\tbtwoA{388} \diary{32}{30.\,XII.\,1928\,--\,31.\,XII.\,1929} \ersteseite{539817} \tbentryllong{30}{12}{1928}{}\ort{Seefeld} \fnA{Satzbeginn am Ende des vorigen Konvoluts.}kommen \uline{Buchners}\IN{\buchner}\IN{\buchnerfrau}. (Doktor Ernst Buchner\IN{\buchner}, Direktor des Wallraf Museums\IO{Köln!Wallraf Museum} in Köln\IO{Köln}; Bayer, zyklisch\fnE{Bezieht sich vermutlich auf die Begrifflichkeit aus Kretschmer, \textit{Körperbau und Charakter} (siehe LL \refcn{1877}), der zwischen zirkulären/cykloiden und schizophrenen/""\mbox{schizoiden} ,,Temperamenten`` unterscheidet. Vgl. die Verwendung des Ausdrucks in TB~29.\,IV.\,1935\diaryref{TB-29-IV-1935}.}, lebhaft; seine Frau\IN{\buchnerfrau}, hartes Gesicht, \gestrunl\ sehr bestimmte Meinungsäußerungen, Künstlerin.) Ich ziehe in ein Doppelzimmer im Menthof\IO{Seefeld!Menthof}. \tbentry{31}{12}{1928}{} Mittags kommen endlich \uline{\ulinesp{Rohs}}\IN{\rohfranz}\IN{\rohhilde}. Abends alle zusammen in Buchners\IN{\buchner}\IN{\buchnerfrau} Zimmer bis~12\,\textonehalf{}. Lebhaftes Gespräch über Sozialismus. Interessant und gut. Vom Krieg ausgehend; Hauptgesichtspunkt: Das Kulturelle. \tbentry{1}{1}{1929}{} Mittags nach Tisch sehr erregtes Gespräch über Kunst und Kunstwert, absoluter und relativer. Abends etwas mit Rohs\IN{\rohfranz}\IN{\rohhilde} über Lucia\IN{\luzia} gesprochen; ich soll Franz\IN{\rohfranz} erklären, wieso sie damals einen \gestrunl\ unsozialen Eindruck machte. Nachher mit Hilde\IN{\rohhilde} bei Buchners\IN{\buchner}\IN{\buchnerfrau}; er liest Laus\-buben\-geschichten\IW{\thomalausbuben} vor.\fnE{Thoma, \emph{Lausbubengeschichten}.} \tbentry{2}{1}{1929}{\strich} Vormittags Gespräch über Einmaligkeit der Dinge und Menschen. Ich erkläre die Einstein'sche\IN{\einstein} endliche Welt, die Frage der Identität gleicher Dinge, des Doppelgängers. Abends mit Rohs\IN{\rohfranz}\IN{\rohhilde} alleine über ihr Problem. Hilde\IN{\rohhilde} reibt sich völlig auf jetzt, meint aber das komme nicht durch Lucia\IN{\luzia}. Sie sieht, dass Franz\IN{\rohfranz} mit Lucia\IN{\luzia} glücklicher sein würde, glaubt, die würden zusammenbleiben; gerade das macht ihr Angst, ihn zu ihr zu lassen. Sie bringe von sich aus die Kraft nicht auf; wenn es das Richtige wäre, müsse er den Entschluss fassen. Sie hat Angst vor der Einsamkeit; kein Mann würde sie, alt und hässlich und ohne Vermögen, heiraten; sie ist gepackt, bis zu Tränen.~\neueseite{539835} Ich sage, dass sie jetzt so nicht weiterleben können, sie machen sich gegenseitig ganz kaputt, besonders Hildes\IN{\rohhilde} Nerven halten das nicht länger aus; sie müssten auseinander, auch auf die Gefahr hin, dass er bei Lucia\IN{\luzia} bliebe. \tbentry{3}{1}{1929}{} Hilde\IN{\rohhilde} erzählt, dass sie in der Nacht Franz\IN{\rohfranz} vorgeschlagen hat, immer eine Zeit lang zu Lucia\IN{\luzia} zu gehen, aber sie als Geliebte zu behalten. \tbtwoA{389} Aber er wolle lieber bei ihr bleiben; er könne nicht 2~lieben, sei jetzt für Konzentration. \gestrunl\ Hilde\IN{\rohhilde} macht anstrengende Skifahrt mit Buchners\IN{\buchner}\IN{\buchnerfrau}. Abends spielt und singt Buchner\IN{\buchner} zur Gitarre und liest Lausbubengeschichten\IW{\thomalausbuben} vor. \tbentry{4}{1}{1929}{} Mittags fährt Buchner\IN{\buchner} ab. Abends Franz\IN{\rohfranz} Bluterguss im Handgelenk. Diskussion mit Frau Buchner\IN{\buchnerfrau}, dass ein Maler den Ausdrucksgehalt seines Bildes selbst nicht wisse; das bestreitet Frau Buchner\IN{\buchnerfrau} energisch. \tbentry{5}{1}{1929}{\kreuz} Mittags kommen \uline{Horns}\IN{\hornwilhelm}\IN{\hornhilde}, wohnen in Villa Helga\IO{München!Villa Helga}. Nachmittags reist Frau Buchner\IN{\buchnerfrau} ab. Abends spät kommt \uline{\ulinesp{Maue}}\IN{\maue}. \kreuz\ (Kühl, beim zweiten Mal zu kühl.) \tbentry{6}{1}{1929}{\kreuz} \textonehalf{}\,7 reisen Hilde \gestrunl\ Roh\IN{\rohhilde} und Horn\IN{\hornwilhelm} ab. \tbentry{7}{1}{1929}{\kreuz} Maue\IN{\maue} sieht zum ersten Mal die Besitzerin des Menthofes\IO{Seefeld!Menthof}, bei der ich sie als meine Frau angemeldet hatte: Es ist die Schwester des Waldheimbesitzers, die damals im Waldheim\IO{Seefeld!Waldheim} war und Maue\IN{\maue} kennt!~\neueseite{539861} Mittags schüttet Maue\IN{\maue} ihr Herz vor Franz\IN{\rohfranz} aus, mit allerhand Klagen über mich; nachmittags klagt sie weiter: es sei fad, ich rede nicht richtig mit ihr, frage nicht usw; sie will beinahe abreisen. \tbentry{8}{1}{1929}{\kreuz} Wir treffen mittags Hilde Horn\IN{\hornhilde} und bringen sie \textonehalf{}\,7 zur Bahn\IO{Seefeld!Bahn}. Sonst für uns. Das bekommt uns besser; es waren anscheinend zu viele Leute dazwischen gewesen. \tbentry{9}{1}{1929}{\kreuz} Nachmittags \kreuz\ zum Abschied. \textonehalf{}\,7 Abreise bis \textonehalf{}\,11 nach \uline{\ulinesp{München}}\IO{München}.\ort{München} Maue\IN{\maue} nach Hause; ich in kleines Hotel\IO{München!Kleines Hotel} neben dem Bahnhof\IO{München!Bahnhof}, kaltes Zimmer, kurze Bettdecke. \tbentry{10}{1}{1929}{} 9\,\hbox{--}\,6 nach \uline{\ulinesp{Wien}}\IO{Wien}.\ort{Wien} Mayerhofers\IN{\mayerhofer} haben im Badezimmer das Öfchen von sich aufgestellt, ich bade. \tbentry{11}{1}{1929}{} (Wasserleitung friert ein.) \tbentry{12}{1}{1929}{\strich} Vorlesung. Mittags mit Schlick\IN{\schlick}. Ich bringe Grüße von Lila\IN{\lila}. Er hat Anfrage aus Erlangen\IO{Erlangen}, soll Auskunft geben über meine Konfession, die meiner Frau, politische Stellung, ob umgänglich. Er erzählt Wittgensteins\IN{\wittgenstein} Äußerungen gegen Quasianalyse.\fnE{Vgl. TB~20.\,I.\,1929\diaryref{TB-20-I-1929}.} \tbtwoA{390} Gomperzkreis\II{\gomperzzirkel} bei Kraft\IN{\kraftvictor}. Statt Feigls\IN{\feigl} Referat ist Diskussion zwischen Gomperz\IN{\gomperz} und mir über ,,Sinn``; schließlich zieht er sich auf die Denkpsychologie zurück. Doktor Kröner\IN{\kroenerfranz} diskutiert mit, kennt anscheinend die Konstitutionstheorie\IC{\konstitutionstheorie}\IC{\konstitutionstheorie} gut. Nachher sagt Kraft\IN{\kraftvictor} zu mir (und Feigl\IN{\feigl}), welche Freude es sei, dass wieder einmal endlich etwas geschähe in der Philosophie; wie schwer das für die alten Herren \sout{sei;} zu verstehen sei; usw. Mit Feigl\IN{\feigl} noch etwas im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}} zusammen.~\neueseite{539881} \tbentry{13}{1}{1929}{} Nachmittags in 2 Kinos\IO{Wien!Kino}! \tbentry{14}{1}{1929}{\strich} Fleißig Korrektur Logistik\IC{\logistik} gelesen. \tbentry{15}{1}{1929}{} Verlag Springer\II{\springerverlag}\IO{Wien!Springer Verlag} über Korrektur Logistik\IC{\logistik}. Übungen. \tbentry{16}{1}{1929}{} Mittags Gespräch mit Waismann\IN{\waismann}, Feigl\IN{\feigl}, Gödel\IN{\goedel} über Wittgensteins\IN{\wittgenstein} Einwand gegen die Quasianalyse. Wir finden, dass wir {\lspitz}zuvor{\rspitz} einige logische Grundfragen klären müssen. Kino\IO{Wien!Kino} ,,\editor{Der Kampf ums} Matterhorn``. \tbentry{17}{1}{1929}{} Mittags Untersuchung bei Doktor Landau\IN{\landau}; er rät von Höhensonne ab. (Siehe Befund auf besonderem Zettel.)\fnE{Nicht überliefert.} Abends \uline{Gespräch mit Waismann}\IN{\waismann} und Feigl\IN{\feigl} bei Kraft\IN{\kraftvictor} über die logischen Fragen; Kritik der Konstitutionstheorie\IC{\konstitutionstheorie}\IC{\konstitutionstheorie}. (Siehe Bericht auf besonderem Zettel.)\fnE{Vgl. die allerdings auf den 16.\,I.\,1929 datierten Gesprächsnotizen (\href{http://doi.org/10.48666/808048}{RC~102"~76"~03}).} Bis~12\textsuperscript{h}. %\tbentry{18}{1}{1929}{} \tbentry{19}{1}{1929}{} Vorlesung. Mittags lange mit \uline{Schlick}\IN{\schlick} zusammen. Die Erlanger erkundigen sich genau nach mir. Kino. \tbentry{20}{1}{1929}{} Abends zu Kraft\IN{\kraftvictor}. 3. \uline{Gespräch mit Waismann}\IN{\waismann} (dabei Feigl\IN{\feigl}, Kasper\IN{\kasper}, Rand\IN{\rand}). (Siehe Bericht auf besonderem Zettel.)\fnE{Vgl. das Gesprächsprotokoll (\href{http://doi.org/10.48666/808051}{RC~102"~76"~04}).} Über Quasianalyse. Bis beinahe~12. %\tbentry{21}{1}{1929}{} \tbentry{22}{1}{1929}{\strich} Briefe. Nachmittags Übungen.\fnA{Es folgt ein leerer Eintrag mit dem Symbol~\original{\strich}.}~\neueseite{539903} %\tbentry{23}{1}{1929}{\strich} \tbentry{24}{1}{1929}{} \uline{Schlickzirkel}\II{\schlickzirkel}. Vorher mit Schlick\IN{\schlick} zusammen. Ramsey\IN{\ramsey} vorgelesen.\fnE{Vermutlich erneut Ramsey, ,,The Foundations of Mathematics``.}\fnA{Es folgt ein leerer Eintrag mit \original{Maue} im Datum.} \tbtwoA{391} %\tbentry{25}{1}{1929}{} \tbentry{26}{1}{1929}{\strich} Vorlesung. %\tbentry{27}{1}{1929}{} \tbentry{28}{1}{1929}{\strich} Abends bei Kraft\IN{\kraftvictor} 4. Gespräch mit Waismann\IN{\waismann}, bis beinahe~12. \tbentry{29}{1}{1929}{} Übungen. \tbentry{30}{1}{1929}{\strich} Mittags mit Schlick\IN{\schlick}. \tbentry{31}{1}{1929}{} Abends bei Kraft\IN{\kraftvictor}, 4.~Gespräch mit Waismann\IN{\waismann} \sout{(siehe Zettel).}\fnE{Die Notizen zu diesem Gespräch und dem 5.~Gespräch am~5.\,II. sind nicht erhalten.} Er trägt zusammenhängend \gestrunl\ vor über die Logik der {\lspitz}Sprache{\rspitz}. \klammerabsatz{0,8}{ \tbentry{1}{2}{1929}{\strich}\\ \tbentry{2}{2}{1929}{} Vorlesung. Taxamt\IO{Wien!Taxamt}. Akten geordnet.\\ \tbentry{3}{2}{1929}{} Nachmittags Stadttheater\IO{Wien!Stadttheater}: Revue.\\ \tbentry{4}{2}{1929}{\strich} Mathematisches Lesezimmer gearbeitet. Zahnarzt.}{\uline{Starke Kälte!}\\ (Bis $-$22\,\textdegree!)} \tbentry{5}{2}{1929}{} Übungen. Zahnarzt. Abends 5.~\uline{Gespräch mit Waismann}\IN{\waismann}; er versucht, aufgrund seiner Logik der Sprache die Quasianalyse abzulösen; es wird aber nicht klar. Er vermutet, die ganze Hierarchie ablösen zu müssen, und wir vertagen das Gespräch, bis er dies kann.\fnA{Es folgt ein leerer Eintrag mit dem Symbol~\original{\strich}.}~\neueseite{539927} %\tbentry{6}{2}{1929}{\strich} \tbentry{7}{2}{1929}{} 7 Schlick\IN{\schlick} getroffen. Lila\IN{\lila} kommt vielleicht Ostern nicht, weil Laxenburg\IO{Laxenburg} aufhört.\fnE{Vgl. TB~23.\,VI.\,1928\diaryref{TB-23-VI-1928}.} Schlick\IN{\schlick} ist zu müde zum Zirkel\II{\schlickzirkel}. 8\textsuperscript{h} \uline{Zirkel}\II{\schlickzirkel}. Auch Hahn\IN{\hahnhans} nicht da. Meine Diskussion mit Neumann\IN{\neumann} über Realität des Fremdpsychischen. Sein Grundstandpunkt: Die Wissenschaft muss von der Gesamtheit der Wissenschaftstreibenden ausgehen. \tbentry{8}{2}{1929}{} Brouwer\IN{\brouwer} studiert, für Vorlesung. \tbentry{9}{2}{1929}{\strich} 10\,\hbox{--}\,12 Vorlesung. Mittags mit Fräulein Rand\IN{\rand}, nachher Waismann\IN{\waismann}. Zahnarzt. Gomperz-Kreis\II{\gomperzzirkel}, Feigl\IN{\feigl} referiert über Brentano\IN{\brentanofranz}; Wahrscheinlichkeitsbegriff usw., zum Kopfschütteln. \tbtwoA{392} \klammerabsatz{0,8}{ \tbentry{10}{2}{1929}{} Intuitionismus für Vorlesung gearbeitet. Sehr kalt (abends $-$21\,\textdegree{}!). \\ \tbentry{11}{2}{1929}{} Morgens $-$26\,\textdegree{}! Die Wasserleitung ist eingefroren, an 2~Stellen schon geplatzt. \\ \tbentry{12}{2}{1929}{} Maue\IN{\maue} schreibt: Sie kommt nicht! Brief von Lila\IN{\lila} mit Faschingbild. \\ \tbentry{13}{2}{1929}{\strich} (Frau Mayerhofer\IN{\mayerhofer} ist krank.) \\ \tbentry{14}{2}{1929}{} Abends \ulinesp{brennt die Hütte} neben dem Haus. Frau Kluch\IN{\kluch} in höchster Aufregung; sie hatte im Stall einen Petroleumofen aufgestellt. Wir bringen Schnee hinein, bald gelöscht.~\neueseite{539945} }{Wegen der Kälte ganze Woche zu Hause geblieben, nur mittags zum Essen aus.} %\tbentry{15}{2}{1929}{} \tbentry{16}{2}{1929}{} Vorlesung. Mittags mit Waismann\IN{\waismann}. Nachmittags zum Tee bei \uline{Bühlers}\IN{\buehlerkarl}\IN{\buehlercharlotte}. Interessantes Gespräch mit Bühler\IN{\buehlerkarl} und Frau\IN{\buehlercharlotte}, Hahn\IN{\hahnhans} und dem Psychoanalytiker Heinz Hartmann\IN{\hartmannheinz} über Metaphysik und Psychologie. Bühler\IN{\buehlerkarl} versteht unsere Ablehnung der Metaphysik nicht richtig, meint, meine Broschüre (Scheinprobleme\IC{\scheinprobleme}) treffe das heutige Vorgehen der Psychologie gar nicht; was er aber über psychologische Dinge sagt, z.\,B. zur Sprache, ist gut. Frau Bühler\IN{\buehlercharlotte} will eine Metaphysik der Psychologie schreiben, allgemeine Prinzipien, Analogien zwischen Psychischem und Physischem. \tbentry{17}{2}{1929}{} Nachmittags Carl-Theater\IO{Wien!Carl-Theater}: Hansi Niese\IN{\niesehansi} in ,,\editor{Die} Kurpfuscherin``, echte Wiener Atmosphäre, aber dumm. Kino\IO{Wien!Kino} ,,Die Dame von Loge~13``, Greta Garbo\IN{\garbo} als russische Spionin; gut. \tbentry{18}{2}{1929}{\strich} 6\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,10 abends im Caf\'{e} Josephinum\IO{Wien!Caf\'{e} Josephinum}, \uline{\ulinesp{mit Maja\IN{\maja}, Moro}}\IN{\moro} und Schlick\IN{\schlick}. Sie kommen aus New York\IO{New York}, schimpfen auf Amerika\IO{Amerika}.{\tolerance5000\par} \tbentry{19}{2}{1929}{} Abends Maja\IN{\maja}, Moro\IN{\moro} und Schlick\IN{\schlick} bei mir, 7\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,11. Mit Moros\IN{\moro} neuem Rasiermesser rasiere ich mich. Dann gemütliches Abendbrot. Über Amerika\IO{Amerika}; ich verteidige es und bitte Schlick\IN{\schlick}, mir dort Gelegenheiten zu suchen. Ich schenke Moro\IN{\moro} Löscher\fnE{Vermutlich ein Tintenlöscher.} und indische Sagen. \tbentry{20}{2}{1929}{} Nachmittags mit \uline{Bernstein}\IN{\moro} im Hotel Union\IO{Wien!Hotel Union}. Er erzählt von seiner Absicht der psychoanalytischen Untersuchung des Antisemitismus. Dann \uline{über Maue}\IN{\maue}. Moro\IN{\moro} hat den Eindruck (er hat nur sie allein 3~Tage in München\IO{München} gesehen), dass sie bei Gramm\IN{\gramm} allmählich erstickt, \pagebreak sie müsse auf je\-\tbtwoA{393}den Fall von ihm fort (besonders, als ich sage, dass die Pflichtideologie, die sie jetzt darüber hat, nicht tief sitzt), selbst wenn sie dann alleine wäre.~\neueseite{539959} Er~lädt uns für 2~Monate nach Palästina\IO{Palästina} ein. Er meint, wenn ich 100\,\textit{M} mehr ausgäbe als jetzt in Wien\IO{Wien}, so könnte sie auch hier leben, in anderer Wohnung, mit gemeinsamem Essen. Dabei rechnet er aber nach seinen und Majas\IN{\maja} sehr bescheidenen Ansprüchen. Kino\IO{Wien!Kino} ,,Die Heilige und ihr Narr``. \tbentry{21}{2}{1929}{\strich Maue}\IN{\maue} Abends \ulinesp{Schlick\IN{\schlick}-Zirkel}\II{\schlickzirkel}. Kalt, wir sitzen in Mänteln. Ich referiere über reelle Zahlen; die 3 Richtungen der Grundlagen der Mathematik. Hahn\IN{\hahnhans} gibt dann seinen Standpunkt an: Ähnlich wie Ramsey\IN{\ramsey}, aber nicht mit bestimmten Individuen; sondern hypothetisch-deduktiv. \tbentry{22}{2}{1929}{\strich} Gestern Wasserleitung repariert; heute wieder eingefroren. Nachmittags Schlick\IN{\schlick} abgesagt (Moro\IN{\moro} und Maja\IN{\maja} sind dort), wegen Kopfschmerzen. Hilbert\IN{\hilbert} gearbeitet. \tbentry{23}{2}{1929}{} Abends kommen plötzlich Moro\IN{\moro} und Maja\IN{\maja}. \tbentry{24}{2}{1929}{} Nachmittags zu Jerusalems\IN{\jerusalem}\IN{\jerusalemfrau}. Dann mit Moro\IN{\moro} ins Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}. Nochmal eingehend über Maue\IN{\maue}. Ich erzähle auch von Christiansens\IN{\christiansen} Gegensuggestion. Wieder zu Jerusalems\IN{\jerusalem}\IN{\jerusalemfrau}. Dort Schlick\IN{\schlick}. Ich habe seiner Frau\IN{\schlickfrau} telefonisch für Mittwochabend zugesagt, höre von ihm, dass es doch große Gesellschaft ist, und bitte ihn, meine Zusage zurückzunehmen. Er will mit seiner Frau\IN{\schlickfrau} sprechen; meint aber, ich würde doch wohl kommen, falls ,,es sich nicht mehr gut anders arrangieren lässt``; ich sage ja, bin aber entsetzt, \gestrunl\ dass ich (und er) so abhängig von seiner Frau\IN{\schlickfrau} bin. Mit allen zu \uline{Strauß}\IN{\strausswilbrandtgasse}, Wilbrandtgasse\IO{Wien!Wilbrandtgasse} 11, herrliche Lage \gestrunl\ zwischen Pötzleinsdorf\IO{Wien!Pötzleinsdorf} und Sievering\IO{Wien!Sievering} auf dem Berg\IO{Wien!Berg}. Liebe Frau\IN{\strausswilbrandtgassefrau}, freundlicher aber nicht besonders sympathischer Mann, unsympathischer Sohn, kleine Mädchen.~\neueseite{539965} Sehr schönes Haus, von Frank\IN{\frankjosef} und Strnad\IN{\strnad} gebaut 1912, schön flaches Dach.\fnE{Siehe Österreichische Gesellschaft für Architektur, \emph{Architektur in Wien}, 111. Es handelt sich um eines von zwei gebauten und vier geplanten Häusern der Architekten Josef Frank, Oskar Wlach und Oskar Strnad. Tatsächliche Bauzeit war 1913/14.} Meist mit Moro\IN{\moro} geredet. Tee. Im Dunkeln vor dem (Gas"~!) Kaminfeuer. Dann sehr schöne Musik: Cello {\lspitz}Tartini{\rspitz}\IN{\tartini}, Brahms\IN{\brahms} Klaviertrio. Student Beer\fnA{Original \original{Bär}.}\IN{\beer} aus meiner Vorlesung; seine Mutter (Frau Professor Beer\fnA{Original \original{Bär}.}\IN{\beerproffrau}), alte grauhaarige, freundliche Dame, spielt sehr schön Klavier. Ich möchte gerne mehr vom Haus sehen; man bittet mich, bei Tage wiederzu\-\tbtwoA{394}kommen. Er ist Geschäftsmann, sie macht Pflanzenzucht, großen Garten. \uline{\ulinesp{Schlick\IN{\schlick} und Maja\IN{\maja}.}} Schlick\IN{\schlick} sagt mir, dass sie \textit{Di} früh abreisen; ,,das ist aber gut``. Sie war bei ihm, ohne Moros\IN{\moro} Wissen, scheint wieder sehr erregte Gefühle gehabt zu haben. Ich sage ihm, dass Moro\IN{\moro} in 2~Jahren vielleicht Maja\IN{\maja} für einige Monate mitbringen wolle. \gestrunl\ Er ist erschreckt, es wäre gut, wenn ich Moro\IN{\moro} andeuten würde, dass das vielleicht nicht gut wäre. Ich sage es ihm, er ist sehr erstaunt, meint, es läge durchaus nichts mehr vor, er habe nichts bei Maja\IN{\maja} gemerkt usw. Ich rate ihm, später, vor dem Plan, bei Schlick\IN{\schlick} anzufragen, ob es wohl gut für Maja\IN{\maja} wäre, mitzukommen. Taxi, Autobus, von Hietzing\IO{Wien!Hietzing} zu Fuß~\textonehalf{}\,2! \tbentry{25}{2}{1929}{} \textspkl{\ulinesp{Abreise von Maja\IN{\maja} und Moro\IN{\moro}.}} Mittags mit Waismann\IN{\waismann} und Fräulein Rand\IN{\rand}. Nachmittags Moro\IN{\moro} im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}} getroffen, zum Arzt, dann zu Jerusalems\IN{\jerusalem}\IN{\jerusalemfrau}. Frau Strauß\IN{\strausswilbrandtgassefrau} kommt, und nun merkt man, außerhalb der großen Gesellschaft erst, dass sie doch ein lieber Mensch ist. Maja\IN{\maja} sagt ihr, ich müsse mit Maue\IN{\maue} zu ihr kommen; ich sage ,,das ist eine Bekannte von mir aus Deutschland\IO{Deutschland}``, Maja\IN{\maja}: ,,Meine Freundin``, und wir lachen und drehen es um. Im Auto mit Moro\IN{\moro} und Sidney\IN{\sidney} Union Hotel\IO{Wien!Union Hotel}, Westbahnhof\IO{Wien!Westbahnhof}, Südbahnhof\IO{Wien!Südbahnhof}. Zug nach Rom\IO{Rom}; Schlick\IN{\schlick} kommt und sieht mit Seufzen den Schlafwagen nach Meran\IO{Meran}. Auf dem Nachhauseweg erklärt Jerusalem\IN{\jerusalem}, warum Maja\IN{\maja} der Abschied so schwer wird: Es ist doch schwer Europa\IO{Europa} zu entbehren. Als ich zum Abschied, auf dem Bahnsteig (dabei Straußens\IN{\strausswilbrandtgasse}\IN{\strausswilbrandtgassefrau} und Jerusalems\IN{\jerusalem}\IN{\jerusalemfrau}) Maja\IN{\maja} küsse, tut auch Schlick\IN{\schlick} es!~\neueseite{539819} \tbentry{26}{2}{1929}{\strich} Mittags mit \uline{Schlick}\IN{\schlick}. Ich hatte ihn \textit{So} gebeten, meine Zusage an \uline{seine Frau}\IN{\schlickfrau} für \textit{Mi} abends zurückzunehmen. Nun sagt er, es ginge nicht, es sei alles daraufhin arrangiert, und ich müsse eben unbedingt kommen, sonst würde sie beleidigt sein! Übungen. Kino\IO{Wien!Kino} ,,Sturm``. Endlich Tauwetter. \tbentry{27}{2}{1929}{} Abends \uline{bei Schlicks}\IN{\schlick}\IN{\schlickfrau}. Ich als Einziger ohne Smoking, weil Schlick\IN{\schlick} gesagt hatte, es sei ganz inoffiziell. Frau Dub\IN{\dubefrau}, die Frau des gestorbenen Nationalökonomen\IN{\rjvwmitarbeiter}, Redakteur der Freien Presse,\II{Neue Freie Presse} Bühlers\IN{\buehlerkarl}\IN{\buehlercharlotte}, über Esperanto; Koller\IN{\kollerwien} spielt russische Musik und Bach\IN{\bach}. Um~2\textsuperscript{h} zu Hause! %\tbentry{28}{2}{1929}{} %\tbentry{1}{3}{1929}{} \tbentrylong{2}{3}{1929}{} Vorlesung. Mittags mit Schlick\IN{\schlick}. Er will mich zu \textit{Mo}-Mittag zu Margit\IN{\margit} einladen, aber Links\IN{\lingsmajor} dabei; er versteht nicht, als ich sage, ich würde sie unbefangener kennenlernen können, wenn Link\IN{\lingsmajor} nicht dabei wäre. Ich sage ab wegen Maue\IN{\maue}. \tbtwoA{395} \tbentry{3}{3}{1929}{\kreuz} 6 \textsuperscript{h} \uline{\ulinesp{Maue\IN{\maue} kommt}}! \tbentry{4}{3}{1929}{\kreuz} Nachmittags mit Maue\IN{\maue} bei Frau Neurath\IN{\neuratholga}; sehr nette, lustige, angeregte Unterhaltung. \tbentry{5}{3}{1929}{\kreuz} Nachmittags Zahnarzt. Übungen. \tbentry{6}{3}{1929}{\kreuz} Wir bleiben zu Hause. \tbentry{7}{3}{1929}{} 6\,\hbox{--}\,8 mit Maue\IN{\maue} und Schlick\IN{\schlick} im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}, nachher auch Hahn\IN{\hahnhans}. Zirkel\II{\schlickzirkel} (über meinen Briefwechsel mit Reidemeister\IN{\reidemeisterkurt}).~\neueseite{539815} %\tbentry{8}{3}{1929}{} \tbentry{9}{3}{1929}{\kreuz} \uline{Vorlesung} (letzte). Mit Maue\IN{\maue} ins Vegetarische\IO{Wien!Vegetarisches Restaurant}. \tbentry{10}{3}{1929}{} \uline{Tee Schlick}\IN{\schlick}; dabei Maue\IN{\maue}, Feigl\IN{\feigl}, Kasper\IN{\kasper}, Waismann\IN{\waismann}, Doktor Neumann\IN{\neumanndoktor} und Frau, Radaković\IN{\radakovic}. Langweilig, trotz der netten Menschen; durch Frau Schlick\IN{\schlickfrau} ist alles gelähmt; Waismann\IN{\waismann} und Maue\IN{\maue} schimpfen nachher arg auf sie. Und ich versuche die Ursachen mit Maue\IN{\maue} zu analysieren. \tbentry{11}{3}{1929}{\kreuz} Wir bleiben hier; Maue\IN{\maue} kocht zu Mittag. \tbentry{12}{3}{1929}{\kreuz} Nachmittags: Zahnarzt; Springer\II{\springerverlag} (bittet mich, Honorar erst je nach Absatz zu nehmen); Übungen, Colloquium Schächter\IN{\schaechter}. Maue\IN{\maue} und Hahn\IN{\hahnhans} im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}} getroffen; mit beiden zum Vortrag Planck\IN{\planckm} (,,Das Weltbild der modernen Physik``). Nachher \uline{alle ins Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}}: Maue\IN{\maue}, Neuräthin\IN{\neuratholga}, Kasper\IN{\kasper}, Rand\IN{\rand}, Waismann\IN{\waismann}, Feix\IN{\feix}, Bergmann\IN{\bergmanngustav}, Beer\IN{\beer}; später kommt Feigl\IN{\feigl} aus dem Volksheim\IO{Wien!Volksheim}. Bis beinahe 11. Sehr nett. Sehr müde; noch etwas bei Maue\IN{\maue} gelegen. Mitten in der Nacht herübergekommen,~\kreuz. \tbentry{13}{3}{1929}{\kreuz} Nachmittags kommen zu uns, zum Tee: Waismann\IN{\waismann}, Feigl\IN{\feigl}, Kasper\IN{\kasper}. Wir sprechen auch über Frau Schlick\IN{\schlickfrau}; Waismann\IN{\waismann} meint, dass er sich scheiden lassen müsse und sogar schon mit dem Gedanken gespielt habe~(!). \tbentry{14}{3}{1929}{} \uline{\ulinesp{Maues\IN{\maue} Abreise.}} Zum 10,30. Fährt aber nicht! Läden besehen; Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}. Bahnhof\IO{Wien!Bahnhof} gegessen. 13,40. Sie schickt mich vor Abfahrt weg; ich komme später noch zurück, um ,,etwas Wichtiges`` zu sagen. Briefe geschrieben.~\neueseite{539821} \tbentry{15}{3}{1929}{} Briefe geschrieben, gepackt. \tbentry{16}{3}{1929}{} \ulinesp{Abreise.} 10,30\,\hbox{--}\,4 \gestrunl\ nach \uline{Salzburg}\IO{Salzburg}. Spazierengegangen auf den Mönchsberg\IO{Mönchsberg}. Beim Dom\IO{Salzburg!Dom} die gewaltigen Gebäudekomplexe der katholischen Organisation. 7\,\hbox{--}\,10 nach \uline{Zell am See}\IO{Zell am See}\ort{Zell am See} (Pinzgauer Hof\IO{Pinzgauer Kopf}). \tbentry{17}{3}{1929}{} 10\,\hbox{--}\,21 \ulinesp{nach} \uline{\ulinesp{Davos}}\IO{Davos}.\ort{Davos} Waldheim\IO{Davos!Waldheim}. (1~Nacht im Scaletta\IO{Davos!Scaletta}). \tbtwoA{396} \tbentry{18}{3}{1929}{} \uline{\ulinesp{Hochschulkurse\II{\davoserhochschulkurs}.}}\fnE{Zu dieser Episode vgl. Friedman, \emph{A Parting of the Ways}, 1\hbox{--}9. Die dort auf S. 7 zitierten Tagebucheinträge vom 30.\,III. und 3.\,IV.\,1929 (siehe dort) werden in diesem Buch jedoch fälschlich als Bezüge auf Heidegger aufgefasst. Vgl. dazu auch die Einleitung, S.\,\pagerefcn{hochschultagedavos} und den editorischen Anhang, S.\,\pagerefcn{herrigelversusheidegger}\,f. Zur Davoser Konfrontation zwischen Cassirer und Heidegger generell vgl. Gordon, \emph{Continental Divide}.} Cassirer\IN{\cassirerernst}, spricht gut, aber doch etwas pastoral. Joël\IN{\joel}, alter guter Onkel. \uline{Heidegger}\IN{\heidegger}, ernst und sachlich, menschlich sehr anziehend. Abends Sauerbruch\IN{\sauerbruch} über Anpassung; medizinisch interessant; aber dann kommt viel der liebe Gott und der Vitalismus. Mein altes Zimmer 18. \tbentry{19}{3}{1929}{\strich} Vortrag Cassirer\IN{\cassirerernst}. \uline{Arztuntersuchung} bei Doktor Frey\IN{\freyhermann}. Er ist sehr befriedigt. Gewicht gestiegen (77\,\textit{kg}!); Atmungsgeräusche besser als vor 1~Jahr! Kaum mehr irgendetwas zu hören; linke Spitze noch etwas gedämpft. Ich berichte, dass Temperatur zuweilen bis~37,8. Er sagt, ich soll mich nicht sehr darum kümmern; und Spaziergänge steigern. ,,Nur nicht zu vorsichtig, keine N\unl !\grqq\ Temperatur darf auch mal bis~38 kommen, falls dann in 1~Stunde wieder normal. Vortrag Heidegger\IN{\heidegger}.\fnE{Vgl. Gordon, \emph{Continental Divide}, 124\hbox{--}131.} Er interpretiert Kants\IN{\kant} Kritik der reinen Vernunft\IW{\kantkritik} als Grundlegung einer neuen Metaphysik, reine Ontologie (=~synthetische Urteile a priori). Mit Grisebach\IN{\grisebach} gesprochen. Maue\IN{\maue} schickt einen neuen Pullover! Maina\IN{\maina} kommt nicht; Gerhard\IN{\gerhard} ist in Elmau\IO{Elmau}, sie fahren nach Dalmatien\IO{Dalmatien}.~\neueseite{539823} \tbentry{20}{3}{1929}{} Cassirer\IN{\cassirerernst} ist krank; keine Arbeitsgemeinschaft. Sonnenbad. \tbentry{21}{3}{1929}{} Abends Vortrag Riezler\IN{\riezler} ,,Der heutige Mensch``.\fnE{Vgl. Gordon, \emph{Continental Divide}, 96\hbox{--}97.} Riezler\IN{\riezler} ist Geheimrat, \gestrunl\ sieht aber jung aus, braun gebrannt, läuft Ski. Vortrag zu unnatürlich. \tbentry{22}{3}{1929}{} Gespräch mit \uline{Przywara}\IN{\przywara} über Metaphysik und Theologie. Der geschlossene Bereich der ,,logischen`` (d.\,h. wissenschaftlichen) Aussagen setzt die Realität der ausgesagten Dinge und des Aussagenden voraus; ,,Dasein``; das führt zu einer Grenze; auf diese beziehen sich die theologischen Aussagen. Ich: Das ist Gefühlsausdruck, Lyrik; kann nicht in meine Sprache übersetzt werden. Nachmittags mit \textit{\uline{CW}}\IN{\giedionfrau} im Kurhaus. Später auch Giedions\IN{\giedion} Schwester\IN{\liedmannfrau}, (geschiedene) Frau~\ldots{}, und deren Freund: Doktor~\ldots{} (Balte)\IN{\dobbert}.\fnE{Die auch unten erwähnten Frau Liedemann und Doktor Dobbert.} Zusammen \tbtwoA{397} Abend gegessen. Die Frau\IN{\liedmannfrau} ist interessiert an den Problemen des neuen Stils: Anti-Metaphysik usw. Studentenversammlung, Referat von Jakobsen\IN{\jakobsendavos}; \sout{früher wegge} vor der Diskussion weggegangen. \tbentry{23}{3}{1929}{} Diskussion \uline{bei Grisebach}\IN{\grisebach}; dabei auch Herrigel\IN{\herrigel}, Doktor Pieper\IN{\pieper}, Doktor Heyse\IN{\heyse} (Breslau\IO{Breslau}). Meine Opposition erregt Erstaunen, Verachtung, Empörung. Abends \uline{Vortrag Przywara}\IN{\przywara}; er sagt, dass jede Metaphysik einen religiösen Hintergrund habe. Nachher wieder mit dem Grisebach\IN{\grisebach} Kreis diskutiert: Heidegger\IN{\heidegger} sei Mythos. \tbentry{24}{3}{1929}{\strich} Nachmittags nach \uline{Frauenkirch}\IO{Frauenkirch}. Dotz\IN{\dotz} im Bett, malt. Mit \textit{CW}\IN{\giedionfrau} (\textit{SG}\IN{\giedion}~ist schon nach Zürich)\IO{Zürich} über Joyce\IN{\joyce} und Streben nach Auflösung der Sprache.\fnE{Vgl. Giedion-Welcker, ,,\emph{Work in Progress}``.} Roh\IN{\rohfranz} habe mich übertrieben vergöttert, und nur dagegen hätte sie gesprochen.~\neueseite{539827} \tbentry{25}{3}{1929}{} Abends Diskussion über \uline{Riezlers}\IN{\riezler} Vortrag. Ich frage, warum er Heideggers\IN{\heidegger} Metaphysik zum modernen {\lspitz}Stil{\rspitz} rechnet, anstatt der metaphysikfreien Wissenschaft. Er sagt: Haupt-Kennzeichen: Die Echtheit. Die Studenten diskutieren sehr heftig, wollen erfahren ,,was sollen wir tun``. \tbentry{26}{3}{1929}{} Arbeitsgemeinschaft Cassirer\IN{\cassirerernst} Heidegger\IN{\heidegger}, im Teeraum. Abends Fortsetzung davon, oben.\fnE{Vgl. das Gesprächsprotokoll in Heidegger, \emph{Kant und das Problem der Metaphysik}, 274\hbox{--}296 sowie Gordon, \emph{Continental Divide}, 136\hbox{--}214.} \uline{Heidegger}\IN{\heidegger} lehnt die Interpretation seiner Metaphysik als Bewusstseinsanalyse heftig ab. 3\textsuperscript{h}~Gespräch mit \uline{Riezler}\IN{\riezler}. Ich schlage Kurse zur Mathematik und Physik vor; er meint: Zu schwierig, dabei allgemein verständlich zu bleiben. Über Kausalität.{\tolerance2000\par} Nachmittags mit \uline{\textit{CW}}\IN{\giedionfrau} im Kurhaus\IO{Davos!Kurhaus}; abends in meinem Zimmer gesessen. Sie spricht entschieden gegen den Kuss aus Freundschaft (siehe Hilde Horn\IN{\hornhilde}); Kuss bedeutet schon Sexualität bei ihr. \tbentry{27}{3}{1929}{\strich} Vortrag \uline{Cassirer}\IN{\cassirerernst} über Scheler\IN{\scheler}.\fnE{Vgl. Gordon, \emph{Continental Divide}, 119\hbox{--}122.} Cassirer\IN{\cassirerernst} sagt, Klages\IN{\klages} Auffassung der Schädigung des Lebens durch den Geist sei keine Theorie, sondern ein auf Gefühlen beruhender Mythos (Vertreibung aus dem Paradies). Scheler\IN{\scheler} habe recht, dass es keinen Entwicklungsübergang vom Leben zum Geist gebe. Abends Gespräch mit Cassirer\IN{\cassirerernst} (Halle\IO{Halle}, Belvedere\IO{}). \pagebreak Erzählt, dass \tbtwoA{398} Schlick\IN{\schlick} Ruf nach Bonn\IO{Bonn} bekommen hat.\fnE{Vgl. Uebel, ,,Zur Entstehungsgeschichte und fr"uhen Rezeption von \textit{Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis}``, 268\hbox{--}271.} Meint, dass ich (und Reichenbach\IN{\reichenbach}, für den er sich auch öfters eingesetzt habe) doch Aussicht haben; es werde jetzt Verschiedenes frei: Bonn\IO{Bonn}, Frankfurt\IO{Frankfurt}, Halle\IO{Halle} (Ziehen\IN{\ziehen} tritt zurück). Ist sehr freundlich. Nimmt meine Anregung auf mathematisch-philosophische Tagung Davos\IO{Davos} sehr günstig auf; 3~mathematische Richtungen, dazu müssten aber noch Franzosen kommen. Er will Brunschvicg\IN{\brunschvicg} fragen und mit Salomon\IN{\salomon} sprechen.~\neueseite{539831} \tbentry{28}{3}{1929}{} Nachmittags \ulinesp{mit \ulinestr{\textit{CW}}}\IN{\giedionfrau} bei Kolbinger\IO{Davos!Kolbinger}. Eheprobleme. Sie will, ich soll nicht mehr heiraten. \tbentry{29}{3}{1929}{Karfreitag} 12\textsuperscript{h} \ulinesp{nach \ulinestr{Frauenkirch}}\IO{Frauenkirch}. \ulinesp{Mit \textit{CW}}\IN{\giedionfrau} und Dotz bei Frau Biäsch\IN{\biaeschfrau} gegessen. Dann oben, ich auf dem Sofa, Tee getrunken, geplaudert, Kind zu Bett, Abend gegessen. Über allerhand kulturelle Fragen, und Eheprobleme. Zum Abschied zwei intensive Küsse, sie begleitet mich (abends~9\textsuperscript{h}), auf dem dunklen Weg noch mal zwei; dazu macht sie schnoddrige Bemerkungen, zum Gegenbeweis (oder zur Bekämpfung?) der Sentimentalität. \tbentry{30}{3}{1929}{} Mit \uline{Herrigel}\IN{\herrigel} spazieren, diskutiert. Seine Stellung: Gegen Idealismus, besonders in der Volksbildung; die neue ,,Frage nach der Existenz``; Erlösungsbedürftigkeit.\baustellex{WISS} \tbentry{31}{3}{1929}{\uline{Ostern}} 12\textsuperscript{h} \ulinesp{nach \ulinestr{Glaris}}\IO{Glaris}; Frau Liedemann\IN{\liedmannfrau} (Schwester von~\textit{SG}\IN{\giedion}) und Herr Doktor Dobbert\IN{\dobbert}. Dann kommen \ulinesp{\textit{CW}\IN{\giedionfrau}} und Dotz\IN{\dotz}. Zusammen in der Post gegessen. Dann Tee bei Frau Liedemann\IN{\liedmannfrau}. Dobbert\IN{\dobbert} über Russland\IO{Russland}; will später vielleicht dort arbeiten. \gestrunl\ Spät nachmittags mit \textit{CW}\IN{\giedionfrau} und Dotz\IN{\dotz} nach Frauenkirch\IO{Frauenkirch}. Zusammen gegessen, Dotz\IN{\dotz} ins Bett (das Leiterchen hinauf). Dann mit \textit{CW}\IN{\giedionfrau} alleine. Zusammen auf dem sehr unbequemen Sofa gelegen. Oben schreit das Kind, nebenan Sprechers\IN{\sprechers}. Deshalb bitte ich schließlich um Licht (es war Kurzschluss) und fahre doch um~\textonehalf{}\,10. Sonst wäre mehr geschehen. Vorher Gespräch mit \textit{CW}\IN{\giedionfrau}; sie sagt, man solle nicht Freundschaft und Sexualität durcheinanderbringen (,,verschleimen``).~\neueseite{539833} \tbentry{1}{4}{1929}{(Ostern)} \textonehalf{}\,10 \textit{CW}\IN{\giedionfrau} und Dotz\IN{\dotz} Bahnhofplatz\IO{Frauenkirch!Bahnhofplatz} getroffen. \textonehalf{} Stunde Aufenthalt, mitgefahren bis Dorf\IO{Davos-Dorf}. \textit{CW}\IN{\giedionfrau} fragt, warum ich so unbedingt meinen Zug kriegen wollte gestern Abend. Ich sagte, Weiteres \editor{wäre} mir in dieser Situation nicht als möglich erschienen. Sie meint, trotzdem hätte man noch mehr Nuancen durchleben können. Ich: \pagebreak In diesem Stadium \tbtwoA{399} wollte ich entweder alles oder nichts mehr. Sie ist betrübt, dass ich nicht nach Zürich\IO{Zürich} kommen will ({\lspitz}Weyl{\rspitz}\IN{\weyl} ist nicht da). ,,Grundlegung der Logik`` gearbeitet.\fnE{Siehe das 23seitige durchpaginierte Kurzschriftmanuskript ,,Neue Grundlegung der Logik`` (\href{http://doi.org/10.48666/808070}{RC~089"~64"~01}), dessen erste Seite auf den 27.\,III.\,1929 datiert ist. Auf Seite~7 befindet sich noch eine Datierung auf den 29.\,III., es ist also anzunehmen, dass Carnap zu diesem Zeitpunkt noch an dem Manuskript gearbeitet hat.} \tbentry{2}{4}{1929}{} Viel Korrespondenz erledigt. \tbentry{3}{4}{1929}{} Nachmittags im Caf\'{e} Schneider\IO{Davos!Caf\'{e} Schneider} mit Herrigel\IN{\herrigel} und Professor Rothacker\IN{\rothacker}, jetzt Bonn\IO{Bonn}. Der fragt, ob Schlick\IN{\schlick} hinkommen wird. Ich lasse ihn Schlicks\IN{\schlick} Vorwort\IW{\schlickvorwort} lesen.\fnE{Es handelt sich um die 1928 von Schlick verfasste und bereits in diesem Jahr für die private Verbreitung gedruckte Vorrede zu Waismann, \emph{Logik, Sprache, Philosophie}. Vgl. ebd., 11\hbox{--}23 bzw. den Abdruck in MSGA~II/1.2 (\emph{Erkenntnistheoretische Schriften}), 73\hbox{--}86 sowie den dortigen ,,Editorischen Bericht``, 67\hbox{--}71.} Wir sprechen über Positivismus. Dabei auch {\lspitz}Sonnreitlin{\rspitz}\IN{\sohnrethel}, Soziologe, hat Zilsels\IN{\zilsel} Aufsatz\IW{\zilselaufsatz} gelesen.\fnE{Vermutlich gemeint ist Zilsel, ,,Philosophische Bemerkungen``.} Mit ihm und Herrigel\IN{\herrigel} über die Möglichkeit, alles, auch Zweck und Sinnfragen physikalisch auszudrücken. \sout{Stimmt} Herrigel\IN{\herrigel} stimmt mir im Wesentlichen bei. \tbentry{4}{4}{1929}{} Nachmittags mit Pieper\IN{\pieper} spazieren, dann zu Schneider\IO{Davos!Caf\'{e} Schneider}. Er ist beeindruckt von meiner klaren Abgrenzung des wissenschaftlich Sagbaren, möchte hören, ob seine Gedanken über Ethik, im Anschluss an Thomas\IN{\aquin}, \gestrunl\ mir sinnvoll erscheinen. Erzählt mir von Thomas'\IN{\aquin} positiver Ethik: Klugheit als Maß des Handelns, gut ist das der Wirklichkeit Gemäße.\IW{\pieperschrift}\fnE{Dieser Eintrag und der zum folgenden Tag beziehen sich vermutlich auf Pieper, \emph{Die ontische Grundlegung des Sittlichen nach Thomas von Aquin}.} Abends ruft \uline{Maina}\IN{\maina} aus Elmau\IO{Elmau} an! Aber nichts zu verstehen. \tbentry{5}{4}{1929}{} Die ganzen Tage fleißig \uline{Kaufmanns}\IN{\kaufmannfelix} \textit{MS}\IW{\kaufmanndasunendliche} gelesen. Im Ganzen gut.\fnE{Vgl. das fünfseitige Typoskript ,,Bemerkungen zu Kaufmanns MS ,Das Unendliche in der Mathematik`\,`` (\href{http://doi.org/10.48666/808073}{RC~028"~26"~10}).} Abends Abschiedsfeier der Kurse\II{\davoserhochschulkurs}. \uline{Pieper}\IN{\pieper} wird meine Logistik\IC{\logistik} studieren, will seine Begriffsbildungen klar und exakt machen. Er ist erstaunt, als ich sage,~\neueseite{539829} dass ich ohne seinen Kommentar seine Schrift\IW{\pieperschrift} nicht verstanden haben würde; scholastische Terminologie ist mir fremd. \tbentry{6}{4}{1929}{} Abends mit Wilker\IN{\wilker} (dem Studenten aus Frankfurt\IO{Frankfurt}, zu seinem Abschied), Frau Eberhard\IN{\eberhardfrau} und (zuerst allein) der Stettinerin\IN{\stettinerin} auf meinem Zimmer. Nachher kamen \unl\ die beiden mit großem Krach.\pagebreak \tbtwoA{400} \tbentry{7}{4}{1929}{\strich} Nachmittags bei \uline{von Rohdens}\IN{\rohdenpaul}\IN{\rohdenelisabeth}. Die Tochter ist in Scheidung~\gestrunl. Die guten alten Leute wollen aus dieser Wohnung ausziehen. \tbentry{8}{4}{1929}{\strich} Nachmittags mit \uline{Frau Liedemann}\IN{\liedmannfrau} und kleiner Tochter im Kurhaus\IO{Davos!Kurhaus}. Diesmal nicht so gute Fühlung wie damals, als \textit{CW}\IN{\giedionfrau} dabei war. Vielleicht können wir, durch das Kind gehemmt, nicht aufs Wesentliche (ihre Schwierigkeiten) kommen. \tbentry{9}{4}{1929}{} Die ganzen Tage fleißig \uline{Axiomatik}\IC{\axiomatikms} gearbeitet.\fnE{Es handelt sich offensichtlich um Carnap, \emph{Untersuchungen zur allgemeinen Axiomatik}. Vgl. TB~27.\,III.\,1928\diaryref{TB-27-III-1928}. Carnap scheint die Arbeit an diesem Manuskript wieder aufgenommen zu haben. Im Nachlass finden sich aber nur wenige Spuren von dieser Arbeitsphase. Vgl. die einseitige kurzschriftliche Skizze vom 13.\,IV.\,1929 (\href{http://doi.org/10.48666/808016}{RC~081"~01"~25}). Zusammen mit anderen Einträgen wie denen vom 8. und 9.\,V.\,1929 liegt nahe, dass Carnap das von ihm nachträglich auf ,,1928 (oder 1929?)`` datierte Typoskript des Ersten Teils der \emph{Untersuchungen zur allgemeinen Axiomatik} (\href{http://doi.org/10.48666/808016}{RC~080"~34"~02}) zumindest teilweise im Frühjahr 1929 erstellt hat.} Nachmittags mit der Stettinerin\IN{\stettinerin} spazieren; sie ist Fürsorgerin, auch durch Jugendbewegung durchgegangen, entschieden und selbstständig. (Fräulein Bublitz.) Abends im Belvedere\IO{Davos!Hotel Belvedere} zu Professor \uline{Salomon}\IN{\salomon}, \textonehalf{}\,9\,\hbox{--}\,11. Er wünscht, dass ich Schlick\IN{\schlick}, Kelsen\IN{\kelsen} und Hertz\IN{\hertz} spreche, damit Österreich\IO{Österreich} Professoren schickt zu der Soziologentagung\II{\soziologentagung}.\fnE{Vermutlich der 7.~Deutsche Soziologentag vom 28.\,IX. bis~1.\,X.\,1930 in Berlin.} Er erklärt, wie er die Professoren erziehen will; auch von seinem Frankfurter\II{Frankfurter Gesellschaft für Soziologie} und Pariser Institut\II{Institut d'études germaniques an der Sorbonne}; dann von seiner eigenen Soziologie ,,naturalistisch``.\fnE{Vgl. Kaesler, ,,Salomon-Delatour, Gottfried``. Salomon, der 1926\hbox{--}1932 die Davoser Hochschulkurse leitete, war in dieser Zeit Vorsitzender der Frankfurter Gesellschaft für Soziologie.} %\tbentry{10}{4}{1929}{} %\tbentry{11}{4}{1929}{} \tbentry{12}{4}{1929}{} Nachmittags mit Frau Professor \uline{Ott}\IN{\ottfrauprof} langen Spaziergang hinter den See\IO{Davos!See}. Ich erzähle,~\neueseite{539825} dass wir uns scheiden lassen. Sie ist sehr erschüttert davon, schreibt mir am Abend noch einen Brief. \tbentry{13}{4}{1929}{\strich} Täglich fleißig Axiomatik\IC{\axiomatikms}. Nachmittags mit Frau Professor Ott\IN{\ottfrauprof} ins Dischmatal\IO{Dischmatal}. Wir erzählen uns allerhand voneinander. \tbentry{14}{4}{1929}{\strich} Briefe geschrieben. \tbentry{15}{4}{1929}{} Nachmittags Konzert Kurhaus\IO{Davos!Kurhaus}. \tbentry{16}{4}{1929}{} Morgens kommen die {\lspitz}Schlipse{\rspitz} von \textit{CW}\IN{\giedionfrau}. Mittags angerufen; ich kann sie nicht alleine treffen, werde also wohl nicht hingehen, trotz Sehnsucht.\pagebreak \tbtwoA{401} \tbentry{17}{4}{1929}{\strich} Nachmittags mit Fräulein Bublitz\IN{\stettinerin} übers Kriegerkurhaus\IO{Davos!Kriegerkurhaus}. Frau Professor Ott\IN{\ottfrauprof} ist die ganzen Tage zu Bett, schläft nicht; Erschütterung durch meine Erzählung. \tbentry{18}{4}{1929}{} Die Lehrerin \uline{Fräulein Müller}\IN{\muellerlehrerin} aus Bruchsal\IO{Bruchsal}, Tochter des Mathematikers (der Schröder\IN{\schroeder} herausgegeben hat),\fnE{Vgl. Schröder, \emph{Abriss der Algebra der Logik}, Herausgegeben von Karl Eugen Müller.} nimmt den Abriss der Logistik\IC{\logistik} für ihren Vater. Nachmittags nach \uline{Glaris}\IO{Glaris}. Frau Liedemann\IN{\liedmannfrau} erzählt von der Scheidung; sie würde nicht wieder heiraten; ist allerdings auch wirtschaftlich unabhängig. \tbentry{19}{4}{1929}{\strich} Vormittags mit Frau Ott\IN{\ottfrauprof} zur \uline{Schatzalp}\IO{Schatzalp}. Zu Fuß hinunter. Ich erzähle von Birgit\IN{\birgit}, damit sie versteht, warum ich so glücklich bin. Sie fragt immer wieder danach, wie ich trotz dem Schweren so glücklich aussehen könnte. Sie findet das Kind entzückend. Ich sage, dass ich nicht heiraten will, Frau und Kinder nicht nah bei mir haben mag. Sie sagt später (unklar, worauf hin),~\neueseite{539843} dass meine Erotik nicht das Niveau meiner übrigen Lebenssphären habe; rät mir sehr zu einer Analyse bei Jung\IN{\jung}, um ein ,,ganzer Mensch`` zu werden; vielleicht genügten 8~Sitzungen (=~2~Wochen). Viel geschrieben. \tbentry{20}{4}{1929}{} Geschrieben. \uline{Doktor Frey}\IN{\freyhermann}. Gewicht noch zugenommen. Atemkapazität sehr groß (88\hbox{--}99\,\textit{cm}). Er ist sehr zufrieden. Ich könne auch mit gutem Gewissen bei einer etwaigen Professur mich als ganz leistungsfähig erklären. Abends mit Frau Ott\IN{\ottfrauprof} und Fräulein Müller\IN{\muellerlehrerin} zusammen; über Metaphysik, soziologische Probleme, Zilsels\IN{\zilsel} Aufsatz\IW{\zilselaufsatz}.\fnE{Vgl. TB~3.\,IV.\,1929\diaryref{TB-3-IV-1929}.} Spät gepackt. \tbentry{21}{4}{1929}{} 10\,\hbox{--}\,12 nach \uline{\ulinesp{Zürich}}\IO{Zürich}.\ort{Zürich} \textit{\uline{\ulinesp{CW}}}\IN{\giedionfrau} holt mich mit Kindern und Hund an der Elektrischen (3,~Römerhof\IO{Zürich!Römerhof}) ab. \textit{SG}\IN{\giedion} soll abends erst kommen, kommt aber überhaupt nicht, ist in Frankfurt\IO{Frankfurt}. Sie möchte abends mit mir zu anderen Leuten, ich bleibe lieber mit ihr alleine. Sie ist sehr vorsichtig gegen ,,flagranti``; \textit{SG}\IN{\giedion} sei jetzt äußerlich eifersüchtig. Sie überlegen sogar Scheidung; sie hat Vermögen vom Vater, könnte monatlich 300\,\textit{M} haben; hängt aber doch sehr an \textit{SG}\IN{\giedion}. Heftige Küsserei; mehr will sie nicht; das müsse man doch aufsparen, bis mal vollständige innere Notwendigkeit dabei sei. Von Oud\IN{\oud}, den sie lang nicht gesehen hat; von dem {\lspitz}Züricher{\rspitz} Architekten Steiger\IN{\steiger}. Sie wirft mir noch immer Vermengung von Freundschaft und Erotik vor. Nachts lange wach gelegen.~\neueseite{539837}\shortenpage \tbtwoA{402} \tbentry{22}{4}{1929}{} Dotz\IN{\dotz} wird zum ersten Mal in die Schule gebracht. Nachher mit \textit{CW}\IN{\giedionfrau} in der Veranda; kühles Aprilwetter, das beeinträchtigt etwas die Stimmung. Ich soll lieber nicht im Sommer einige Tage nach Zürich\IO{Zürich} kommen, \textit{SG}\IN{\giedion} würde es nicht gut ertragen. Aber sie will mal nach Wien\IO{Wien} kommen, mich besuchen; ich habe ihr schon früher gesagt, dass sie keine Angst vor ,,Erwartungen`` zu haben brauche. \textonehalf{}\,2\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,10 \uline{\ulinesp{nach München}}\IO{München}.\ort{München} \uline{\ulinesp{Lucia}}\IN{\luzia} am Bahnhof\IO{München!Bahnhof}; da Rohs\IN{\rohfranz}\IN{\rohhilde} nicht kommen, nimmt sie mich mit dorthin. Erzählt mir bis \textonehalf{\,1 von ihr und Moholy\IN{\moholy}, Franz\IN{\rohfranz} und Hilde\IN{\rohhilde}. Die \gestrunl\ beiden Frauen wollen jede für die andere verzichten, wenn das für Franz\IN{\rohfranz} besser ist. \tbentry{23}{4}{1929}{\kreuz} Vormittags \uline{\ulinesp{Fraenkel}}\IN{\fraenkelabraham} im Caf\'{e}\IO{München!Caf\'{e}} getroffen. Geht für 2~Jahre nach Jerusalem\IO{Jerusalem}. Erzählt von der ,,Heidegger\IN{\heidegger}-Psychose`` in Marburg\IO{Marburg}. Meint, mein Abriss\IC{\logistik} würde viel mehr Erfolg haben als Behmanns\IN{\behmann} Heft\IW{\behmannlogik};\fnE{Vermutlich Behmann, \emph{Mathematik und Logik}.} der habe überhaupt nicht viel Aussicht. Mittags \uline{\ulinesp{zu Maue}}\IN{\maue} (Gramm\IN{\gramm} ist morgens abgereist, für 3~Tage, damit ich dort wohnen kann!). \uline{\ulinesp{Birgit}}\IN{\birgit} entzückend, plaudert viel und nett. Wird schließlich sehr zutunlich zu mir. \tbentry{24}{4}{1929}{\kreuz} Vormittags mit Maue\IN{\maue} und Birgit\IN{\birgit} spazieren; Gemüseladen\IO{München!Gemüseladen} mit Kaninchen und Katze; Schrebergarten\IO{München!Schrebergarten} mit Blumen. Nachmittags mit Maue\IN{\maue} zu \uline{Fräulein von Brasch}\IN{\brasch}, die früher eine graphologische Analyse von mir gemacht hat; sie wollte mich kennenlernen. Kluge Frau, aber doch mit aristokratischen Vorurteilen. Kino\IO{München!Kino} ,,Fräulein Else`` mit Bergner\IN{\bergnerelisabeth}, ich gepackt, Maue\IN{\maue} aber kritisch.\fnA{Es folgt ein leerer Eintrag mit dem Symbol~\original{\kreuz}.}~\neueseite{539841} %\tbentry{25}{4}{1929}{\kreuz}~\neueseite{} \tbentry{26}{4}{1929}{\kreuz} Vormittags \uline{Franz\IN{\rohfranz} und Hilde}\IN{\rohhilde}; sind eben aus Sizilien\IO{Sizilien} zurückgekehrt. Sie kommen gleich mit ihren Schwierigkeiten heraus (Maue\IN{\maue} ist nicht dabei), besonders Hilde\IN{\rohhilde}; zum Teil angeregt dadurch, dass ich mit Lucia\IN{\luzia} gesprochen hatte. Franz\IN{\rohfranz} sagt, dass \gestrunl\ seine Neigung zu Lucia\IN{\luzia} vorbei ist, und er sich ganz auf Hilde\IN{\rohhilde} konzentrieren will. Auf mein Zureden will er versuchen zu lernen, ihr die nötige Freiheit zu geben. Auch nach Tisch noch geredet. Hilde\IN{\rohhilde} im Auto weg. \uline{Lucia}\IN{\luzia} kommt. Mit ihr und Franz\IN{\rohfranz} spazieren, Hirschgarten\IO{München!Hirschgarten}. Sie möchte mein Buch\IC{\konstitutionstheorie} haben. Bahnhof\IO{München!Bahnhof}. 7\textsuperscript{h} zu \uline{\ulinesp{Neresheimer}}\IN{\neresheimer}\ulinesp{, Maue\IN{\maue} ist schon dort}. Schöne Atelierwohnung. Anfangs Frau Wolf-Ferrari\IN{\wolfferrarifrau}; geht zum Glück bald. Lore\IN{\lore} kommt. Sehr gemütlich. Sie erzählt von beabsichtigten Russell\IN{\russell}-Büchern: Outlines (,,Mensch und \tbtwoA{403} Welt``)\IW{\russellbehaviorismus}, Neuauflage (später) der Mathematischen Philosophie\IW{\russellmathematischephilosophie} mit der neuen Einführung der \gestrunl{} Principia\IW{\russelleinfuehrungprincipia}.\fnE{Russell, \emph{Mensch und Welt} sowie Russell, \emph{Einführung in die mathematische Philosophie}. Die Einleitung der \emph{Principia Mathematica} erschien als Russell und Whitehead, \emph{Einführung in die mathematische Logik}.} Später kommt \uline{Hilde}\IN{\rohhilde} noch hinzu. Ich lese für sie und Neresheimer\IN{\neresheimer} die Scheidungsklage vor.\fnE{Vgl. TB~21.\,XII.\,1928\diaryref{TB-21-XII-1928}.} Spät im Auto heim. Schöne {\lspitz}zeit{\rspitz}lose Nacht. \tbentry{27}{4}{1929}{} 9\,\hbox{--}\,6 nach \uline{\ulinesp{Wien}}\IO{Wien}.\ort{Wien} Telefon ist in der Wohnung! \tbentry{28}{4}{1929}{} \sout{Kino} Nachmittags Kino\IO{Wien!Kino} ,,Der lebende Leichnam``; gut. Abends gearbeitet für Vorlesung. \tbentry{29}{4}{1929}{} Nachmittags 3\textsuperscript{h} \uline{erste Vorlesung} ,,Die Entwicklung der theoretischen Philosophie seit Descartes\IN{\descartes}``, Hörsaal~17 (sehr klein), einige müssen stehen, etwa~50 Hörer. Nachher mit Feigl\IN{\feigl} und Kasper\IN{\kasper} ins Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}. Doller Schnupfen. Abends mit \uline{Fieber} (38,7) ins Bett.~\neueseite{539839} \klammerabsatz{0,17}{%15 \tbentry{30}{4}{1929}{} \\ \tbentry{1}{5}{1929}{}}{Im Bett. Starker Schnupfen, wenig Fieber. Schon etwas gelesen; Vorlesung vorbereitet. Frau Mayerhofer\IN{\mayerhoferfrau} kommt dreimal täglich.} \tbentry{2}{5}{1929}{\strich} Aufgestanden. Nachmittags \uline{Vorlesung}. Nachher mit Gödel\IN{\goedel} über Logik gesprochen. Abends \uline{Zirkel}\II{\schlickzirkel}; \uline{über Davos}\IO{Davos} erzählt, die Leute sind sehr amüsiert dabei, besonders Neurath\IN{\neurath}. \tbentry{3}{5}{1929}{} Zu Hause. Geschrieben. \tbentry{4}{5}{1929}{} Bühler\IN{\buehlerkarl} erzählt mir in der Universität\II{Universität Wien}, dass er jetzt eifrig die Logistik studieren will, nach meinem Abriss\IC{\logistik}. 11\,\hbox{--}\,2 \ulinesp{mit Schlick}\IN{\schlick} (unser erstes Treffen). Er erzählt \ulinesp{von Bonn}\IO{Bonn}, glänzenden Bedingungen (22.000\,\textit{M} Einkünfte), bleibt aber doch vielleicht, hofft, dass das Ministerium\IO{Wien!Ministerium} hier seine Forderungen annimmt. \uline{Waismann}\IN{\waismann} kommt zufällig. Seine Mutter ist gestorben. Nachmittags zu \uline{Kaufmann}\IN{\kaufmannfelix} ins Büro; über sein \textit{MS}\IW{\kaufmanndasunendliche}.\fnE{Vgl. TB~5.\,IV.\,1929\diaryref{TB-5-IV-1929}.} Kino Zentral\IO{Wien!Kino Zentral} ,,\textkritik{Die Passion der Jungfrau von Orleans}\fnA{Im Original \original{Der Prozess der Johanna von Orleans}.}``, lauter Gesichter Großaufnahmen, sehr gut. \tbentry{5}{5}{1929}{} Nachmittags 2 Kino. \tbtwoA{404} \tbentry{6}{5}{1929}{} 3 \uline{Vorlesung}. Zahnarzt. Kino. Abends zu \uline{Neuraths}\IN{\neurath}\IN{\neuratholga}. Löwy\IN{\loewy} erzählt von der Sahara\IO{Sahara}.~\neueseite{539845} \tbentry{7}{5}{1929}{\strich} Abends zu \uline{Waismann}\IN{\waismann} (Vinzenzgasse\IO{Wien!Vinzenzgasse}~16). Ich erzähle von Davos\IO{Davos}, Heidegger\IN{\heidegger}; er erzählt von dem Gespräch mit Wittgenstein\IN{\wittgenstein} über das Sehfeld.\fnE{Die Treffen Waismanns mit Wittgenstein im Frühjahr 1929 sind nicht dokumentiert. Vgl. Waismann, \emph{Wittgenstein und der Wiener Kreis},~17\,f.} \klammerabsatz{0,65}{ \tbentry{8}{5}{1929}{} \\ \tbentry{9}{5}{1929}{Himmelfahrt} (Keine Vorlesung.)}{Axiomatik\IC{\axiomatikms} getippt.\fnEmark} \fnEtext{Vgl. TB~9.\,IV.\,1929\diaryref{TB-9-IV-1929}.} \tbentry{10}{5}{1929}{} Sitzung Ernst-Mach-Verein\IO{Wien!Ernst-Mach-Verein}\II{\machverein}. \uline{Hahns\IN{\hahnhans} Vortrag} ,,Occams Rasiermesser``\IW{\hahnoccam}, sehr gut;\fnE{Vgl. Hahn, \emph{Überflüssige Wesenheiten}.} die überflüssigen Wesenheiten durch \gestrunl\ die Sprache; Zeitpunkt, Raumpunkt als Klassen, Klassen als Sprachformen. Nachher alle zusammen, dabei \uline{\ulinesp{Kaila}}\IN{\kaila}. Ist noch jung, sieht angenehm aus, will 5~Wochen bleiben.\fnE{Zu Carnaps Interaktionen mit Kaila vgl. Manninen, ,,Eino Kaila in ,Carnap's Circle`\,``.} \tbentry{11}{5}{1929}{\strich} Mit Kaila\IN{\kaila} zu Mittag im Rathauskeller\IO{Wien!Rathauskeller}; dann mit ihm und Feigl\IN{\feigl} ins Caf\'{e}. Bis \textonehalf{}\,5. \tbentry{12}{5}{1929}{} Nachmittags Josefstädter Theater\IO{Wien!Josefstädter Theater} ,,Leinen aus Irland``, gute Komödie. Nachher mit Kailas\IN{\kaila}\IN{\kailafrau} und deren Freunden ins Caf\'{e}; mit Kaila\IN{\kaila} etwas spazieren. \tbentry{13}{5}{1929}{} 3 Vorlesung. Nachher mit Gödel\IN{\goedel} im Caf\'{e}; über meine Axiomatik\IC{\axiomatikms}; \textit{k}"~Begriff.\fnE{Vgl. Carnap, \emph{Untersuchungen zur allgemeinen Axiomatik}, 78f, wo zwischen einem ,absoluten a"~Begriff` und einem ,konstruktiven k"~Begriff` unterschieden wird. } Später mit Kaila\IN{\kaila} und Feigl\IN{\feigl}. %\tbentry{14}{5}{1929}{} \tbentry{15}{5}{1929}{} Mittags mit Waismann\IN{\waismann}. Zahnarzt. Nachmittags bei Kaila\IN{\kaila}, Vorbesprechung für die Diskussion morgen.~\neueseite{539853} \tbentry{16}{5}{1929}{} 3 Vorlesung über Leibniz\IN{\leibniz}; dabei Kaila\IN{\kaila}. Mit ihm ins Caf\'{e}, zufällig kommt seine Frau\IN{\kailafrau}. Abends im Schlick\IN{\schlick}-Zirkel\II{\schlickzirkel} \uline{Diskussion mit Kaila}\IN{\kaila}. Seine Einwendungen: Wahr\-scheinlichkeitsbegriff; nicht unmittelbar gegebene Gegenstände. Auch Gomperz\IN{\gomperz} dabei, geht aber früher weg, offenbar gelangweilt.\fnA{Es folgt ein leerer Eintrag mit dem Symbol~\original{\strich}.}{\tolerance2000\par} \tbtwoA{405} %\tbentry{17}{5}{1929}{\strich} \tbentry{18}{5}{1929}{} Zahnarzt, mittags mit Schlick\IN{\schlick}. Nachmittags Diskussion mit Kaila\IN{\kaila} in Boltzmanngasse\IO{Wien!Boltzmanngasse}; auch Neumann\IN{\neumann} und Kaufmann\IN{\kaufmannfelix} beteiligen sich, aber nicht fruchtbar. Es wird Verschiedenes geklärt. Kaila\IN{\kaila} gibt zu, dass die Wahrscheinlichkeitsaussage einerseits die Bedeutung hat, die ich angebe (Wahrheitsfunktion); daneben sollen sie noch eine zweite Bedeutung haben (!). Abends interviewt Doktor Var\'{e}n\IN{\varen} mich und Feigl\IN{\feigl} über Kaila\IN{\kaila} und unsere Philosophie. Frau Kaila\IN{\kailafrau} hat auch Geburtstag; ich spreche etwas Schwedisch, sie spricht mir aber zu schnell. Ich erzähle von Marokko\IO{Marokko}. \tbentry{19}{5}{1929}{Pfingsten} Briefe geschrieben, gelesen. \tbentry{20}{5}{1929}{Pfingsten \kreuz} Mittags mit Kaila\IN{\kaila}. Mit Kaila\IN{\kaila} und Feigl\IN{\feigl} Reichenbachs\IN{\reichenbach} Artikel\IW{\reichenbachartikelhandbuch} im Handbuch (über Realität, und über Wahrscheinlichkeit) gelesen.\fnE{Reichenbach, ,,Ziele und Wege der physikalischen Erkenntnis``, hier 16\hbox{--}26, 65\hbox{--}72.} 6\textsuperscript{h} \uline{\ulinesp{Maue\IN{\maue} kommt}}. Ist noch im Übelkeitsstadium.\fnE{Bezieht sich auf die erneute Schwangerschaft von Maue Gramm. Das zweite gemeinsame Kind Gerhard Gramm wurde am~3.\,XII.\,1929 geboren.} \tbentry{21}{5}{1929}{\kreuz} Mittags \uline{zu Schlicks}\IN{\schlick}\IN{\schlickfrau}. Mit Schlick\IN{\schlick} und Kaila\IN{\kaila} über dessen geplantes Buch.\IW{\kailapositivismus}\fnE{Vermutlich Kaila, \emph{Der logistische Neupositivismus}.} Für Maue\IN{\maue} habe ich wegen schlechtem Befinden abgesagt. \tbentry{22}{5}{1929}{} Nachmittags Kailas\IN{\kaila}\IN{\kailafrau} bei uns. Sehr nett. Abends alle zusammen ins Raimund-Theater\IO{Wien!Raimundtheater} ,,Dreigroschenoper``, bizarr, gefällt mir sehr gut, Kaila\IN{\kaila} weniger.~\neueseite{539849} \tbentry{23}{5}{1929}{\kreuz} Mittags mit Maue\IN{\maue} und Schlick\IN{\schlick}. Er ist ziemlich deprimiert, wegen der Aussichtslosigkeit der Sache beim Ministerium\IO{Wien!Ministerium}. 3\textsuperscript{h} Vorlesung. Nachher mit Feigl\IN{\feigl} zu Kailas\IN{\kaila}; dort Maue\IN{\maue}. Mit Maue\IN{\maue} Kino\IO{Wien!Kino} ,,Die Hose``. \tbentry{24}{5}{1929}{} Vormittags mit Maue\IN{\maue} in Schönbrunner Park\IO{Wien!Schönbrunner Park}. Nachmittags \uline{Feigl\IN{\feigl} und Kasper}\IN{\kasper} bei uns. Sehr nett und unbefangen. Abends Diskussion mit Kaila\IN{\kaila} bei Kraft\IN{\kraftvictor}, viele Zuhörer. Fruchtbar und gut; über ,,Inhalt`` der Sätze; Frage, ob das Protokoll notwendig ,,vollständig`` ist. \tbentry{25}{5}{1929}{\kreuz} Mit Kailas\IN{\kaila}, Feigl\IN{\feigl}, Kasper\IN{\kasper} und Maue\IN{\maue} in \uline{Lainzer Tiergarten}\IO{Wien!Lainzer Tiergarten}. Oben auf einer Wiese gelegen, Kaila\IN{\kaila} fotografiert viel.\fnE{Vgl. Abb.~\refcn{lainz}.} Bei der Hermesvilla\IO{Wien!Hermesvilla} unten gegessen. Schlick\IN{\schlick} sagt telefonisch: Ministerium\IO{Wien!Ministerium} hat abgelehnt, er muss also nach Bonn\IO{Bonn}. Auf Liegestühlen gelegen, dann Kaffee getrunken. Sehr nett und lustig. Frau Kaila\IN{\kailafrau} fährt morgen nach Florenz\IO{Florenz}.\shortenpage \tbtwoA{406} \tbentry{26}{5}{1929}{} Nachmittags Waismann\IN{\waismann} und Fräulein {\lspitz}Antscherl{\rspitz}\IN{\waismannfrau} bei uns. Waismann\IN{\waismann} erzählt von Schule und Matura. \tbentry{27}{5}{1929}{} \textonehalf{}\,11 Schlick\IN{\schlick} in Universität\II{Universität Wien} getroffen. Er bleibt in Wien\IO{Wien}! Großes Opfer, wegen Mannheim\IO{Mannheim}.\fnE{In Mannheim wohnte Schlicks Geliebte Lila Plattner.} Er reist heute Abend nach Amerika\IO{Amerika} ab. Mittags mit Waismann\IN{\waismann}. \editor{Ich}\fnA{Original \original{Er}.} erzähle meine Pläne der Broschüre ,,Leitgedanken der Wiener philosophischen Schule``\IW{\wissweltauffassung}.\fnE{Verein Ernst Mach, \emph{Wissenschaftliche Weltauffassung}. Zur Entstehung und Autorenschaft der Programmschrift vgl. Uebel, ,,Zur Entstehungsgeschichte und fr"uhen Rezeption von \textit{Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis}``.} 3~Vorlesung. Nachmittags und abends mit Maue\IN{\maue} bei \uline{Frau Neurath}\IN{\neuratholga}. Ich erzähle von der Diskussion mit Kaila\IN{\kaila}. Neurath\IN{\neurath} noch in Schweden\IO{Schweden}. Abends sehr müde. \tbentry{28}{5}{1929}{\kreuz} Nachmittags Diskussion mit Kaila\IN{\kaila} bei Kraft\IN{\kraftvictor}. Er sagt, dass seine metaphysischen Hydraköpfe immer wieder nachwachsen. Auch den Realismus hat er aus metaphysischen Gründen abgelegt!~\neueseite{539851} \tbentry{29}{5}{1929}{\kreuz} Mittags mit Maue\IN{\maue} zum Schönbrunner Park\IO{Wien!Schönbrunner Park}; zu den Tieren.\fnE{Im Schönbrunner Schlosspark befindet sich seit dem achtzehnten Jahrhundert der Tiergarten Schönbrunn.} Plötzlich starker Regen; ganz nass; zu den Stink- und Schreivögeln geflüchtet, dann ins Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}. Taxi heim. Ins Bett,~\kreuz. Abends Kino\IO{Wien!Kino} {\lspitz},,Tori``{\rspitz}, Film aus Afrika\IO{Afrika}, mit sehr schönen Tierbildern. \tbentry{30}{5}{1929}{Fronleichnam} Maues\IN{\maue} Kummer, dass wir nicht spazieren gehen; daraufhin nachmittags Spaziergang in den Wald hinauf. Abends Zirkel\II{\schlickzirkel}. Vortrag Waismann\IN{\waismann} über Wahrscheinlichkeit, mit lebhafter langer Diskussion. \sout{\textit{Fr}~31 Fronleichnam} \tbentry{31}{5}{1929}{\kreuz} Ausflug mit Maue\IN{\maue}, Kaila\IN{\kaila}, Feigl\IN{\feigl}, Kasperle\IN{\kasper}. Hütteldorf\IO{Wien!Hütteldorf}\,\hbox{--}\,Rosental\IO{Wien!Rosental}, in den Wald\IO{Wien!Wald}. Nachmittags im Wald\IO{Wien!Wald} geblieben, ohne Kaila\IN{\kaila}. Kaila\IN{\kaila} erzählt von seinen metaphysischen Schmerzen; er werde sich \gestrunl\ erschießen, sagt er zum Spaß, wenn er diese aufgeben müsse. Abends erst nach Hause, müde, daher beide etwas verstimmt, trotz dem schönen Tag. \tbentry{1}{6}{1929}{} \uline{\ulinesp{Maue\IN{\maue} reist ab}},~10\textsuperscript{30}. [Wir haben diesmal öfters, besonders in den letzten Tagen, Missstimmung und Ärger gehabt, teils körperlich verursacht (durch die Schwangerschaft), teils weil Maue\IN{\maue} sich langweilte, wenn sie allein war; sie beklagte die Beschäftigungslosigkeit, \pagebreak brachte aber nicht \tbtwoA{407} die Energie auf, von selbst etwas zu unternehmen oder Verabredungen zu treffen.] Abends mit Feigl\IN{\feigl}, Kasperle\IN{\kasper} und ihrer Freundin im Volkstheater\IO{Wien!Volkstheater}: ,,Herr Lamberthier`` Bassermann\IN{\bassermann} und Frau\IN{\bassermannfrau}; packend.~\neueseite{539847} \tbentry{2}{6}{1929}{} Für Vorlesung gearbeitet (Hume\IN{\hume}, Aufklärung). \tbentry{3}{6}{1929}{} 3\textsuperscript{h} Vorlesung. Später zu Kaila\IN{\kaila}; ich sei ihm schwer einfühlbar (wegen der Leugnung der Realität des Fremdpsychischen). Zusammen zu \uline{Kaufmann}\IN{\kaufmannfelix}; auf der Terrasse. Über das Unendliche in der Mathematik.\IW{\kaufmanndasunendliche} Später Waismann\IN{\waismann} und Feigl\IN{\feigl}. Abends über die beiden Arten der Allgemeinheit\fnE{Vgl. die beiden Arten der ,,Generalisation`` durch Allaussagen und Existenzaussagen in Carnap, \emph{Abriss der Logistik}, 13f.} und den Klassenbegriff. \tbentry{4}{6}{1929}{} Für Vorlesung gearbeitet (Kant\IN{\kant}). \tbentry{5}{6}{1929}{} 11\textsuperscript{h} und Mittagessen mit Kaila\IN{\kaila} und Feigl\IN{\feigl}. Kaila\IN{\kaila} erzählt, dass Waismann\IN{\waismann} gestern enttäuscht, entsetzt, gekränkt war, weil Kaila\IN{\kaila} verstockt bei seinem Realismus blieb. Wir sprechen über die Realität des Fremdpsychischen. Mit Feigl\IN{\feigl} Sommeranzug gekauft. Kino\IO{Wien!Kino} ,,Die vollkommene Ehe``. \tbentry{6}{6}{1929}{} 3 Vorlesung. Mit Feigl\IN{\feigl} und Rosenblüth\IN{\rosenblueth} neue Anschaffungen für die Institutsbibliothek besprochen, \textonehalf{}\,5\,\hbox{--}\,7. Mit Feigl\IN{\feigl} und Kaila\IN{\kaila} im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}; er sagt, ich sei in einem gewissen Punkte (wegen Leugnung der Realität des Fremdpsychischen) schwer einfühlbar; in meinem Gehirn müsse ein Teil fehlen. Zirkel\II{\schlickzirkel}. Waismanns\IN{\waismann} 2. Vortrag über Wahrscheinlichkeit. 2 Arten von Funktionen, mit bestimmtem und unbestimmtem Umfang. Ich erzähle den Plan der Broschüre ,,Leitgedanken``\IW{\wissweltauffassung}. \tbentry{7}{6}{1929}{} Mit \unsicher{Jergitsch}\IN{\jergitsch} über seinen Entwurf. Zahnarzt. \tbentry{8}{6}{1929}{\strich} \textonehalf{}\,5~bei Kraft\IN{\kraftvictor}: Doktor Kröner\IN{\kroenerfranz} über Stammlers\IN{\stammler} ,,Begriff, Urteil, Schluss``\IW{\stammlerbegriff}.{\tolerance1000\par} Abends mit Feigl\IN{\feigl}, Fräulein Kasper\IN{\kasper} und Kaila\IN{\kaila} zusammen. Kaila\IN{\kaila} ist betrübt über den~\neueseite{539855} Gegensatz unserer Ansichten. Wir \gestrunl\ versuchen ihm klarzumachen, dass doch im Ganzen Übereinstimmung und nur in einem kleinen Teilproblem Differenz. \tbentry{9}{6}{1929}{} Nachmittags bei Bühlers\IN{\buehlerkarl}\IN{\buehlercharlotte}, Tee auf der Veranda; auch Hahn\IN{\hahnhans} da, die ,,Reichspost``\II{\reichspost} hat ihn wegen seines Vortrags im Machverein\II{\machverein}\IO{Wien!Machverein}\IW{\hahnoccam} angegriffen \tbtwoA{408} und auf meinen Vortrag am~14.\IC{\scheinproblememachverein} hingewiesen.\fnE{Vgl. ,,Freidenkerpropaganda an der Universität``, \emph{Reichspost} 157, 8.\,VI.\,1929, 6.} P\v{r}ibram\IN{\pribramalfred}, den ich noch nicht kenne, sagt, er habe verschiedentlich über mich gesprochen, zwinkert mir zu, macht Andeutungen von ,,großen Hoffnungen``. \ulinesp{Radermacher}\fnA{Original \original{Rademacher}.}\IN{\radermacher}, linksrheinisch, mit rheinischer Aussprache, netter freundlicher Herr, Altphilologe. \tbentry{10}{6}{1929}{} 3\textsuperscript{h} Vorlesung. Abends mit Feigl\IN{\feigl} und Fräulein Kasper\IN{\kasper} ,,Dreigroschenoper`` (zum zweiten Mal), unten ziemlich vorn gesessen; gefällt mir wieder sehr gut, den beiden auch, Feigl\IN{\feigl} möchte gleich in diesem Stil noch weiter: Besseres Dichten und Komponieren.\fnA{Es folgt ein leerer Eintrag mit dem Symbol~\original{\strich}.} %\tbentry{11}{6}{1929}{\strich} \tbentry{12}{6}{1929}{} Briefe geschrieben. \tbentry{13}{6}{1929}{} 3 Vorlesung. Unger\IO{Wien!Unger, Herrenkonfektionsgeschäft}, Anprobe für Anzug. Abends \uline{Zirkel}\II{\schlickzirkel}. Waismann\IN{\waismann} über das Wesen der Sprache, mit lebhafter Diskussion. Ich stimme ihm gegen Hahn\IN{\hahnhans} bei, dass $p\vee\nobreak q$ keine Relation zwischen Sätzen ist.\fnE{Zu Carnaps Auffassung der Disjunktion $\vee$ als ,,Wahrheitsfunktion`` vgl. Carnap, \emph{Abriss der Logistik}, 6.} \tbentry{14}{6}{1929}{} Abends \uline{mein Vortrag im Machverein}\II{\machverein}\IO{Wien!Machverein}: ,,Scheinprobleme in der Philosophie; \ulinesp{von Seele und Gott}`` (Formulierung von Neurath\IN{\neurath}).\IC{\scheinproblememachverein}\fnE{Carnap, ,,Von Gott und Seele``, abgedruckt in Carnap, \emph{Scheinprobleme in der Philosophie und andere metaphysikkritische Schriften}, 49\hbox{--}62. Vgl. den zweiseitigen kurzschriftlichen Vortragsentwurf (\href{http://doi.org/10.48666/808080}{RC~110"~07"~17}) sowie die einseitige maschinschriftliche Zusammenfassung ,,(Zum Bericht Verein Ernst Mach). 14.~Juni 1929. \emph{Carnap}: von Gott und Seele; Scheinfragen in Metaphysik und Theologie`` (\href{http://doi.org/10.48666/808082}{RC~110"~07"~28}).} Im Mathematischen Institut\II{Mathematisches Institut der Universität Wien}. Viele Hörer, darunter viele Studenten. Ich spreche aber ganz populär. Der Vortrag gefällt gut. Nachher Besprechung über Prag\IO{Prag}\II{\pragertagung}.\fnE{\emph{1.~Tagung für Erkenntnislehre der exakten Wissenschaften}. Vgl. TB~14.\,IX.\,1929\diaryref{TB-14-IX-1929}.} Dann im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}} zusammen, Neuraths\IN{\neurath}\IN{\neuratholga}, Feigl\IN{\feigl}, Kasper\IN{\kasper}, Feix\IN{\feix}.~\neueseite{539857} \tbentry{15}{6}{1929}{} Abends bei \uline{Hahn}\IN{\hahnhans}, seine Tochter Nora\IN{\hahnnora} hat Matura gemacht. Menger\IN{\menger} schlägt mir gemeinsame Übungen über philosophische Grundlagen der Mathematik vor, vielleicht nächstes Jahr. Mit Frau Franks\IN{\frankjoseffrau} Kusine Dagmar\IN{\dagmar} Schwedisch gesprochen, im Park\IO{Wien!Park} spazieren gegangen, die jungen Leute mit Lampions; Frösche. Regen, Auto. \tbentry{16}{6}{1929}{} Heiß, müde, geschmökert. \tbtwoA{409} \tbentry{17}{6}{1929}{} 3 Vorlesung. Nachher mit Feigl\IN{\feigl} bei Frau Neurath\IN{\neuratholga}; wir lesen Christiansens\IN{\christiansen} ,,\editor{Das} Gesicht unserer Zeit``\IW{\christiansengesicht} vor, es interessiert beide lebhaft.\fnE{Vgl. vor allem die Bezüge zu Carnap: Christiansen, ebd., 106\hbox{--}109.} Später Neurath\IN{\neurath} dazu. Über Prager Tagung\II{\pragertagung}, und geplante Broschüre\IW{\wissweltauffassung}.\fnE{Verein Ernst Mach, \emph{Wissenschaftliche Weltauffassung}.} Neurath\IN{\neurath} ermahnt uns, nicht so weltfremd zu sein. \tbentry{18}{6}{1929}{\strich} Vormittags mit Feigl\IN{\feigl} und Rosenblüth\IN{\rosenblueth} philosophische Bücherei gearbeitet. Mittags mit Feigl\IN{\feigl} zusammen. %\tbentry{19}{6}{1929}{} \tbentry{20}{6}{1929}{} 3 Vorlesung. Nachher zu Neuraths\IN{\neurath}\IN{\neuratholga}, mit Feigl\IN{\feigl}; Neuraths\IN{\neurath} Entwurf für die Broschüre\IW{\wissweltauffassung}. \tbentry{21}{6}{1929}{\strich} Abends Fräulein \uline{Feix}\IN{\feix} Caf\'{e} Josephinum\IO{Wien!Caf\'{e} Josephinum}; von ihren Russischstudien. Sie hat 4~Jahre mit einem Mann zusammengelebt, dann getrennt. \uline{Zirkel}\II{\schlickzirkel}. Waismann\IN{\waismann} über Atomsätze. \tbentry{22}{6}{1929}{\strich} Sitzung Machverein\II{\machverein}\IO{Wien!Machverein}. Prag\IO{Prag} und Broschüre\IW{\wissweltauffassung} wird vom Verein aus gemacht. Mit \ulinesp{Neurath}\IN{\neurath} in sein Büro, auch Feigl\IN{\feigl}. Sein neuer Entwurf für die Broschüre\IW{\wissweltauffassung}. Mit zu ihm, Mittagessen, Reidemeisterin\IN{\reidemeistermarie} auch dabei. Lange und heftig mit ihm über Christiansens\IN{\christiansen} ,,Gesicht unserer Zeit``\IW{\christiansengesicht} diskutiert. Ich gebe den Fehler der Vernachlässigung der sozialen Zusammenhänge zu, nehme aber trotzdem das Buch wegen guter Seiten in Schutz.~\neueseite{539859} \tbentry{23}{6}{1929}{} Nachmittags Feigl\IN{\feigl} hier. Über Broschüre ,,Wiener Schule``\IW{\wissweltauffassung}; über seine Zukunftspläne, über Sozialismus. \tbentry{24}{6}{1929}{} 3 Vorlesung. Zu Neuraths\IN{\neurath}\IN{\neuratholga}, auch Feigl\IN{\feigl}. Broschüre ,,Wiener Schule``\IW{\wissweltauffassung} besprochen. \tbentry{25}{6}{1929}{\strich} Abends \uline{Waismann}\IN{\waismann} hier. Will \textit{So} \uline{heiraten}! Dann in Böhmerwald\IO{Böhmerwald}. \tbentry{26}{6}{1929}{} Für Vorlesung gearbeitet. \tbentry{27}{6}{1929}{} 3 Vorlesung. Mit Feigl\IN{\feigl} Plan für neuen Entwurf der Broschüre über Wiener Schule\IW{\wissweltauffassung}. Mit Fräulein \uline{Feix}\IN{\feix}; sie erzählt, warum sie nach~4jährigem Zusammensein sich von ihrem Freund getrennt hat. \uline{Zirkel\II{\schlickzirkel}.} Diskussion zwischen Waismann\IN{\waismann} und Hahn\IN{\hahnhans} über Atomsätze; zwischen Waismann\IN{\waismann} und mir über attributive oder relationale Form der ersten Sätze. \tbentry{28}{6}{1929}{} Wegen Milchstraße an Umschau\II{\rjumschauwissenschafttechnik} geschrieben.\fnE{Brief nicht überliefert. Möglicher Bezug auf Anderssen, ,,Dreht sich die Milchstraße um sich selbst?{}``.} Vorlesung vorbereitet. \tbtwoA{410} \tbentry{29}{6}{1929}{} Nachmittags und abends Feigl\IN{\feigl} und Kasper\IN{\kasper} hier. Zusammen Broschüre\IW{\wissweltauffassung} gearbeitet. \tbentry{30}{6}{1929}{} Nachmittags und abends mit Feigl\IN{\feigl} und Kasper\IN{\kasper} Broschüre\IW{\wissweltauffassung} gearbeitet. Ich stenographiere nach Feigls\IN{\feigl} Diktat; bis \textonehalf{}\,12. Feigl\IN{\feigl} ist zum Bauhaus\II{\bauhaus} berufen, für eine Woche, zu Vorträgen, durch Neuraths\IN{\neurath} Vermittlung.\fnE{Im Anschluss an Feigls Vorträge hat Carnap im Oktober 1929 selber Vorträge am Bauhaus in Dessau gehalten (TB~15.\,X.\,1929\diaryref{TB-15-X-1929}). Vgl. die kurzschriftliche Skizze ,,Feigl hat am Bauhaus vorgetragen`` vom 11.\,IX.\,1929 (\href{http://doi.org/10.48666/808084}{RC~110"~07"~44}).} \tbentry{1}{7}{1929}{} Mittags mit Hahn\IN{\hahnhans} über Zilsel\IN{\zilsel} und Broschüre\IW{\wissweltauffassung}. 3 Vorlesung. Zu Neuraths\IN{\neurath}\IN{\neuratholga}, mit Feigl\IN{\feigl} und Kasper\IN{\kasper}. Feigl\IN{\feigl} fährt morgen zum Bauhaus\II{\bauhaus}, Neurath\IN{\neurath} erzählt uns von Hannes Meyer\IN{\meyerhannes}. Nachdem Feigl\IN{\feigl} und Kasper\IN{\kasper} weg,~\neueseite{539863} diktiert Neurath\IN{\neurath} mir Broschüre\IW{\wissweltauffassung}. \tbentry{2}{7}{1929}{} Abends \sout{lange te} und \textit{Mi} früh langes Telefonieren mit Neurath\IN{\neurath} und Hahn\IN{\hahnhans}; dann ruft Neurath\IN{\neurath} Frank\IN{\frankphilipp} in Berlin\IO{Berlin} an. Schwierige Einigung mit den Berlinern über Prag\IO{Prag}\II{\pragertagung}. \tbentry{3}{7}{1929}{} Nachmittags zu Neurath\IN{\neurath}. Er diktiert mir Broschüre\IW{\wissweltauffassung} über Wiener Kreis\II{\schlickzirkel} weiter. Zürich\IO{Zürich} und Genf\IO{Genf} überlegt. \tbentry{4}{7}{1929}{} 3 Vorlesung (letzte). Sehr heiß. \sout{Abends} 7 bei Hahn\IN{\hahnhans}; mit ihm und Neurath\IN{\neurath} über Broschüre\IW{\wissweltauffassung}. 8 Zirkel\II{\schlickzirkel}. Reichenbach\IN{\reichenbach} über Realismus und Positivismus vorgelesen\IW{\reichenbachartikelhandbuch};\fnE{Reichenbach, ,,Ziele und Wege der physikalischen Erkenntnis``, 16\hbox{--}24. Vgl. auch Reichenbach an Carnap, 18.\,III.\,1929 (\href{http://doi.org/10.48666/808086}{RC~14"~03"~19}). Vgl. TB~16.\,IV.\,1927\diaryref{TB-16-IV-1927}.} seine Ausführungen werden sehr scharf kritisiert, als unklar. \tbentry{5}{7}{1929}{} Heiß. Briefe geschrieben. \tbentry{6}{7}{1929}{\kreuz} Sehr heiß. 6\textsuperscript{h} \uline{\ulinesp{Maue}\IN{\maue} kommt}}. \tbentry{7}{7}{1929}{\kreuz} Maue\IN{\maue} hat sich schwer von Hause getrennt! Oben im Wald beim Steinbruch zu Mittag. Abends nochmal spazieren, \gestrunl~Kino\IO{Wien!Kino} am Opernring\IO{Wien!Opernring}: ,,Siliva, der Zulu``, schöner Negerfilm. \tbentry{8}{7}{1929}{\kreuz} Mittags hinein, Besorgungen. Kino\IO{Wien!Kino} ,,Das Dorf der Sünde``, schöner neuer russischer Film. \tbentry{9}{7}{1929}{} \gestrunl\ Mittags Schönbrunn\IO{Wien!Schönbrunn}. Nachmittags Anprobe Unger\IO{Wien!Unger Herrenkonfektionsgeschäft}, dann zu Neuraths\IN{\neurath}\IN{\neuratholga}. Neurath\IN{\neurath} selbst kommt auch, erzählt von Rohs\IN{\rohfranz}\IN{\rohhilde}, \pagebreak ist sehr unzufrieden \tbtwoA{411} mit Franz\IN{\rohfranz}. Später Reidemeisterin\IN{\reidemeistermarie}. Dann auch Hahn\IN{\hahnhans}, wegen Maue\IN{\maue}. Ich mit Hahn\IN{\hahnhans} zum \uline{Zirkel}\II{\schlickzirkel}: \uline{Kaufmann}\IN{\kaufmannfelix} über Entscheidbarkeit.~\neueseite{539865}\fnA{Es folgt ein leerer Eintrag mit den Symbolen \original{\kreuz~\kreuz} im Datum.} %\tbentry{10}{7}{1929}{\kreuz\ \kreuz} \tbentry{11}{7}{1929}{} Nachmittags Kino\IO{Wien!Kino} ,,Der Würger``, Schauerstück. Nachmittags zu Neuraths\IN{\neurath}\IN{\neuratholga}, abends kommt Löwy\IN{\loewy}. \tbentry{12}{7}{1929}{} Endlich Abfahrt nach \uline{Heiligenkreuz}\IO{Heiligenkreuz},\ort{Heiligenkreuz} im Autobus. (Vorher immer zu unbestimmtes Wetter.) Schöne Lage und schönes Haus, aber mürrische Bedienung, und schlechte Betten mit nur Federbetten, daher schlimme Nacht, geschwitzt und gefroren. \tbentry{13}{7}{1929}{} \gestrunl\ Häufiger Regen; Spaziergang über Mayerling\IO{Mayerling} nach Alland\IO{Alland}, im Wald gelegen; Autobus zurück. \tbentry{14}{7}{1929}{} Warm. In der Sonne gelegen. Heimfahrt beschlossen, hauptsächlich wegen schlechter Betten; und weil Maue\IN{\maue} \textit{Mi} schon reisen will. Taxi nach Mödling\IO{Mödling}; Autobus.\ort{Wien} \tbentry{15}{7}{1929}{\kreuz} Mittags mit Maue\IN{\maue} \sout{zu} in Neuraths\IN{\neurath} Büro, Werkstätten besichtigt. Frau Direktor~\ldots{} aus Moskau\IO{Moskau}; Doktor Tocker\IN{\tucker} von österreichisch-russischer Gesellschaft\II{"Osterreichisch-russische Gesellschaft}. Mit ihm im Rathaus\IO{Wien!Rathaus} gegessen. Taxi zu Neuraths\IN{\neurath}\IN{\neuratholga}. \gestrunl{} Er schimpft, weil Reichenbach\IN{\reichenbach} wieder das Wort ,,Philosophie`` in die Prager Einladung\II{\pragertagung} gebracht hat. Er reist nach Deutschland\IO{Deutschland} ab. Wir bleiben bei Frau Neurath\IN{\neuratholga}. \sout{Ab} Nachts \kreuz, aber sanfte Kühle, schwer entzündbar. \tbentry{16}{7}{1929}{\kreuz} Mittags und nachmittags Besorgungen, Mariahilf\IO{Wien!Mariahilf}, innere Stadt. Heiß. Wieder sanfte Kühle; ich hinüber, Maue\IN{\maue} holt mich zurück. \tbentry{17}{7}{1929}{\kreuz} Nach langem Schwanken \textonehalf{}\,9 beschlossen: Maue\IN{\maue} bleibt noch 2~Tage. Dafür: \gestrunl\ Sie kann jetzt mindestens 8~Monate nicht kommen, ich habe jetzt Zeit, weil soeben Zürich\IO{Zürich} abgesagt hat; dagegen: Zuhause Wäsche, Kind\IN{\birgit}, Gramm\IN{\gramm} wartet, sanfte Kühle. Ganzen Tag zu Hause. Abends langen Spaziergang in den Wald hinauf.~\neueseite{539869} \tbentry{18}{7}{1929}{} Sehr heiß. Ganzen Tag zu Hause; Maue\IN{\maue} kocht mittags. Nachmittags 2~Stunden Broschüre\IW{\wissweltauffassung} gearbeitet. Abends Spaziergang Flötzersteig\IO{Wien!Flötzersteig}. Brief von Elisabeth\IN{\elisabeth}: Hannelieses\IN{\hanneliese} Erkrankung.\fnE{Elisabeth an Rudolf Carnap, 16.\,VII.\,1929 (\href{http://doi.org/10.48666/808088}{RC~025"~88"~50}).\baustellex{BIO}}\pagebreak \tbtwoA{412} \tbentry{19}{7}{1929}{} 10\,\textonehalf{} \uline{\ulinesp{Maue\IN{\maue} reist ab}}. \textspkl{[}Es war diesmal \ulinesp{eine schöne Zeit, aber manch\-mal Konflikte}; Maue\IN{\maue} leicht reizbar, vielleicht durch Schwangerschaft.\textspkl{]} Sehr heiß. Frau Mayerhofer\IN{\mayerhoferfrau} bringt mir mittags Essen. \textonehalf{}\,6 zu Neurath\IN{\neurath}. Hahn\IN{\hahnhans} dort. Ich lese Broschüre\IW{\wissweltauffassung} vor. Später Neuräthin\IN{\neuratholga} und Präsident Kokstein\IN{\kochstein}; dieser erzählt von Lourdes\IO{Lourdes}. Professor Josef \uline{Frank}\IN{\frankjosef}; er meint die Bauhäusler\II{\bauhaus} bereiten durch die verschiedene Bemalung der Stockwerke den nächsten Weltkrieg vor. (Er meint, dass die Deutschen immer so eigene, absonderliche Sachen machen und sich dadurch von allen anderen absondern.) \tbentry{20}{7}{1929}{} Briefe geschrieben. Sehr heiß. \tbentry{21}{7}{1929}{} Sehr heiß. Broschüre\IW{\wissweltauffassung} gearbeitet, fleißig. Mittags bringt Frau Mayerhofer\IN{\mayerhoferfrau} Essen. \tbentry{22}{7}{1929}{} Ebenso. \tbentry{23}{7}{1929}{} Ebenso. Abends endlich mal wieder etwas spazieren. \tbentry{24}{7}{1929}{} Ebenso. \tbentry{25}{7}{1929}{\strich} Ebenso. Broschüre\IW{\wissweltauffassung} fertig getippt! Abends endlich Gewitter.~\neueseite{539873} \tbentry{26}{7}{1929}{} Mittags in die Stadt. Besorgungen. Bali\IO{Bali}-Film.\fnE{Vermutlich ,,Bali, die Insel der Wunder``.} Abends zu Frau Neurath\IN{\neuratholga}; er\IN{\neurath} ist in Genf\IO{Genf}. Sie wirft den Männern vor, dass sie sich vom Exterieur der Frauen stärker beeinflussen lassen als von geistigen Fähigkeiten; ein ,,Tschapperl``, das lustig ratschen kann und hübsch ist, gefällt. \tbentry{27}{7}{1929}{} Briefe geschrieben. Bibliographie\IW{\wissweltauffassung} getippt.\fnE{Vgl. Verein Ernst Mach, \emph{Wissenschaftliche Weltauffassung}, 33\hbox{--}58.} \tbentry{28}{7}{1929}{\strich} Mittags zu \uline{Kaufmann}\IN{\kaufmannfelix}. Ganzen Nachmittag diskutiert: Seine kritischen Bemerkungen zur Konstitutionstheorie\IC{\konstitutionstheorie}\IC{\konstitutionstheorie}. Abends kommt er mit in die Ameisbachzeile\IO{Wien!Ameisbachzeile}. \tbentry{29}{7}{1929}{} Bibliographie\IW{\wissweltauffassung} getippt. \tbentry{30}{7}{1929}{} Briefe geschrieben. Gepackt. \tbentry{31}{7}{1929}{\kreuz} 10\,\textonehalf{}\,\hbox{--}\,20 \ulinesp{nach} \uline{\ulinesp{München}}\IO{München}.\ort{München} Maue\IN{\maue} an der Bahn\IO{München!Bahn}; sie kommt mit in Rohs\IN{\rohfranz} Wohnung. Zettel von Franz\IN{\rohfranz}: Kommt~\textonehalf{}\,11. Daher keine rechte Ruhe, Hemmungen (mehrmalige Versuche, bis schließlich). \tbtwoA{413} \tbentry{1}{8}{1929}{} Vormittags und mittags bei Gramms\IN{\gramm}\IN{\maue}. Er sehr freundlich und ungezwungen. Birgit\IN{\birgit} geht's sehr gut, sie spricht fabelhaft, schon ganze Sätze. Nachmittags mit \uline{Hilde}\IN{\rohhilde} im Hofgarten Caf\'{e}\IO{München!Hofgarten Caf\'{e}}. Sie berichtet. Franz\IN{\rohfranz} wollte mal ganz zu Lucia\IN{\luzia}; {\lspitz}da{\rspitz} \sout{Hilde Hilde} hat Hilde\IN{\rohhilde} von ihm verlangt, wie er früher von ihr, dass er ihr das Opfer bringe. Er hat es getan und Lucia\IN{\luzia} ganz aufgegeben. Seit einem Monat sind sie glücklicher, weil~\neueseite{539867} er wieder arbeitet. Abends mit Franz\IN{\rohfranz} \sout{zu} und Hilde\IN{\rohhilde} ins Kino\IO{München!Kino}; russischer Film von Wertow\IN{\wertoff} ,,Der Mann mit der Kamera`` mit Begleitworten von Franz\IN{\rohfranz}, ungeduldiges Publikum. \tbentry{2}{8}{1929}{} Vormittags mit Franz\IN{\rohfranz} spazieren. Ich erzähle von Wien\IO{Wien}, Prager Tagungspläne\II{\pragertagung}, Broschüre\IW{\wissweltauffassung}, Neurath\IN{\neurath}. Nachmittags \sout{zu Gramms}\IN{\gramm}\IN{\maue} und abends bei Gramms\IN{\gramm}\IN{\maue}. Mit Maue\IN{\maue} und Birgit\IN{\birgit} in den Schrebergarten\IO{München!Schrebergarten}. Birgit\IN{\birgit} spielt mit Kätzchen und ist sehr zutunlich zu mir. Mit Gramm\IN{\gramm} über seine Arbeit\IW{\grammbuch}, Buchstabensymbolik.\fnE{Vgl. Gramm, \emph{Formbau und Stilgesetz}, 4 etc.} \tbentry{3}{8}{1929}{} 12\,\hbox{--}\,20 nach \uline{\ulinesp{Hinterzarten}}\IO{Hinterzarten}. Dort Elisabeth\IN{\elisabeth}, Grete\IN{\grete}, Gall\IN{\gall}, Hanneliese\IN{\hanneliese} mit Auto. \ulinesp{Nach} \uline{\ulinesp{Wiesneck}\IO{Wiesneck}.}\ort{Wiesneck} \gestrunl\ Allen geht es gut, aber wir machen uns Sorgen über Hannelieses\IN{\hanneliese} Erkrankung, wird noch mindestens 1~Jahr Behandlung erfordern. Grete\IN{\grete} mager geworden. Elisabeth\IN{\elisabeth} meint: Sie ist unbefriedigt; sie geht nicht recht aus sich heraus. Sie ist jetzt viel mit Galls\IN{\galls} zusammen. Elisabeth\IN{\elisabeth} ist Gall\IN{\gall} ferner gerückt, weil sie durch Arbeit wenig Zeit hatte und er das als Zurücksetzung empfand. Ich wohne \uline{bei Kiechles}\IN{\kiechles}. \tbentry{4}{8}{1929}{} (Grete\IN{\grete} mit Gall\IN{\gall} zum Autorennen, auch nachmittags wieder nach Todtnauberg\IO{Todtnauberg}.) Mit Elisabeth\IN{\elisabeth} spazieren. Über Christiansen\IN{\christiansen} Buch\IW{\christiansengesicht}.\fnE{Christiansen, \emph{Das Gesicht unserer Zeit}.} \tbentry{5}{8}{1929}{} Vormittags zu \uline{Christiansen}\IN{\christiansen}. Sein Buch\IW{\christiansengesicht}. Metaphysik. Nachmittags Frau Cloos\IN{\clooselisabeth}, \uline{Gertrud}\IN{\gertrud} und Lisa\IN{\vogellisa} (wird 15, sieht glänzend aus) hier. Ich erzähle Gertrud\IN{\gertrud} von Maue\IN{\maue}, von beiden Kindern\IN{\birgit}\IN{\gerhardgramm}, Fotos; sage, dass sie unvorsichtig zu {\lspitz}Wieschen{\rspitz}\IN{\ruscheluise} gesprochen hat. Sie hat Weekend-Freund, der will sich scheiden lassen; ist auch noch mit Hannes Meyer\IN{\meyerhannes} befreundet. Abends alle ins Kino\IO{Wiesneck!Kino}, langweiliger englischer Film.~\neueseite{539871} \tbentry{6}{8}{1929}{} Broschüre\IW{\wissweltauffassung} fertiggemacht! (Elisabeth\IN{\elisabeth} nachmittags mit Christiansen\IN{\christiansen} nach Freiburg\IO{Freiburg}.) \uline{Gall}\IN{\gall} mit Grete\IN{\grete} und mir abends auf den \uline{Schauinsland}\IO{Schauinsland} gefahren, sehr schön; im Rasthaus\IO{Schauinsland!Rasthaus} gegessen; im Dunkeln zurückgefahren. Die beiden schmieden Alpenpläne\IO{Alpen} mit Klepperzelt. Über Elisabeth\IN{\elisabeth} und \tbtwoA{414} Christiansen\IN{\christiansen}. Gall\IN{\gall} sehr gegen Christiansens\IN{\christiansen} Buch\IW{\christiansengesicht}; ,,Gedankelei``. Beide gegen Christiansens\IN{\christiansen} Einfluss auf Elisabeth\IN{\elisabeth}. Gall\IN{\gall} beklagt sich, dass Elisabeth\IN{\elisabeth} unter Christiansens\IN{\christiansen} Suggestion sogar die schönen Erinnerungen an Erlebnisse mit ihm abweist. \tbentry{7}{8}{1929}{} \uline{Broschüre}\IW{\wissweltauffassung} druckfertig an Neurath\IN{\neurath}! (Elisabeth\IN{\elisabeth} mit Annemarie\IN{\annemarie} und Hanneliese\IN{\hanneliese} zum Titisee\IO{Titisee}, Hermann\IN{\ruscheotto} bleibt mit den beiden oben). Nachmittags mit Elisabeth\IN{\elisabeth}, Grete\IN{\grete}, Galls\IN{\galls} im Auto nach \uline{Breisach}\IO{Breisach}, im Rhein\IO{Rhein} gebadet. Zur Kiesbank\IO{Rhein!Kiesbank} hinuntergeschwommen. Abends bei Galls\IN{\galls}. Grete\IN{\grete} bringt mir und Gall\IN{\gall} Tanzen bei. \tbentry{8}{8}{1929}{\strich} Vormittags bei \uline{Christiansen}\IN{\christiansen}. Über Apriorismus. Er fragt, warum Elisabeth\IN{\elisabeth} nicht mehr die Gall\IN{\gall}-Unternehmungen so gern mitmacht wie früher. Ich weiß es nicht, sage, dass ich vermute, dass es sein Einfluss sei. Er aber: Er habe ihr im Gegenteil immer zugeredet. Ich frage Elisabeth\IN{\elisabeth}; sie sagt, das müssten wir doch fühlen, dass sie das nicht könne, weil Gall\IN{\gall} mehr von ihr fordere, als sie erfüllen könne. Mittags \uline{Merten}\IN{\merten} hier, bis~5\textsuperscript{h}. Er sieht schlecht aus, hat nervöse Magenbeschwerden. Susi\IN{\maurerfrau} meint, es komme vom Betrieb; er sagt aber, es habe persönlichere Gründe. Mit Hanneliese\IN{\hanneliese} Rechen- und Schreibstunde angefangen. \tbentry{9}{8}{1929}{} Vormittags mit \uline{Grete}\IN{\grete} in den Wald spazieren. (Elisabeth\IN{\elisabeth} in Freiburg\IO{Freiburg}.) Nachmittags mit Grete\IN{\grete} zum Kaffee in den Hirschen\IO{Buchenbach!Gasthaus Zum Hirschen}. Sie erzählt etwas von den Schwierigkeiten in Mexiko\IO{Mexiko}; Walter\IN{\diederichsenwalter} zu stark in Anspruch genommen, sie sieht ihn kaum. \sout{Abends mit Grete\IN{\grete} und Gall\IN{\gall} auf den \uline{Schauinsland}\IO{Schauinsland}.} Nachmittags mit Grete\IN{\grete} im Hirschen\IO{Kirchzarten!Gasthaus Zum Hirschen} Kaffee getrunken.~\neueseite{539879} \tbentry{10}{8}{1929}{} Vormittags kommt \uline{Lisa} Vogel\IN{\vogellisa}; alle sind aber weg. Sie liest alleine. Dann gehe ich mit ihr spazieren, auf die Burg\IO{Wiesneck!Burg}; sie hat alles seit 1919 nicht mehr gesehen. Lieber Kerl, munter und unbefangen, aber nicht vorlaut; ich schaue sie gern an. Nachmittags nimmt Gall\IN{\gall} \uline{Gertrud}\IN{\gertrud} und mich mit nach Todtnauberg\IO{Todtnauberg}. Dort mit Gertrud\IN{\gertrud} auf den Ebnehof\IO{Todtnauberg!Ebnehof} spazieren, Kaffee getrunken. Sie erzählt von ihrer Arbeit; Gymnastikunterricht in Lisa Gamlins\IN{\kaplinlisa} beiden Montessoriklassen in Berlin\IO{Berlin} \textit{N}. Sie hat Autofahren gelernt. Sie hat's schwer, ist aber sehr tapfer. Möchte Walter Kölliker\fnA{Original \original{Kölleke}.}\IN{\walterk} heiraten, sobald dieser geschieden ist; der hat Gärtnerei\IO{Wittenberg!Gärtnerei} in Wittenberg\IO{Wittenberg}; wird dann Frau und Kind unterstützen müssen und wenig für sich übrig haben. \tbtwoA{415} Abends \uline{Tanzfest}. \uline{Stackelbergs}\IN{\stackelberg}\IN{\stackelberglene} kommen im Auto; Lene\IN{\stackelberglene} erinnert mich, dass wir uns ,,Du`` sagen; sie fragt nach Wiener Universität\II{Universität Wien} und dem Kreis, sozialer Einstellung. Frau Reise\IN{\riesefrau}; er ist erkältet. Merten\IN{\merten}. Gertrud\IN{\gertrud}. Anne\IN{\christiansenanne} und Nudi\IN{\nudi}; ihr Freund (Rienäcker\fnA{Original \original{Reinecker}.}\IN{\reinecker}, Freiburg\IO{Freiburg}, Schwarzwaldstraße\IO{Freiburg!Schwarzwaldstraße}; Chemiker) kann leider nicht kommen. Auch Lisa\IN{Lisa}, \sout{und die} Annemarie\IN{\annemarie} und Hanneliese\IN{\hanneliese} dürfen lange aufbleiben; die Kinder sind sehr lieb und gehen ohne Protest schlafen, als es Zeit ist. Es wird fast immer getanzt; auch ich tanze viel und bekomme Lust daran, besonders mit Gertrud\IN{\gertrud}, auch mit Grete\IN{\grete}, Elisabeth\IN{\elisabeth}, Nudi\IN{\nudi}, Anne\IN{\christiansenanne}. Später Charade (\textit{V},~\textit{G}, \textit{H}, \textit{M}-Stil;\fnE{Vgl. Christiansen, \emph{Das Gesicht unserer Zeit}, 7, wo vier Stile beschrieben werden: der ,,vorgestrige (V)``, ,,gestrige (G)``, ,,heutige (H)`` und der ,,morgige (M)``.} Ernährung; Tee a terre {\lspitz}sans{\rspitz} fleur; Kameradschaftsehe). Bowle, Stackelberg\IN{\stackelberg} trinkt immerzu. Merten\IN{\merten} ist sehr lustig, Gall\IN{\gall} tanzt \unl\ auch, aber sehr wenig. Mal sitzt Lini\IN{\eline} auf Elisabeths\IN{\elisabeth} Schoß, und die gibt sie dann auf meinen herüber; daneben Gertrud\IN{\gertrud} mit Annemarie\IN{\annemarie}; Töchtertisch. \gestrunl\ Ich schleiche \textonequarter{}~vor~2 heimlich weg; sehr müde, kann aber stundenlang nicht schlafen. Tanzanstrengung, Erregung, muss auch viel an das liebe Lisa\IN{Lisa}-Kind denken. \uline{Ernst Cloos}\IN{\cloosernst} kam von Falkau\IO{Falkau} zu Rad hinunter.~\neueseite{539875} \tbentry{11}{8}{1929}{} (\uline{Ernst Cloos}\IN{\cloosernst} ist schon 7~Uhr wieder weg; er hatte, in weißen langen Hosen, sehr schön getanzt, besonders den langsamen Tango; Gertrud\IN{\gertrud} war nachts schon mit Galls\IN{\galls} weg, um den letzten Tag bei ihrer Mutter zu sein, das tat ihr leid). In 2~Autos mit Gall\IN{\gall} und Stackelbergs\IN{\stackelberg}\IN{\stackelberglene} nach \uline{Sankt Märgen\IO{Sankt Märgen} zum Baden} im Teich. Sehr nett und lustig. Dabei auch \gestrunl\ Nudi\IN{\nudi} und Anne\IN{\christiansenanne}; Annemarie\IN{\annemarie} und Hanneliese\IN{\hanneliese}; Lisa\IN{Lisa}. Lisa\IN{Lisa} sitzt im Auto zwischen mir und Grete\IN{\grete}, die ihren Arm um sie legt. Geschwommen, geturnt, fotografiert (Annemarie\IN{\annemarie} auf meinem Knie stehend;\foto{Annemarie am Knie} ebenso hat es auch Lisa\IN{Lisa} gemacht).\fnE{Vgl. Abb.\,\refcn{lisa}.} \textonehalf{}\,3 zu Hause, gegessen. Im Garten gelegen. Grete\IN{\grete} und ich fahren mit Stackelbergs\IN{\stackelberg}\IN{\stackelberglene} hinunter, zu Galls\IN{\galls}; mit diesen im Römerhof\IO{Sankt Märgen!Römerhof} Kaffee getrunken. 6\textsuperscript{h}~mit Galls\IN{\galls} nach Todtnauberg\IO{Todtnauberg}; Gall\IN{\gall} mit Grete\IN{\grete} spazieren; ich gerate in eine Schar von 11~Gall\IN{\gall}-Verwandten. Abends 10\textsuperscript{h} Heimfahrt; Erna\IN{\erna} und Elfriede\IN{\elfriedegall} schlafen zu meinen beiden Seiten, den Kopf auf meiner Schulter. \tbentry{12}{8}{1929}{} Abends in Gretes\IN{\grete} Zimmer. Rate ihr, auf die Alpenfahrt\IO{Alpen} ,,nicht zu viel Gepäck`` mitzunehmen, die ,,guten Vorsätze`` zur Monogamie zu Hause zu lassen. Ich erzähle ihr, dass ich so entzückt von Lisa\IN{\vogellisa} war. \tbtwoA{416} \tbentry{13}{8}{1929}{} Briefe geschrieben. Nachmittags erzählt mir Grete\IN{\grete}, dass sie gestern Abend von Elisabeth\IN{\elisabeth} (beide in der Badewanne) erst über Lini\IN{\eline} erfahren hat; hat daher die Nacht wenig schlafen können. War konsterniert, dass es ihr so lange verheimlicht worden war; versteht jetzt vieles von mir besser. (Nachmittags fährt Grete\IN{\grete} mit Gall\IN{\gall} nach Höchenschwand\IO{Höchenschwand}; abends Elisabeth\IN{\elisabeth} mit Christiansen\IN{\christiansen} in Freiburg\IO{Freiburg}.)~\neueseite{539883} \tbentry{14}{8}{1929}{} Vormittags \uline{Freiburg}\IO{Freiburg}, Besorgungen (Pralinen an Lisa\IN{\vogellisa} geschickt). \uline{Mieze} Roehr\IN{\rossermieze}, geb. Schefold, ist mit ihren Eltern am Hauptbahnhof\IO{Freiburg!Hauptbahnhof}; Gall\IN{\gall}, Grete\IN{\grete} und ich holen sie dort im Auto ab. Nachmittags 5\textsuperscript{h} nach \uline{Sankt Märgen}\IO{Sankt Märgen}, im \uline{Teich}\IO{Sankt Märgen!Teich} gebadet, auch Elfriede\IN{\elfriedegall} und Elisabeth\IN{\elisabeth}. Abends Grete\IN{\grete}, Mieze\IN{\rossermieze} und ich zu Gall\IN{\gall} (Erna\IN{\erna} ist verreist; Elisabeth\IN{\elisabeth} bei Christiansen\IN{\christiansen}); gegessen; auf dem Teppich gelegen, Grammophon: Beethoven\IN{\beethoven}, 5. Symphonie. \tbentry{15}{8}{1929}{} Mittags alle per Bahn nach Littenweiler\IO{Littenweiler}, mit Gall\IN{\gall} nach \uline{Breisach}\IO{Breisach}. Geschwommen, Kiesbank. Münster\IO{Münster} besichtigt. (Gall\IN{\gall}, Grete\IN{\grete}, Elisabeth\IN{\elisabeth}, Mieze\IN{\rossermieze}, ich). Abends bei Gall\IN{\gall}; wieder auf dem Boden gelegen; Grammophon Beethoven\IN{\beethoven}; Miezes\IN{\rossermieze} Kopf auf meinem Arm, aber ziemlich spröde. \tbentry{16}{8}{1929}{} \uline{Mieze}\IN{\rossermieze} fährt nach Bern\IO{Bern}. \sout{Elisabeth} Mit Elisabeth\IN{\elisabeth}, Annemarie\IN{\annemarie}, Hanneliese\IN{\hanneliese} und Hermann Frank\IN{\frankhermann} auf den \uline{Feldberg}\IO{Feldberg}. Zu Fuß vom Feldbergerhof\IO{Feldbergerhof} auf dem Felsenweg\IO{Felsenweg}, hinunter zum Feldsee\IO{Feldsee}, geschwommen, Sonnenbad; zu Fuß über Silberberg\IO{Silberberg} nach Hinterzarten\IO{Hinterzarten}; 8\textsuperscript{h} zu Hause. Müde. In der Bahn sagt Elisabeth\IN{\elisabeth}, dass es ihr schwer ist, dass wir so gegen sie zusammenhalten. Aber sie sperrt sich innerlich selbst gegen uns ab, durch Christiansens\IN{\christiansen} Einfluss. \tbentry{17}{8}{1929}{} \uline{Autofahrt in die Schweiz\IO{Schweiz}.} Wiesneck\IO{Wiesneck} ab~11\textsuperscript{h}; Gall\IN{\gall}, Elfriede\IN{\elfriedegall}, Grete\IN{\grete}, ich. Regnerisch. Schluchsee, Höchenschwand\IO{Höchenschwand}, Waldshut\IO{Waldshut}, Fähre über Rhein\IO{Rhein} nach Koblenz\IO{Koblenz}. Tal der Aare\IO{Aare}; Baden\IO{Baden}, \uline{Zürich}\IO{Zürich}.\ort{Zürich} Zu Giedion\IN{\giedion}, im Gartenhäuschen gegessen. Wir rufen \textit{CW}\IN{\giedionfrau} in Amden\IO{Amden} an, soll nach Weesen\IO{Weesen}~\neueseite{539877} herunterkommen; Giedion\IN{\giedion} sehr freundlich. Gall\IN{\gall} muss noch seinen Mathis-Wagen probieren. Buchhändler Girsberg\IN{\girsberg} und Frau kurz begrüßt. Am Zürichersee\IO{Zürichsee} (Nordseite) entlang nach \uline{Weesen}\IO{Weesen}. \textit{CW}\IN{\giedionfrau} nicht im Caf\'{e}\IO{Weesen!Caf\'{e}}; telefoniert; sie könnte den Jungen nicht alleine lassen, hätte auch zu Fuß wieder (1\,\textonehalf{}~Stunde) hinauf müssen. Will vielleicht nach Buchenbach\IO{Buchenbach} kommen, wenn sie Auto fahren kann; ich soll 1.~Sept. nach Zürich\IO{Zürich} kommen, Franz\IN{\rohfranz} komme auch hin; sie gibt aber zu, dass sie da unter strenger Aufsicht steht; aber keine Briefzensur. Da Klausenpass\IO{Klausenpass} durch Rennen übervölkert, entschließen wir uns zur großen Fahrt über Chur\IO{Chur}. Im Dunkeln am Walensee\IO{Walensee} vorbei, Hochstra\-\tbtwoA{417}ße, sehr schön. Walenstadt\IO{Walenstadt}. Hinüber ins Rheintal\IO{Rheintal}, Sargans\IO{Sargans}. Rheinbrücke\IO{Rheinbrücke}. Landquart\IO{Landquart}; \uline{Chur\IO{Chur}.}\ort{Chur} Hotel Stern\IO{Chur!Hotel Stern} (pro Bett~4\,Fr). Sehr wenig geschlafen.\setort{Zürich} \tbentry{18}{8}{1929}{}\setort{Chur} 6\textsuperscript{h} aufgestanden, 8\textsuperscript{h} Abfahrt; Rheintal\IO{Rheintal}, dann weiter ins vordere Rheintal\IO{Rheintal}. Gebadet. Rechts hoch nach \uline{Flims}\IO{Flims} hinauf und wieder ins Tal hinunter. \uline{Disentis\IO{Disentis};} Prozession; degenerierte Gesichter; Imbiss.\fnE{Vgl. Abb.\,\refcn{rhein}.} Sedrun\IO{Sedrun}. Steil hinauf, Serpentinen; links der Rhein\IO{Rhein}, hoher schmaler Wasserfall. Herrliche Gegend. \uline{Oberalppass}\IO{Oberalppass}, im Regen. Hinunter nach \uline{Andermatt}\IO{Andermatt} (von dort geht es auf den Gotthard\IO{Gotthard}). Durch steile Schlucht mit riesigen Felswänden hinunter; Teufelsbrücke\IO{Teufelsbrücke}. Göschenen\IO{Göschenen} (Eingang zum grossen Gotthardtunnel\IO{Gotthardtunnel}.) Altdorf\IO{Altdorf}, \uline{Axenstraße}\IO{Axenstraße}, \uline{Vierwaldstätter} See\IO{Vierwaldstätter See}. Brunnen; aus dem Caf\'{e} weggelaufen, weil sie uns nicht bedienen; \gestrunl\ wir sind nicht vornehm genug. Schwyz\IO{Schwyz}. Im Regen nach \gestrunl{} Immensee\IO{Immensee} am Zuger See\IO{Zuger See}; Caf\'{e}. Küssnacht\IO{Küssnacht}. (Nicht mehr nach Luzern\IO{Luzern}.) Im Regen zurück, lange Fahrt im Dunkeln:~\neueseite{539887} Dietikon\IO{Dietikon} (Zürich\IO{Zürich} bleibt rechts), Baden\IO{Baden}, Waldshut\IO{Waldshut}, Titisee\IO{Titisee}; \textonehalf{}\,12~\uline{Wiesneck}\IO{Wiesneck}.\ort{Wiesneck} Sehr müde. Annemarie\IN{\annemarie} noch zum Abschied geweckt (reist morgen früh nach Gebesee\IO{Gebesee}\II{\landerziehungsheimgebesee} zurück). \tbentry{19}{8}{1929}{} (Elisabeth\IN{\elisabeth} nach Karlsruhe\IO{Karlsruhe} zum Rechtsanwalt, Sache Thieme\IN{\rjthieme}.)\baustellex{BIO} Briefe geschrieben. Mit Gall\IN{\gall} nach Sankt Märgen\IO{Sankt Märgen} und zurückgefahren (er~holt die Tante). \tbentry{20}{8}{1929}{\strich} Nachmittags \uline{Freiburg}\IO{Freiburg}. Besorgungen. Mit Elisabeth\IN{\elisabeth}, Grete\IN{\grete}, Gall\IN{\gall} ins Kino\IO{Freiburg!Kino}: ,,Das gottlose Mädchen``, aufregender Film, amerikanische Erziehungsanstalt mit harten Methoden. \tbentry{21}{8}{1929}{} Mittags Nudi\IN{\nudi} hier. Gall\IN{\gall} telefoniert, wird anscheinend eifersüchtig, als er hört, dass Ernst\IN{\cloosernst} kommt. Nachmittags \uline{Ernst Cloos}\IN{\cloosernst}, erzählt sehr interessant vom Irak\IO{Irak}. \uline{Abends Tanz.} Nudi\IN{\nudi}, Doktor Rienäcker\IN{\reinecker} (ich sehe ihn zum ersten Mal, schmales sympathisches Gesicht), Marga Dengler\IN{\denglermarga} (lebhaft, die anderen sagen zwar: wenn in Stimmung, ,,Hemmungen``; ist mit dem Forstmann Tuck\IN{\tuck} verlobt; Nudi\IN{\nudi} sagt, sie liebt ihn nicht besonders). Es wird meist getanzt; ich auch, alle sagen, es ginge schon ganz gut, aber es ist noch schlecht, obwohl ich das Gefühl schon habe. Spiele: Personen darstellen. Marga\IN{\denglermarga} redet mich plötzlich auf schwedisch an. Bis~1\textsuperscript{h}. Grete\IN{\grete} küsst mich wieder zum Gute-Nacht-Sagen! Heute hat sie mir erzählt, dass sie nicht möchte, dass Gall\IN{\gall} sie küsst, weil sie ihn nicht liebt! Er sei gestern sehr betrübt \uline{darüber gewesen (der 10000.\,\textit{km}!)}; aber er sei nicht ihr Typ; sie liebe mehr die Verhaltenen. \tbtwoA{418} \tbentry{22}{8}{1929}{} (Elisabeth\IN{\elisabeth} mittags und nachmittags mit Christiansen\IN{\christiansen}; Titisee\IO{Titisee}). \mbox{Nudi}\IN{\nudi} mittags bei uns; wird von Rienäcker\IN{\reinecker} dann plötzlich abgeholt, Sankt~Märgen\IO{Sankt Märgen} baden. Nachmittags Grete\IN{\grete} mit Gall\IN{\gall} zum Birkenwäldchen. Abends Gespräch mit Elisabeth\IN{\elisabeth} und Grete\IN{\grete};~\neueseite{539885} Prinzipielles über Ehe und Eheschwierigkeiten. Elisabeth\IN{\elisabeth} betont jetzt selbst (im Unterschied zu ihrer früheren Meinung) die Wichtigkeit der Sexualität und die Verkehrtheit des Zustandes, dass 2~Unerfahrene sich heiraten; ich sage ihr, dass unsere Anfangsschwierigkeiten durch ihren Krampf verursacht waren. Sie spricht ziemlich deutlich von dem, was die Männer wissen müssten. \sout{Ich} Über Galls\IN{\galls}; ich sage, dass ich \gestrunl\ glaube, dass die kühle Erna\IN{\erna} es nur bei einem anderen Mann lernen könnte. Grete\IN{\grete} geht dann schlafen; das Gespräch ist ihr wohl zu unheimlich geworden.{\tolerance2000\par} Christiansen\IN{\christiansen} ist gekränkt, dass ich Elisabeth\IN{\elisabeth} zugemutet hätte, die Geliebte Galls\IN{\gall} zu werden; Urteil ohne Kenntnis der Fakten, aufgrund von Elisabeths\IN{\elisabeth} Bericht! \tbentry{23}{8}{1929}{} Mittags Nudi\IN{\nudi} hier. Nachmittags mit Grete\IN{\grete} und Elisabeth\IN{\elisabeth} nach Freiburg\IO{Freiburg}. Ich zu Merten\IN{\merten}. Über die Broschüre\IW{\wissweltauffassung}; er hat Bedenken gegen die Herleitung des Metaphysikkampfes aus dem Klassenkampf; gegen die Verweisung alles nicht streng Theoretischen in die Kunst, es gebe doch Mischformen mit Berechtigung. Abends Gall\IN{\gall} und Erna\IN{\erna} bei uns; lustig, wir erzählen Legenden von der Schweizer Fahrt. Gall\IN{\gall} sehr nervös gegen Erna\IN{\erna}. \tbentry{24}{8}{1929}{} Ernst Cloos\IN{\cloosernst} plötzlich weg. Tanz Titisee\IO{Titisee} fällt also ins Wasser. Vormittags Gall\IN{\gall} hier, fotografiert mich und Gretes\IN{\grete} Kinder.\fnE{Vgl. Abb.\,\refcn{carnapfotogall}.} Mittags etwas Spannung mit Elisabeth\IN{\elisabeth}, ausgelöst durch die Frage der Kosten für Hanneliese\IN{\hanneliese}. Dadurch auch Grete\IN{\grete} innerlich erregt. Als Gall\IN{\gall} uns abholt, kommt es zum {\lspitz}Ausbruch{\rspitz}. Sie tauscht dann im Auto mit Hanneliese\IN{\hanneliese}, und ich beruhige sie, die Tränlein fließen. Gall\IN{\gall} aber ist's nicht recht, dass sie Trost bei mir sucht statt bei ihm. Wir 4 nach \uline{Todtnauberg}\IO{Todtnauberg}.\ort{Todtnauberg}\fnE{Vgl. Abb.\,\refcn{todtnauberg}.} Dann ohne Gall\IN{\gall}, der seinen Bruder besucht, wieder hinunter, nach Freiburg\IO{Freiburg}, \uline{Mieze\IN{\rossermieze} abgeholt},~\neueseite{539891} die aus Bern\IO{Bern} von der Kropfuntersuchung kommt. Hanneliese\IN{\hanneliese} in Wiesneck\IO{Wiesneck} abgesetzt, wir 3 wieder nach Todtnauberg\IO{Todtnauberg}; Abendessen, \gestrunl\ ich mit Grete\IN{\grete} und Mieze\IN{\rossermieze} an besonderem Tisch. Mit Gall\IN{\gall} wieder hinunter. \tbentry{25}{8}{1929}{\strich} \uline{Nudis}\IN{\nudi} letzter Ferientag. Da wir zu keinem Entschluss kommen, braust sie mit Rienäcker\IN{\reinecker} los. Wir treffen sie zufällig am \uline{Schluchsee}\IO{Schluchsee}:\ort{Schluchsee} Gall\IN{\gall}, Elfriede\IN{\elfriedegall}, Grete\IN{\grete}, Mieze\IN{\rossermieze}, ich. Sandstrand, gebadet. Abendessen in Seebrugg\IO{Seebrugg} \tbtwoA{419} auf der Terrasse. Abends bei Galls\IN{\galls}, Grammophon, Beethoven\IN{\beethoven}, 3.~Symphonie; wir liegen alle auf dem Boden. Nachher wird noch getanzt, ich nicht. Heimfahrt, Grete\IN{\grete} setzt sich wieder nicht neben Gall\IN{\gall}, sondern ich vorn. Hinten Rienäcker\IN{\reinecker} zu Füßen der drei Damen. (Elisabeth\IN{\elisabeth} war mit Christiansen\IN{\christiansen} auf dem Feldberg\IO{Feldberg}.)\ort{Wiesneck}\setort{Schluchsee} \tbentry{26}{8}{1929}{}\setort{Wiesneck} Abends finde ich Elisabeth\IN{\elisabeth} alleine tanzend, tanze mit ihr, schön erregt. Wir holen Mieze\IN{\rossermieze} herunter, telefonieren Nudi\IN{\nudi} herbei, Grete\IN{\grete} kommt vom Spaziergang mit Gall\IN{\gall} spät heim; so tanze ich viel mit den 4~Frauen, am besten mit Nudi\IN{\nudi}, auch mit Elisabeth\IN{\elisabeth} gut. Wir sind sehr vergnügt. Gehe mit Nudi\IN{\nudi} bis Kiechles\IN{\kiechles}, nicht weiter; Gefahr des Kusses. \tbentry{27}{8}{1929}{} Nachmittags kommt Gall\IN{\gall} und hat 3 Plätze frei; auf einmal wollen wir alle 4 mit! (Erstaunlich! Aber Elisabeth\IN{\elisabeth} hatte Broder\IN{\christiansen} abgesagt, um zum Gedenktag mit mir zu sein.) Wir klemmen uns hinein; nach \uline{Todtnauberg}\IO{Todtnauberg}.\ort{Todtnauberg} Spazieren; ich mit Elisabeth\IN{\elisabeth}. Sie sagt, wenn ich Agnes\IN{\agnes} von Eline\IN{\eline} erzählen wolle, müsse ich ihr auch mein früheres Verhalten gegen Elisabeth\IN{\elisabeth} erzählen und zwar übertrieben, weil sie alles von mir zum~\neueseite{539893} Guten nehme. Nachher ärgert sie sich, dass die ganze Schuldfrage wieder aufgerollt worden ist; nimmt sich vor, nicht mehr alles so auf sich zu beziehen. Wir wollen alles Vergangene ganz hinter uns lassen. Wir mit Grete\IN{\grete}, Mieze\IN{\rossermieze}, Gall\IN{\gall}, Galls Bruder und Schwägerin auf dem Ebnehof\IO{Ebnehof} abendgegessen; sehr schöner Abend. Heftige Diskussion über Eckener\IN{\eckener};\fnE{Hugo Eckener überquerte als Erster den Atlantik in einem Zeppelin. 1929 unternahm er eine Weltfahrt mit dem Zeppelin LZ 127. Vgl. ,,\,,Graf Zeppelin` in Los Angeles``, \emph{Freiburger Zeitung} 146 (233), 27.\,VIII.\,1929 (Erstes Morgenblatt), 1.} Galls\IN{\galls} halten ihn für sehr ehrgeizig; Elisabeth\IN{\elisabeth} bestreitet es energisch aus der Schrift: Er wolle sich immer einer höheren Idee unterstellen. Ich versuche ihr zu erklären, wie nahe das beieinandersteht. \tbentry{28}{8}{1929}{} 9\,\hbox{--}\,12 nach \uline{\ulinesp{Lichtental}}\IO{Lichtental}.\ort{Lichtental} Agnes\IN{\agnes} und Ursula\IN{\kaufmannursula} kommen aus Soglio\IO{Soglio}. Agnes\IN{\agnes} hat geschäftliche Sorgen wegen Verwicklungen der Verwalter, vielleicht soll \textit{AG} gemacht werden; sie arbeitet mit heftigen Gefühlsreaktionen, ohne viel zu wissen. Sie meint, Reinhard\IN{\reinhardkaufmann} achte nicht genügend {\lspitz}zäh{\rspitz} auf seinen Vorteil. Sie erwartet Mitte Nov. das Kind\IN{\kaufmanngerhard}.\fnE{Gerhard Kaufmann wurde am~14.\,XI.\,1929 geboren.} Sie ist zart und empfindlich, ich erzähle deshalb nicht von Lini\IN{\eline}; zeige aber Bilder von Gittli\IN{\birgit} und erzähle vom zweiten Kind\IN{\gerhardgramm}.\fnE{Gerhard Gramm.}\pagebreak \tbtwoA{420} \tbentry{29}{8}{1929}{} Mehrmals mit Agnes\IN{\agnes} spazieren. Ursula\IN{\kaufmannursula} ist munter und unternehmungslustig. Ich sage Agnes\IN{\agnes}, dass sie sie nicht zu sehr gängeln soll. 7\,\hbox{--}\,10\,\textonehalf{} nach \uline{Wiesneck}\IO{Wiesneck}.\ort{Wiesneck} Niemand zu Hause. Plötzlich kommt das Auto, ich sehe \uline{Albrecht}\IN{\albrecht}. \tbentry{30}{8}{1929}{} Mittags kommt \uline{Albrecht}\IN{\albrecht}. Nachmittags 1~Stunde mit ihm im Wald gesessen. Ich bitte ihn, seine Missbilligung meiner Handlungsweise auszusprechen. Zuerst wirtschaftlich; ich kläre ihn über die \sout{Einigung} Vereinbarung auf, und er ist~\neueseite{539889} befriedigt. Auf mein Verlassen Elisabeths\IN{\elisabeth} geht er nicht ein; das seien Dinge, in die er sich nicht mischen wolle. Daher erzähle ich auch nichts von Lini\IN{\eline}. Es ist ihm ein Rätsel, warum ich wieder herkomme; er hält scharfe Trennung für besser, besonders wegen Elisabeths\IN{\elisabeth} Gefühlen, die noch an mir hängen. Wir verstehen uns gut; er dankt mir zum Schluss, dass ich die Aussprache herbeigeführt habe. (Nachts schläft Albrecht\IN{\albrecht} mit Grete\IN{\grete} und Mieze\IN{\rossermieze}, diese zwischen beiden, auf dem Hügel; früh fährt er nach Stuttgart\IO{Stuttgart}.) \tbentry{31}{8}{1929}{\strich} (Elisabeth\IN{\elisabeth} mit Hanneliese\IN{\hanneliese} und Lini\IN{\eline} auf den Feldberg\IO{Feldberg}.) Geschrieben, gekramt. [\uline{Lina Kiechle}\IN{\kiechlelina} will Hanneliese\IN{\hanneliese} nehmen und behandeln; zunächst für 100\,\textit{M} monatlich; wenn sie damit nicht auskommt, wird sie schreiben.] \tbentry{1}{9}{1929}{} Vormittags und mittags \uline{Merten}\IN{\merten} da. Erzählt vom Katholikentag\II{\katholikentag}.\fnE{68. Katholikentag, 28.\,VIII.\,\hbox{--}\,1.\,IX.\,1929 in Freiburg.} Nachmittags \uline{Galls}\IN{\galls} zum Tee. Ich zeige ihnen Gittli\IN{\birgit} Bilder, sie sind sehr entzückt. Abends kommen \uline{Nudi}\IN{\nudi}, Anne\IN{\christiansenanne}, Rienäcker\IN{\reinecker} zum Tanzen. Ich tanze viel und mit Vergnügen, besonders mit Elisabeth\IN{\elisabeth}, die sich gut von mir führen lässt, und Nudi\IN{\nudi}, die sehr unbefangen ist; sie nennt mich aus Versehen ,,Du``, wischt die Hände an meiner Lederhose ab. Nachmittags Ärger über Kontoauszug aus Mexiko\IO{Mexiko}; ich schütte ihn am Teetisch im Garten aus. \tbentry{2}{9}{1929}{} Vormittags \uline{Freiburg}\IO{Freiburg}. \uline{Doktor {\lspitz}Taege{\rspitz}}\IN{\taege} (siehe besonderen Zettel).\fnE{Nicht überliefert.}~\neueseite{539895} Mittags \uline{Nudi}\IN{\nudi} abgeholt, kaufe ihr englisches Käppi, Blumen am Münsterplatz\IO{Freiburg!Münsterplatz}, Schokolade, Obst; sie geht baden, freut sich. \uline{Nachmittags} mit Elisabeth\IN{\elisabeth} gekramt. Ich mache gegen \uline{Christiansen}\IN{\christiansen} Vorwürfe zu Elisabeth\IN{\elisabeth}, dass er mich seit über 3~Wochen nicht zu sich lässt; sie sagt, er kann nicht mit mir sprechen, wegen Lini\IN{\eline}, Gall\IN{\gall} usw.; unsere Meinungsunterschiede sind zu groß, sprechen \gestrunl\ geht da nicht. Meine Vorwürfe machen ihr Kummer. 2~Kisten gepackt; dabei gelbrotes Kissen mit Fransen \shortenpage(Geschenk von Elisabeth\IN{\elisabeth}; von {\lspitz}Friedel{\rspitz}\IN{\friedel} gewebt) und brauner \tbtwoA{421} Krug, der mir gut gefällt. Abends noch Gall\IN{\gall}, Mieze\IN{\rossermieze}, Grete\IN{\grete}, auch Nudi\IN{\nudi} kurz, auf der Veranda. \tbentry{3}{9}{1929}{} Gall\IN{\gall} im \uline{Auto nach Hirschsprung}\IO{Hirschsprung}; dabei: Grete\IN{\grete} mit Klaus\IN{\klaus} und Sven\IN{\sven}, Hanneliese\IN{\hanneliese}, Mieze\IN{\rossermieze}. Elisabeth\IN{\elisabeth} nicht mit; vielleicht wird's ihr zu schwer; vielleicht gekränkt, dass ich sie nicht extra dazu auffordere? 9\,\hbox{--}\,6 \ulinesp{nach \ulinestr{München}\IO{München},\ort{München} zu Gramms}\IN{\gramm}\IN{\maue}. Er ist verreist. Ille\IN{\elli} da; munter und sympathisch. Keusche Nacht mit Maue\IN{\maue}, sanfte Kühle. Sie möchte, dass ich länger als 2~Tage bleibe, Gittli\IN{\birgit} sehr freundlich zu mir. \tbentry{4}{9}{1929}{\kreuz} Mittags schläft Ille\IN{\elli} in meinem Arm. Nachmittags mit Maue\IN{\maue} und Ille\IN{\elli} ins Kino\IO{München!Kino}: ,,Om mani padme hum``, Filchners\IN{\filchner} Tibetfilm; Lagerlöf\IN{\lagerloef}, ,,\editor{Die} Herrenhofsaga``. Nachher Ille\IN{\elli} zu Franz\IN{\rohfranz}, kommt erst \textonehalf{}\,3 nachts heim! Sitzt an meinem Bett, Kuss.~\neueseite{539899} \tbentry{5}{9}{1929}{\kreuz} Wegen Hitze bleiben wir im Haus. Abends holt \uline{Franz\IN{\rohfranz} im Auto} mit Tschichold\IN{\tschichold} Maue\IN{\maue} und mich ab; dazu Frau Tschichold\IN{\tschicholdfrau}; in einer Wirtschaft Abendgegessen. Nachts: Im letzten Augenblick Störung; dann geht's; zum ersten Mal posteriori versucht. \tbentry{6}{9}{1929}{\kreuz} Nachmittags mit Maue\IN{\maue} in die Stadt. Besorgungen. Kino\IO{München!Kino}: ,,Simba``, Löwenfilm aus Afrika\IO{Afrika}, sehr schöne Tierbilder.~-- Nachts ,,Pferdchen``. \tbentry{7}{9}{1929}{\kreuz} Ganzen Nachmittag mit Maue\IN{\maue} und Birgit\IN{\birgit} im Garten; auf dem Rasen gelegen. Abends \uline{,,Unterricht`` von Maue}\IN{\maue}, im Dunkeln (siehe besonderen Zettel).\fnE{Scheint nicht erhalten zu sein.} \kreuz\ vorn; schön. \tbentry{8}{9}{1929}{} Mit \uline{Franz}\IN{\rohfranz} im \uline{Auto} nach \uline{Garmisch}\IO{Garmisch}.\ort{Garmisch} Ich weigere mich, zu Franz\IN{\rohfranz} zu kommen, lasse mich hier abholen; und richtig: Wir fahren \sout{m\unl\ Verspätung} um~12 anstatt~8. Student Bab\IN{\bab} lenkt. \textonehalf{}\,3~Garmisch\IO{Garmisch}, Pension Edelweiß\IO{Garmisch!Pension Edelweiß}; \textonehalf{}\,4~kommt \uline{Flitner}\IN{\flitner}. Wir fahren zusammen nach \uline{Untergrainau}\IO{Untergrainau}, Hotel Waxenstein\IO{Untergrainau!Hotel Waxenstein}. Ich entschließe mich auf Rohs\IN{\rohfranz} Drängen den Abend zu bleiben. Wir fahren zum Eibsee\IO{Eibsee}. Zu Fuß zurück. Flitner\IN{\flitner} erzählt vom Kongress Cambridge\IO{Cambridge}. Die amerikanischen Pädagogen sind seinen Gedanken verwandt; sie knüpfen an den Behaviorismus an, dessen radikales erkenntnistheoretisches Prinzip er aber nicht kennt! Gespräch über Metaphysik. Flitner\IN{\flitner} meint, meine Logik gelte nur für das Physikalische in den Sätzen, nicht für das Sprechen im vollen Sinne. Meine positivistische Auffassung des Staates (in der Konstitutionstheorie\IC{\konstitutionstheorie}\IC{\konstitutionstheorie}) habe mich die Professur in Kiel\IO{Kiel} gekostet! \shortenpage Es gebe 2~Grade von Wirklichkeit, die \tbtwoA{422} höhere Wirklichkeit komme nicht den Dingen zu, sondern der ,,personalen`` Sphäre, in der ich mit den anderen Menschen, dem Staat usw. lebe. Übersetzbar in Eskimosprache sei eben nur das dürftige Physikalische,~\neueseite{539901} das Wesentliche bleibe zurück. Im Lebensgefühl stecke auch Erkenntnis, werde auch ein Sachverhalt erfasst! Noch beim Abendessen eifrig weitergesprochen. Aber ergebnislos. Er meint, wir, besonders ich, hätten die Beziehung zur Realität verloren, auch zur Ehe, zu Kindern, zur Religion, zu allem Wirklichen. \tbentry{9}{9}{1929}{\kreuz} 9\,\hbox{--}\,11 \ulinesp{nach} \uline{\ulinesp{München}}\IO{München}.\ort{München} Nachmittags in den Garten, mit Maue\IN{\maue} und Birgit\IN{\birgit}. Später kommt \uline{Lore}\IN{\lore}; bleibt zum Abend. \tbentry{10}{9}{1929}{} Maue\IN{\maue} und Birgit\IN{\birgit} kommen im Auto mit; meine Verstimmung, weil sie übelnimmt, dass ich beim Frühstück an die Zeit erinnere. 9\,\hbox{--}\,18 \ulinesp{nach} \uline{\ulinesp{Wien}}\IO{Wien}.\ort{Wien} Abends noch zu Neurath\IN{\neurath}; dort Hahn\IN{\hahnhans} und Feigl\IN{\feigl}; Hahn\IN{\hahnhans} und Neurath\IN{\neurath} lesen ihre Vorträge für Prag\IO{Prag}\II{\pragertagung} vor.\fnE{Hahn, ,,Die Bedeutung der wissenschaftlichen Weltauffassung, insbesondere für Mathematik und Physik``; Neurath, ,,Wege der wissenschaftlichen Weltauffassung``.} Hahns\IN{\hahnhans}\IW{\hahnprag} ist sehr gut; Neurath\IN{\neurath}\IW{\neurathprag} schwer verständlich. In ein Beisel, Professor Josef Frank\IN{\frankjosef} kommt hin. Sie reden mir zu, doch zum Bauhaus\II{\bauhaus} zu gehen. \tbentry{11}{9}{1929}{} In die Druckerei\IO{Wien!Druckerei}; Korrekturen nachgesehen.\fnE{Bezieht sich auf Verein Ernst Mach, \emph{Wissenschaftliche Weltauffassung}.} Neurath\IN{\neurath} kommt. Imprimatur. Mit Neurath\IN{\neurath} zum Verlag Wolf\IO{Wien!Verlag Wolf}. Mit ihm im Vegetarischen\IO{Wien!Vegetarisches Restaurant} gegessen, nachher ins Caf\'{e}, nachher am Ring\IO{Wien!Ring} gesessen. Ich erzähle von Flitner\IN{\flitner}. 5~zu Hause. \uline{Feigl}\IN{\feigl} kommt, bleibt bis Abend. Erzählt von Iselsberg\IO{Iselsberg}, Touren, Dolomiten\IO{Dolomiten}. Er gibt mir Ratschläge für Themen in Dessau\IO{Dessau}\II{\bauhaus}, erzählt von dort.\fnE{Vgl. TB~30.\,VI.\,1929\diaryref{TB-30-VI-1929}.} \tbentry{12}{9}{1929}{} \uline{Axiomatik}\IC{\axiomatik} für Prag\IO{Prag} vorbereitet, endlich!\fnE{Carnap, ,,Bericht über die Untersuchungen zur allgemeinen Axiomatik``.} (Vorher in Wiesneck\IO{Wiesneck} und München\IO{München} gar nichts getan dafür.)~\neueseite{539897} \tbentry{13}{9}{1929}{} Briefe geschrieben; gekramt. \tbentry{14}{9}{1929}{} 13\,\textonehalf{}\,\hbox{--}\,21\,\textonehalf{} mit Feigl\IN{\feigl} (der das Paket mit den ersten Broschüren\IW{\wissweltauffassung} mitbringt), Neider\IN{\neider}, Reidemeisterin\IN{\reidemeistermarie}, Neuräthin\IN{\neuratholga}, Hahn\IN{\hahnhans} (fährt II.) nach \uline{\ulinesp{Prag}}\IO{Prag},\ort{Prag [\hbox{Praha}]} zur ,,\editor{1.}~\uline{\ulinesp{Tagung} für Erkenntnislehre} der exakten Wissenschaften``\II{\pragertagung}.\fnE{Vgl. Stadler, \emph{Studien zum Wiener Kreis}, 376\hbox{--}379 sowie die Kongressakten in \textit{Erkenntnis} 1, 1930/31, 93\hbox{--}339.} Abends nach Sitzung im Deutschen Haus\IO{Prag!Deutsches Haus}; Reichenbach\IN{\reichenbach}, Grelling\IN{\grelling}, Frank\IN{\frankphilipp}, Verleger Meiner\IN{\meinerfelix}.\shortenpage \tbtwoA{423} \tbentry{15}{9}{1929}{} Sitzung im naturwissenschaftlichen Institut\IO{Prag!Naturwissenschaftliches Institut}, sehr gut besucht! Begrüßung durch Frank\IN{\frankphilipp}. Vortrag \uline{Hahn}\IN{\hahnhans} ,,Die Bedeutung der wissenschaftlichen Weltauffassung, insbesondere für Physik und Mathematik``\IW{\hahnprag}, deutliche Darstellung des Wiener Standpunktes. Sehr klar. \uline{Neurath}\IN{\neurath} ,,Wege der wissenschaftlichen Weltauffassung``\IW{\neurathprag}, historisch, empiristische Magie; mit viel Witzen, teilweise zu grob. \uline{Reichenbach}\IN{\reichenbach} ,,Kausalität und Wahrscheinlichkeit; erkenntnistheoretische Untersuchungen``\IW{\reichenbachprag}; interessant. \uline{Nach\-mit\-tag.} \uline{Hertz}\IN{\hertzpaul}\IW{\hertzprag}: ,,Irreversibilität und Kausalität``.\fnE{Hertz, ,,Über den Kausalbegriff im Makroskopischen, besonders in der klassischen Physik``.} \uline{Waismann}\IN{\waismann} ,,Logische Analyse des Wahrscheinlichkeitsbegriffs``\IW{\waismannprag}; spricht nicht so gut, wie sonst, weil seine Frau\IN{\waismannfrau} in der Nacht Herzanfälle hatte. \uline{Feigl}\IN{\feigl} ,,Wahrscheinlichkeit und Erfahrung``\IW{\feiglprag}. Abends im Radiosaal\IO{Prag!Radiosaal} große Versammlung; Besprechung mit Meiner\IN{\meinerfelix} über Tagungsbericht\fnE{In \emph{Erkenntnis} 1, 1930/31, 93\hbox{--}339.} und Zeitschrift\II{\erkenntnis} (Annalen der Philosophie\II{\annalenderphilosophie});\fnE{Die im Meiner Verlag herausgegebenen \emph{Annalen der Philosophie} erschienen ab~1930/31 unter dem Titel \emph{Erkenntnis}, in neuer Nummerierung und unter der Ägide der Gesellschaft für empirische Philosophie, Berlin, und des Vereins Ernst Mach, Wien. Vgl. Reichenbach, ,,Zur Einführung``. Die Zeitschrift war seit 1923 geplant. Vgl. TB~6.\,IV.\,1923\diaryref{TB-6-IV-1923}.} ich gehe bald weg, weil müde, stark erkältet. Auch 2.~Nacht sehr wenig geschlafen. \tbentry{16}{9}{1929}{} Im Theater\IO{Prag!Theater} ,,Kleine Bühne`` Eröffnung der Physikertagung\II{\physikertagprag}.\fnE{Die \textit{1.~Tagung für Erkenntnislehre der exakten Wissenschaften} fand gemeinsam mit dem \emph{5. Deutschen Physiker- und Mathematikertag} statt. Vgl. Frank, ,,Eröffnungsansprache``.} Rede der Honoratioren. \uline{Frank}\IN{\frankphilipp} ,,Welche Bedeutung~\neueseite{539905} haben die gegenwärtigen physikalischen Theorien für die allgemeine Erkenntnislehre?{``}\fnE{Philipp Frank, ,,Was bedeuten die gegenwärtigen physikalischen Theorien für die allgemeine Erkenntnislehre?{``}.}\IW{\frankpragervortrag} Entschiedene Stellungnahme für Mach\IN{\mach} usw., James\IN{\james}, Schlick\IN{\schlick}; nennt mein Buch\IC{\konstitutionstheorie} als besonders bedeutende Erscheinung der Richtung; auch vorher schon manches aus der Konstitutionstheorie\IC{\konstitutionstheorie} verwertet. \uline{Mises}\IN{\mises} ,,\editor{Über} kausale und statistische Gesetzmäßigkeit in der Physik``\IW{\misesprag}; unendliches Kollektiv, strenge Konvergenz, will sich nicht um Anwendung kümmern. \uline{Sommer\-feld}\IN{\sommerfeldarnold}, lebhaft applaudiert: ,,Einige grundsätzliche Bemerkungen zur Wellen\-mechanik``\IW{\sommerfeldprag}; scharf gegen Frank\IN{\frankphilipp}; James'\IN{\james} Begriff der Wahrheit ,,scheußlich``; Machansicht\IN{\mach} habe meist nicht fruchtbar in der Physik gewirkt; Einstein\IN{\einstein} als größter Philosoph der Gegenwart habe ihm gesagt, dass die physikalischen Theorien auch unbeobachtbare Größen enthalten müssten (Sommerfeld\IN{\sommerfeldarnold} hat also das Problem nicht kapiert). \tbtwoA{424} Nachmittags Diskussion über Kausalität und Wahrscheinlichkeit.\fnE{Die Diskussion an diesem und am vorigen Tag ist publiziert als: ,,Diskussion über Wahrscheinlichkeit``, \emph{Erkenntnis}~1, 1930\hbox{--}31, 260\hbox{--}285.} Ich stelle 2~Fragen an Reichenbach\IN{\reichenbach}: 1)~seine Wahrscheinlichkeitsaussage über Zukunft ist zugestandenermaßen weder zu bestätigen noch zu widerlegen; prinzipiell: Kann es nicht-verifizierbare Aussagen in der Wissenschaft geben? 2)~Er sagt: Bei Waismanns\IN{\waismann} Interpretation besagt die Wahrscheinlichkeitsaussage nicht mehr, als wir schon (über die Vergangenheit) wüssten, das sei ihr Fehler; Frage: Darf man in der Wissenschaft mehr sagen, als man weiß? Oder ist es möglich, aus Gewusstem auf Neues zu schließen? Er antwortet: In der strengen Logik freilich nicht; deshalb müssen wir neue, Wahrscheinlichkeitslogik haben. Später mache ich noch Bemerkungen zu Grelling\IN{\grelling}: Wir wollen das~\neueseite{539907} Induktionsproblem nicht abschieben, sondern nur die Reichenbach'sche\IN{\reichenbach} Interpretation ablehnen; wir sind nicht dogmatisch mit ,,Verboten``, sondern lehnen \editor{etwas} als sinnlos nach solchen Prinzipien ab, die er selbst anwenden würde, um einen Metaphysiker zu widerlegen. Abends in einem Garten Gespräch mit Reichenbach\IN{\reichenbach} und seinen Schülern. Meine schärfste Frage an ihn: Besagt das Induktionsaxiom etwas über die Welt? (Wenn ja, müsste es empirisch sein; wenn nein, müsste es Tautologie sein!) Er sagt, er weiß es nicht! Früh zu Bett; Schlafmittel (Bromoral) von Neider\IN{\neider}; endlich etwas besser geschlafen. \tbentry{17}{9}{1929}{} Vortrag \uline{Fraenkel}\IN{\fraenkelabraham} ,,Die heutigen Gegensätze in der Grundlegung der Mathematik``\IW{\fraenkelprag}. Sehr gut; die 3 Richtungen charakterisiert. Diskussion; Hahn\IN{\hahnhans} über Logizismus. \uline{Mein Vortrag:} ,,Untersuchungen zur allgemeinen Axiomatik``\IC{\axiomatik}; nur kurzer Auszug. Aber Beweis des Gabelbarkeitssatzes wird verlangt und mit Anerkennung aufgenommen. Trotz später Stunde nachher lebhafte Diskussion über Grundsätzliches; Von Neumann\IN{\neumannvon}, Zermelo\IN{\zermelo}, Hahn\IN{\hahnhans}, Fraenkel\IN{\fraenkelabraham} sagt, endgültiges Urteil erst möglich, wenn Beweis gedruckt vorliegt. Erstaunlich vielseitiges Interesse für meine Untersuchungen. Mittags Besprechung über Königsberger Tagung\II{\koenigsbergerkongress}.\fnE{\emph{2.~Tagung für Erkenntnislehre der exakten Wissenschaften}. Vgl. TB~4.\,IX.\,1930\diaryref{TB-4-IX-1930}.} Nachmittags ausgeruht. \textonehalf{}\,8~Schützeninsel\IO{Schützeninsel}, Reichenbach\IN{\reichenbach}-Gruppe. Ge\-spräch mit Hertz\IN{\hertzpaul}, ob Logik tautologisch, was er ablehnt. Gespräch mit Grel\-ling\IN{\grelling}, dabei Feigl\IN{\feigl} und Waismann\IN{\waismann}, über Sinn der Zukunftsaussagen. Bis spät.~\neueseite{539913}{\tolerance2000\par} \tbtwoA{425} \tbentry{18}{9}{1929}{} Vortrag \uline{Behmann}\IN{\behmann} ,,Zu den Widersprüchen der Logik und Mengenlehre``\IW{\behmannprag}. Gespräch mit Hertz\IN{\hertzpaul}. Gespräch mit Behmann\IN{\behmann}, der Typentheorie nicht mehr in der Russell'schen\IN{\russell} Form mitmachen will, sondern außer Typenbegriffen (,,rot``) auch durchlaufende Begriffe (z.\,B. ,,leer``) haben will. Mittags mit Reichenbach\IN{\reichenbach} über unsere Berufungsaussichten; pädagogische Akademien; Prag\IO{Prag}; usw. 16\,\hbox{--}\,22\,\textonehalf{} \ulinesp{nach} \uline{\ulinesp{Wien}}\IO{Wien},\ort{Wien} mit Waismann\IN{\waismann} und Frau\IN{\waismannfrau}, Feigl\IN{\feigl}, Neider\IN{\neider}. Schöne gemeinsame Fahrt, mit interessanten Gesprächen; Anwendungsproblem; Behmanns\IN{\behmann} Begriffe; usw. \tbentry{19}{9}{1929}{} Nachmittags Kino\IO{Wien!Kino}: ,,Dr.~Gift`` mit Conrad Veidt\IN{\veidtconrad}. Spannend. \tbentry{20}{9}{1929}{} 2\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,3 Vortrag \uline{Neurath}\IN{\neurath} im Museum\IO{Wien!Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum}\II{\museumneurath}, über Wiener Kommunalpolitik. Mit Neurath\IN{\neurath} ins Büro, auch Feigl\IN{\feigl} kommt. Über Bericht über Prager Tagung\II{\pragertagung} für Zeitung.\fnE{Carnap et~al., ,,Tagung für Erkenntnislehre der exakten Wissenschaften``.} Über geplanten Bericht, der gedruckt wird;\fnE{Vermutlich die Kongressakten in \emph{Erkenntnis} 1, 1930/31, 93\hbox{--}339.} Rundschreiben an die Diskutanten.\fnE{Ist entweder nicht zustande gekommen oder nicht erhalten.} Mit Neurath\IN{\neurath} und Reidemeisterin\IN{\reidemeistermarie} ins Kino\IO{Wien!Kino}; ,,Die wunderbare Lüge der Nina Petrowna`` mit Brigitte Helm\IN{\helmbrigitte}, dämonische Verführerin des jungen Kornetts; packend. \tbentry{21}{9}{1929}{\strich} \textonehalf{}\,4 mit \uline{Feigl}\IN{\feigl} und \uline{Kasper}\IN{\kasper} im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}. Von Prag\IO{Prag}\II{\pragertagung} erzählt. 5~zusammen ins Kino\IO{Wien!Kino}; \uline{Tonfilm} ,,Weiße Schatten``; Südseegeschichte, Zerstörung des Paradieses der Eingeborenen durch die Weißen; sehr packend, und schöne Naturaufnahmen. Synchronisierte Musik, mit Geräuschen, ohne Dialoge; klingt gut. Ich gehe mit zum Abendessen bei \uline{Kasper}\IN{\kasper}, Vater Hofrat, altes Wiener Haus. Ich erzähle von Marokko\IO{Marokko} und dem Esel.\fnE{Vgl. TBT~6.\,VI.\,1912\diaryref{TBT-6-VI-1912} und TB~17.\,V.\,1912\diaryref{TB-17-V-1912}.} Nachher fantasiert Feigl\IN{\feigl} am~\neueseite{539911} Klavier, sehr schön; hier ist er ganz gelöst, flüchtet aus der Realität. Wir sprechen über menschliche Atmosphäre; \gestrunl\ ich erzähle vom Serakreis\II{\sera}; der Freischar\II{\freischar}; Wiesnecker Leben. \tbentry{22}{9}{1929}{} Briefe geschrieben. \tbentry{23}{9}{1929}{\strich} Abends in \uline{Neuraths}\IN{\neurath} Büro. 50 Broschüren\IW{\wissweltauffassung} von mir aus verschickt. Besprechung mit den \uline{Katholiken} über Wiener Kommunalpolitik usw. \textonehalf{}\,7\,\hbox{--}\,11! \tbentry{24}{9}{1929}{} Besorgungen; Druckerei\IO{Wien!Druckerei}. \tbentry{25}{9}{1929}{} Besorgungen; mittags mit \uline{Waismann}\IN{\waismann} und Rand\IN{\rand}; Kritik über Broschüre\IW{\wissweltauffassung}.\shortenpage \tbtwoA{426} Nachmittags Kino\IO{Wien!Kino} ,,Kameradschaftsehe``; dumm in seiner Tendenz. \tbentry{26}{9}{1929}{\strich} Axiomatik\IC{\axiomatikms} gearbeitet.\fnE{Zur Axiomatik insgesamt vgl. TB~9.\,IV.\,1929\diaryref{TB-9-IV-1929}. Carnap hat an diesem und den folgenden Tagen einen Teil des ursprünglichen Manuskripts zur ,,Allgemeinen Axiomatik`` bearbeitet. Resultat war das Konvolut (\href{http://doi.org/10.48666/808090}{RC~080"~33"}), das auf einem (offenbar später) vorangestellten Zettel die Aufschrift trägt: ,,\emph{MS~Log. Unabhängigkeit. Sept.~1929.} (Von Aussagefunktionen oder Axiomen; ursprünglich Teil von ,Allgemeine Axiomatik`,~§\,14. Hier \emph{geplant als besonderer Aufsatz})``.} \tbentry{27}{9}{1929}{} \textwh{Axiomatik\IC{\axiomatikms} gearbeitet.} \tbentry{28}{9}{1929}{} \textwh{Axiomatik\IC{\axiomatikms} gearbeitet}; neue Bearbeitung fertig und abgetippt. \tbentry{29}{9}{1929}{} 3\textsuperscript{h} Vortrag \uline{Fraenkel}\IN{\fraenkelabraham} ,,Grundlagen der Mathematik`` im Philosophischen Institut\II{Philosophisches Institut der Universität Wien}. Lebhafte Diskussion 3~Stunden. Nachher mit Neuraths\IN{\neurath}\IN{\neuratholga} im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}; anfangs noch Fraenkel\IN{\fraenkelabraham} und \gestrunl{} Feigl\IN{\feigl}. Neurath\IN{\neurath} erzählt von seinen großartigen Plänen, Atlanten usw. \tbentry{30}{9}{1929}{} Abends bei \uline{Kaufmann}\IN{\kaufmannfelix}. Auch \uline{Baer}\IN{\baer} und Frau\IN{\baerfrau}; sie ist Tochter von Kästner\IN{\kaestner} (oder Kistner) vom Verlag Seemann\II{Verlag Seemann Leipzig} Leipzig\IO{Leipzig}. Kennt Freyer\IN{\freyer} und Hans Rothe\IN{\rothehans}. Der Abend ist zwanglos und lustig.~\neueseite{539909} \tbentry{1}{10}{1929}{} Für Vorträge Dessau\IO{Dessau}\II{\bauhaus} gearbeitet.\fnE{Vgl. das auf diesen Tag datierte vierseitige Kurzschriftmanuskript ,,Wissenschaft und Leben (für Vortrag in Dessau)`` (\href{http://doi.org/10.48666/807581}{RC~110"~07"~49}) sowie das ebenfalls auf diesen Tag datierte zweiseitige Kurzschriftmanuskript ,,Der Missbrauch der Sprache`` (\href{http://doi.org/10.48666/807860}{RC~110"~07"~43}).} \tbentry{2}{10}{1929}{} Nachmittags Werkbundsitzung\II{\werkbund} in der Handelskammer\IO{Wien!Handelskammer}.\fnE{Die Internationale Werkbundsiedlung auf dem Roten Berg in Wien wurde von Josef Frank geplant. Die hier angesprochene Sitzung fand in der Anfangsphase der Planung statt. Zur Werkbundsiedlung vgl. Frank, \emph{Die Internationale Werkbundsiedlung Wien 1932}.} Mit Neurath\IN{\neurath}. Professor \uline{Jäckh}\IN{\jaeckh} Vortrag über die Ausstellung ,,Die neue Zeit`` 1932 in Köln\IO{Köln}.\fnE{Zu diesem unrealisiert gebliebenen Projekt vgl. Jäckh, ,,Idee und Realisierung der internationalen Werkbund-Ausstellung ,Die neue Zeit` Köln 1932``.} Da muss auch die wissenschaftliche Weltauffassung vertreten werden! Abends Kino\IO{Wien!Kino} ,,Tagebuch einer Verlorenen``; das Mädchen erinnert mich an Lisa Vogel\IN{\vogellisa}. \tbentry{3}{10}{1929}{\strich} 5\,\hbox{--}\,8 bei Neurath\IN{\neurath} Sitzung der Museumsmitarbeiter\II{\museumneurath}: Statistiker Doktor Fischer\IN{\fischermuseum}, Kunsthistoriker Doktor Schwieger\IN{\schweiger}, Ethnograph Doktor~\luecke . Kartographischer Dozent Peucker\IN{\paeckart}.{\tolerance2000\par} Sehr schönes Zusammenarbeiten. \tbtwoA{427} \tbentry{4}{10}{1929}{} 5\,\hbox{--}\,6 erste \uline{Tanzstunde}, bei {\lspitz}Breier{\rspitz}, Neubaugasse 7; hübsche blonde Lehrerin. Fox, Tango, English Waltz, macht Spaß, wenn auch ohne Musik. Kino\IO{Wien!Kino} ,,Manolescu`` mit Brigitte Helm\IN{\helmbrigitte}; die verführerisch-dämonische. \tbentry{5}{10}{1929}{} \textonehalf{}\,11\,\hbox{--}\,2 mit Stenograph Pieringer\IN{\pieringer} Fraenkels\IN{\fraenkelabraham} Vortrag bearbeitet\fnE{Vgl. TB~29.\,IX.\,1929\diaryref{TB-29-IX-1929}.}; noch nicht fertig. 4\textsuperscript{h}~kommen zu mir: \uline{Baer}\IN{\baer} und Frau\IN{\baerfrau}, Feigl\IN{\feigl} und Kasper\IN{\kasper}, Reidemeisterin\IN{\reidemeistermarie}. Wir gehen spazieren, zum Caf\'{e} hinauf. Mit Baer\IN{\baer} über Axiomatik\IC{\axiomatikms}. Ich überzeuge ihn, dass jedes \textit{AS} zu einem monomorphen ergänzt werden kann; dieser Satz ist ihm äquivalent mit dem Satz von der Äquivalenz von Monomorphie und Nichtgabelbarkeit. Er will aber immer gern von unendlichen, ,,nicht angebbaren`` \textit{AS} und Modellen sprechen.\fnE{Zu diesen aus Carnap, \textit{Untersuchungen zur allgemeinen Axiomatik} stammenden Begriffen vgl. Awodey und Carus, ,,Carnap, Completeness, and Categoricity``.} Er hält uns Wiener (erzählt mir die Reidemeisterin\IN{\reidemeistermarie}) und speziell mich für zu dogmatisch. Abends mit Baers\IN{\baer}\IN{\baerfrau} in ein Kino\IO{Wien!Kino} ,,Rebellen``, flämischer Freiheitskampf, zu theatralisch.~\neueseite{539919} \tbentry{6}{10}{1929}{} Für Vorträge gearbeitet.\fnE{An diesem Tag arbeitete Carnap nicht an den Dessauer Vorträgen, sondern an dem Vortrag für Berlin am~22.\,X.\,1929 über ,,Konstitution des Nichtgegebenen``. Siehe den auf diesen Tag datierten zweiseitigen kurzschriftlichen Entwurf in (\href{http://doi.org/10.48666/823520}{UCLA 04~-- CM13}).} Nachmittags 5 ins Parkhotel Hietzing\IO{Wien!Parkhotel Hietzing} zu \uline{Frank}\IN{\frankphilipp} und Frau\IN{\frankphilippfrau}, auch Neuraths\IN{\neurath}\IN{\neuratholga}. Im Caf\'{e}garten\IO{Wien!Caf\'{e}garten}. Neurath\IN{\neurath} erzählt von Polen\IO{Polen}. Später ins Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}} hinein. \uline{Ehren\-haft}\IN{\ehrenhaft} und Frau; er sagt, dass er gute Beziehungen in Prag\IO{Prag} hat, will mich empfehlen; Frank\IN{\frankphilipp} erzählt, dass \uline{Reichenbach\IN{\reichenbach} den Ruf} bekommen hat, wenigstens einen gleichbedeutenden Brief. Er zweifelt, ob er annehmen wird. Zunächst Extraordinariat; etwa 400\,\textit{M} monatlich, 4\hbox{--}5~Stunden die Woche. Falls Reichenbach\IN{\reichenbach} ablehnt, müsse ich ihn auf der Rückreise in Prag\IO{Prag} besuchen.\fnE{Reichenbach war seit 1926 für die Professur an der Deutschen Universität Prag im Gespräch, die Carnap im Herbst 1931 antrat. Vgl. Reichenbach an Carnap, 6.\,VII.\,1930 (\href{http://doi.org/10.48666/828672}{RC~14"~23"~02}) sowie Carnap an Knoll, 27.\,VIII.\,1931 (UP) und Gerner, \emph{Hans Reichenbach}, 105\hbox{--}111. Vgl. auch die Bezüge in TB~2.\diaryref{TB-2-6-1926} u. 5.\,XI.\,1926\diaryref{TB-5-6-1926} sowie 16.\,IV.\,1927.\diaryref{TB-16-4-1927}} Diskussion zwischen Neurath\IN{\neurath} und Direktor \uline{Sukale}\IN{\sukale} von der Bankenvereinigung über die Aussichten des russischen Wirtschaftssystems. Sukale\IN{\sukale} zweifelt, ob sie genügend Kredite bekommen werden. Auch Helly\IN{\helly} und Frau, Reidemeisterin\IN{\reidemeistermarie}, auch mal kurz Reidemeister\IN{\reidemeisterkurt}. \tbentry{7}{10}{1929}{} 2.~Tanzstunde, mit Musik, macht Spaß. \tbtwoA{428} \tbentry{8}{10}{1929}{\strich} Täglich für Vorträge Dessau\IO{Dessau} (und Berlin\IO{Berlin}) gearbeitet.\fnE{In diesen Tagen arbeitet Carnap an den Dessauer Vorträgen ,,Die vierdimensionale Raum-Zeit-Welt der modernen Physik`` (\href{http://doi.org/10.48666/808099}{RC~110"~07"~48}, 7.\,X.), ,,Aufgabe und Gehalt der Wissenschaft`` (\href{http://doi.org/10.48666/808095}{RC~110"~07"~47}, 9.\,X.) und ,,Der logische Aufbau der Welt`` (\href{http://doi.org/10.48666/808092}{RC~110"~07"~45}, 10.\,X.). Vgl. TB~15.\,X.\,1929\diaryref{TB-15-X-1929}.} 3.~Tanzstunde. \tbentry{9}{10}{1929}{\strich} 4.~Tanzstunde. \tbentry{10}{10}{1929}{} Zum ersten Mal \uline{geheizt}. 5. Tanzstunde. Dann Feigl\IN{\feigl} und Waismann\IN{\waismann} im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}} getroffen. Dann mit Feigl\IN{\feigl}, Kasper\IN{\kasper} und Vater Kasper in die Urania\IO{Wien!Urania}, \uline{Tonfilm} ,,Melodie der Welt`` von Ruttmann\IN{\ruttmann}, gute Wiedergabe der Geräusche, schöne Bilder, Wechsel aber zu schnell. \tbentry{11}{10}{1929}{} Abends \textonehalf{}\,7 ruft plötzlich \uline{\ulinesp{Sonja}}\IN{\sonja} an. Ihr Telegramm habe ich nicht bekommen. Sie ist im Hotel\IO{Wien!Hotel}. Ich muss Waismann\IN{\waismann} absagen, der herauskommen wollte. Sie kommt dann zum Abendessen. Erzählt von ihrem einsamen Leben; der Mann\IN{\edwin} meist weg, für Wochen und Monate; sie hat 2~Jungens, 2~und 3~Jahre, beschäftigt~\neueseite{539917} sich aber nicht viel mit ihnen; liest viel, hat wenig Menschen. Hat sich sehr an Selbständigkeit gewöhnt, sodass nicht ganz leicht, wenn der Mann\IN{\edwin} da ist, obwohl er im Prinzip auch für Selbständigkeit der Frau ist. Viel über die künftige Eheform gesprochen, Selbständigkeit beider Menschen. Über unsern Wiener Kreis\II{\schlickzirkel}, die Broschüre\IW{\wissweltauffassung}. Über das Bauhaus\IO{Wien!Bauhaus}\II{\bauhaus} und meine geplanten Vorträge dort. Zum Schluss setzt sie sich auf meine Knie und lässt sich, zuerst widerstrebend, küssen; sagt nicht, dass sie es nicht wolle, sondern nur, dass sie Hemmungen habe, und vielleicht sei es ,,doch gefährlich``. Plötzlich ist es 12~Uhr; zur Bahn, fährt nur noch bis Breitensee\IO{Wien!Breitensee}. \tbentry{12}{10}{1929}{} \sout{Briefe geschrieben. Mittags 1 kommt \uline{Sonja}\IN{\sonja}. Zusammen zur Breiten\-seer Kirche\IO{Wien!Breitenseer Kirche} zum Essen. Nachher etwas spazieren oben herum. Zusammen auf dem Diwan ,,geschlafen``.} Mittags \uline{Sonja}\IN{\sonja} im Hotel\IO{Wien!Hotel} abgeholt. Zusammen Rathauskeller\IO{Wien!Rathauskeller}. Besorgungen, getrennt. Dann zusammen hinaus, Tee getrunken. Dann muss sie von sich erzählen. Frigidität; scheint mir aber nicht von Natur, was sie glaubt. Ich mache ihr klar, wie wichtig Änderung wäre. Sie ist erstaunt, wie viel sie sagen kann, und dass ich sie so gut verstehe. Bis nach~11~Uhr. \tbentry{13}{10}{1929}{} Briefe geschrieben. Mittags 1 kommt \uline{Sonja}\IN{\sonja}. Zusammen zur Breitenseer Kirche\IO{Wien!Breitenseer Kirche} zum Essen. Nachher etwas spazieren oben herum. Zusammen auf dem Diwan ,,geschlafen``. \pagebreak Dann nochmal spazieren. Flötzersteig\IO{Wien!Flötzersteig}, \tbtwoA{429} Steinhof\IO{Wien!Steinhof}. Der ,,Eisklumpen`` taut auf, auch sie hat Gefühle. Abendbrot. Plan (spaßeshalber), sie soll 1~\gestrunl\ Monat herkommen, Haushalt führen; ich bringe ihr das Eheleben bei (den ,,schlimmen Tanz``), sie mir den braven Tanz. Sie tanzt sehr gern. Sie ist glücklich, mich jetzt gefunden zu haben, sieht vieles positiver, und geht mit Mut nach {\lspitz}Kronstadt{\rspitz}\IO{Kronstadt} zurück.~\neueseite{539923} Weiß aber gar nicht, ob und wann sie wieder herkommt. Bis~9\,\textonehalf{} Uhr. Gepackt und gekramt. \tbentry{14}{10}{1929}{} 8\,\hbox{--}\,22 nach Leipzig\IO{Leipzig}.\ort{Leipzig} Elend lange Fahrt, Kopfschmerzen. Zuletzt Ingenieur, der aus Russland\IO{Russland}, Turkestan\IO{Turkestan} usw. erzählt, von Seilbahnfabrik Bleichert\IO{Leipzig!Seilbahnfabrik Bleichert}. In Leipzig\IO{Leipzig} kleines Hotel\IO{Leipzig!Hotel} am Bahnhof\IO{Leipzig!Bahnhof} (,,Opel``). \tbentry{15}{10}{1929}{} 10\,\hbox{--}\,11 \ulinesp{nach} \uline{\ulinesp{Dessau}}\IO{Dessau},\ort{Dessau} Bauhaus\IO{Dessau!Bauhaus}\II{\bauhaus}.\fnE{Carnaps Bauhausvorträge befinden sich als kurzschriftliche Entwürfe im Nachlass (wie oben zitiert). Zu den Bauhaus-Vorträgen vgl. Dahms, ,,Neue Sachlichkeit in the Architecture and Philosophy of the 1920s``, 364\hbox{--}370 sowie Bernhard, ,,\,{,}Sie diskutieren gern, aber dilettantisch`\,`` und Bernhard, ,,Carnap und das Bauhaus``.} Hannes Meyer\IN{\meyerhannes} ist leider noch verreist, Kandinsky\IN{\kandinsky} krank. Zierath\IN{\zierath} zeigt mir nachmittags die Werkstätten und die Arbeiten des Einführungskursus (Diskussion, ob nur die ,,ästhetischen`` Eigenschaften der Materialien durchforscht werden). Kenne noch keine Lehrer, führe mich beim Vortrag selbst ein. 8\,\textonehalf{} \uline{Vortrag} ,,Wissenschaft und Leben``, \textonehalf{} Stunde. Anfangs sehr wenig Leute, später mehr. Man will heute noch nicht diskutieren. Nachher mit \uline{Hilberseimer}\IN{\hilbersheimer} und \uline{Kállai}\IN{\kallei} zusammen; sie sagen, nicht nur die Abhandlungen, sondern auch die Sachen (z.\,B. Lampen) des Bauhauses enthalten noch Metaphysik. Bett mit Kinderdecke. \tbentry{16}{10}{1929}{} 11\,\hbox{--}\,2 mit dem Architekten \uline{Arndt}\IN{\arndt} (und Frau) und dem Maler Fritz \uline{Kuhr}\IN{\kuhrfritz} im Atelier\IO{Dessau!Atelier} diskutiert. Sie knüpfen an meine Unterscheidung: ,,Tatsachenurteil~\hbox{--}~Werturteil`` an \gestrunl{} und erzählen von den beiden Parteien am Bauhaus\IO{Dessau!Bauhaus}\II{\bauhaus} und dem Problem, den Lehrgang zu systematisieren. Nachmittags kommt kurz ein Fragesteller zu mir. Später \uline{Kállai}\IN{\kallei} aufgesucht in der Redaktion. 8\,\textonehalf{} \uline{Vortrag} ,,Aufgabe und Gehalt der Wissenschaft``, 1~Stunde. \uline{Lucia}\IN{\luzia} ist plötzlich da, von Berlin\IO{Berlin} gekommen, um meine Vorträge zu hören. \textonehalf{}\,10\,\hbox{--}\,11 Diskussion; es werden viele vernünftige Fragen gestellt. 11\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,12 im Atelier eines tauben Mädchens; dabei Lucia\IN{\luzia} und~\neueseite{539921} ihre Freundin \uline{Frau Feininger}\IN{\feiningerfrau}. Diese fragt, ob nicht irgendwo das Denken doch zu Ende ist; z.\,B. beim Anhören von Musik. Noch \textonehalf{} Stunde spazieren. 1~Uhr ins Bett. \tbentry{17}{10}{1929}{} Viel Post. Briefe geschrieben. Zur Post in die Stadt. Nachmittags mit \uline{Lucia}\IN{\luzia} spazieren. Sie wird sich von Moholy\IN{\moholy} trennen; \pagebreak sucht eine Tätig\-\tbtwoA{430}keit. Sie ist erstaunt, dass ich so konkrete, verständliche Vorträge halten könne; aber für die Bauhäusler\II{\bauhaus} müßten sie vielleicht noch leichter verständlich sein. \textonehalf{}\,9 \uline{Vortrag} ,,Der logische Aufbau der Welt``; Albers\IN{\albers} dabei. Bis \textonehalf{}\,10. Dann lebhafte Diskussion, über 1~Stunde. Dann in Arndts\IN{\arndt} Atelier\IO{Dessau!Atelier}, mit Lucia\IN{\luzia}, Arndt\IN{\arndt}, Frau Arndt, Volger\IN{\folger}, {\lspitz}Kuhr{\rspitz}\IN{\kuhrfritz}, Maler Winter\IN{\winterfritz} und anderen. Sie erzählen von der alten, begeisterten Weimarer Zeit; Auerbachs\IN{\auerbachfelix} Haus\IO{Dessau!Haus von Auerbach};\fnE{Das 1924 von Walter Gropius für den Physiker Felix Auerbach und seine Frau Anna gebaute Haus in Jena.} Anstreichen im Irrenhaus,\fnE{Anspielung auf die farbigen Innenräume im Haus Auerbach.} usw. Bis~1~Uhr. \tbentry{18}{10}{1929}{} Vormittags mit Lucia\IN{\luzia} in die \uline{Klee}\IN{\klee}-Ausstellung;\fnE{Paul Klee und Wassily Kandinsky leiteten zu dieser Zeit die beiden Malklassen am Bauhaus in Dessau. Die genannte Ausstellung stand wohl im Zusammenhang damit.} seltsamer Eindruck. Mittags mit ihr bei Frau Feininger\IN{\feiningerfrau}; dann zu Hause geschlafen und nachmittags wieder hin. Maler Feininger\IN{\feininger} nicht da; hängt nicht mehr mit dem Bauhaus\II{\bauhaus} zusammen. \textonehalf{}\,9 Vortrag ,,Die vierdimensionale Welt der modernen Physik``, bis \textonehalf{}\,10. Dann Aussprache \textthreequarters{} Stunde. Auch Albers\IN{\albers} nimmt an der Aussprache teil. 11~Uhr ins Bett, endlich mal! Sehr müde. \tbentry{19}{10}{1929}{\strich} Nachmittags kommt einer, fragt nach allen Welträtseln. Dann zum Tee zu Lucia\IN{\luzia} und Frau Feininger\IN{\feiningerfrau}. Über meine Vermutung, dass das Bedürfnis nach Metaphysik allmählich verschwinden wird. \textonehalf{}\,9 Vortrag ,,Missbrauch der Sprache``; nur wenig Zuhörer, obwohl viele vorher sich gerade hierauf gespitzt hatten; aber die~\neueseite{539915} Ausstellung wird gerade aufgebaut! Frau Klee\IN{\kleefrau} dabei, versteht sicher nichts davon. Albers\IN{\albers}, nimmt auch an der Diskussion teil. In der Diskussion sage ich, dass die theoretischen Arbeiten der Bauhäusler\II{\bauhaus} nicht von Metaphysik frei sind. Beispiel ,,Rot ist schwer`` usw.; nur als psychologische Aussage gerechtfertigt. Etwas über eine Stunde Diskussion. Im Regen noch spazieren. \tbentry{20}{10}{1929}{} Mit Arndt\IN{\arndt} die \uline{Ausstellung} besichtigt; besonders Vorkursarbeiten. \gestrunl\ Für geometrische Flächentheorie interessant sind gewisse Formen aus Papier und besonders aus Fliegendraht (Halbkugel mit Zipfeln aus Quadrat; Torsos aus mit Draht zusammengenähtem Schlauch.) Nachmittags Lucia\IN{\luzia} zur Bahn gebracht. In der Ausstellung \uline{Kandinsky}\IN{\kandinsky} kennengelernt. Er meint, die Orientalen, Ägypter, Griechen hätten eine Metaphysik und eine Technik (z.\,B. der Wasserleitungen usw.) gehabt, gegen die wir Kinder wären! \textonehalf{}\,4~nachmittags Kaffee bei Arndts\IN{\arndt}; \pagebreak Fotos von seinen Bauten \tbtwoA{431} in Probstzella\IO{Probstzella}. Er polemisiert gegen die ästhetischen Elemente in \mbox{Gropius}\IN{\gropius}-Bauten, sofern sie technische Verschlechterungen bedeuten. Er anerkennt die ästhetischen Gesichtspunkte, aber nur als sekundäre, hinter den primären: technisch-ökonomischen. 5~Tee bei \uline{Albers}\IN{\albers} und Frau. Über seine psychologischen Experimente: schwarz oder weiß ist schwer, \gestrunl\ usw. (kalt, grob,~\ldots{}).\fnE{Vgl. zu diesen Experimenten etwa Albers, \textit{Interaction of Color}.\baustellex{LIT}} Ich bleibe zum Abend. Über ,,statisch~\hbox{--}~dynamisch``. \uline{Joost Schmidt}\IN{\schmidtjost} kommt hinzu; er ist sich klar über die psychologische Bedeutung dieser Dinge, beklagt, dass kein Psychologe sie untersucht. \uline{Hannes Meyer}\IN{\meyerhannes} immer noch nicht gesehen; er hat dauernd Besprechungen. \textonehalf{}\,10 zu Hause.~\neueseite{539931} \tbentry{21}{10}{1929}{} \textonehalf{}\,8 aufgestanden. Mit \uline{Hannes Meyer}\IN{\meyerhannes} in die Kantine zum Kaffee. Er findet in dem von Gropius\IN{\gropius} gebauten Bauhaus\IO{Dessau!Bauhaus}\II{\bauhaus} den Ausdruck einer individualistisch-sentimentalen Einstellung. Weberei\IO{Dessau!Weberei}; Muster für Sessel betrachtet. Frau Feininger\IN{\feiningerfrau} besucht, Blumen von Lucia\IN{\luzia} gebracht. Mittags 1\,\hbox{--}\,3 mit Hannes Meyer\IN{\meyerhannes} zusammen. Ich erzähle auch, dass Hahn\IN{\hahnhans} sein Zitat benutzen wollte;\fnE{In den philosophischen Schriften Hahns findet sich kein Zitat von Hannes Meyer.} er sagt, diese Ausdrücke seien da auch lyrisch\sout{,~d.\,h.} gemeint, d.\,h. so, dass reiche gefühlsmäßige Assoziationen eintreten sollen. 3\,\textonehalf{}\,\hbox{--}\,7 \ulinesp{nach \ulinestr{Zehlendorf}\IO{Berlin!Zehlendorf},\ort{Berlin} zu Rusches}\IN{\rusches}. \uline{Brüderle}\IN{\johannes} ist seit Ostern hier, wird noch im Winter hier in die Schule\IO{Berlin!Schule} gehen. Fräulein {\lspitz}Medanberg{\rspitz}\IN{\medanbergfraeulein}; Ursula\IN{\ursularusche}, Susi\IN{\ruschesusi} und Margret\IN{\ruschemargret}.\fnE{Vermutlich die Töchter von Otto Hermann und Luise Rusche.} \uline{Reichenbach}\IN{\reichenbach} holt mich in seinem Dixi\fnE{Automarke der Fahrzeugfabrik Eisenach.} zu sich. Wir reden über seinen Prager Ruf; die Berufungsaussichten in Deutschland\IO{Deutschland}; Bauhaus\II{\bauhaus}, usw. \tbentry{22}{10}{1929}{} 12\textsuperscript{h} \uline{Brüderle}\IN{\johannes} an der Schule\IO{Berlin!Schule} abgeholt; Rektor Vogt\IN{\vogtrektor} kurz gesprochen; Lehrer Doktor Liebig\IN{\liebiglehrer} gerade nicht da. Brüderle\IN{\johannes} führt mich zurück schönen Weg am Schlachtensee\IO{Schlachtensee} entlang. Nachmittags 5\textsuperscript{h}: Reichenbach\IN{\reichenbach} holt mich im Dixi ab zur Universität\II{Universität Berlin}. \uline{Mein Vortrag} ,,Über die Konstitution des Nicht\-gegebenen``;\fnE{Vgl. den auf den 6.\,X.\,1929 datierten zweiseitigen kurzschriftlichen Entwurf in (\href{http://doi.org/10.48666/823520}{UCLA 04~-- CM13}) sowie Danneberg und Schernus, ,,Die Gesellschaft für wissenschaftliche Philosophie``, 420 und Reichenbach an Carnap, 8.\,X.\,1929 (\href{http://doi.org/10.48666/828674}{RC~14"~03"~05}). Der Vortrag fand nicht in der Gesellschaft für wissenschaftliche Philosophie statt, sondern in Reichenbachs Seminar, weil ,,wenige Tage davor ein anderer Vortrag liegt`` (ebd.).} außer Reichenbachs\IN{\reichenbach} Seminar noch: Grelling\IN{\grelling}, Dubislav\IN{\dubislav}, Lewin\IN{\rjlewin}, \uline{Scholz}\IN{\scholzheinrich}, \uline{Bernays}\IN{\bernays}, Korsch\IN{\korsch}, Lucia Moholy\IN{\luzia}. 6\,\hbox{--}\,7. Dann 7\,\hbox{--}\,9 sehr lebhafte Diskussion, vom realistischen Standpunkt aus \pagebreak allerhand Einwände. \tbtwoA{432} Reichenbach\IN{\reichenbach} sagt: Alles wäre richtig, wenn man voraussetzen dürfte, dass alle Aussagen entweder wahr oder falsch; ich dagegen: Ich brauche nur die Voraussetzung, die der praktische Physiker erfüllt: Er anerkennt gewisse Formeln, gewisse andere lehnt er ab. Dann 9\,\hbox{--}\,11 in ein Caf\'{e}\IO{Berlin!Caf\'{e}}; noch weiter diskutiert, besonders mit \uline{Bernays}\IN{\bernays}. Seine Einwendungen gegen meine Axiomatik\IC{\axiomatikms}, werden beschwichtigt.~\neueseite{539929} Ich frage wegen Abdruck in Annalen\II{\annalenderphilosophie} und wegen Vortrag Göttingen\IO{Göttingen}; er winkt beides ab. \uline{Scholz}\IN{\scholzheinrich} sagt mir Komplimente über mein Buch\IC{\konstitutionstheorie}, das er in der Literaturzeitung sehr ausführlich besprochen habe;\fnE{Scholz, ,,Rezension von \emph{Rudolf Carnap, Der logische Aufbau der Welt\,/\,Scheinprobleme in der Philosophie}``. Die Hrsg. bedanken sich bei Gerhard Lindauer, Universität Wien, für das Recherchieren dieser Rezension.} und über den Vortrag und die gründliche Diskus\-sion, trotzdem die Wiener Kameraden nicht dabei. Mit Reichenbach\IN{\reichenbach} im Dixi nach Hause. \tbentry{23}{10}{1929}{} Vormittags mit \uline{Dubislav}\IN{\dubislav} am Schlachtensee\IO{Schlachtensee} spazieren. \gestrunl\ Meine Auffassung vom Wahrscheinlichkeitskoeffizienten erzählt; er berichtet über seine, im Anschluss an \gestrunl{} Bolzano\IN{\bolzano}. Seine Auswertung des Funktionkalküls. Es scheint, dass damit gezeigt ist, dass jedes logische Problem in endlich vielen Schritten entschieden werden kann.\fnE{Vgl. Dubislav, ,,Elementarer Nachweis der Widerspruchslosigkeit des Logik-Kalküls``.} Nachmittags 3\,\hbox{--}\,6 mit \uline{Reichenbach}\IN{\reichenbach} nach Potsdam\IO{Potsdam} zum \uline{Einsteinturm}\IO{Potsdam!Einsteinturm}; Professor \uline{Freundlich}\IN{\freundlich} zeigt uns die Aufnahmen von der Sonnenfinsternisexpedition nach Sumatra und erzählt über die ungeheuer umständlichen Methoden der Ausrechnung, \textit{ca.}~10~Monate.\fnE{Vgl. Hentschel, ,,Erwin Finlay Freundlich and Testing Einstein's Theory of Relativity``,~171\,ff.} An der Havel\IO{Havel} entlang nach Templin\IO{Templin}. Mit Brüderle\IN{\johannes} Eisenbahn gespielt. Abends nach~8 zu \uline{Reichenbachs}\IN{\reichenbach}\IN{\reichenbachfrau}. Dort sind: Scholz\IN{\scholzheinrich}, Grelling\IN{\grelling}, Dubislav\IN{\dubislav}, \uline{Herzberg}\IN{\herzberg}. Hauptsächlich mit Scholz\IN{\scholzheinrich} gesprochen; er \gestrunl\ schätzt meine Logistik\IC{\logistik} sehr, hat aber einige Fragezeichen. Wir sprechen zusammen über die schlechten Aussichten unserer Richtung in Deutschland. Scholz\IN{\scholzheinrich} sagt, er habe in Kiel\IO{Kiel} alles, was möglich sei, getan; es sei alles vergeblich. Scholz\IN{\scholzheinrich} sagt, ,,fakultätspolitisch`` sei das Vorwort meines Buches\IC{\konstitutionstheorie} ungeschickt, es sei zu scharf; ich sage darauf, dass ich nicht Verstecken spielen kann, und dass gerade junge Menschen dadurch Eindruck bekommen haben. Vom Zeitschriftenplan\II{\erkenntnis},\fnE{Die Zeitschrift \emph{Erkenntnis}. Vgl. TB~15.\,IX.\,1929\diaryref{TB-15-IX-1929}.} Plan der Königsberger Tagung\II{\koenigsbergerkongress}, Plan einer Eingabe von Ordinarien an das Ministerium\IO{Berlin!Ministerium}, Plan einer Berliner Hochschulwoche. \tbtwoA{433} \tbentry{24}{10}{1929}{} \sout{Da} Auf dem Wege \textonehalf{} Stunde Besuch bei Doktor Walter \uline{Marseille}\IN{\walterm}, Psychoanalytiker in Vorbereitung, Graphologe. War 2~Monate bei Maina\IN{\maina}, erzählt mir, dass die Ehe doch schwer geht. Nicht nur sexuell, sondern vor allem geistig bekomme Maina\IN{\maina} von Gerhard\IN{\gerhard} zu wenig, der zu robust und primitiv sei. Vielleicht werde Scheidung unvermeidlich werden, aber schwierig wegen der Kinder, an denen er sehr hängt. Vater Müller\IN{\muellerjohannes} hat das letzte grüne Heft\II{\grueneblaetter} an die Adresse Mainas\IN{\maina} geschrieben über Ehe;\fnE{Die von Johannes Müller herausgegebene Zeitschrift \emph{Grüne Blätter/Blätter zur Pflege persönlichen Lebens}.} dadurch ist sie wieder stark gepackt. Er hat ihr aber in vielem geholfen. Sie wäre auch zur Analyse bereit, fehlen aber Geld und Zeit. Er scheint sogar an die Möglichkeit der Heirat zu denken, erwähnt, dass er vom nächsten Frühjahr ab durch Graphologie ziemlich viel verdienen wird; doch sind die inneren Beziehungen noch ganz in ungewisser Entwicklung. Gerhard\IN{\gerhard} wollte zwar nicht eifersüchtig auf ihn sein, war aber doch immer kühl und zuweilen verstimmt. Wir verstehen \editor{uns}\fnA{Original \original{und}.} schnell und gut, weil er offen und klar spricht. Er war bei meinem Vortrag, diese ,,rein mathematische Philosophie`` ist ihm aber sehr fremd; hat bei Heidegger\IN{\heidegger} promoviert! Mittags zu \uline{Moholys}\IN{\moholy}\IN{\luzia}. Moholy\IN{\moholy} seit einigen Jahren zum ersten Mal wieder gesehen. Er zeigt Korrekturbogen seines neuen Bauhausbuches\II{\bauhaus}\IW{\moholybauhausbuch}; darin sind Raum\IC{\rjdissertation} und Logischer Aufbau\IC{\konstitutionstheorie} genannt.\fnE{Vgl. Moholy-Nagy, \emph{von material zu architektur}, 194.} Eine große Tabelle aller Raumarten (einfache Aufzählung), etwas spielerisch. \textonehalf{} Stunde hingelegt.~\neueseite{539925}\fnA{In der linken oberen Ecke der Seite, unmittelbar vor dem Text, steht \original{(Do~24.)}} Nachher als ich weggehen will, kommt Lucia\IN{\luzia} mit ihrer persönlichen Sache heraus. Es ist ihr sehr schmerzlich, dass Hilde\IN{\rohhilde} ihr böse ist, ihr Vorwürfe macht, als habe sie sich eingedrängt. Ich sage, dass hierbei von Vorwürfen keine Rede sein könne; vielleicht sei es Hilde\IN{\rohhilde} zu schwer geworden, \gestrunl~die Eifersucht zu unterdrücken, und das äußere sich nun so. Aber man kann wenig dazu sagen, das tut mir leid. Ihr kommen die Tränen, sie nimmt sich aber tapfer zusammen und begleitet mich noch hinunter in die \textit{U} Station. (Am nächsten Morgen kurzer Brief von ihr, \uline{wie sehr} sie sich gefreut habe, mich wiederzusehen, sie habe es am Schluss nicht mehr sagen können.) 4\textsuperscript{h} zu \uline{Gertrud Cloos}\IN{\gertrud}, nette Wohnung Voßbergstraße\IO{Berlin!Voßbergstraße}~6. Beim Tee ist der Bildhauer Carsten Kühl\IN{\kuehlcarsten} (wie unser kühl!) dabei, der dort wohnt. Abends kommt der lebhafte, 12"~jährige Reinhard, der da sein eigenes Zimmer hat, mit lauten Illustrierten-Titelblättern beklebt. \pagebreak Gertrud\IN{\gertrud} zeigt mir Brief von \tbtwoA{434} Martin\IN{\vogelmartin}; er redet sie mit ,,Sie`` an! Er sagt, dass er Lisa\IN{\vogellisa} in eine Schule Burg\IO{Döse!Schule Burg}~\ldots{}ens bei Döse\IO{Döse}~(?) an der Elbe\IO{Elbe} gebracht habe, wo sie in zwei Jahren außer den theoretischen Unterrichtsfächern hauptsächlich Haushalt und später Säuglingspflege lerne. Gertrud\IN{\gertrud} bezweifelt, ob Lisas\IN{\vogellisa} Neigungen wirklich so auf das Praktische gingen. Sie schenkt mir großes Foto von Lisa\IN{\vogellisa}. \gestrunl{} Auf der Straße Zeitung studiert, nach langem Schwanken das schwierige Stück beschlossen. In der Küche zusammen gegessen. Sie erzählt, dass sie ein Kind erwartet, im 2. Monat. Sie wünschte sich so sehr eins, meint aber, alle Leute würden es verrückt finden, sich eigens eines anzuschaffen. Zum Lessing-Theater\IO{Berlin!Lessing-Theater}, vom Potsdamer Platz\IO{Berlin!Potsdamer Platz} im Auto, \uline{,,Cyankali``}, von Friedrich Wolf\IN{\wolffriedrich}, dem Naturarzt; gegen \textsection{}\,218 (Abtreibung).\fnE{Der \textsection{}\,218 des StGB stellte Abtreibung unter Strafe, wogegen sich das Stück von Friedrich Wolf wendet.} Gertrud\IN{\gertrud} erzählt mir von ihren eigenen schlimmen Erlebnissen. Auto zum Potsdamer Platz\IO{Berlin!Potsdamer Platz}, Konditorei ,,Tschechow``\IO{Berlin!Konditorei ,,Tschechow``}. Wir schreiben zusammen Brief an Lisa\IN{\vogellisa}. Gertrud\IN{\gertrud} wird Weihnachten Lisa\IN{\vogellisa} bei~\neueseite{539933}\fnA{In der linken oberen Ecke der Seite, unmittelbar vor dem Text, steht \original{(Do 24.)}} sich haben. Dann im Januar nach Jessen\IO{Jessen} bei Wittenberg\IO{Wittenberg} ziehen, zu Walter Kölliker\fnE{Original \original{Köllecke}.}\IN{\walterk}. Sie will sich 10.000\,\textit{M} pumpen und ihm ins Geschäft geben, \gestrunl\ um Mitarbeiter auszuzahlen; will dann im Büro arbeiten, außerdem Pension aufmachen für Leute, die mithelfen (Doktor Künkel\IN{\kuenkel} soll sie ihr schicken). Sie werden nicht im selben Haus wohnen. Sie meint, es wird ihr gut tun, mal aus der Großstadt heraus; allerdings auf die Dauer wird sie sie entbehren. Sie ist in der kommunistischen Partei\II{\kommunistischepartei} tätig; bereitet sich innerlich und äußerlich auf proletarisches Leben vor. ,,Zum Abschied von Berlin\IO{Berlin}`` wird nochmal Auto gefahren, ich bringe sie nach Hause. Ich bin 1\textsuperscript{h} zu Hause.~\neueseite{539941} \tbentry{25}{10}{1929}{} 11\,\hbox{--}\,2 bei \uline{\ulinesp{Fritz Dörpfeld}}\IN{\doerpfeldfritz}, lässt mich im Auto holen. Autohof\IO{Berlin!Autohof} besichtigt;\fnE{Lt. Dörpfeld, \textit{Daten meines Lebens}, 83, wurde diese Firma von Fritz Dörpfeld im Juni 1926 gegründet.} alles sehr sauber und ordentlich, einfach und geschmackvoll gebaut; neue amerikanische Autohebevorrichtung, von ihm hier importiert. Wir vereinbaren, dass er je nach seinen Möglichkeiten von Zeit zu Zeit ca.~500 oder 1000 schicken wird, nach vorheriger Ankündigung. Fritz\IN{\doerpfeldfritz} bringt mich im Auto zum Anhalter Bahnhof\IO{Berlin!Anhalter Bahnhof}. 3\,\hbox{--}\,6 nach \uline{\ulinesp{Leipzig}}\IO{Leipzig}.\ort{Leipzig} (Hotel Monopol\IO{Leipzig!Hotel Monopol}, beim Bahnhof\IO{Leipzig!Bahnhof}, Zimmer mit Fließendwasser 5,-; besser als Opel.) \textonehalf{}\,8 \ulinesp{bei} \uline{\ulinesp{Eva}}\IN{\eva}. Wir haben uns seit September~27 \tbtwoA{435} in Jena\IO{Jena} (mit {\lspitz}Piano{\rspitz}) nicht mehr gesehen.\fnE{Carnap hat hier vermutlich das Jahr verwechselt. Vgl. TB~4.\diaryref{TB-4-9-1926} u. 5.\,IX.\,1926\diaryref{TB-5-9-1926}.} Die Gesichtslähmung ist bedeutend verbessert, nur das linke Auge ist oft kleiner, verändert sich nach den {\lspitz}Mienen{\rspitz}, besonders wenn sie müde ist. Till\IN{\till} und Jorinde\IN{\jorinde} im Bett besucht; sie ist \editor{ein} entzückendes Kind, erzählt gleich von ihrem Hasen. Eva\IN{\eva} sagt, dass sie verwöhnt sei, von den Leuten alles bekomme und alles wolle. Zusammen gegessen. Dann zusammen in Evas\IN{\eva} Zimmer, auf ihrem Diwanbett. Sie leidet viel unter fortwährender Müdigkeit, Medizinstudium und dazu mehrere Stunden Arbeit; Klinik\IO{Leipzig!Klinik} hat sie aber jetzt gekündigt, nur noch Privatpatienten, die besser bezahlen. Das Verhältnis zu Doktor Rosenbaum\IN{\rosenbaum} ist schwierig; sie hängt ungeheuer an ihm, er liebt sie auch, will aber nicht von seinen Kindern weg; und so \gestrunl\ wagt er nichts mehr. Einmal sind sie polizeilich aus Tirol\IO{Tirol} ausgewiesen worden! Seitdem wagen sie nicht mehr gemeinsame Reise, seine Frau ist sehr eifersüchtig. Nur die gemeinsamen Wege von und zur Klinik\IO{Leipzig!Klinik}. Er möchte, dass sie \gestrunl\ das Studium aufgibt. Sie aber tut es gerade, um vielleicht mal Assistenzärztin bei ihm sein zu können. Sie hat oft durch die Schrumpfung der Operationsnarben schlimme Nervenschmerzen im Unterleib; daher Angst vor dem Verkehr. Sie will ihn~\neueseite{539939} \gestrunl\ um keinen Preis verlieren, müsste sonst ihrem Leben ein Ende machen~(!), darum bemüht sie sich, heiter zu sein, wo sie oft weinen möchte. \gestrunl\ Mit den Eltern geht es etwas besser, wenigstens {\lspitz}korrekter{\rspitz} Verkehr; sie ist aber zu stolz, um Geld anzunehmen, außer für die Kinder. Ihre Mutter\IN{\rothefrau} sei nicht mehr gut auf mich zu sprechen, vermutlich durch \uline{Mäuschs}\IN{\mausch} Einfluss. Sie werde zur alten Jungfer; niemand wisse, ob sie Kurt\IN{\kurt}, jetzt in Köln\IO{Köln}, noch treffe, oder ob der nichts mehr von ihr wissen wolle. Mäusch\IN{\mausch} kümmere sich nicht um sie und die Kinder. \uline{Hans}\IN{\rothehans} ist Chefdramaturg bei Reinhardt\IN{\reinhardtmax}! Glänzende Stellung. Rosenbaum\IN{\rosenbaum} sei eifersüchtig; ein junger sehr netter Buchhändler, den sie nach langen Jahren wiedergetroffen und gerne mal abends eingeladen hätte, darf nicht alleine sie besuchen. Sie schüttet ihr Herz aus, liegt schließlich ganz bei mir, unter Tränen, lässt sich streicheln am Kopf. Plötzlich gegen 1~Uhr Telefonanruf: Sie redet eindringend und erregt mit ,,Friedl``; kommt verzweifelt herein: Rosenbaum\IN{\rosenbaum} hat angerufen, \gestrunl\ ist vorbeigegangen, hat am Licht gesehen, dass ich noch da bin, sie hat das Pfeifen nicht gehört, er will morgen nicht mit ihr gehen. Sie weint verzweifelt, fürchtet, nun beschließe er plötzlich den längst geplanten Umzug in die Stadt, dann sei alles vorbei. Sie lässt sich kaum mehr trösten. \textonehalf{} Stunde danach gehe ich, sie ist ganz verstört, bringt mich hinunter. Ich gehe in den Regen hinaus. (Da kommt plötzlich \tbtwoA{436} ein Mann, {\lspitz}hart{\rspitz} an mir vorbei, eilt auf die Haustüre zu und klopft, damit Eva\IN{\eva} ihm aufmacht! Also hat Rosenbaum\IN{\rosenbaum} die ganze Zeit im Regen draußen gewartet, wann ich endlich gehe! So glaubte ich; unheimlich; es war aber ein Irrtum.) (In Regen lange gegangen, dann Auto; um~2~Uhr ins Bett.) \tbentry{26}{10}{1929}{} 10\,\textonehalf{}\,\hbox{--}\,12\,\textonehalf{} nach Erfurt\IO{Erfurt}.\ort{Erfurt} 1\,\textonehalf{}\,\hbox{--}\,2\,\textonequarter{} Auto, nach \uline{Gebesee}\IO{Gebesee}\II{\landerziehungsheimgebesee}. \uline{Annemarie}\IN{\annemarie} und eine Kameradin suchen mich auf der Straße.~\neueseite{539935}\fnA{Durchgestrichene und dadurch offenbar als nicht direkt zum Tagebuch gehörig markierte Notiz: \original{\uline{Gute Filme}: \editor{Der} \uline{Patriot} (von Maue\IN{\maue} empfohlen), Der \uline{Ruf des Nordens} (von Maue\IN{\maue} sehr empfohlen, 7.\,10.\,29), \editor{Die weiße Hölle vom} Piz Palü (Fanck\IN{\fanck}, Trenker\IN{\trenker})}.} Sie freut sich sehr, dass ich da bin. Mit auf ihr Zimmer, zu den anderen Mädchen. Bei Doktor Max \uline{Rill}\IN{\rill} und Frau\IN{\rillfrau} Tee getrunken; dabei Frau Doktor Walter\IN{\walterfraudr} aus Ettersburg\IO{Ettersburg}. Rill\IN{\rill} und Frau\IN{\rillfrau} sind liebe Leute, scheinbar ein wenig kühl zu mir; ich kann vor arger Müdigkeit wenig sprechen. Rill\IN{\rill} spricht mit mir privatim auch über Annemaries\IN{\annemarie} Entwicklung. Begabt, gute Antworten; fügt sich jetzt auch besser ein; anfangs kommandierte sie sehr die Kleinen und nutzte die Kameraden für ihre Dienste aus. Nachher zeigt mir Annemarie\IN{\annemarie} alle Gebäude und den Park sehr gründlich und lebhaft. Sie erklärt alles spontan ausführlich und mit Interesse. Dann zusammen in ihrem Zimmer, sie zeigt ihre Handarbeiten: Ring für Hanneliese\IN{\hanneliese}, Schal für Eline\IN{\eline}. Gemeinsames Abendbrot, sehr einfach; dabei erklärt sie mir die Indianergeschichte, die dann nachher in der Kapelle\IO{Gebesee!Kapelle} (nach einem Klavierstück) vorgelesen wird. Dabei sitzt sie wie die anderen am Boden und häkelt an dem Schal. Sie darf mich noch zu Lehmanns\IN{\lehmanns} in mein Zimmer bringen. In der Klasse habe ich ihre netten, selbständigen Aufsätze gelesen, von dem Fabrikbrand in Vollmershausen\IO{Vollmershausen}, dem großen Tanzabend in Wiesneck\IO{Wiesneck}, der Fahrt nach Hamburg\IO{Hamburg}. Geschrieben. Früh schlafen gegangen. \tbentry{27}{10}{1929}{} \textonehalf{}\,10 mit Annemarie\IN{\annemarie} spazieren, über \gestrunl\ die Wiesen, auf den Hügel~\neueseite{539937} Ställe besehen. Mühle und Schach gespielt; sie fängt eben erst an, spielt schon ganz geschickt, kapiert alle Erklärungen gut. Mittagessen am Tisch der ,,Familie`` Rill\IN{\rill}\IN{\rillfrau}. 1~Stunde ausgeruht. 2\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,3: Annemarie\IN{\annemarie} protokolliert beim Schlagballwettspiel. Dann wieder spazieren, durchs Dorf, über die Felder; ich muss von allen Bekannten erzählen, und Rätsel aufgeben. Kaffee. \textonehalf{} Stunde spazieren. Schach gespielt, dann auch mit Rill\IN{\rill}. Abendbrot; Kapelle. Geschrieben. Mit Musiklehrer Breuer\IN{\breuergebesee} gesprochen; er sagt, dass er auf regelmäßiges Üben achtet. Er führt mir die Blockflöte vor, lässt mich auch probieren, einfacher Ansatz; geeignet zur Ergänzung für Kla\-\tbtwoA{437}vierspieler. Frage, ob Annemarie\IN{\annemarie} Streichinstrument lernen soll, dann Klavier daneben beizubehalten. 9\textsuperscript{h} ,,Spätstück`` mit einigen Lehrern zusammen. \tbentry{28}{10}{1929}{\strich} 10\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,1: Drei Unterrichtsstunden zugehört: Biologie bei Dubeck\IN{\dubeck} ({\lspitz}Biber{\rspitz}; die Kinder zeichnen dazu); Singen bei Breuer\IN{\breuergebesee} (es wird etwas zaghaft gesungen); Religion bei May\IN{\may} (nach der Stimme: Theologe, jung; die Kinder sind gelangweilt; über die Bestattungssitten der verschiedenen Völker). Rill\IN{\rill} sagt, dass Breuer\IN{\breuergebesee} und May\IN{\may} Anfänger sind, Disziplinschwierigkeiten. Annemarie\IN{\annemarie} sagt auf meine Frage, dass sie gern Geige lernen möchte, will aber zunächst noch besser Klavier können. Nach dem Mittagessen Zeichnungen besichtigt. Annemarie\IN{\annemarie} mit auf meinem Zimmer. Ich will Geburtstagskuchen kaufen, dann Taschenkamm; sie lehnt beides als unnötig ab; nur wünscht sie gebrannte Mandeln zum Abschied. 2,20\,\hbox{--}\,3 Autobus nach Erfurt\IO{Erfurt}. 4\,\hbox{--}\,6 \ulinesp{nach} \uline{\ulinesp{Leipzig}}\IO{Leipzig}.\ort{Leipzig} \ulinesp{Eva}\IN{\eva} angerufen, ich treffe sie \textonehalf{}\,8 am alten Theater\IO{Leipzig!Altes Theater} und begleite sie etwas zu Fuß. Kurz vor meinem Anruf hatte~\neueseite{539943} sie unglücklicherweise schon Sonjas\IN{\sonja} Bruder Walter\IN{\walterbruder} und dessen unbekannten Freund für den Abend eingeladen, also bleibe ich nicht in Leipzig\IO{Leipzig}. Der Mann, der Freitagnacht ins Haus ging, war ein Fremder gewesen. Samstag hat sie alles wieder einigermaßen ins Reine gebracht; das Komische ist: Rosenbaum\IN{\rosenbaum} kam von der Freundin, bei der er bis~1\textsuperscript{h} gewesen war, zurück und sah das Licht bei Eva\IN{\eva} und telefonierte empört! Er behauptet, nur hingegangen zu sein, weil er es nicht ausgehalten hätte an dem Abend, wo ich bei Eva\IN{\eva} war. Eva\IN{\eva} will Weihnachten mit Rosenbaum\IN{\rosenbaum} und den beiden Jungens als Wauwaus auf die Skihütte; dann vielleicht 4.~und 5.~Jan. München\IO{München}, während er schon nach Leipzig\IO{Leipzig}; in München\IO{München} vielleicht ruhiges Zusammensein möglich. \textonehalf{}\,9\,\hbox{--}\,10 nach \uline{Dresden}\IO{Dresden},\ort{Dresden} Hotel Bundeshaus\IO{Dresden!Hotel Bundeshaus} (4,\hbox{--}; einfach, aber nett). \tbentry{29}{10}{1929}{} 11\,\hbox{--}\,10\,\textonehalf{} nach \uline{\ulinesp{Wien}}\IO{Wien}.\ort{Wien} In Prag\IO{Prag} (nachmittags 4\textsuperscript{h}) steige ich nicht aus, um Frank\IN{\frankphilipp} zu besuchen, weil ich die Rumreiserei schon leid bin und endlich nach Wien\IO{Wien} will. \tbentry{30}{10}{1929}{} 2~Kisten aus Wiesneck\IO{Wiesneck} ausgepackt. Gekramt. Geschrieben. \tbentry{31}{10}{1929}{} Mittags mit \uline{Schlick}\IN{\schlick} im Arkaden\IO{Wien!Arkaden Café}. Er hat \sout{vom} von Riva\IO{Riva} aus zweimal Lila\IN{\lila} in Meran\IO{Meran} besuchen können; künftig aber schwierig, weil der Mann\IN{\plattner} jetzt argwöhnisch und vorsichtig ist. Sehr erkältet, will zu Bett. Zu \uline{Neuraths}\IN{\neurath}\IN{\neuratholga}. Mit Frau Neurath\IN{\neuratholga}, Feigl\IN{\feigl}, Rand\IN{\rand} die Charakteranalyse nach Nummern durchprobiert. Dann kommen Waismann\IN{\waismann} und Neurath\IN{\neurath}. Ich erzähle \tbtwoA{438} von Dessau\IO{Dessau}\II{\bauhaus} und Berlin\IO{Berlin}. Wir wollen zu Neuraths\IN{\neurath} Vortrag, der findet nicht statt, weil keine Leute gekommen. Zusammen ins Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}. \tbentry{1}{11}{1929}{\strich} Briefe geschrieben.~\neueseite{539947} \tbentry{2}{11}{1929}{} Nachmittags Kino ,,Der Gaucho`` mit Fairbanks\IN{\rjfairbanksdouglas}, amüsant, aber nicht sehr sinnvoll. Abends mit Feigl\IN{\feigl}, Kasper, Waismann\IN{\waismann}, Rand\IN{\rand} im Drehersaal 1~Stunde auf den Vortrag von Otto Bauer\IN{\bauerotto} gewartet; dann kommt statt dessen Austerlitz\IN{\austerlitz}. Ins Café gegangen. Über Konfessionalisierung der Philosophie-Professuren; über Heidegger\IN{\heidegger} und Kierkegaard\IN{\kierkegaard}. \tbentry{3}{11}{1929}{\strich} 5 bis nach~10: Waismann\IN{\waismann}, Feigl\IN{\feigl}, Kasper\IN{\kasper} bei mir. Über Gomperz'\IN{\gomperz} Buch\IW{\gomperzbuch}; Drieschs\IN{\driesch} Buch\IW{\drieschbuchxxix};\fnE{Vermutlich Gomperz, \emph{Über Sinn und Sinngebilde} sowie Driesch, \emph{Relativitätstheorie und Weltanschauung}.} meine Vorlesung; Waismanns\IN{\waismann} Übungen. Ich schenke Waismann\IN{\waismann}: Shaw\IN{\shaw}, Sozialismus\IW{\shawsozialismus}.\fnE{Vermutlich Shaw, \emph{Wegweiser für die intelligente Frau zum Sozialismus und Kapitalismus}.}{\tolerance1000\par} \tbentry{4}{11}{1929}{} Mittags und nachmittags bei Neurath\IN{\neurath}. Über seine Verlagspläne: Orbis und Lexikon.\fnE{Gemeinsam mit Paul Otlet plante Neurath um diese Zeit die Herausgabe eines Atlas der Weltkulturen (Novus Orbis Pictus). Vgl. Groß, \textit{Die Bildpädagogik Otto Neuraths}, 68 n132.} \textonehalf{}\,5~Kino: Tonfilm ,,4~Teufel``. \tbentry{5}{11}{1929}{\strich} Vorlesung vorbereitet. \tbentry{6}{11}{1929}{} \textwh{Vorlesung vorbereitet.} \tbentry{7}{11}{1929}{} Abends 7 mit Schlick\IN{\schlick} im Caf\'{e}; über die Studentenkrawalle.\fnE{Vgl. den Bericht ,,Die Wiener Hochschulen geschlossen. Die Folgen der skandalösen Vorgänge der letzten Tage``, \emph{Neue Freie Presse} 23403, 8.\,XI.\,1929 (Morgenblatt). Im Zentrum der antisemitischen Ausschreitungen an allen Wiener Universitäten, die die vorübergehende Schließung zufolge hatten, standen die jahrelangen Krawalle am Anatomischen Institut von Julius Tandler. Vgl. Taschwer, ,,Terror gegen das Anatomische Institut von Julius Tandler. 1920–1934``.} 8\,\textonehalf{}\,\hbox{--}\,12 Schlick-\uline{Zirkel}\II{\schlickzirkel}. Hahn\IN{\hahnhans} liest guten kleinen Aufsatz\IW{\hahnlogik} über Empirismus vor.\fnE{Vermutlich Hahn, ,,Empirismus, Mathematik, Logik``.} Schlick\IN{\schlick} erzählt von Amerika\IO{Amerika}.\fnE{Schlick verbrachte einen Teil des Jahres (von Juni bis August) 1929 als Gastprofessor an der Stanford University. Vgl. Schlick an Carnap, 26.\,VII.\,1929.}{\tolerance1000\par} \tbentry{8}{11}{1929}{} Heute sollte meine 1.~\uline{Vorlesung} sein, \uline{fällt aus}; die Universität\II{Universität Wien} ist wegen der Studentenkrawalle gesperrt. \tbtwoA{439} \textit{MS} ,,Konstitution des Nichtgegebenen``\IC{\konstitutionms} (für Kaila\IN{\kaila}) fleißig angefangen; im Anschluss an meinen Berliner Vortrag.\fnE{Carnap, ,,Konstitution des Nichtgegebenen``. Vgl. Carus, \textit{Carnap and Twentieth-Century Thought}, 209\hbox{--}221, Manninen, ,,Between the Vienna Circle and Ludwig Wittgenstein``, 52\,f. sowie TB~22.\,X.\,1929\diaryref{TB-22-X-1929}.} \tbentry{9}{11}{1929}{\strich} Heute sollten die 1.~\uline{Übungen} sein, \uline{fallen aus}, da noch gesperrt. ,,Nichtgegebenes``\IC{\konstitutionms} gearbeitet.~\neueseite{539951} \tbentry{10}{11}{1929}{} ,,Nichtgegebenes``\IC{\konstitutionms} gearbeitet. Abends \uline{Kaufmann}\IN{\kaufmannfelix} und Frau\IN{\kaufmannfrau} hier~7\,\hbox{--}\,11. Über Hahns\IN{\hahnhans} Aufsatz\IW{\hahnlogik}; Kaufmann\IN{\kaufmannfelix} sagt, dass die logischen Begriffe doch etwas bedeuten. Ob es Eigenschaften von Eigenschaften gibt. Kaufmanns\IN{\kaufmannfelix} Übersetzung des Satzes von der oberen Grenze ins Rationale. \tbentry{11}{11}{1929}{\strich} ,,Nichtgegebenes``\IC{\konstitutionms} gearbeitet. \tbentry{12}{11}{1929}{Staatsfeiertag} \textwh{,,Nichtgegebenes``\IC{\konstitutionms} gearbeitet.} 5\,\hbox{--}\,9 bei \uline{Waismann}\IN{\waismann}, Fruchtgasse\IO{Wien!Fruchtgasse}. Über politische Lage; anthroposophisches Buch über Grundlagen der Mathematik;\fnE{Es ist unklar, welches Buch hier gemeint ist. Tatsächlich gab es in dieser Zeit Bücher zu diesem Thema, so etwa Bindel, \textit{Die Grundlagen der Mathematik im Lichte der Anthroposophie}.\baustellex{LIT}} Waismanns\IN{\waismann} Proseminarprogramm für 2 Semester. \tbentry{13}{11}{1929}{} Nachmittags Kino\IO{Wien!Kino} ,,Wolga\editor{, Wolga} II. \editor{Teil}``. \uline{Neuraths}\IN{\neurath} Licht\-bilder\-vor\-trag über: Rationalisierung und Weltorganisation. Nachher mit ihm im Caf\'{e}. Über Verfassungsfragen, politische Lage, Klassenjustiz. \tbentry{14}{11}{1929}{} 12\,\hbox{--}\,2 mit \uline{Schlick}\IN{\schlick} Mittag gegessen. Dann in Liebiggasse\IO{Wien!Liebiggasse}. Ausgeruht und gelesen. Kino\IO{Wien!Kino}: ,,Die Sünden der Väter`` mit Jannings\IN{\jannings}. \textonehalf{}\,7\,\hbox{--}\,8 mit Kaufmanns\IN{\kaufmannfelix}\IN{\kaufmannfrau} im Vortrag \uline{Kelsen}\IN{\kelsen} über die Verfassungsfrage; juristische Gesellschaft.\fnE{Vgl. Kelsen, ,,Die Verfassungsreform``.} \uline{Schlick-Zirkel\II{\schlickzirkel}.} Kaila\IN{\kaila} Brief an mich und Feigl\IN{\feigl} vorgelesen. \uline{Ich Referat} über: Unabhängigkeit der Axiome, vollständig unabhängig, System der Wahrheitsfunktionen zweier Funktionen. \klammerabsatz{0,52}{% \tbentry{15}{11}{1929}{\strich} \\ \tbentry{16}{11}{1929}{} Abends Kino\IO{Wien!Kino} ,,Weiße Schatten``, Tonfilm von der Südsee\IO{Südsee}. Zum 2.~Mal! Sehr schön.}{\raggedright Universität\II{Universität Wien} noch immer gesperrt; meine Vorlesung und Übungen können noch nicht anfangen!} \tbtwoA{440} \tbentry{17}{11}{1929}{} ,,Apriorismus``\IC{\konstitutionms} gearbeitet.\fnE{Bezieht sich auf einen Teil des MS ,,Konstitution des Nichtgegebenen``. Vgl. TB~8.\,XI.\,1929\diaryref{TB-8-XI-1929} sowie die auf den 19.\,XI.\,1929 datierte Inhaltsübersicht in (\href{http://doi.org/10.48666/823520}{UCLA 04~-- CM13}) und die auf diesen und die folgenden Tage datierten dortigen Manuskriptteile.} Abends Volkstheater\IO{Wien!Volkstheater}, Sherriff\IN{\sherriff}, ,,Die andere Seite`` mit Moissi\IN{\moissi}. Engländer im Schützengraben. Packend, weckt alte Erinnerungen. Sehr echt.~\neueseite{539953} \tbentry{18}{11}{1929}{\strich} ,,Apriorismus``\IC{\konstitutionms} gearbeitet. \tbentry{19}{11}{1929}{\strich} \textwh{,,Apriorismus``\IC{\konstitutionms} gearbeitet.} 1.~Entwurf fertig. Abends Kino\IO{Wien!Kino} ,,Hauptmann Sorrell und sein Sohn``.{\tolerance2000\par} \tbentry{20}{11}{1929}{} \tbentry{21}{11}{1929}{} 7 \uline{Schlick}\IN{\schlick} im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}. \uline{Zirkel\II{\schlickzirkel}.} \uline{Doktor Guth}\IN{\gut} über Quantenmechanik. Interessant, aber schwierig; vieles nicht verstanden. \tbentry{22}{11}{1929}{} 11\,\hbox{--}\,1 \uline{Vorlesung}, die erste! ,,Einführung in die Philosophie``, Hörsaal 36 (70 Plätze), ganz voll, mehrere müssen stehen. Besorgungen. \tbentry{23}{11}{1929}{\strich} 11\,\hbox{--}\,1 \uline{Übungen} über Russells\IN{\russell} ,,Wissen von der Außenwelt``\IW{\russellaussenwelt} angefangen. Liebiggasse\IO{Wien!Liebiggasse}. Besorgungen. Abends 6\,\hbox{--}\,1 Waismann\IN{\waismann}, Feigl\IN{\feigl}, Kasper\IN{\kasper}, Neider\IN{\neider} bei mir; Besprechung über Terminologie. Gute Ergebnisse; heitere Unterhaltung. \tbentry{24}{11}{1929}{\strich} Abends Busch-Kino\IO{Wien!Busch-Kino} ,,Das Land ohne Frauen``, Tonfilm mit Conrad Veidt\IN{\veidtconrad}. Interessante Geschichte aus Westaustralien\IO{Westaustralien}. \tbentry{25}{11}{1929}{} Maue\IN{\maue} und Elisabeth\IN{\elisabeth} schreiben, dass \uline{Bürkle\II{Bürkle, Bankhaus in Freiburg} bankrott};\fnE{Carnap hatte bei dem Freiburger Bankhaus ,,1600 M und allerhand Wertpapiere`` liegen. Vgl. Elisabeth an Rudolf Carnap, 22.\,XI.\,1929 (\href{http://doi.org/10.48666/808102}{RC~025"~88"~62}), Maue Gramm an Rudolf Carnap, 22.\,XI.\,1929 (\href{http://doi.org/10.48666/808104}{RC~024"~32"~21})\baustellex{BIO} sowie Carnap an Maue Gramm, 27.\,XI.\,1929 (\href{http://doi.org/10.48666/824887}{RC~24"~32"~22}), Carnap an Elisabeth Carnap, 27.\,XI.\,1929 (\href{http://doi.org/10.48666/808106}{RC~25"~88"~61}) und 6.\,XII.\,1929 (\href{http://doi.org/10.48666/808108}{RC~25"~88"~57}) und TB~28.\,XI.\,1929\diaryref{TB-28-XI-1929}.} ich schreibe an Gall\IN{\gall}. \tbentry{26}{11}{1929}{\strich} 5 Kino\IO{Wien!Kino} ,,Frau im Mond``, {\lspitz}phantastisch{\rspitz}, Raketenfahrt; manches unsinnig, aber doch Phantasie anregend. \textonehalf{}\,8 \uline{Neuraths\IN{\neurath} Vortrag} im Werkbund\II{Werkbund Wien} über Kölner Ausstellung\IO{Köln}\fnE{Vgl. TB~2.\,X.\,1929\diaryref{TB-2-X-1929}.} und bildhafte Pädagogik. Nachher im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}} zusammen. Mit Neuräthin\IN{\neuratholga} und Fräulein Rand\IN{\rand} über Sinn des Lebens.\IW{\schlicksinndeslebens}\fnE{Gemeint ist vermutlich Schlick, ,,Vom Sinn des Lebens``.} Neuräthin\IN{\neuratholga} lehnt Schlicks\IN{\schlick} Metaphysik ab. \tbentry{27}{11}{1929}{} Briefe geschrieben. \tbtwoA{441} \tbentry{28}{11}{1929}{} Gall\IN{\gall} telegrafiert: Bei Bürkle\II{Bürkle, Bankhaus in Freiburg} wahrscheinlich alles verloren! Nachmittags im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}} 6\,\hbox{--}\,7\,\textonehalf{} Besprechung mit {\lspitz}\uline{Boschan}{\rspitz}\IN{\boschan}, er hat Aufsätze {\lspitz}über{\rspitz} Statistik, Messung, Stetigkeit usw. geschrieben. 8\textsuperscript{h} Zirkel\II{\schlickzirkel}.~\neueseite{539949} 2.~Vortrag Doktor Guth\IN{\gut} über Quantenmechanik. Diskussion nächstes Mal. \tbentry{29}{11}{1929}{} Vorlesung. Mittags mit Schlick\IN{\schlick}. \tbentry{30}{11}{1929}{\strich} Übungen. Abends 6\,\hbox{--}\,11 Besprechung Terminologie bei mir: Waismann\IN{\waismann}, Feigl\IN{\feigl}, Kasper\IN{\kasper}, Neider\IN{\neider}, Rand\IN{\rand}. Lustige Teepause.{\tolerance2000\par} \tbentry{1}{12}{1929}{} Gelesen. \tbentry{2}{12}{1929}{} Nachmittags Kino\IO{Wien!Kino} ,,Apollo~\hbox{--}~Apollo``, Revue. Abends Zirkel\II{\schlickzirkel}. Diskussion mit Doktor Guth\IN{\gut} über Quantenmechanik. Wir werden über die Unbestimmtheitsrelation nicht einig; sehr lebhafte Diskussion. \tbentry{3}{12}{1929}{} Briefe geschrieben. Abends 7 \uline{Maues}\IN{\maue} Telegramm: ,,sehr großer \uline{Sohn}``\IN{\gerhardgramm}.\fnE{An diesem Tag wurde Gerhard Gramm, das zweite Kind von Maue Gramm und Carnap geboren. Vgl. Telegramm Maue Gramm an Carnap (\href{http://doi.org/10.48666/808110}{RC~24"~33"~01}).} 8\textsuperscript{h} \uline{Konzert} zweier \uline{Thereminapparate}\fnE{Vom russischen Physiker Leon Theremin 1919 entwickeltes Musikinstrument, das mittels elektromagnetischer Schwingungen funktioniert und ohne Berührung gespielt wird.} im großen Konzerthaussaal\IO{Wien!Konzerthaus}. Sehr interessant. Nachher leider zu großer Andrang, als dass man hätte probieren können. \tbentry{4}{12}{1929}{} Abends 8 mit Kasper\IN{\kasper} im Kino\IO{Wien!Kino} ,,Ruf des Nordens`` mit Trenker\IN{\trenker}. Dann etwas gebummelt; ich erzähle von Albrechts\IN{\albrecht} Erlebnis am Ortler\IO{Ortler}.\fnE{Vgl. TB~21.\,IX.\,1925\diaryref{TB-21-IX-1925}.} Ich berichte von Maues\IN{\maue} Kind\IN{\gerhardgramm}; Kasperle\IN{\kasper} möchte auch Kinder; nur wirtschaftliche Gründe stehen entgegen. \textonehalf{}\,10\,\hbox{--}\,11 ins Caf\'{e} Reichsrat\IO{Wien!Caf\'{e} Reichsrat}; es kommen noch Feigl\IN{\feigl}, Blumberg\IN{\blumberg}, \ulinesp{Hempel}\IN{\hempel}, Wodwin \textspkl{Broadwin?}\IN{\broadwin}. Über Hempels\IN{\hempel} Examen;\fnE{Vgl. Hempel, ,,An Intellectual Autobiography``, 6\hbox{--}8.} Reichenbachs\IN{\reichenbach} Realismus usw. \tbentry{5}{12}{1929}{} Für Vorlesung gearbeitet. \tbentry{6}{12}{1929}{\strich} 11\,\hbox{--}\,1 \uline{Vorlesung}. Besorgungen. \tbentry{7}{12}{1929}{\strich} 12\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,2 \uline{Übungen}. Dann \ulinesp{mit} \uline{\ulinesp{Hempel}}\IN{\hempel} Mittag gegessen und lange gesprochen. Logische Probleme; er weiß eine Menge und versteht~\neueseite{539963} sehr gut. Entscheidungsprobleme; unendlich viele Wahrheitsfunktionen \tbtwoA{442} zweier {\lspitz}Relationen{\rspitz}; Ausschaltung des Überabzählbaren; Fraenkel'sche\IN{\fraenkelabraham} scheinbare Überabzählbarkeit. Usw. \textonehalf{}\,6\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,11 Besprechung über \uline{Terminologie} bei mir: Waismann\IN{\waismann}, Feigl\IN{\feigl}, Kasper\IN{\kasper}, Neider\IN{\neider}, Rand\IN{\rand}. Wieder lustige Gesellschaft. \tbentry{8}{12}{1929}{} Übungen vorbereitet. \tbentry{9}{12}{1929}{} Abends 8\,\hbox{--}\,11 mit Feigl\IN{\feigl}, \ulinesp{Hempel}\IN{\hempel}, Blumberg\IN{\blumberg}, {\lspitz}Broadwin{\rspitz}\IN{\broadwin} im Caf\'{e} Reichsrat\IO{Wien!Caf\'{e} Reichsrat}. Über Meyerson\IN{\meyerson}; ob Logik tautologisch; Filme, Atlantis; Willensfreiheit. \tbentry{10}{12}{1929}{} Vorlesung gearbeitet. \tbentry{11}{12}{1929}{\strich} Vormittags {\lspitz}\uline{Warlinger}{\rspitz}\IN{\warlinger} gesprochen; Erlaubnis zum mathematischen Hörsaal für \textit{S.\,S.} \uline{Hahn}\IN{\hahnhans} sagt, dass er mir für Axiomatik\IC{\axiomatikms} Druckkosten Beitrag der Nothilfe verschaffen kann. \uline{Schlick}\IN{\schlick} getroffen; ist in Sorge, weil Postlagerbriefe an Lila\IN{\lila} nicht angekommen sind. \tbentry{12}{12}{1929}{} 7\textsuperscript{h} Caf\'{e} Josephinum\IO{Wien!Caf\'{e} Josephinum}: Schlick\IN{\schlick} und Grete Neumann\IN{\neumanngrete}. Sie erwartet ein Kind, kann daher nicht Ski laufen. \uline{Zirkel}\II{\schlickzirkel}: Terminologie, nicht fertig geworden. (Nachts geträumt: Nudi\IN{\nudi} geküsst.) \tbentry{13}{12}{1929}{\strich} 11\,\hbox{--}\,1 Vorlesung. \nicefrac{1}{3} der Studenten wünscht, dass am~20. nicht mehr gelesen wird (trotzdem anfangs so viele Stunden ausgefallen sind!). Mittags mit Hempel\IN{\hempel}. \textonehalf{}\,7~mit Neuräthin\IN{\neuratholga} und Hahn\IN{\hahnhans} in die mathematische Gesellschaft\II{Mathematische Gesellschaft, Technische Hochschule Wien}, Technische Hochschule\IO{Wien!Technische Hochschule}, Vortrag \uline{Menger}\IN{\menger}: Axiomatik der Dimensionstheorie, interessant. Nachher alle zusammen gegessen. Doktor Duschek\IN{\duschek} und Frau; Nöbeling\IN{\noebeling}, Schüler von Menger\IN{\menger}. Gespräch mit Hahn\IN{\hahnhans} über Atomsätze usw.~\neueseite{539955} \tbentry{14}{12}{1929}{} \sout{12} 11 mit Feigl\IN{\feigl} beim Notar, wegen Vollmacht. 12\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,2 Übungen. Mittagessen Rathauskeller\IO{Wien!Rathauskeller} mit Hempel\IN{\hempel}, Kasper\IN{\kasper} und Rand\IN{\rand}. \tbentry{15}{12}{1929}{\strich} 5 Apollo-Kino\IO{Wien!Apollo-Kino}, feine Jazzmusik; Tonfilm ,,Die Weibergeschichten des Captain Lash``, lustig. \tbentry{16}{12}{1929}{} Abends 8\,\hbox{--}\,11 im Caf\'{e} Reichsrat\IO{Wien!Caf\'{e} Reichsrat}: Feigl\IN{\feigl}, Neider\IN{\neider}, Rand\IN{\rand}, Hempel\IN{\hempel}, Broad\-win\IN{\broadwin}, Blumberg\IN{\blumberg} $+$. Über Gomperz'\IN{\gomperz} Buch vom ,,Sinn``\IW{\gomperzbuch}.\fnE{Gomperz, \emph{Über Sinn und Sinngebilde}.} Über Behaviorismus, den Neider\IN{\neider} radikal vertritt. \tbentry{17}{12}{1929}{} Nachmittags endlich mal wieder Tanzstunde. \tbtwoA{443} Konkursanmeldungen für Gericht und Verwalter geschrieben.\fnE{Vgl. Carnap an Elisabeth Carnap, 17.\,XII.\,1929. Aus diesem Brief geht der Bezug ,,Konkursanmeldung`` jedoch nicht klar hervor. Vgl. TB~25.\,XI.\,1929\diaryref{TB-25-XI-1929}.} \tbentry{18}{12}{1929}{\strich} 1\,\hbox{--}\,3 mit Schlick\IN{\schlick} gegessen. Über Sinn der Zukunftsaussagen; ich sage, dass sie nur mit Wahrscheinlichkeitskoeffizienten einen Sinn haben. 3\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,5 mit \uline{Gödel}\IN{\goedel} über Behmann\IN{\behmann}. Gödel\IN{\goedel} zeigt, dass die Russell'sche\IN{\russell} Antinomie auch entsteht ohne Einführung eines Kurzzeichens. Über Ausschaltung \gestrunl\ des Überabzählbaren. Tanzstunde. Briefe geschrieben. \tbentry{19}{12}{1929}{} Nachmittags \uline{Feigl}\IN{\feigl} bei mir. Über meine Metalogik.\fnE{Siehe die auf diesen Tag datierte einseitige kurzschriftliche Skizze (\href{http://doi.org/10.48666/824889}{RC~089"~64"~02}) ,,Feigls Vorschläge zu meinem MS ,Metalogik`\,``.} Nachher erzähle ich ihm von Gerhard\IN{\gerhardgramm} und Birgit\IN{\birgit}; er hat so etwas geahnt, aber beide haben es nicht glauben wollen. Mit Feigl\IN{\feigl} zu \uline{Neurath}\IN{\neurath}. Neurath\IN{\neurath} schimpft über meine Darstellungen der ,,Geisteswissenschaften`` im ,,Aufbau``\IC{\konstitutionstheorie}. Ist ihm zu idealistisch; Hauptangriffspunkte: Dilthey\IN{\dilthey} wird genannt; ,,Sitte``, ,,Staat``, ,,Manifestation``.\fnE{Zum Verhältnis Neuraths zu Dilthey und zur hermeneutischen Tradition vgl. Uebel, ,,Neurath on Verstehen``.} 1~Uhr zu Hause. \tbentry{20}{12}{1929}{} 3\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,5 mit \uline{Frau Cloos}\IN{\clooselisabeth} im Caf\'{e} Reichsrat\IO{Wien!Caf\'{e} Reichsrat}. Sie wohnt bei den Eltern des Geigers Jüllig\fnA{Original \original{Jüllich}.}\IN{\juellichgeiger}. Sie hilft ihm, der kaum sehen kann, als~\neueseite{539961} Sekretärin und zum Begleiten, auch in den Stunden. Sie liebt ihn und seine Frau\IN{\juellich}, die Geigerin \editor{Jüllig"~}Kolbe, sehr; nennt die ganze Familie Du. Sie ist glücklich, hier nützlich zu sein, will länger hier bleiben. Ist schon 71~Jahre! Sie erzählt, wie gut es \uline{Ernst}\IN{\cloosernst} \gestrunl\ tut, sich zuweilen von seiner Frau\IN{\rjspemannmargret} erholen und amüsieren zu können. Weihnachtsbesorgungen (Bücher; Ledertasche für Nudi\IN{\nudi}). Tanzstunde (8.,~vorläufig letzte); ich führe, es geht schon ganz gut. \tbentry{21}{12}{1929}{\strich} Weihnachtspäckchen und Briefe. Abends zum Bahnhof\IO{Wien!Bahnhof} gebracht. \tbentry{22}{12}{1929}{} Weihnachtsbriefe geschrieben. Abends Renaissance-\uline{Theater}\IO{Wien!Renaissance-Theater}: ,,Madonna im Schlafcoup\'{e}``. Interessant. \tbentry{23}{12}{1929}{} 1\,\hbox{--}\,9 im Arkadencaf\'{e}\IO{Wien!Arkaden Caf\'{e}}! 1\,\hbox{--}\,3 mit \uline{Schlick}\IN{\schlick}. Er erzählt von der Studentin, die immer Selbstmord machen will, mit Rasiermesser spielt, das er ihr nicht entreißen konnte. \textonehalf{}\,4\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,6 \uline{Waismann}\IN{\waismann}. Er erzählt von \uline{Wittgenstein}\IN{\wittgenstein} gestern Abend. Es kommen ,,unvollständige Beschreibungen`` vor, die nicht wie bei Russell\IN{\russell} durch \tbtwoA{444} \reflectbox{$\exists$}\,$x$ wiederzugeben sind, und die auch als Atomsätze möglich sind. Waismann\IN{\waismann} schenkt mir Novelle von Conrad.\IW{\conradjugend}\IN{\conrad}\fnE{Vermutlich Conrad, \emph{Jugend}. Vgl. LL \refcn{1980}.} 5\,\textthreequarters{}\,\hbox{--}\,8\,\textonehalf{} \uline{Gödel}\IN{\goedel}. Über Unerschöpflichkeit der Mathematik (siehe besonderes Blatt).\fnE{Siehe das einseitige Typoskript (\href{http://doi.org/10.48666/824892}{RC~102"~43"~22}). Zu den im Folgenden angesprochenen Bezügen zu Gödels späterem Beweis der Unvollständigkeit der Arithmetik vgl. Dawson, \emph{Logical Dilemmas}, 55\hbox{--}56.} Er ist \sout{von} durch Brouwers\IN{\brouwer} Wiener Vortrag zu diesem Gedanken angeregt worden; die Mathematik ist nicht restlos formalisierbar. Er scheint recht zu haben. 9~Kolosseum-Kino\IO{Wien!Kolosseum-Kino}: Tonfilm ,,Broadway""\editor{"~Melodie}``, nicht gut. \tbentry{24}{12}{1929}{Heiligabend \strich} \ulinesp{Briefe geschrieben, auch langen an Hanne.}\IN{\hanne} Tannenzweige, Hannes\IN{\hanne} Kerzchen. Buch von Waismann\IN{\waismann}, \ulinesp{Buch von Studentin Stöger}\IN{\ina}; sonst nichts.~\neueseite{539957} \tbentry{25}{12}{1929}{Weihnachten} Gepackt. \textonehalf{}\,2\,\hbox{--}\,nachts \textonehalf{}\,1 nach \uline{Innsbruck}\IO{Innsbruck}, Arlberger Hof\IO{Innsbruck!Arlberger Hof}. \tbentry{26}{12}{1929}{} 12\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,2 \ulinesp{nach} \uline{\ulinesp{Seefeld}}\IO{Seefeld},\ort{Seefeld} Haus Edelweiß\IO{Oberseefeld!Haus Edelweiß} (in Oberseefeld\IO{Oberseefeld}). \uline{\ulinesp{Tschicholds}}\IN{\tschichold}\IN{\tschicholdfrau} sind da, mit 1"~jährigem Sohn Peter\IN{\tschicholdpeter}. Nachmittags zum Tanztee in die Post\IO{Seefeld!Post}; Professor \uline{Bühler}\IN{\buehlerkarl} ist da. Tschicholds\IN{\tschichold}\IN{\tschicholdfrau} \uline{tanzen} zusammen, mich verlässt auf einmal doch der Mut, wo ich alle so gewandt tanzen sehe. Ich kriege Minderwertigkeitsgefühle davon, die mich noch bis tief in die Nacht verfolgen! Abends langes Gespräch mit Tschichold\IN{\tschichold} über Eifersucht und Ehe. Er behauptet, ohne Eifersucht zu sein. Sie sagt, ihre jetzige Trennung sei nötig, weil eine gewisse gegenseitige Müdigkeit; er meint aber, das sei zu harmlos gedeutet. Nachts wenig geschlafen. \tbentry{27}{12}{1929}{} Nachmittags alleine spazieren, 1~Stunde; recht müde. (8,2!)\fnE{Eine mögliche Erklärung für die Zahl wäre ein Fieberthermometer, das die erste Ziffer weglässt, sodass 8,2 für 38,2 °C steht. Vgl. TB~31.\,XII.\,1930\diaryref{TB-31-XII-1930}.} Abends \textonehalf{}\,7 reist Tschichold\IN{\tschichold} ab. \tbentry{28}{12}{1929}{} Vormittags alleine spazieren. Mittags \textonehalf{}\,2 fährt Frau Tschichold\IN{\tschicholdfrau} plötzlich nach München\IO{München}, um das Kind hinzubringen. Nachmittags wieder spazieren. Nachher immer noch ziemlich müde. \tbentry{29}{12}{1929}{} Mittags Frau Tschichold\IN{\tschicholdfrau} wieder hier. Mit ihr zum Rennplatz\IO{Seefeld!Rennplatz}, Trabrennen, Skijöring mit Reitern (auch Damen). Abends bei ihr auf dem Zimmer; vergnügt zusammen.\pagebreak \tbtwoA{445} \tbentry{30}{12}{1929}{} Mit Frau Tschichold\IN{\tschicholdfrau} vor- und nachmittags spazieren. Weils\IN{\weilernst}\IN{\weilgertrude} kommen an. Mit Frau Tschichold\IN{\tschicholdfrau} ins Caf\'{e}\IO{Seefeld!Caf\'{e}}, tanzen. Es geht noch schlecht. Abends \gestrunl\ Buch von Roh\IN{\rohfranz} und Tschichold\IN{\tschichold}\IW{\rohtschicholdbuch} zusammen besehen.\fnE{Roh und Tschichold, \emph{foto-auge}.} Ich erzähle von Wien\IO{Wien}. \tbentry{31}{12}{1929}{} Weil\IN{\weilernst} wird zum Skilaufen gezwungen und ausgerüstet. Wir vier sind sehr vergnügt zusammen. Nachmittags Tanzstunde beim Grammophon mit Frau Tschichold\IN{\tschicholdfrau}. %%% Local Variables: %%% TeX-PDF-mode: t %%% mode: latex %%% TeX-master: "Tagebuecher_1920_bis_1935" %%% End: