspariseins} geschrieben, und ,,Wahrheit und Bewährung``\IC{\vortragkongresspariszwei} halb. \tbentry{11}{10}{1935}{} \textwh{,,Wahrheit und Bewährung``}\IC{\vortragkongresspariszwei} fertig geschrieben. \textit{MS}\IC{\vortragkongressparisdrei} über Reduktion und Enzyklopädie angefangen.\fnE{Carnap, ,,Über die Einheitssprache der Wissenschaft``.} \tbentry{12}{10}{1935}{} \textwh{\textit{MS}\IC{\vortragkongressparisdrei} über Reduktion und Enzyklopädie} fertig geschrieben. Vortrag für Urania\IO{Prag!Urania Prag}\II{\uraniaprag} (für 17.) vorbereitet.\fnE{Siehe die kurzschriftliche Vortragsskizze (\href{http://doi.org/10.48666/808443}{RC~110"~07"~06}) und TB~17.\,X.\,1935\diaryref{TB-17-X-1935}.} \tbentry{13}{10}{1935}{Ina!}\IN{\ina} Nachmittags \textonehalf{}\,4\,\hbox{--}\,7 \uline{Paul Hertz\IN{\hertzpaul} und Frau}\IN{\hertzpaulfrau} hier. Ich sehe sie zum ersten Mal. Sie ist fürsorglich und entschieden und hilft ihm sehr. Er ist kürzlich vom Asthma aufgestanden. Er hat ein amerikanisches Stipendium für 1~Jahr. Davon hat er \textonehalf{}~Jahr in Genf\IO{Genf} zugebracht, bei {\lspitz}Wavre{\rspitz}\IN{\wavre}. Sie haben Kinder in Deutschland\IO{Deutschland} und wollen auch den Wohnsitz in Deutschland\IO{Deutschland} behalten, aus Vermögensgründen. Wir sprechen auch über logische Fragen. Er will die Logik nicht auf die Sprache beziehen, auch nicht auf das Denken, sondern auf die Sachverhalte. Dabei ist seine Untersuchungsweise aber doch psychologistisch. Ich leihe ihm Syntax\IC{\logischesyntax}. Er gibt mir \textit{MS}\IW{\hertzkritischebemerkungen} gegen Reichenbachs\IN{\reichenbach} Induktionstheorie;\fnE{Hertz, ,,Kritische Bemerkungen zu Reichenbachs Behandlung des Humeschen Problems``.} er hat es auch schon an Reichenbach\IN{\reichenbach} geschickt, aber keine Antwort. \tbmanyentries{\tbentry{14}{10}{1935}{}\,\hbox{--}\,\tbentry{16}{10}{1935}{}} Gekramt. %\tbentry{15}{10}{1935}{} -- \tbentry{16}{10}{1935}{} %\textwh{Gekramt.} \tbentry{17}{10}{1935}{} Zu \uline{amerikanischem Institut}\II{Amerikanisches Institut Prag}. \uline{Lewis}\IN{\lewisdirektor} hat mein Gesuch schon gestern nach New York\IO{New York}\II{\iie} geschickt. Er meint, sie werden sicher die Vortragsreise zu organisieren versuchen; meine Themen seien aber nicht für Massen\-publikum.~-- 5\,\hbox{--}\,7 \uline{Fakultäts}sitzung\II{\fakultaetssitzungprag}.~-- 8 \uline{mein Vortrag in der Urania}\IO{Prag!Urania Prag}\II{\uraniaprag} im Bühnensaal: ,,Der Weg der wissenschaftlichen Philosophie``;\fnE{Vgl. TB~12.\,X.\,1935\diaryref{TB-12-X-1935}} Charakterisierung unserer Bewegung, einige Problemgruppen, Eindrücke vom Pariser Kongress\II{\pariserkongress}, Enzyklopädie\II{\enzyklopaedie} und Einheit der Wissenschaft. Lebhafte Diskus\-sion~\neueseite{538815} bis \textonehalf{}\,11, meist über Einheit der Wissenschaft. Dabei sprechen auch: Kraus\IN{\krausoskar}, Reichenstein\IN{\reichenstein}, Frank\IN{\frankphilipp}. \shortenpage(Anwesend: Der alte Winternitz\IN{\winternitzalter}, Zahnarzt Ka\-\tbtwoA{719}per\IN{\kaper}, Frau Schmidl\IN{\schmidl}, Bardenhewer\IN{\bardenhewer} und Zetkin\IN{\zetkin}, Löwner\IN{\loewner}, Glaser\IN{\glaser}, Kunzfeld\IN{\kunzfeld}, Valoušek\IN{\valoschek}, Philipp\IN{\philipp}.)~-- Müde zu Fuß von Košíře\IO{Košíře} nach Hause; kein Taxi, weil Ina\IN{\ina} nicht mit. Sie war, weil müder Kopf, zu Hause geblieben, hat 3~Stunden Registratur eingeordnet. \tbentry{18}{10}{1935}{} Gekramt. \tbentry{19}{10}{1935}{} 1. Vorlesung (weil \textit{Do} Fakultätssitzung\II{\fakultaetssitzungprag}).~-- \uline{Hertz}\IN{\hertzpaul} kommt ins Institut\II{Philosophisches Institut der Deutschen Universität Prag}; er bringt Einwände gegen meinen Schrödingeraufsatz\IC{\scientiaaufsatz}\IN{\schroedinger}.\fnE{Carnap, ,,Existe-t-il des prémisses de la science qui soient incontrôlables? Trad. par H.~Buriot-Darsiles``.}~-- Im Fenix\IO{Prag!Fenix} zusammen mit Hertzens\IN{\hertzpaul}\IN{\hertzpaulfrau}, Frank\IN{\frankphilipp} und Ina\IN{\ina}.~-- Bahne\IN{\bahnarzt}, 1.~Schwefelinjektion (gegen Rheumatismus, prophylaktisch). \tbentry{20}{10}{1935}{\kreis} Pariser Vorträge\IC{\vortragkongresspariseins}\IC{\vortragkongresspariszwei}\IC{\vortragkongressparisdrei} bearbeitet. \tbentry{21}{10}{1935}{} 5\,\hbox{--}\,7~Vorlesung Logik~II begonnen. 5~Hörer. Abends 8\,\hbox{--}\,10 ersten Unterricht der \uline{Autoschule}\IO{Prag!Autoschule} (Hönnig, Sovornsta\IO{Prag!Sovornsta} 18; Lehrmeister: Hüttig\IN{\huettig}). Theorie: Verkehrsvorschriften und Autobestandteile.~-- Ganz plötzlich angefangen; wir träumen noch nachts davon. \tbentry{22}{10}{1935}{} Nachmittags \uline{Frank\IN{\frankphilipp} und Hertz\IN{\hertzpaul} und Frau}\IN{\hertzpaulfrau} hier. Hertz'\IN{\hertzpaul} Einwände gegen meinen Schrödingeraufsatz\IC{\scientiaaufsatz}\IN{\schroedinger}. Er meint, ich sei doch Solipsist. \sout{Vor\-mit\-tags zum ersten Mal Autofahrübung.} \tbentry{23}{10}{1935}{} Erste \uline{Auto}fahrübung; Ina\IN{\ina} und ich je \textonequarter{} Stunde. Pilsner Landstraße\IO{Prag!Pilsner Landstraße} und Pod Homolkou\IO{Prag!Pod Homolkou}.~-- Nachmittags Zetkin\IN{\zetkin}, \uline{Bardenhewer}\IN{\bardenhewer} und Lukas\IN{\bardenhewerlukas} hier. Sie \gestrunl\ waren im Sommer in der Schweiz\IO{Schweiz}, haben Klettertouren gemacht. Er ist in Frankreich\IO{Frankreich} geboren, würde Staatsbürgerschaft bekommen, wenn er sich dort 1~Jahr aufhielte. Mich wundert, dass sie das nicht versuchen. \tbentry{24}{10}{1935}{} Autoübung.~-- 5~Vorlesung Logik II (Nur 2~Hörer! Das ist noch nicht vorgekommen); 6~Seminar (4~Hörer).~-- 8\,\hbox{--}\,10 der 2.~theoretische Autokurs. \tbentry{25}{10}{1935}{} Autoübung.~--~\neueseite{538819} \tbentry{26}{10}{1935}{} Vormittags Vorlesung. Mittags mit \uline{Hertzens}\IN{\hertzpaul}\IN{\hertzpaulfrau} und \uline{Frank}\IN{\frankphilipp}.~-- Bahne\IN{\bahnarzt}~-- Kino\IO{Prag!Kino} ,,Pygmalion`` nach Shaw\IN{\shaw}, lustig und gut gespielt.~-- 7\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,11 \uline{Professor Benjamin}\IN{\benjamin} und Frau im Hotel Splendid\IO{Prag!Hotel Splendid}. Aus Chicago\IO{Chicago}. Sie wollen 3~Wochen nach Wien\IO{Wien}. Dann Weltreise über Indien\IO{Indien}, China\IO{China}, Japan\IO{Japan}. Etwa 20.~März zurück nach Chicago\IO{Chicago}. Er erzählt mir vom Unterrichtsplan, Reformversuche in Chicago\IO{Chicago}. \tbtwoA{720} \tbentry{27}{10}{1935}{} Nachmittags \uline{Benjamins}\IN{\benjamin} bei uns. Sie erzählen von Chicago\IO{Chicago} und vom Leben in der Kleinstadt. Er würde ein full professorship in Iowa\IO{Iowa} nicht annehmen! Weil man dort nicht unabhängig ist. \tbmanyentries{\tbentry{28}{10}{1935}{\kreis\ \gestrunl\ Staatsfeiertag}, \tbentry{29}{10}{1935}{}} Briefe. %\tbentry{29}{10}{1935}{} %Briefe. \tbentry{30}{10}{1935}{} Englische Syntax\IC{\logischesyntaxenglisch}. \tbentry{31}{10}{1935}{} 4\textsuperscript{h} Bahne\IN{\bahnarzt}, Schwefelinjektion. 5~Vorlesung (3~Hörer), 6~Seminar (3~Hörer). Zu Hause muskellahm, fiebrig und fröstelnd, 9\textsuperscript{h} 37,7 (rektal), anscheinend zu starke Dosis der Injektion; kann nachts trotz {\lspitz}Noctal{\rspitz} nicht schlafen, halte immerzu englische Vorträge. \tbentry{1}{11}{1935}{Allerheiligen} Müde (wahrscheinlich von der Injektion). Englische Syntax\IC{\logischesyntaxenglisch}. Abends kommt \uline{Schorli}\IN{\kampfkeschorli}. \tbentry{2}{11}{1935}{Ina}\IN{\ina} Bücher gekramt. Englische Syntax\IC{\logischesyntaxenglisch}.~-- Mit Schorli\IN{\kampfkeschorli} bin ich gar nicht {\lspitz}schnecklich{\rspitz}. Aber \gestrunl\ für die Nacht doch sehr zurückhaltend. Die Zeit ist zu kurz. Es wird mir erleichtert durch die Schwefelmüdigkeit.~-- Abends langes Gespräch mit beiden: Schorli\IN{\kampfkeschorli} soll sich einen Mann suchen! \tbentry{3}{11}{1935}{} Englische Syntax\IC{\logischesyntaxenglisch}.~-- Nachmittags \sout{fahr} bringen wir \uline{Schorli\IN{\kampfkeschorli} zur Bahn}.~-- 6\,\hbox{--}\,10 bei \uline{Franks}\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau}. Hania\IN{\frankphilippfrau} ist aus England\IO{England} zurück. Ihre Freunde in der \textit{\mbox{YMCA}}\II{\ymca}~\neueseite{538825} scheinen sehr stark auf sie gewirkt zu haben. Sie erzählt, sie habe sich taufen lassen, sei den Nonkonformisten beigetreten; später sagt sie, so weit sei es doch noch nicht. Ich sage ihr, sie solle aber ja nicht für Christentum werben, da die Institutionen heute eine Hemmung des Fortschritts zum Sozialismus sind. Sie hat in London\IO{London} sehr einfach gelebt, war aber glücklich, merkte, dass sie für sich allein auskommen konnte.{\tolerance1000\par} \tbentry{4}{11}{1935}{} Ins Kosmetische \sout{Indi} Institut\IO{Prag!Kosmetisches Institut}. Mit Doktor Unger\IN{\ungerdr} telefoniert; er sagt, dass Inas\IN{\ina} Daumenoperation nur eine kleine Sache sei und bestimmt bis~15.~ausgeheilt sein werde.~-- Bahne\IN{\bahnarzt}, Injektion. Vorlesung.~-- Abends fiebrig von der Injektion. \tbentry{5}{11}{1935}{} Briefe.~-- Englische Syntax\IC{\logischesyntaxenglisch}. \tbentry{6}{11}{1935}{} Mit Ina\IN{\ina} aufs amerikanische Konsulat\IO{Prag!Amerikanisches Konsulat} (vor- und nachmittags). Endlich lässt er sich erweichen, Dauervisum zu erteilen, obwohl ich keine Dauerberufung habe. Dort auch Arztuntersuchung, ganz kurz.~-- Ministerium\IO{Prag!Ministerium}, wegen Devisen. Ich muss Gesuch machen.~-- Nachmittags \uline{Inas\IN{\ina} Daumen\-ope\-ra\-tion} im Kosmetischen Institut\IO{Prag!Kosmetisches Institut}.~-- 8\textsuperscript{h} \uline{mein Vortrag ,,Natur- und Kul\-tur\-wissen\-schaft``} im Clementinum\IO{Prag!Clementinum}, im Rahmen der allgemeinen \tbtwoA{721} Vorlesung ,,Wissenschaft und Gegenwart``.\fnE{Siehe die kurzschriftliche Vortragsskizze (\href{http://doi.org/10.48666/808445}{RC~110"~07"~09}).} Dabei Frank\IN{\frankphilipp}, Hania\IN{\frankphilippfrau}, Frau Hertz\IN{\hertzpaulfrau}, Kraus\IN{\krausoskar}, Utitz\IN{\utitz}, Otto\IN{\ottoprof}, Ehrenberg\IN{\ehrenberg}, Slotty\IN{\slotty}~\textit{u.\,a.} Der große Hörsaal ist voll besetzt.~-- Nachher mit Philipp\IN{\philipp} gesprochen; er meint, wir müssten jemand nach Berlin\IO{Berlin} schicken, zur Erkundigung wegen Dubislav\IN{\dubislav}.\fnE{Vgl. TB~18.\,IX.\,1935\diaryref{TB-18-IX-1935}.} \tbentry{7}{11}{1935}{} Zahnarzt Kaper\IN{\kaper}.~-- 5\textsuperscript{h} Vorlesung.~-- 6\textsuperscript{h} Seminar; \uline{Hertz'\IN{\hertzpaul} Vortrag} ,,Wahrscheinlichkeit und Induktion``, Kritik an Reichenbachs\IN{\reichenbach} Auffassung. Dabei Fürth\IN{\fuerth} und Frau, Glaser\IN{\glaser}, Reach\IN{\reach}.{\tolerance1000\par} \tbentry{8}{11}{1935}{} \textit{MSe} der Pariser Vorträge\IC{\vortragkongresspariseins}\IC{\vortragkongresspariszwei}\IC{\vortragkongressparisdrei} verglichen. Dazwischen Inas\IN{\ina} Daumenschmerzen. Doppelte seelische Belastung für Ina\IN{\ina}. \tbentry{9}{11}{1935}{} Vormittags Vorlesung. Mittags wir mit Franks\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau}, Hertz\IN{\hertzpaul} und Frau\IN{\hertzpaulfrau}. Nachdem ich weg bin, klagt Hertz\IN{\hertzpaul} sehr über Reichenbach\IN{\reichenbach} und James Franck\IN{\franckjames}, die ungünstige Urteile über ihn abgegeben~\neueseite{538829} haben und verhindert haben, dass er auf die Liste des Academic Assistance Council\II{\academicassistancecouncil} kam~(?) und dass er für Istanbul\IO{Istanbul} in Betracht gezogen wurde; beide sind sehr erregt, und Frau Hertz\IN{\hertzpaulfrau} weint dabei.~-- Injektion bei Bahne\IN{\bahnarzt}.~-- Nachher wir mit \uline{Vo\v{c}adlo}\IN{\vocadlo} und Frau im Fenix\IO{Prag!Fenix}. Er erzählt von Spanien\IO{Spanien}, wo er auf\fnA{Original~\original{zu}.} einer Tagung der Amerikanisten war. Zeitweise kommen auch Frank\IN{\frankphilipp} und \mbox{Hania}\IN{\frankphilippfrau}. Hania\IN{\frankphilippfrau} scheut sich zuerst, Englisch zu sprechen, tut's dann aber doch, spricht ganz geläufig, aber mit nur kleinem Wortschatz und nicht sehr korrekt.~-- Abends Fieber (bis~38,3\,\textdegree\ rektal) infolge der Injektion; fast nicht geschlafen. \tbentry{10}{11}{1935}{} Müde. Gekramt. \tbentry{11}{11}{1935}{} Nachmittags Zahnarzt. Vorlesung. \tbmanyentries{\tbentry{12}{11}{1935}{\kreis}, \tbentry{13}{11}{1935}{}} englische Syntax\IC{\logischesyntaxenglisch} %\tbentry{13}{11}{1935}{} %\textwh{englische Syntax}\IC{\logischesyntaxenglisch} \tbentry{14}{11}{1935}{} Nachmittags Zahnarzt.~-- Bücher inventarisiert~-- Vorlesung; Seminar. \tbentry{15}{11}{1935}{} (Gestern und heute sind die beiden Husserl\IN{\husserl}-Vorträge,\fnE{Zu Husserls Prager Vorträgen vgl. Mayer, \emph{Edmund Husserl}, 35.} ich gehe aber nicht hin.) \uline{Bachmann}\IN{\bachmannfriedrich} schickt den von \editor{ihm} ausgearbeiteten Aufsatz ,,Über Extremalaxiome``\IC{\extremalaxiome}; ich arbeite ihn durch. \tbtwoA{722} \tbentry{16}{11}{1935}{} Vorlesung. Mittags \textonehalf{}\,2\,\hbox{--}\,3 ich alleine mit \uline{Hertz}\IN{\hertzpaul} und Frau\IN{\hertzpaulfrau}. Über seinen \textit{Do}-Vortrag für nächstes Seminar. Ein wenig über wissenschaftliche Fragen.~-- 3~ins Caf\'{e} Boulevard\IO{Prag!Caf\'{e} Boulevard}. Dort \uline{Frank}\IN{\frankphilipp} und \uline{Hania}\IN{\frankphilippfrau}; später \uline{Kaufmann}\IN{\kaufmannfelix}, der wegen Husserl\IN{\husserl} hergekommen ist. Hania\IN{\frankphilippfrau} möchte sich in Wien\IO{Wien} für Psychoanalyse ausbilden lassen~(!) und fragt Kaufmann\IN{\kaufmannfelix} nach Leuten dort. Kaufmann\IN{\kaufmannfelix} spricht auch mit uns (als Franks\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau} weg sind), über eigene Pläne; er möchte nach Amerika\IO{Amerika}; dort irgendwo mit einigen jungen Leuten Methodologie der Sozialwissenschaften betreiben; Schema aufstellen, nach dem~\neueseite{538823} die Fragen z.\,B. der Nationalökonomie zur Entscheidung zu bringen sind. Vielleicht kann er sich im Frühjahr 1937 mal für 3~Monate freimachen von der Firma, um hinzufahren.\fnE{Kaufmann war bis zu seiner Emigration nach dem ,,Anschluss`` im Jahr 1938 als Wiener Repräsentant der Anglo-Iranian Oil Company tätig. Vgl. Cohen und Helling, \emph{Felix Kaufmann's Theory and Method in the Social Sciences}, 2.} \gestrunl\ Sein Freund Haberler\IN{\haberler} ist in Cambridge\IO{Cambridge}~-- Harvard\II{Harvard University, Cambridge (Ma)}, wird dort für ihn vorbereiten, ich möchte ihm helfen. Er meint, in Östereich\IO{Österreich} wird doch schließlich unbedingt die Gleichschaltung mit Deutschland\IO{Deutschland} kommen. Später gehen Ina\IN{\ina} und ich mit ihm auf sein Hotelzimmer. \textonehalf{}\,7~kommen dort Kaufmanns\IN{\kaufmannfelix} Schwager Weissbarth\IN{\weissbarth}, und Dr.~\uline{Hexner}\IN{\hexner} und Frau aus Brünn\IO{Brünn}. Hexner\IN{\hexner} hat kürzlich mit dem Unterrichtsminister Kr\v{c}eme\v{r}s\IN{\krcemers} über mich und Frank\IN{\frankphilipp} gesprochen. \tbentry{17}{11}{1935}{} Briefe, besonders nach Amerika\IO{Amerika}. Adresskartei.~-- Französische Übersetzung meines Scientiaaufsatzes\IC{\scientiaaufsatz} durchgesehen.\fnE{Carnap, ,,Existe-t-il des prémisses de la science qui soient incontrôlables? Trad. par H.~Buriot-Darsiles``.}{\tolerance2000\par} \tbentry{18}{11}{1935}{} 5~Vorlesung. \textonehalf{}\,8 Colloquium. Dozent Mainx\IN{\mainx}: Die Vererbungslehren als Typen biologischer Theorien. Lebhafte Diskussion, auch über das ,,Eigenpsychische``.~-- Ich komme spät und müde nach Hause. Da ist der Student \uline{{\lspitz}Seuss{\rspitz}\IN{\seuss} aus Dresden}\IO{Dresden}; Ina\IN{\ina} hat ihn doch aufgenommen bei uns zu wohnen. Ich bin zuerst ärgerlich darüber, weil wir verstehen, er bleibe bis~\textit{Fr}. \tbentry{19}{11}{1935}{} Mit {\lspitz}Seuss{\rspitz}\IN{\seuss} gefrühstückt. Abends kommt er erst spät nach Hause. \tbentry{20}{11}{1935}{} Ich schenke {\lspitz}Seuss{\rspitz}\IN{\seuss} eine Menge Bücher von den ausgesonderten, und meine alten Skier. Er geht weg, will noch Wien\IO{Wien} und Budapest\IO{Budapest} besuchen.~-- Abends 8\textsuperscript{h} \uline{Vortrag Frank}\IN{\frankphilipp} im Clementinum\IO{Prag!Clementinum}: ,,Über die Krise der mechanistischen Auffassung in der Physik``, für Philosophen zurecht\-gemacht. \tbentry{21}{11}{1935}{} Zahnarzt.~-- 5~Vorlesung, 6\,\hbox{--}\,8~Seminar, \uline{Vortrag Hertz}\IN{\hertzpaul} ,,Über das Wesen der Logik``. \shortenpage Nachher diskutieren wir. Er formuliert den Vorschlag \tbtwoA{723} seiner ,,subjektiven Logik`` diesmal ganz tolerant: Man könne auch die andere machen, und er~\neueseite{538827} behauptet nicht einmal, seine sei zweckmäßiger. Aber er gerät doch manchmal in Scheinfragen. \tbentry{22}{11}{1935}{\kreis} Bücher sortiert. \tbentry{23}{11}{1935}{} \uline{Ina\IN{\ina} nach Dresden}\IO{Dresden} zu Schorli\IN{\kampfkeschorli}, reist in der Früh ab.~-- Vormittags Vorlesung. Mittags \textonehalf{}\,2\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,4 mit \uline{Hertz}\IN{\hertzpaul} (und seiner Frau\IN{\hertzpaulfrau}, und Frank\IN{\frankphilipp}); ausführlich über das Fremdpsychische und über die analytischen Sätze.~-- Rot\-berger\IN{\rotberger}, Hose angenommen.~-- Zu \uline{Francis Schmidt}\IN{\schmidtfrancis}, er zeigt mir seine fotografischen Arbeiten. \tbentry{24}{11}{1935}{} Pläne für Seminar und Vorlesung Chicago\II{University of Chicago} gemacht.\fnE{Siehe die kurzschriftliche Skizze (\href{http://doi.org/10.48666/808450}{RC~110"~09"~10}).}~-- \textit{MS} für Vortrag\IC{\vortragbaltimore} Baltimore\IO{Baltimore} angefangen.\fnE{Carnap, ,,Testability and Reduction``. Vgl. TB~31.\,XII.\,1935\diaryref{TB-31-XII-1935}.} \tbentry{25}{11}{1935}{} \uline{Ina\IN{\ina} abgeholt}, kommt aus Dresden\IO{Dresden} zurück; wegen Felssturz auf Lokomotive über 1~Stunde Verspätung. Inzwischen von \uline{Franz Schmidt\IN{\schmidtfrancis} fotografiert}.\fnE{Vgl. Abb.\,\refcn{schmidtcarnap}.} Zusammen gegessen. Zahnarzt, fertig. 5\,\hbox{--}\,7~Vorlesung. Abends 7\,\hbox{--}\,9 \gestrunl\ wir \uline{mit Franks}\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau} im Caf\'{e} Zlat\'{a} Husa\IO{Prag!Caf\'{e} Zlat\'{a} Husa}. Über eventuelle Vertreter und Nachfolger für mich: Feigl\IN{\feigl} will wahrscheinlich nicht; als Vertreter oder Nachfolger kommen in Frage: Neurath\IN{\neurath} (Ich sage, dass ich \mbox{gegen} ihn als Nachfolger starke Bedenken habe, weil zu wenig wissenschaftlich befähigt über Grundlagen der Naturwissenschaften und Mathematik; aber als Vertreter wollen wir ihn in erster Linie vorschlagen, ich soll das dann an Frank\IN{\frankphilipp} schreiben, eventuell auch an andere in der Fakultät, darüber wird Frank\IN{\frankphilipp} mir schreiben), Dubislav\IN{\dubislav}, Zilsel\IN{\zilsel}, Hempel\IN{\hempel}, Aster\IN{\aster}; gegen Reichenbach\IN{\reichenbach} haben wir beide menschliche Gründe, \sout{der} Popper\IN{\popper} ist Frank\IN{\frankphilipp} unsympathisch.{\tolerance1000\par} \tbentry{26}{11}{1935}{Ina}\IN{\ina} Autofahrt (4.). \tbentry{27}{11}{1935}{} \textwh{Autofahrt} (5., 6.). \tbentry{28}{11}{1935}{} \textwh{Autofahrt} (7., 8.). Nachmittags \uline{Philipp}\IN{\philipp} im Caf\'{e}\IO{Prag!Caf\'{e}}; auch er hat jetzt Nachricht, dass Dubislavs\IN{\dubislav} Sache unpolitisch. Vorlesung; letztes Seminar.~\neueseite{538821} \tbentry{29}{11}{1935}{} Autofahrt (9., 10.),~-- also Abschlusskursus. \tbentry{30}{11}{1935}{} 11\,\hbox{--}\,1 letzte Vorlesung Geschichte.~-- Mittags mit \uline{Hertz}\IN{\hertzpaul} und Frau\IN{\hertzpaulfrau}, auch Ina\IN{\ina}.~-- Von Dr.~Bahne\IN{\bahnarzt} verabschiedet.~-- Bei Franz \uline{Schmidt}\IN{\schmidtfrancis} meine Fotos \tbtwoA{724} besehen und bestellt.~-- \textonehalf{}\,5\,\hbox{--}\,8 bei \uline{Franks}\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau}. Später kommen auch Zetkin\IN{\zetkin}, Bardenhewer\IN{\bardenhewer}, Artur {\lspitz}Winternitz{\rspitz}\IN{\winternitz}. Hania\IN{\frankphilippfrau} analysiert meine Fotos. \tbentry{1}{12}{1935}{} Registratur herausgekramt für Amerika\IO{Amerika}. \tbentry{2}{12}{1935}{} Die Frachtsachen für Bremen\fnE{Der Dampfer ,,Bremen``, mit dem Carnap und seine Frau Ina in die USA emigriert sind. Vgl. TB~9.\,IX. und 15.\,XII.\,1935.} werden abgeholt (2~Kabinenkoffer, 2~Handkoffer, 1~Sack, 2~Bücherkisten).~-- 4 \uline{Rogge}\IN{\rogge}, studiert jetzt Syntax\IC{\logischesyntax} mit Reachs\IN{\reach} Hilfe. \textonehalf{}\,5 {\lspitz}\uline{Berg}{\rspitz}\IN{\berg}, Emigrant aus Lettland\IO{Lettland}, will arbeiten über allgemeine syntaktische Beziehungen zwischen Sprachen; Teilsprachen, Übersetzung usw.~-- 5\,\hbox{--}\,7 \uline{letzte Vorlesung}.~-- 7\,\textonehalf{}~-- 9\,\textonehalf{} Colloquium\II{\colloquiumphilosophischegrundlagen}; \uline{Vortrag Fürth}\IN{\fuerth} ,,Sind die physikalischen Vorgänge kontinuierlich oder diskontinuierlich?\grqq\ Diskussion, hauptsächlich Fürth\IN{\fuerth}, Hertz\IN{\hertzpaul}, Frank\IN{\frankphilipp} und ich, über die Wahrscheinlichkeitsdeutung der Wellenfunktion. \tbentry{3}{12}{1935}{} Autofahrt (1. Nachstunde).~-- \textit{MS} Baltimore\IO{Baltimore}-Vortrag ,,Testability and Reduction``\IC{\vortragbaltimore} fertig geschrieben.~-- Ku\v{c}era\IN{\kucera} zimmert den ganzen Tag Kistendeckel für uns. \tbentry{4}{12}{1935}{\kreis} Bachmann\IN{\bachmannfriedrich}-\textit{MS}\IC{\extremalaxiome} und 3 \textit{MSe} der Pariser Vorträge\IC{\vortragkongresspariseins}\IC{\vortragkongresspariszwei}\IC{\vortragkongressparisdrei} für Druck fertig gemacht.~-- Vormittags Zetkin\IN{\zetkin} und Bardenhewer\IN{\bardenhewer} hier. Sie suchen sich Bücher für sich und für ein Kollektiv aus. \tbentry{5}{12}{1935}{} 11\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,1 Auto gefahren; ich in die innere Stadt; Mustek\IO{Prag!Mustek}; schwierig.~-- Den ganzen Tag der Packer hier, Bücherkisten gepackt. \uline{Frau Hertz}\IN{\hertzpaulfrau} hilft uns dabei. 5\,\hbox{--}\,7\,\textthreequarters{} Fakultätssitzung\II{\fakultaetssitzungprag}, Nachher zum ersten Mal mit zur \uline{Nachsitzung im Deutschen Haus}\IO{Prag!Deutsches Haus}. Frank\IN{\frankphilipp} dabei, zum ersten Mal seit 10~Jahren. {\lspitz}Freund{\rspitz}\IN{\freund}, Fürth\IN{\fuerth}; Böhm\IN{\boehm}, der soeben aus Freiburg\IO{Freiburg} gekommen ist, erzählt von Heidegger\IN{\heidegger} und seiner allgemeinen Unbeliebtheit bei Professoren und Studenten, jetzt auch bei~\neueseite{538835} der Partei\II{\nsdap}. \tbentry{6}{12}{1935}{} Packer den ganzen Tag hier. Der alte Ku\v{c}era\IN{\kucera} macht immerfort Kisten ganz. Abends holen sie 41 Bücherkisten und 9 Regale ab.~-- Ich bin plötzlich schlapp, übermüdet, etwas erhöhte Temperatur. \tbentry{7}{12}{1935}{} Vormittags \textonehalf{}\,12\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,1 Dr.~\uline{Alter}\IN{\alter} hier. Erzählt von seinen Überlegungen über Sprache: Reihe von Sprachen von der reinen Berichtsprache bis zur Kunstsprache; die ,,Aura`` der Wörter.~-- Nachmittags 5\,\hbox{--}\,9 \uline{Franks\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau} hier}; sie bringen feine Sachen zum Essen mit. Ich erzähle Frank\IN{\frankphilipp} (endlich, nach~4~Jahren Wartens) \pagebreak \sout{von} meine Idee vom Elastizitätseffekt im Gravita\-\tbtwoA{725}tionsfeld; er will das vielleicht von Glaser\IN{\glaser} oder einem anderen ausrechnen lassen.~-- Abends sehr müde, Bauchschmerzen, erhöhte Temperatur. \tbentry{8}{12}{1935}{} Gekramt, Briefe. Ina\IN{\ina} tippt \textit{MS}\IC{\vortragbaltimore} für Baltimore\IO{Baltimore}. Abends im Bett vergleichen. \tbentry{9}{12}{1935}{} Briefe. \tbentry{10}{12}{1935}{} Packer hier. \uline{Frau Hertz}\IN{\hertzpaulfrau} kommt helfen. Kisten und Koffer gepackt. Ich noch etwas englische Syntax\IC{\logischesyntaxenglisch}. \tbentry{11}{12}{1935}{} Sachen \sout{in Kast} gekramt, Ina\IN{\ina} packt Koffer. Mittags kommt der Möbelwagen, später auch der Packer. Wir essen bei Ku\v{c}eras\IN{\kucera} unten. \uline{Abschied} von Ku\v{c}eras\IN{\kucera} und \uline{von der Wohnung}.~-- Hotel Zentral\IO{Prag!Hotel Zentral}, 2~Zimmer (modern, nett, billig).~-- Dann \uline{zu Franks}\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau}, 5\,\hbox{--}\,10. Beim Abschied auf der Treppe Hania\IN{\frankphilippfrau} geküsst. \tbentry{12}{12}{1935}{} Besorgungen ({\lspitz}Basch{\rspitz})\IO{Prag!Basch}. Beim Frühstück Schmidt\IN{\schmidtfrancis} mit den Fotos. \uline{Hertz}\IN{\hertzpaul} kommt \textonehalf{} Stunde zu spät ins Hotel\IO{Prag!Hotel}, so dass ich kaum noch Zeit für ihn habe. Mittags mit Franks\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau} im Wartesaal gegessen. Abschied von ihnen. Er schenkt Ina\IN{\ina} eine goldene Brosche mit Gedicht. 14,18~\uline{\ulinesp{ab Prag}}\IO{Prag}. 17,35~in \uline{Dresden}\IO{Dresden}.\ort{Dresden} Schorli\IN{\kampfkeschorli} und \sout{Bab} Ruth\IN{\messmerruth} haben Kerzen aufgestellt und das Zimmer für uns~\neueseite{538833} weihnachtlich hergerichtet. Abends singt Ruth\IN{\messmerruth} mit hoher Kinderstimme alte Volkslieder: ,,Ade zur guten Nacht``, ,,Der Winter ist vergangen``, usw.; ich muss an die Serazeit\II{\sera} denken.~-- Ich schlafe alleine im Wohnzimmer. \tbentry{13}{12}{1935}{} (In der Nacht hat Ruth\IN{\messmerruth} einen Herzanfall bekommen, weil Ina\IN{\ina} und Schorli\IN{\kampfkeschorli} zusammen waren; ich habe es aber nicht gemerkt). 11,31~\uline{ab Dres\-den}\IO{Dresden}, in \uline{Leipzig}\IO{Leipzig} \textonequarter{}~Stunde Aufenthalt. \uline{Eva}\IN{\ahrendseva} kommt an die Bahn\IO{Leipzig!Bahn}. Auf Anzeige von Studenten hin darf sie nicht mehr in der Klinik\IO{Leipzig!Klinik} arbeiten und nicht die Bibliothek\IO{Leipzig!Bibliothek} besuchen. Sie möchte am liebsten nach Amerika\IO{Amerika}, als Assistentin in eine Kinderklinik. Ich sage, dass die Einwanderungserlaubnis schwierig sein wird wegen der Arbeitsgesetze. Sie müsste von drüben Einladung bekommen.~-- 19,35 \uline{Bremen}\IO{Bremen}.\ort{Bremen} Hotel Nordischer Hof\IO{Bremen!Hotel Nordischer Hof}. \uline{Agnes}\IN{\agnes} ist schon da, wohnt in Hillmann-Hotel\IO{Bremen!Hotel Hillmann}. Wir essen zusammen auf unserem Zimmer. Wir haben 2~Zimmer mit Bad, aber altertümlich eingerichtet. \tbentry{14}{12}{1935}{} Zum Lloyd\IO{Bremen!Lloyd}. \sout{Dann} Gepäckhalle, Verzollung geht sehr schnell. Allerhand Besorgungen. Auch nachmittags. Abends lädt Agnes\IN{\agnes} uns zu sich ein, sehr schönes Hotel. Nach dem Essen ich bei ihr auf dem Zimmer, wegen der Abrechnung. Mit Mühe gelingt es mir, die Geduld zu bewahren; \tbtwoA{726} sie macht alles konfus. Bis~11\textsuperscript{h}. Vielleicht wird sie halbjährlich etwas nach Dresden\IO{Dresden} schicken; häufiger würde es sie zu sehr belasten, meint sie! \tbentry{15}{12}{1935}{} 9\,\textonehalf{} mit Sonderzug ab Bremen\IO{Bremen}. Auf demselben Bahnsteig steigt Agnes\IN{\agnes} in ihren Zug (nur 3\,\textonehalf{}~Stunden nach Hagen\IO{Hagen}). 11\textsuperscript{h}~Bremerhaven\IO{Bremerhaven}. Auf den \uline{\ulinesp{Dampfer ,,Bremen``}}. Wir haben nette Außenkabine in Touristenklasse, dicht neben\fnA{Der Satz wird am Beginn des folgenden Konvoluts fortgesetzt.} %%% Local Variables: %%% TeX-PDF-mode: t %%% mode: latex %%% TeX-master: "Tagebuecher_1920_bis_1935" %%% End: