\tbtwoA{312} \diary{29}{1.\,I.\,1927\,\hbox{--}\,30.\,VI.\,1927} \ersteseite{540125} \tbentry{1}{1}{1927}{}\fnAD{Dieses Dokument ist in demselben Papierformat wie das vorherige verfasst.}\ort{Sankt Anton} Hinter dem Hause steil hinauf, Hilde Horn\IN{\hornhilde} und ich ganz hinauf bis auf das Plateau oben, schöner Rundblick. Schwierige Abfahrt, schlechter Schnee, schmaler Hang, dauernd Wendungen. Hanne\IN{\hanne} bei mir bis~2~Uhr nachts. \tbentry{2}{1}{1927}{} Morgens herumgefahren. Mein Sturz auf den Kopf. Mittags reist Horn\IN{\hornwilhelm} ab. Nachmittags auf Nordhang\IO{Nordhang}. Ohne Kurs. Abends müde. \tbentry{3}{1}{1927}{} Mit Hanne\IN{\hanne} auf Nordhang\IO{Nordhang} geübt. Auch nachmittags. Moholy\IN{\moholy} und Hilde Horn\IN{\hornhilde} vormittags zum Kurs, Moholy\IN{\moholy} auch nachmittags. Abends geschrieben. \tbentry{4}{1}{1927}{\strich} Alle zusammen von Langen\IO{Langen} über Stuben\IO{Stuben}, Flexenstraße\IO{Flexenstraße}, nach Zürs\IO{Zürs}. Es schneit, aber doch schöne Fahrt. Hanne\IN{\hanne} möchte am liebsten oben bleiben. Abends noch Gespräch mit Hanne\IN{\hanne}, Moholy\IN{\moholy}, Hilde\IN{\hornhilde} über Ehe usw. Bei Hanne\IN{\hanne} bis~2\textsuperscript{h} geschlafen.~\neueseite{540143} \tbentry{5}{1}{1927}{} Schneegestöber. Geschrieben, gepackt. \tbentry{6}{1}{1927}{} Mit Bahn nach Langen\IO{Langen}, alle. Da wegen Neuschnee Flexenstraße\IO{Flexenstraße} unpassierbar (Lawinengefahr), bleiben wir in \uline{Stuben}\IO{Stuben}.\ort{Stuben} In einem Bauernhaus\IO{Stuben!Bauernhaus} (Matheis\IN{\mathiszuers}, Nummer 10, der Bruder des Matheis\IN{\mathiszuers} in Zürs\IO{Zürs}). Ich mit Hanne\IN{\hanne} und Hilde\IN{\hornhilde} in einem Zimmer. Draußen geübt. Lustiges Zusammensein in dem netten holzgetäfelten Zimmer. Nachts habe ich viel Neckerei von den beiden auszuhalten. Schlafen zu dritt ist aber nichts; jede von beiden stört einen in Bezug auf die andere. \tbentry{7}{1}{1927}{Hanne}\IN{\hanne} Endlich mittags wird's heller und wir beschließen plötzlich Aufbruch. Nach Zürs\IO{Zürs}.\ort{Zürs} Bei Skilehrer Matheis\IN{\mathiszuers}. Ich mit Hanne\IN{\hanne} in einem Zimmer. Abends immer im Edelweiß\IO{Zürs!Gasthaus Edelweiß}, mit Tanz. Hanne\IN{\hanne} unwohl, nachts bis~3 bei ihr. \tbentry{8}{1}{1927}{} \sout{Hilde\IN{\hornhilde} bleibt noch. \unl\ Keine Aussicht. Daher nur Straßenfahrt. Nach \unl\ Lech\IO{Lech} und zurück.} Hilde\IN{\hornhilde} will abreisen. Ich küsse sie zwangsweise, war nicht auf so hartnäckiges Sträuben gefasst. Hanne\IN{\hanne} meint aber, das hätte ich ihrem norddeutschen Charakter ansehen müssen.~\neueseite{540163} Sie sagt ,,verfluchtes \tbtwoA{313} Biest``. Wir vertragen uns aber wieder sehr gut. Da keine Aussicht, nur Straßenfahrt nach Lech\IO{Lech} hinab und zurück. Nachts bis~2 bei Hanne\IN{\hanne}. Ich erzähle von Frau Gramm\IN{\maue} und dem Kind\IN{\birgit}. Abends mit Hilde\IN{\hornhilde} gesprochen, dass der Kuss nur gute Kameradschaft bedeuten soll; sie will aber doch nicht. \tbentry{9}{1}{1927}{} Sonne, schöne Aussicht. Wir begleiten Hilde\IN{\hornhilde}, die abreist, bis durch die Tunnels. Nachmittags mit Hanne\IN{\hanne} hinauf bis fast zum Zürser See\IO{Zürser See}; es schneit, unsichtig. Herrliche Abfahrt. Abends wie immer getanzt. (Moholys\IN{\moholy} Tanzgespräch mit der Engländerin mit dem blonden Pagenkopf (,,Miets\-auto``): ,,\textit{Parlez vous fran\c{c}ais?\grqq\ ,,Qui.`` ,,Moi non``}. Später will er sagen: ,,Ich habe zu schwere Schuhe an``: ,,\textit{J'ai trop~-- et cetera.`` ,,Yes.``}) Vor dem Essen hat Moholy\IN{\moholy} langes Gespräch mit Hanne\IN{\hanne}, über sie selbst und die Frau im Allgemeinen. Er sagt dann, dass er sehr beruhigt ist, Sorgen \gestrunl\ los ist, Einsichten gewonnen hat. Es kommt Post herauf. Der verzweifelte Brief von Maue\IN{\maue}.\fnE{Maue Gramm an Carnap, 16.\,XI.\,1926 (\href{http://doi.org/10.48666/828664}{RC~024"~14"~12}) trägt die Aufschrift \original{bekommen: 19.\,I.\,27 (!)}.} Da Hanne\IN{\hanne} Brief von Hans Arnold\IN{\hansarnold} hat, komme ich nicht ganz zu ihr, wie ich vorhatte; auch ist sie von Moholy\IN{\moholy} bestärkt worden darin, nicht~\neueseite{540189} jede Spannung zu schnell aufzulösen. (Stichwort bei ihr ,,Entsagung`` oder etwas \gestrunl\ ironisch zu mir ,,der bittere Beigeschmack``.) Dann spreche ich mit ihr ausführlich \gestrunl\ über Frau Gramm\IN{\maue}. Sie sagt, ich soll sie bestimmt nicht heiraten, das würde nicht gutgehen, auch wenn Maue\IN{\maue} mit gutem Willen das Leben mit mir durchführen würde. Mein Fehler mit Elisabeth\IN{\elisabeth} sei gewesen, dass ich nicht vorher instinktiv erkannt habe, dass Elisabeth\IN{\elisabeth} das Leben, so wie ich es führen muss, nicht aushalten kann (besonders in Bezug auf andere Frauen meint sie). Sie glaubt, dass \gestrunl\ Gramm\IN{\gramm} das Kind nicht aushalten könnte. Und vor allem würde Frau Gramm\IN{\maue} selbst die Kraft nicht haben, sich innerlich mit dem Kind zu behaupten, sondern zu sehr leiden. Daher das Beste, wenn sie es sich nehmen ließe. Hanne\IN{\hanne} sagt deutlich, dass sie mit mir leben möchte und würde und könnte, wenn sie nicht zu Hans Arnold\IN{\hansarnold} ginge. Sie freut sich, dass ich sage, dass das genügt, und dass die \gestrunl\ Nichtrealisierung (,,der bittere Beigeschmack``) nicht so wesentlich ist. Sie gibt zu, dass es für eine Frau nicht leicht ist, mit mir zu leben; auch, weil ich oft Tölpeleien (wie mit Hilde\IN{\hornhilde}) oder sonstige Dummheiten mache; mit ihr hätte ich noch nicht eine~\neueseite{540203} Dummheit gemacht, und sie würde es schon auf sich nehmen, mit mir auszukommen. Bis \textonehalf{}\,3 zusammen.\pagebreak \tbtwoA{314} \tbentry{10}{1}{1927}{} Neuschnee, Lawinengefahr. Wir können nicht abreisen! Geschrieben. Wir waren früh aufgestanden zum Packen. Nachts zu Hanne\IN{\hanne}. Die Spannung bleibt erhalten, das ist für sie das ,,schönste Geschenk``. Sie glüht aber selbst stark. Bis \textonehalf{}\,4 zusammen. \tbentry{11}{1}{1927}{} Ausgeschlafen. Klares Wetter. Mittags hinunter, mit Hanne\IN{\hanne} und Moholys\IN{\moholy}\IN{\luzia}. Die Schlitten stehen noch auf der Flexenstraße\IO{Flexenstraße}, kommen aber bald durch. Die Berge glühen noch abends, Hanne\IN{\hanne} kann sich kaum trennen. Die Berge haben ihr gut getan, ,,ganz neues Lebensgefühl``. 6\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,10 von \uline{Langen}\IO{Langen} nach \uline{Innsbruck}\IO{Innsbruck}.\ort{Innsbruck} Mit Hanne\IN{\hanne} und Moholys\IN{\moholy}\IN{\luzia} in Caf\'{e}\IO{Innsbruck!Caf\'{e}}, noch sehr heiter zusammen. \tbentry{12}{1}{1927}{\strich} 9\,\hbox{--}\,9 nach \uline{Wien}\IO{Wien}.\ort{Wien} Unterwegs Vorlesung vorbereitet.~\neueseite{540233} \tbentry{13}{1}{1927}{} Nachmittags Vorlesung Physik. Abends mein Referat über Weyl\IN{\weyl} bei Schlick\IN{\schlick}.\II{\schlickzirkel} \tbentry{14}{1}{1927}{\strich} Logistik-Übungen. Mit Feigl\IN{\feigl} und Natkin\IN{\natkin} zusammen gegessen und diskutiert. Geschrieben und gekramt. Gebadet. \tbentry{15}{1}{1927}{} Geschrieben. Nachmittags bei Kraft\IN{\kraftvictor}: Gomperz\IN{\gomperz} über Platos\IN{\platon} System. Abends in der Urania\IO{Wien!Urania}\II{\uraniawien} ,,Schweden``\IO{Schweden}, mit Lichtbildern und Filmen, und Vorführung von Volkstänzen; sehr schön! \tbentry{16}{1}{1927}{} Nachmittags Volkstheater\IO{Wien!Volkstheater} ,,\editor{Der blaue Vogel}\fnA{Original \original{Blauer Vogel}.}``, russisches Variet\'{e}. Abends bei Neuraths\IN{\neurath}\IN{\neuratholga}. Über Aristoteles\IN{\aristoteles} und Epikur\IN{\epikur}, den Pfaffen und den wissenschaftlich Denkenden. (Mein idealistischer Pferdefuß!) \tbentry{17}{1}{1927}{} Nachmittags Film ,,Der Student von Prag`` mit Conrad Veidt\IN{\veidtconrad}. Abends Diskussionsabend des Vereins für Individualpsychologie\IO{Wien!Verein für Individualpsychologie}\II{\vereinfuerindividualpsychologie}. \tbentry{18}{1}{1927}{} \uline{Cello angefangen}, nach \gestrunl\ langer Unterbrechung. Nachmittags \textonehalf{}\,5 bei Schlick\IN{\schlick} Kienzle-Feier, mit Musik.~\neueseite{540237} Nachher mit Waismann\IN{\waismann}, Feigl\IN{\feigl} und Natkin\IN{\natkin} im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}. Über Sprachen und Veranlagung. Waismann\IN{\waismann} erzählt vom Ramsey\IN{\ramsey}-Aufsatz\IW{\ramseyaufsatz}.\fnE{Ramsey, ,,The Foundations of Mathematics``. Zu Ramsey und dem Wiener Kreis vgl. Misak, \textit{Frank Ramsey}, 147\hbox{--}192.} \tbentry{19}{1}{1927}{} Mittags mit Feigl\IN{\feigl} und Natkin\IN{\natkin} Problem der Einfachheit. Abends im Volksheim\II{Volksheim Wien}: Doktor Wexberg\IN{\wexberg}, Individualpsychologe, gut. \tbentry{20}{1}{1927}{} Nachmittags Vorlesung Physik.\shortenpage \tbtwoA{315} Abends mit Schlick\IN{\schlick} gegessen; über Prag\IO{Prag}, Reichenbach\IN{\reichenbach}, Maja\IN{\maja}. Wittgenstein\IN{\wittgenstein}-Zirkel\II{\schlickzirkel}. \tbentry{21}{1}{1927}{\strich} Vormittags Logistik. Mittags mit Waismann\IN{\waismann} über seine Wörter\-buch-Arbeit. Geschrieben. \tbentry{22}{1}{1927}{} Vermögensübersichten usw. geschrieben. Abends zweimal ins Kino\IO{Wien!Kino}~(!): ,,Der Sohn des Scheich`` und ,,\editor{Ludwig~van} Beethoven``.\IN{\beethoven} \tbentry{23}{1}{1927}{} Geschrieben. Konstitutionstheorie\IC{\konstitutionstheorie}\IC{\konstitutionstheorie} gearbeitet. \tbentry{24}{1}{1927}{\strich} An Hanne\IN{\hanne} und Elisabeth\IN{\elisabeth} geschrieben. Abends Kino\IO{Wien!Kino} ,,Die Dame im Schlafcoup\'{e}``.~\neueseite{540235} \tbentry{25}{1}{1927}{} Über Determination gearbeitet.\fnE{Vgl. die auf diesen Tag datierte zweiseitige kurzschriftliche Skizze ,,Allg. Begriff d.~Determination`` (\href{http://doi.org/10.48666/823522}{UCLA 03~-- CM08}) sowie TB~27.\,I.\,1927\diaryref{TB-27-I-1927}.} 7\textsuperscript{h} Caf\'{e} Zentral\IO{Wien!Caf\'{e} Zentral}, Waismann\IN{\waismann} getroffen (Feigl\IN{\feigl} ist krank) und endlich mal etwas persönlicher mit ihm gesprochen. Über Religion und ihre Bedeutung in unserer Kindheit, mein Protestantismus, sein Judentum. Über das Leben in Wien\IO{Wien}, unser Leben in Jena\IO{Jena} und Wiesneck\IO{Wiesneck}. \tbentry{26}{1}{1927}{} 1\textsuperscript{h} Schlick\IN{\schlick} abgeholt, Waismann\IN{\waismann} und Maja\IN{\maja} getroffen. Mit Waismann\IN{\waismann} gegessen. Abends 8\textsuperscript{h}: Doktor Wexberg\IN{\wexberg}, Individualpsychologe.\II{Volksheim Wien} Ins Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}, weil Zimmer kalt. \tbentry{27}{1}{1927}{} \textonehalf{}\,3 Vorlesung Physik; über Determination, auch Waismann\IN{\waismann} da. 7\textsuperscript{h} Schlick\IN{\schlick} abgeholt, schneller Imbiss, er erzählt von Maja\IN{\maja}. \textonehalf{}\,8 Seminar über Weyl\IN{\weyl}. 9\,\hbox{--}\,11 mit Waismann\IN{\waismann}, Feigl\IN{\feigl}, Natkin\IN{\natkin} im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}. Über Antinomie ,,Autologie``,\fnE{Zu dieser Diskussion und zu der am folgenden Tag über ,,Hetero\-logie'' vgl. Ramsey, ,,The Foundations of Mathematics``, 358\,f.\baustellex{WISS}} über Vollständigkeit von Axiomensystemen und dergleichen. \tbentry{28}{1}{1927}{} \textonehalf{}\,12 Logistik. Mit Waismann\IN{\waismann}, Feigl\IN{\feigl} und Natkin\IN{\natkin} zum Essen. Über Antinomie ,,Hetero\-logie``. 6\textsuperscript{h} Philosophische Gesellschaft\IO{Wien!Philosophische Gesellschaft}\II{\philosophischegesellschaft}: Hahn\IN{\hahnhans} über ,,Neue Logik``, über Wittgenstein\IN{\wittgenstein} und Ramsey\IN{\ramsey}. Sehr interessant. Nachher mit Waismann\IN{\waismann} und Feigl\IN{\feigl}.~\neueseite{540241} \tbtwoA{316} \tbentry{29}{1}{1927}{} Abends sagt Maja\IN{\maja} ab; deshalb ins Kino\IO{Wien!Caf\'{e}} (\textsection{} 144; Zirkusabenteuer).\fnE{Vermutlich der Film ,,Schenk mir das Leben``.} \tbentry{30}{1}{1927}{} Nach Perchtoldsdorf\IO{Perchtoldsdorf}, zu Neumanns\IN{\neumanngrete} zum Tee. Vorher eine Stunde spazieren. Beim Tee zwei Gymnastiklehrerinnen aus Laxenburg\IO{Laxenburg}, eine Schauspielschülerin, ein Professor Jurhazek\IN{\jorhetzek} mit Frau, er ist philosophisch interessiert. Abends \textonehalf{}\,10\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,12 bei Maja\IN{\maja}; andere Leute dort, deshalb keine Aussprache möglich. \tbentry{31}{1}{1927}{} 5 Urania\IO{Wien!Urania}-Film ,,Schweizer Bergfahrten``, zufällig auch dort Schlick\IN{\schlick} und Frau Doktor Neumann\IN{\neumanngrete}. 7\textsuperscript{h}~Maja\IN{\maja} in der Universität\II{Universität Wien} abgeholt, Caf\'{e} Arkaden\IO{Wien!Caf\'{e} Arkaden}, \textonehalf{}\,10 kommt ihre Freundin {\lspitz}Notik{\rspitz}\IN{\notek} (hässliche, rothaarige Jüdin) dazu. Ich gehe dann bald, komme aber nach \textonehalf{} Stunde zurück; wir bleiben bis~1. Maja\IN{\maja} erzählt viel von Paris\IO{Paris} und Palästina\IO{Palästina}.~\neueseite{540123} \tbentry{1}{2}{1927}{} Vortrag vorbereitet. \textonehalf{}\,8 Caf\'{e} Central\IO{Wien!Caf\'{e} Central}, mit Waismann\IN{\waismann} und Feigl\IN{\feigl}. Über Hahn\IN{\hahnhans}-Vortrag, Ramsey\IN{\ramsey}; alle Funktionen Wahrheitsfunktionen.\fnE{Vgl. Ramsey, ,,The Foundations of Mathematics``, 343\,f.\baustellex{WISS}} Strukturcharakteristik, mit Determinanten.\fnE{Vgl. TB~11.\,II.\,1927\diaryref{TB-11-II-1927}.} \tbentry{2}{2}{1927}{} Mittags mit Schlick\IN{\schlick} und Feigl\IN{\feigl}. Über Determinanten, Scholz\IN{\scholzheinrich}. Vortrag vorbereitet. \tbentry{3}{2}{1927}{} Nachmittags Vorlesung Physik. 7 Schlick\IN{\schlick} abgeholt; \ulinesp{Wittgenstein\IN{\wittgenstein}-\allowbreak Zirkel}\II{\schlickzirkel}. \tbentry{4}{2}{1927}{\strich} 11 Logistik. 6 \uline{Vortrag} Philosophische Gesellschaft\IO{Wien!Philosophische Gesellschaft}\II{\philosophischegesellschaft} ,,Das Wesen des Begriffs``, hauptsächlich über implizite Definitionen. Waismann\IN{\waismann} rühmt nachher mein geläufiges und konzentriertes Vortragen. 9 zu Neurath\IN{\neurath}, Physikerabend. Er liest die \unsicher{philosophischen} Stellen aus Kepler\IN{\kepler} vor. Über Schrödinger\IN{\schroedinger}. \tbentry{5}{2}{1927}{} Abends Kino\IO{Wien!Kino}: ,,Mit dem Motorrad über die Wolken`` und ,,Harold Lloyd und die Schwiegermutter``.\fnE{Lt. Ankündigung in der Neuen Freien Presse: Harold Lloyd in ,,Er und die Schwiegermutter``.} \tbentry{6}{2}{1927}{} 8\,\hbox{--}\,10 mit Schlick\IN{\schlick} und Feigl\IN{\feigl} nach Payerbach\IO{Payerbach} und \uline{auf die Rax}\IO{Rax}.\ort{Rax} Oben Doktor Neumann\IN{\neumanndoktor} und Frau getroffen. Nachmittags ich mit diesen beiden Abfahrt Kesselgraben\IO{Kesselgraben}. Oben sehr schön, später schlecht, \pagebreak weil~\neueseite{540129} die Wald\-\tbtwoA{317}wege hart und glatt abgefahren und stellenweise steil. Schließlich muss man mehrmals abschnallen. Es ist anstrengend, aber doch ganz lustig. Allein mit der Bahn wieder hinauf. \tbentry{7}{2}{1927}{\strich} Schneegestöber. Wir üben etwas. Nachmittags 3\textsuperscript{20} mit Raxbahn\IO{Wien!Raxbahn} ab. \textonehalf{}\,7 zu Hause.\ort{Wien} \gestrunl{} \tbentry{8}{2}{1927}{} Abends Schlick\IN{\schlick}-Seminar. Er kommt nicht, weil krank (in Wirklichkeit bei Maja\IN{\maja}!?). Ich leite deshalb die Diskussion. Nachher mit Waismann\IN{\waismann} und Feigl\IN{\feigl} im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}. \tbentry{9}{2}{1927}{} Schlick\IN{\schlick} und Maja\IN{\maja} kurz getroffen. Brief von Maue\IN{\maue}, Plan: Babelsberg\IO{Babelsberg}; ich telegraphiere. Abends will ich zu Maja\IN{\maja}. Aber auf einmal um~7~Uhr \uline{Atembeschwerden}, ich spüre die Lunge links oben, der Knax ist anscheinend wieder da! Ich kann nicht auf der linken Seite liegen. \tbentry{10}{2}{1927}{} Vorlesungen abgesagt. Nachmittags Untersuchung bei Professor Wilhelm Neumann\IN{\neumannwilhelm}, Schwarzspanier\editor{straße} 16 (\textit{F}\,25°\textit{O}°29). Er meint, es sei nur Grippe; die Anstrengung am Sonntag kann die Ursache nicht sein, sonst hätte ich sofort etwas spüren müssen. Einreibung mit Ateban, trockener warmer Umschlag nachts. Es wird wahrscheinlich in 2\hbox{--}3~Tagen vorbei sein;~\neueseite{540131} wenn nicht, soll ich Röntgenaufnahme machen lassen bei Doktor Fleischner\IN{\fleischner}, Währingerstraße~18. \tbentry{11}{2}{1927}{\strich} Waismann\IN{\waismann} und Feigl\IN{\feigl} besuchen mich. Waismann\IN{\waismann} erzählt von seinem philosophischen Kurs im Volksheim\IO{Wien!Volksheim}. Über Strukturcharakteristik gearbeitet.\fnE{Vgl. das auf diesen Tag datierte, durchpaginierte zwölfseitige Kurzschriftmanuskript (\href{http://doi.org/10.48666/824866}{RC~084"~71"~08}).} \tbentry{12}{2}{1927}{} \textwh{Über Strukturcharakteristik gearbeitet.} \tbentry{13}{2}{1927}{} \textwh{Über Strukturcharakteristik gearbeitet.} Abends im Bett lese ich jetzt immer ,,Kristin Lavranstochter``\IW{\lavranstochter}. \tbentry{14}{2}{1927}{} ,,Uneigentliche Begriffe``\IC{\uneigentlichebegriffe} gearbeitet.\fnE{Carnap, ,,Eigentliche und uneigentliche Begriffe``.} Nachmittags Röntgenuntersuchung: \uline{Pneumothorax!} Die halbe Lungenhälfte. Er muss sich aber sofort wieder geschlossen haben; kein Luftdurchtritt mehr (Röntgenuntersuchung bei Doktor Fleischner\IN{\fleischner}, Währingerstraße~18), er lädt mich ein, öfter zur Durchleuchtung zu kommen, weil er \tbtwoA{318} die Resorption beobachten will. Professor Neumann\IN{\neumannwilhelm} meint, es sei nicht schlimm, da kein Fieber. Später würde ich wieder ganz leistungsfähig bleiben. \gestrunl{} Ateban-Einreibungen machen, nach 6~Wochen Röntgenaufnahmen, um zu sehen, ob in der Lunge was los ist.~\neueseite{540127} Briefe an Eva\IN{\eva}, Hanne\IN{\hanne}, Elisabeth\IN{\elisabeth} geschrieben.\fnE{Carnap an Eva Bergemann, 14.\,II.\,1927 (\href{http://doi.org/10.48666/824868}{RC~025"~27"~40}), Rudolf an Elisabeth Carnap, 14.\,II.\,1927 (\href{http://doi.org/10.48666/824870}{RC~025"~28"~31}).} Abends kommt Maja\IN{\maja}, möchte am liebsten die Nacht dableiben. \tbentry{15}{2}{1927}{} Ein Brief von Maina\IN{\maina}: Einladung. Vormittags kommt Waismann\IN{\waismann}. Er rät mir auch zu, zum Semmering\IO{Semmering} hinaufzugehen. Nachmittags Schlick\IN{\schlick}; Maja\IN{\maja} hat ihm erzählt, dass sie eine Nacht bei mir bleiben will, ich aber Angst wegen der Hausfrau hätte. Er meint, da müsse ich eben vorsichtig sondieren. Abends kommt noch Feigl\IN{\feigl}. An Maue\IN{\maue} geschrieben; und an Christiansen\IN{\christiansen}. \tbentry{16}{2}{1927}{} Vormittags kommt Waismann\IN{\waismann} noch mal. Mittags \textonehalf{}\,2\,\hbox{--}\,4 zum \uline{Sem\-me\-ring}\IO{Semmering}.\ort{Semmering} Wohnung gesucht. Balkonzimmer in Postvilla\IO{Semmering!Postvilla}, ich esse im Hotel Erzherzog Johann\IO{Semmering!Hotel Erzherzog Johann}. \tbentry{17}{2}{1927}{} Vor- und nachmittags (bei Schneegestöber) etwas spazieren. Strukturcharakteristik gearbeitet. \tbentry{18}{2}{1927}{\strich} ,,Uneigentliche Begriffe``\IC{\uneigentlichebegriffe} gearbeitet. \tbentry{19}{2}{1927}{} Vormittags beim Probeskispringen zugeschaut; gewaltig, wie die Kerls daherfliegen. Nachmittags im Südbahnhotel\IO{Semmering!Südbahnhotel} 4~Stunden getippt, abends 1\,\textonehalf{} Stunden im Erzherzog\IO{Semmering!Hotel Erzherzog Johann}, schlechte Maschine.~\neueseite{540133}{\tolerance1000\par} \tbentry{20}{2}{1927}{} Vormittags Wettspringen auf der Groß-Schanze\IO{Semmering!Groß-Schanze} zugeschaut. Viele Leute; Carlsen\IN{\carlsen} springt 44\,\textit{m} in famoser Haltung. Nachmittags ,,Uneigentliche Begriffe``\IC{\uneigentlichebegriffe} zu Ende geschrieben, und dann 1\,\textonehalf{}~Stunden zu Ende getippt. Briefe geschrieben. \tbentry{21}{2}{1927}{} Sonne, aber sehr kalt. Einiges gearbeitet. Kopfschmerzen. \tbentry{22}{2}{1927}{} Kopfschmerzen. Sonne. Nachmittags zu Fuß zum Kurhaus\IO{Semmering!Kurhaus}, \uline{Doktor Menger}\IN{\menger} besucht. Er freut sich, dass ich komme, hat mit der Lunge zu tun. Er erzählt von der allgemeinen Metrik, die er untersucht, von der Dreiecksungleichung, die so fundamental ist. \pagebreak Ich erzähle ihm vom Versuch der topologischen Definition der \tbtwoA{319} konformen Abbildung. Später auch Doktor Felix Kaufmann\IN{\kaufmannfelix}. Er meint, der Zahlbegriff sei nicht aus den logischen Grundbegriffen ableitbar.\baustellex{WISS} \tbentry{23}{2}{1927}{\strich} Sonne, windig. Abends 8\,\hbox{--}\,10 nach \uline{Wien}\IO{Wien}.\ort{Wien}~\neueseite{540135} \tbentry{24}{2}{1927}{} \textonehalf{}\,3 Vorlesung Physik (zum ersten Mal wieder). Dann zu Doktor Fleischner\IN{\fleischner}, der mich zur Durchleuchtung eingeladen hat. Der Pneumothorax ist noch ebenso groß! Er meint, die Aufnahme könne gut bis Mai verschoben werden, rät mir aber sehr, mich vor körperlicher Anstrengung in Acht zu nehmen, besonders Luftpressung (Koffer tragen lassen, für leichten Stuhlgang sorgen). Er vermutet, dass zwischendurch mal wieder Luft durchgetreten sei an derselben oder einer anderen Stelle; die Lunge scheine fragil. 7\textsuperscript{h} Schlick\IN{\schlick} in Universität\II{Universität Wien} abgeholt. \textonehalf{}\,8 Seminar, ich referiere über Weyl\IN{\weyl}. Nachher doch ziemlich müde. \tbentry{25}{2}{1927}{} 11 Logistik. Nachher mit Schlick\IN{\schlick} und den Voegelin\editor{s}\IN{\voegelin} zum Essen. Identitätsproblem. Reichenbachs\IN{\reichenbach} ,,Realitätsaxiom``.\fnE{Vgl. Reichenbach, ,,Ziele und Wege der physikalischen Erkenntnis``, 16\hbox{--}26 sowie TB~4.\,VII.\,1929\diaryref{TB-4-VII-1929}.} Nachher 3\,\hbox{--}\,5 mit Fräulein Doktor Feix\fnA{Original \original{Faix}.}\IN{\feix} im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}. Sie geht bald in den Verlag Zsolnay\IO{Wien!Zsolnay Verlag}\II{\zsolnayverlag}, wird dann den ganzen Tag besetzt sein, und möchte doch so gern im Zusammenhang mit der Wissenschaft bleiben. In der Geschichtswissenschaft finden sich so viel nationale usw. Vorurteile, sie verlangt nach Objektivität, darum zur Mathematik und Logik gegangen.~\neueseite{540139} \tbentry{26}{2}{1927}{} Abends Schlick\IN{\schlick} und Maja\IN{\maja} bei mir. Nachher sitzen wir am Boden, Schlick\IN{\schlick} taut auf und ist natürlich. Aber er geht auf Majas\IN{\maja} ernste Gespräche nicht recht ein, sucht alles ins Spaßhafte zu ziehen; anscheinend will er Entscheidungen ausweichen (sie spricht davon, dass die Philosophen heute nicht mehr ihr äußeres Leben nach Eigenem formen). \tbentry{27}{2}{1927}{} Ganzen Tag fleißig Konstitutionstheorie\IC{\konstitutionstheorie}\IC{\konstitutionstheorie} gearbeitet. \tbentry{28}{2}{1927}{} \textwh{Ganzen Tag fleißig Konstitutionstheorie\IC{\konstitutionstheorie}\IC{\konstitutionstheorie} gearbeitet.} \tbentry{1}{3}{1927}{} Mittags zur \uline{Hockegasse}\IO{Wien!Hockegasse}; Kaufmanns\IN{\kaufmannfelix} Zimmer gesehen und gleich für den Sommer gemietet. Abends Feigl\IN{\feigl} und Waismann\IN{\waismann} bei mir. Lebhaft diskutiert. Konforme Abbildung. \tbtwoA{320} %\tbentry{2}{3}{1927}{} \tbentry{3}{3}{1927}{} Mexiko\IO{Mexiko}-Brief: Wiesneck\IO{Wiesneck} soll an Elisabeth\IN{\elisabeth} verkauft werden! Der Zweck der Sache ist etwas bedenklich (wegen Thieme\IN{\rjthieme}-Prozess).\fnE{Dieser Brief ist nicht erhalten. Vgl. die Antwort, Carnap an Elisabeth Carnap, 23.\,III.\,1927 (\href{http://doi.org/10.48666/807991}{RC~025"~28"~28}).\baustellex{BIO}} Letzte Physik-Vorlesung.~\neueseite{540137} \uline{Röntgen}untersuchung. Der \uline{Pneumothorax} ist etwas schmaler geworden. Ich darf nach Deutschland\IO{Deutschland} reisen, soll aber sehr vorsichtig sein; wenn \editor{es} arg wird, kann ich ja immer zum Arzt, sagt er; und schlimmstenfalls, wenn's mich arg drückt, kann man auch mal durch Punktion die Luft herauslassen. Abends Schlick\IN{\schlick}-Seminar über Weyl\IN{\weyl}. Nachher noch mit Waismann\IN{\waismann} und Feigl\IN{\feigl} \sout{un}\gestrunl\ zusammen. Über Sigrid Undset\IN{\undset}, Erlends Charakter\IW{\lavranstochter} \gestrunl.\fnE{Der Ritter Erlend Nikulaussohn ist eine Figur in Undset, \emph{Kristin Lavranstochter}.} Ich erzähle vom norwegischen Sprachstreit;\fnE{Die norwegische Sprache besteht aus verschiedenen (großteils aus dem Dänischen abgeleiteten) Varianten, die bis heute in mehreren Standardisierungen existieren. Vgl. TB~20.\,III.\,1922\diaryref{TB-20-III-1922}.} Lösung des Sprachproblems der Kleinvölker durch Esperanto; Waismann\IN{\waismann} will Esperanto lernen. \tbentry{4}{3}{1927}{} Letzte Übungen Logistik. Mit Waismann\IN{\waismann} und Feigl\IN{\feigl} und Natkin\IN{\natkin} zusammen essen. Sie fragen nach verschiedenen Abschnitten der Konstitutionstheorie\IC{\konstitutionstheorie}\IC{\konstitutionstheorie}, und bei beinahe allen sage ich, dass gerade diese gestrichen werden sollen; sie sind entsetzt. Waismann\IN{\waismann} meint, ich solle mehr den Text überall kürzen und dafür solche Abschnitte retten.\fnE{Vgl. TB~6.\,XII.\,1926\diaryref{TB-6-XII-1926}.} Feigl\IN{\feigl} packt meine Bücherkisten. Vergeblich zu \uline{Maja}\IN{\maja} gefahren.~\neueseite{540141} \tbentry{5}{3}{1927}{} Gepackt, Briefe geschrieben. \tbentry{6}{3}{1927}{} Nachmittags kommt \uline{Schlick}\IN{\schlick}. Wir überlegen wegen Konstitutionstheorie\IC{\konstitutionstheorie}\IC{\konstitutionstheorie}; die Kürzung vieler wichtiger Abschnitte scheint sehr schade. Wir wollen versuchen, das \textit{MS} doch ungekürzt irgendwo unterzubringen, vielleicht mit Geldbeihilfe \gestrunl. Schlick\IN{\schlick} glaubt sicher, dass das irgendwie gelingt. \gestrunl\ Deshalb verspreche ich ihm, dann für seine Sammlung eine kurze (vielleicht 6~Bögen) Darstellung der Konstitutionstheorie\IC{\konstitutionstheorie} zu schreiben. \tbentry{7}{3}{1927}{} 11\,\hbox{--}\,9 nach \uline{München}\IO{München}.\ort{München} Zu Rohs\IN{\rohfranz}\IN{\rohhilde}.\pagebreak \tbtwoA{321} \tbentry{8}{3}{1927}{} Mit Roh\IN{\rohfranz} über Metaphysik, Aussprechbares, das Buch von Dacqué\IN{\davi} gesprochen.\fnE{Wohl ein nicht zu identifizierendes Buch von Edgar Dacqué.\baustellex{LIT}} Mit beiden über mich und Elisabeth\IN{\elisabeth}. \sout{Hilde\IN{\rohhilde} hält} Beide halten es für richtig, dass wir nicht mehr zusammenleben; auch, dass ich Frau Gramm\IN{\maue} nicht heirate. Abends spricht Hilde\IN{\rohhilde} noch bis~1~Uhr mit mir, während ich schon zu Bett liege. \tbentry{9}{3}{1927}{} 12\,\hbox{--}\,3 nach \uline{Nürnberg}\IO{Nürnberg}.\ort{Nürnberg} \uline{Hanne}\IN{\hanne} holt mich~\neueseite{540147} im Auto ab. Sie ist alleine zu Hause, Mutter hat ihr aufgetragen, gut für mich zu sorgen. Wir sitzen abends lange zusammen, bis~3~Uhr!, und besprechen alles. Sie weiß verstandesmäßig kaum zu sagen, meint sie, weshalb sie zu Hans Arnold\IN{\hansarnold} fahre und nicht zu mir komme. Es ist wohl, weil \sout{sie} das \sout{stärkere} starke körperliche Erleben sie an ihn bindet. Jedenfalls fühlt sie, dass das jetzt ihr Weg ist und geht ihn ruhig, und freut sich, dass ich das auch ohne Bitterkeit sehen kann. Was in Zukunft sein wird, weiß sie gar nicht. In Berlin\IO{Berlin} werde ich vielleicht mit Schacke\IN{\rjschicke} sprechen über sie, damit sie nicht mehr hin muss. \tbentry{10}{3}{1927}{\kreuz} 10\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,12 mit Hanne\IN{\hanne} im Auto nach \uline{Bamberg}\IO{Bamberg}. Unterwegs in \uline{Er\-lan\-gen}\IO{Erlangen} \uline{Benary}\IN{\benary} aufgesucht, der ist aber verreist.\fnE{Es geht hier um die Publikation von Carnap, ,,Eigentliche und uneigentliche Begriffe`` in der von Benary co-edierten Zeitschrift \emph{Symposion}. Vgl. Benary an Carnap, 4.\,III.\,1927 (\href{http://doi.org/10.48666/807993}{RC~110"~05"~54}) sowie Carnap an Benary, 13.\,III.\,1927 (\href{http://doi.org/10.48666/807996}{RC~110"~05"~53}).} In Bamberg\IO{Bamberg} Dom\IO{Bamberg!Dom} besehen. Im Zug sehen wir \uline{Fritz Klatt}\IN{\klattfritz}. Mit ihm zusammen \textonehalf{}\,1\,\hbox{--}\,8 nach \uline{Berlin}\IO{Berlin}.\ort{Berlin} Ich unterhalte mich lange und gut und fruchtbar mit ihm. Er treibt viel Sprachphilosophie: Wirkung der Ich-Einstellung (z.\,B. in der dualistischen Spaltung des Grundsachverhaltes bei Driesch\IN{\driesch}) und des Besitzenwollens (das~Viel"~,,Haben``) und dergleichen. Er interessiert~\neueseite{540145} sich sehr für Strukturtheorie und stimmt mit mir in der Abgrenzung von Wissenschaft und Metaphysik überein (will aber das Rationale nicht ,,Wissenschaft`` nennen, wohl aber ,,Erkenntnis``), und hält die saubere Scheidung, wie ich sie machen will, für außerordentlich wichtig. Er wird nächstens Flitner\IN{\flitner} und Merten\IN{\merten} treffen, er erzählt vom Hohenrodter Bund\II{\hohenrodterbund}. \uline{Maue}\IN{\maue} holt mich ab, in Pension Kurfürst\IO{Berlin!Pension Kurfürst}, \textit{W}~15,\fnE{Damalige Einteilung der Berliner Postbezirke in Bezug auf das zuständige Postamt.} Kurfürstendamm\IO{Berlin!Kurfürstendamm}~205. Wir haben hohe, schöne, helle, große Zimmer. Sie ist schon fast ,,überwartet`` und ist heilfroh, dass ich nicht noch einen Tag später komme. \tbentry{11}{3}{1927}{\kreuz} Mittags Koko\IN{\koko} und Lilli Gröhmann\IN{\grossmannlilli} im \gestrunl\ M\unl\ getroffen. Sie ist eine nette, kleine Schauspielerin, erinnert sehr an Maja\IN{\maja}. Wir sind sehr lustig zusammen. Abends kommen die beiden auch noch mal zu uns. \tbtwoA{322} \tbentry{12}{3}{1927}{\kreuz\ \kreuz} Maue\IN{\maue} muss einen Montessori\IN{\montessori}-Aufsatz machen und erzählt mir, um sich zu klären. ,,\unsicher{Geburtshaus} und Familie``. \tbentry{13}{3}{1927}{} Mittags immer mit Koko\IN{\koko} und Lilli\IN{\grossmannlilli} zusammen. Briefe geschrieben. Nachmittags die Türkin hier. Abends \ulinesp{Gertrud Vogel}\IN{\gertrud} bei uns, sie kommt gerade aus Bonn\IO{Bonn}, hat~\neueseite{540151} Jacoby\IN{\jacoby} gekündigt und fühlt sich viel freier und ruhiger. Sie will jetzt Gindlermethode lernen.\fnE{Von Elsa Gindler begründete Form der Gymnastik und Bewegungstherapie.} Wir plagen uns zur Bravheit, bis~3~Uhr. \tbentry{14}{3}{1927}{\kreuz\ \kreuz} Nachmittags mit Maue\IN{\maue} bei \uline{Gertrud}\IN{\gertrud}; den ganzen Nachmittag mit ihr gesprochen, auch über mich und Elisabeth\IN{\elisabeth}. Sie ist offen und klug. Es geht ihr viel besser jetzt, sie war bei den Brüdern\IN{\cloosernst}\IN{\clooshans} in Bonn\IO{Bonn}. Sie ist gescheit und tapfer. \tbentry{15}{3}{1927}{\kreuz} Maue\IN{\maue} nachmittags in die Schule\IO{Berlin!Schule}. Geschrieben. \tbentry{16}{3}{1927}{} Nachmittags mit Gertrud\IN{\gertrud} in den Zoo\IO{Berlin!Zoo} und ins Caf\'{e}\IO{Berlin!Caf\'{e}}. \tbentry{17}{3}{1927}{\kreuz} Nachmittags zu Wilhelm \uline{Schacke}\IN{\rjschicke} nach Niederschönhausen\IO{Niederschönhausen}. Seine Mutter stimmt zu, dass es besser ist, wenn er und Hanne\IN{\hanne} sich nicht mehr sehen. Er möchte anscheinend aber doch. 1~Stunde mit ihm spazieren gegangen. Ich kann es jetzt besser ertragen als damals in Wiesneck\IO{Wieneck}. Er ist ungeheuer gehemmt. Abends sind wir zu müde, gehen nicht in den Jacoby\IN{\jacoby}-Kurs.~\neueseite{540149} \tbentry{18}{3}{1927}{\kreuz} Zahnarzt. Nachmittags Frau Korsch\IN{\rjkorschhedda} im Caf\'{e}\IO{Berlin!Caf\'{e}} getroffen. \tbentry{19}{3}{1927}{} Zahnarzt. Maue\IN{\maue} macht ihren Aufsatz. Auf einmal wird sie böse, weil ich sie dabei sich alleine plagen lasse. Allerhand Geschimpfe und Kummer. Nachher schämt sie sich und Versöhnung. \tbentry{20}{3}{1927}{\kreuz\ \kreuz} Maue\IN{\maue} fleißig an ihrem Aufsatz, macht ihn ganz allein. \tbentry{21}{3}{1927}{} Zahnarzt. Nachmittags einkaufen mit Maue\IN{\maue}: Pyjama und Socken. \uline{Notar} wegen Wiesneckverkauf\IO{Wiesneck} an Elisabeth\IN{\elisabeth}; es klappt nicht, große Geschichte für Mexiko\IO{Mexiko} aufgesetzt.\fnE{Vgl. Carnaps Brief an Elisabeth Carnap vom 23.\,III.\,1927 (\href{http://doi.org/10.48666/807991}{RC~025"~28"~28}).} Es geht meinem Pneumothorax nicht sehr gut. Abends allein. \tbentry{22}{3}{1927}{} Notar und Zahnarzt. \tbtwoA{323} Nachmittags alleine ins Kino\IO{Berlin!Kino} ,,Metropolis``, Handlung manchmal kitschig, die technischen Aufnahmen der großen Zukunftsstadt, der Maschinen, der physikalischen Apparate, des künstlichen Menschen sind großartig. \tbentry{23}{3}{1927}{\kreuz} Zahnarzt. Mittags \uline{Gerhards}\IN{\rjgerhards} getroffen, zum ersten Mal seit~\neueseite{540153} 1922. Er erzählt von Versuchen mit dem Mathematikerkreise in Aachen\IO{Aachen}, die mathematische Analyse \gestrunl\ des Außenweltproblems weiter zu fördern.\fnE{Karl Gerhards war hauptberuflich Gymnasiallehrer, lehrte aber seit 1925 an der TU~Aachen Psychologie und Pädagogik. Vgl. Tilitzki, \emph{Die deutsche Universitäts\-philo\-sophie in der Weimarer Republik und im Dritten Reich}, 219\,f. Zu Gerhards' Arbeit über das Außenweltproblem vgl. Richardson, ,,External World Problems``.} An Elisabeth\IN{\elisabeth}, Papa\IN{\schoendubeheinrich} und Walter\IN{\diederichsenwalter} geschrieben. \tbentry{24}{3}{1927}{\kreuz} Nach dem Essen mit Lilli\IN{\grossmannlilli} im Hahn\IO{Berlin!Gasthaus Zum Hahn}. Abends Maue\IN{\maue} abgeholt. Zusammen zum \uline{Jacoby}\IN{\jacoby}-Kurs. [Er spürt allerhand ganz fein, ist sich aber nicht klar genug über die erkenntnistheoretischen Grundlagen, sodass er, wenn er selbst einen bestimmten Spannungsverlauf spürt \gestrunl, veranlasst durch ein paar gleichmäßige Gongschläge zum Anfang, \editorstr{er} nicht merkt, ob dieser Spannungsverlauf durch die Schläge eindeutig angegeben ist oder nicht; auch versteht er nicht einige sehr schüchterne Einwände von Teilnehmern in Bezug auf das Spüren der Dissonanz der von ihm gespielten Klänge mit dem gesummten Ton. Im Ganzen legt er zu wenig Wert auf \gestrunl\ den wichtigeren von seinen beiden Grundgedanken: Weckung der Spontanität des Ausdrucks im Menschen; er pflegt fast nur den zweiten Gedanken: Das Wesentliche der Musik ist der Spannungsablauf.] Dort Hirsch\IN{\rjhirsch} getroffen.~\neueseite{540155} \tbentry{25}{3}{1927}{} 5\textsuperscript{h} kommt \uline{Hanne}\IN{\hanne}, wohnt im Hotel\IO{Berlin!Hotel} am Zoo\IO{Berlin!Zoo}. Abends mit ihr und Maue\IN{\maue} zusammen. Beide ein klein wenig befangen. \tbentry{26}{3}{1927}{\kreuz} Ganzen Tag \ulinesp{mit Hanne}\IN{\hanne}. Vormittags nach Niederschönhausen\IO{Niederschönhausen} zu \uline{Schacke}\IN{\rjschicke}. Ich suche die Mutter auf, dann treffen wir Schacke\IN{\rjschicke} in der Oberrealschule\IO{Berlin!Oberrealschule}; Hanne\IN{\hanne} geht 1~Stunde mit ihm. Sie sagt hinterher, dass seine Mutter recht hat, dass er kaum noch Gefühle hat. Wir essen beim Klausner\IO{Berlin!Klausner} und sind dann den ganzen Nachmittag hier in unseren Zimmern. Ich merke, dass ihr der Abschied doch schwer wird, aber sie bleibt munter und vergnügt. Wenn sie wiederkommt, soll ich wieder mit ihr in den Alpen\IO{Alpen} Ski laufen; wenn ich dann eine Frau habe, muss die das erlauben. Und sie wird dann eine ganze Schar Jungens haben. 7\textsuperscript{40}~\uline{fährt sie ab} nach Lübeck\IO{Lübeck}. \tbtwoA{324} \tbentry{27}{3}{1927}{} Nachmittags mit Maue\IN{\maue} zur Scala\IO{Berlin!Scala};\fnE{Varieté-Bühne in Berlin.} der großartige Jongleur Rastelli\IN{\rastelli} und die Chinesen mit Stangen usw. Danach ins Kino\IO{Berlin!Kino}: Bengt Berg\IN{\bergbengt} spricht selbst in sympathischer, naiver~\neueseite{540157} Art über afrikanische Expedition, Elefanten und Vögel, ,,Abu Markub``. \tbentry{28}{3}{1927}{\kreuz} Maues\IN{\maue} Examen fällt aus. Sie kommt auch zu \ulinesp{Vögelchen}\IN{\gertrud}, die Geburtstag hat. Auch Lilli\IN{\grossmannlilli} dort, später \ulinesp{Klopfers}\IN{\klopfer}\IN{\klopferfrau}. Lustiges Zusammensein. Auch Kindermann\IN{\rjkindermann}. \tbentry{29}{3}{1927}{\kreuz} Nachmittags mit Maue\IN{\maue}, Lilli\IN{\grossmannlilli}, Frau \uline{Verberne}\IN{\verbernefrau} und ihrem Töchterchen Schnutz\IN{Schnutz, Tochter von Frau Verberne} im Hahn\IO{Berlin!Gasthaus Zum Hahn}. Frau Verberne\IN{\verbernefrau} will später Kinderheim aufmachen mit dem Lehrer Schmidt\IN{\schmidtlehrer}; Montessori\IN{\montessori}~\hbox{--}~Adler\IN{\adleralfred}. Interessiert sich daher für Wiesneck\IO{Wiesneck}, kommt vielleicht Anfang Mai nach Freiburg\IO{Freiburg}; ich gebe ihr Christiansens\IN{\christiansen} Adresse. Abends \ulinesp{bei Doktor Klopfer}\IN{\klopfer}, seine Frau\IN{\klopferfrau} kommt aus der Lohelandstunde\II{\loheland}. Wir finden viele gemeinsame Bekannte: Flitner\IN{\flitner}, Nohl\IN{\rjnohl}, Klatt\IN{\klattfritz}, Trüpers\IN{\rjtruepers}, Lewin\IN{\rjlewin}. Er ist vielseitig interessiert, besonders für Erziehungsberatung und Heilpädagogik, ist aber nicht bedeutend.~\neueseite{540159} \tbentry{30}{3}{1927}{\kreuz} Nachmittags mit Maue\IN{\maue}, Vögelchen\IN{\gertrud}, Lilli\IN{\grossmannlilli} und Frau Verberne\IN{\verbernefrau} \lhaken Lilli\IN{\grossmannlilli} gibt mir ganz plötzlich einen Kuss auf die Backe\rhaken{} noch mal im Hahn\IO{Berlin!Gasthaus Zum Hahn}. Ich zeige ihr Kinderbilder und spreche auch vom Jenaer Haus\IO{Jena!Haus von Carnaps Mutter}. Sie wird vielleicht, bevor sie ihr Kinderheim macht, noch nächsten Winter hier bei Doktor Künkel\IN{\kuenkel} Individualpsychologie treiben. Maue\IN{\maue} abends weg. Ich schreibe an Eva\IN{\eva}. \tbentry{31}{3}{1927}{} Maue\IN{\maue} ins Examen; Montessori\IN{\montessori} ist nicht gekommen, nur Mario\IN{\montessorimario}.\fnE{Vgl. TB~5.\,VIII.\,1926\diaryref{TB-5-VIII-1926}.} Nachmittags sind wir noch mal mit Frau Verberne\IN{\verbernefrau} im Hahn\IO{Berlin!Gasthaus Zum Hahn}, um~5. Vorher gehe ich mit Lilli\IN{\grossmannlilli} Spielzeug für Schnutz\IN{Schnutz, Tochter von Frau Verberne} kaufen. Abends Maue\IN{\maue} weg. Briefe geschrieben. \tbentry{1}{4}{1927}{\kreuz} Nachmittags \gestrunl\ und abends Maue\IN{\maue} zu Sievers\IN{\sievers} nach Wannsee\IO{Wannsee}. Gelesen: Kollontai\IN{\kollantay}\IW{\kollontaiwege}.\fnE{Kollontai, \emph{Wege der Liebe}. Vgl. auch Carnap an Elisabeth Carnap, 5.\,IV.\,1927 (\href{http://doi.org/10.48666/807590}{RC~025"~28"~26}), wo Carnap dieses Buch empfiehlt.} Relativität der logischen Stufen geschrieben.\IC{\konstitutionstheorie}\fnE{Vgl. Carnap, \textit{Der logische Aufbau der Welt}, \S\S\ 40\hbox{--}42.} \tbentry{2}{4}{1927}{\kreuz} Nachmittags mit Maue\IN{\maue} im Tiergarten\IO{Berlin!Tiergarten} spazieren. \tbtwoA{325} Zufällig Hermann Hueck\fnA{Original \original{Huck}.}\IN{\hueckhermann} getroffen, ist Assistent in Rostock\IO{Rostock}.~\neueseite{540161} \tbentry{3}{4}{1927}{} Eva\IN{\eva} kommt nicht, weil sie krank ist. Kindermann\IN{\rjkindermann} ganzen Tag bei uns. Nachmittags ich und Maue\IN{\maue} ins Theater des Westens\IO{Berlin!Theater des Westens}, Schwarzrevue\IN{\schwarzemil}, mit blauem Ballett, und Berliner Zankszenen, über die Maue\IN{\maue} viel philosophiert. Nachher sind Kindermann\IN{\rjkindermann} und Lilli\IN{\grossmannlilli} bei uns. Ich liege und halte Lilli\IN{\grossmannlilli} eine Stunde im Arm, das nette Kätzle, Koko\IN{\koko} schläft, Maue\IN{\maue} schreibt Briefe. (Wir gehen nicht zum Jacoby-Fest\IN{\jacoby}, weil Maue\IN{\maue} einige unsympathische Leute fürchtet.) \tbentry{4}{4}{1927}{\kreuz\ \kreuz} Beide zu Hause geblieben. Etwas geschrieben, Geschäftskram gerechnet. \tbentry{5}{4}{1927}{\kreuz} Geschrieben. Maue\IN{\maue} macht die Übersicht der Dreierstrukturen. Nachmittags Lilli\IN{\grossmannlilli} bei uns, liegt wieder in meinem Arm. Abends Vögelchen\IN{\gertrud} bei uns. Liegt auch in meinem Arm. Sie erzählt allerhand Erlebnisse, auch mit Franz Roh\IN{\rohfranz}. Bis~12 bei uns. \tbentry{6}{4}{1927}{} Abends holt Maue\IN{\maue} mich telefonisch nach Lichterfelde\IO{Lichterfelde}, zu Bötzlein\IN{\boetzlein} und Lisa {\lspitz}Gamlin{\rspitz}\IN{\kaplinlisa}. \editorstr{{\lspitz}Gamlin{\rspitz}} Bötzlein\IN{\boetzlein} ist Kommunistin und psychoanalytisch in Behandlung und kommt sich sehr unbürgerlich und \gestrunl{} aufgeklärt vor, ist aber doch unfreier als Lisa\IN{\kaplinlisa}.~\neueseite{540165} \tbentry{7}{4}{1927}{\kreuz} Vormittags zur Notgemeinschaft\IO{Berlin!Notgemeinschaft}\II{\notgemeinschaft}. Dann Wertheim\IO{Berlin!Wertheim}, Maue\IN{\maue} zeigt mir die Montessori\IN{\montessori}-Ausstellung\II{Montessori-Ausstellung}.\fnE{Vermutlich eine Wanderausstellung der deutschen Montessori-Gesellschaft. Vgl. Stiller, \emph{Clara Grunwald und Maria Montessori}, 82.} Nach Tisch begleite ich Lilli\IN{\grossmannlilli} heim. Sie redet mir sehr ins Gewissen, dass ich Maue\IN{\maue} Kummer mache, durch Hanne\IN{\hanne} z.\,B., und anspruchsvoll bin. \ulinesp{Und warum ich sie denn nicht heirate.} Man müsse sich etwas versagen können, um einen Menschen, den man liebt, und das wolle ich nicht. \uline{Gerhards}\IN{\rjgerhards} bei mir. Diskutiert über Metaphysik, er möchte einige metaphysische Probleme retten, schließlich bleibt's nur bei der Frage des Weiterlebens nach dem Tode. Lisa {\lspitz}Gamlin{\rspitz}\IN{\kaplinlisa} kommt und spricht mit Maue\IN{\maue}. Sie hat schon viel erlebt, sieht so brav aus und ist doch frei. Sie meint, sie könne auch vorübergehend sich einem Mann schenken, auch ohne tiefe oder dauernde Liebesverbindung. \tbentry{8}{4}{1927}{} Geschrieben. \tbtwoA{326} Mittags Maue\IN{\maue} bei Schlesingers\IN{\schlesingerfrauberlin}. Mich schleppen Vögelchen\IN{\gertrud}, Lilli\IN{\grossmannlilli} und {\lspitz}Car\-la{\rspitz} gewaltsam vom Arendt\IO{Berlin!Arendt (Gasthaus?)} zum Hahn\IO{Berlin!Hahn (Gasthaus zum?)}.~\neueseite{540169} Nachmittags bei \uline{Lewin}\IN{\rjlewin}. Er erzählt sehr interessant vom Plan einer allgemeinen Dynamik, wovon seine Willens- und Affektpsychologie ein Beispiel ist; die ,,Rangreihe`` von Zahlen, die sie aufnehmen (als Vorstufe von ,,Messungen``).\fnE{Vgl. Lewin, ,,Vorbemerkungen über die psychischen Kräfte und Energien und über die Struktur der Seele``.} Spricht von \unsicher{Hurwitz}\IN{\horwitz} und seiner Axiomatik. Er will es mir schicken, vielleicht könnte man es so formulieren, dass eine Zeitschrift es annimmt, unter beider Namen. Abends kommen Türkin und Koko\IN{\koko} 8\,\hbox{--}\,10 zu uns. Dann kommt die müde Maue\IN{\maue} endlich zum Packen. Vögelchen\IN{\gertrud} wollte sie noch zur Nachtvorstellung verführen. Bis~1 gepackt. Es war Weinheim\IO{Weinheim} beschlossen, wegen mildem Klima. Die Türkin findet den Umweg für Maue\IN{\maue} zu groß. Wir schlafen nachts wenig. Plötzlich schlage ich Bamberg\IO{Bamberg} vor, und wir beschließen es, fahren also 10\textsuperscript{45} anstatt 8\textsuperscript{20}. \sout{Koko\IN{\koko} komm} \tbentry{9}{4}{1927}{\kreuz} Koko\IN{\koko} noch mal kurz. 11\,\hbox{--}\,6 nach \uline{Bamberg}\IO{Bamberg}.\ort{Bamberg} Wir gehen am Dom\IO{Bamberg!Dom} hinauf, wollen Bergschlösschen\IO{Bamberg!Bergschlösschen} und alte Burg\IO{Bamberg!Alte Burg} als Wohnung~\neueseite{540167} untersuchen, scheinen uns aber zu weit und primitiv. Hotel 3 Kronen\IO{Bamberg!Hotel Drei Kronen} . \tbentry{10}{4}{1927}{\kreuz\ \kreuz} Viele Briefe geschrieben. Zum Dom\IO{Bamberg!Dom} spazieren. \tbentry{11}{4}{1927}{} Nachmittags zur alten Burg\IO{Bamberg!Alte Burg} spazieren. \tbentry{12}{4}{1927}{\kreuz\ \kreuz} (Kummer wegen Maues\IN{\maue} Schnarchen.) Geschrieben. Kurz ausgegangen. Immer Regen oder Schnee und Sonne abwechselnd. Nachmittags Spaziergang. \tbentry{13}{4}{1927}{} Abreise \textit{Fr} beschlossen. Geschrieben. Abends Maues\IN{\maue} {\lspitz}Pumperei{\rspitz}, nackt stehend, lieblicher Tanz. Ich ziehe ihr in Eile die rote Schürze an, aber sie ,,überschüttet meine Hände mit Undank``; wir lachen sehr. Nachher ich (45,~und dann~53). \tbentry{14}{4}{1927}{\kreuz\ \kreuz} Regen. Nicht spazieren. Abschiedsnacht. \tbentry{15}{4}{1927}{} 12\textsuperscript{20} \uline{Abreise}, mit Maue\IN{\maue} bis Nürnberg\IO{Nürnberg}. Maue\IN{\maue} fährt zu Gramm\IN{\gramm} nach München\IO{München}. In Nürnberg\IO{Nürnberg} am Bahnhof\IO{Nürnberg!Bahnhof}~\neueseite{540171} Abschied. Ich bis~8 (anstatt~7) nach \uline{Stuttgart}\IO{Stuttgart}.\ort{Stuttgart} Schlossgarten Hotel\IO{Stuttgart!Schlossgarten Hotel} (schön, teuer). Abends zu \uline{Reichenbach}\IN{\reichenbach}.\pagebreak \tbtwoA{327} \tbentry{16}{4}{1927}{} Besorgungen. Dann ganzen Tag zu \uline{Reichenbach}\IN{\reichenbach}. Wir sprechen über seinen Brief über meine Konstitutionstheorie\IC{\konstitutionstheorie}\IC{\konstitutionstheorie}:\fnE{Reichenbach an Carnap, 20.\,II.\,1927 (\href{http://doi.org/10.48666/828666}{RC~15"~03"~12}).} Begriffe Klasse, Komplex, Ganzes, Gebilde; Reichenbach meint, die Klasse sei eine zu scharfe Form, um das Vage der Wirklichkeit zu fassen, besonders das Unbestimmte der Zukunft. Über die Gefahr Unterscheidung aufgrund der Typentheorie. Hauptsächlich über die ,,Realität``. Er will Metaphysik retten, stimmt mir aber in der Abgrenzung gegen die Wissenschaft zu. Meint, sie habe doch einen Sinn, auch wenn man ihn nur erleben, nicht begrifflich angeben könne. Sie sei durchaus anders als Lyrik.\fnE{Zu dieser Realismusdiskussion vgl. TB~4.\,VII.\,1929\diaryref{TB-4-VII-1929}.} Dann meine Bemerkungen zu seinem Raum-\textit{MS}.\IW{\reichenbachraumzeit}\fnE{Wahrscheinlich das Manuskript zu Reichenbach, \emph{Philosophie der Raum-Zeit-Lehre}. Vgl. Carnap an Reichenbach, 9.\,V.\,1927 (\href{http://doi.org/10.48666/828668}{RC~15"~03"~10}).} Über Prag\IO{Prag}: Er rechnet nicht mehr so sehr mit einem Berliner Ruf\IO{Berlin}, sondern wird wohl nach Prag\IO{Prag} gehen.\fnE{Vgl. TB~6.\,X.\,1929\diaryref{TB-6-X-1929}.} Vielleicht wird in Stuttgart\IO{Stuttgart} später mal (in 3~Jahren) ein Lehrstuhl eingerichtet; auf dessen Besetzung würde er Einfluss haben, vielleicht auch selbst den ersten Ruf bekommen. Ich erfahre, dass \uline{Garthe}\IN{\rjgarthe} sehr krank in der Klinik liegt.~\neueseite{540181} \tbentry{17}{4}{1927}{Ostern} 9\,\hbox{--}\,3 nach \uline{Freiburg}\IO{Freiburg}.\ort{Freiburg} Zu \uline{Merten}\IN{\merten}. Sie haben im Februar ein \gestrunl\ Kind ,,Lore``\IN{\mertenlore} bekommen; Susi\IN{\maurerfrau} ist jetzt krank, Entzündung der Eierstöcke und Nieren, heute ins Josefshaus\IO{Freiburg!Josefshaus} gekommen. Mit Merten\IN{\merten} über seinen ,,Konstruktiven Sozialismus`` und die Dreierstrukturen gesprochen. 7 nach Himmelreich\IO{Himmelreich}, Wilken\IN{\wilken} holt mich ab. Abends bei Wilkens\IN{\wilken}\IN{\wilkenfrau}. \uline{Wiesneck\IO{Wiesneck}.}\ort{Wiesneck} Ich wohne wieder oben in Elisabeths\IN{\elisabeth} Zimmer und schlafe daneben im Schlafzimmer. Es ist kalt. \tbentry{18}{4}{1927}{} Geschrieben. Nachmittags zu Christiansen\IN{\christiansen}. Über meine Gesundheit, Wien\IO{Wien}, Reichenbach\IN{\reichenbach}. Mittags und abends zu Wilkens\IN{\wilken}\IN{\wilkenfrau}; künftig nur mittags. \tbentry{19}{4}{1927}{} 11\,\hbox{--}\,1 zu Christiansen\IN{\christiansen}. Über ,,Wirklichkeit``. Elektronen und sonstige physikalische Gebilde. Nachmittags Baumann\IN{\rjbaumann} bei mir. Dann zu Franks\IN{\frankswiesneck}. (Nachts wieder Leibschmerzen.) \tbentry{20}{4}{1927}{\strich} Merten\IN{\merten} bei mir. \gestrunl\ Vormittags zusammen spazieren auf den Sonnenberg\IO{Sonnenberg}. Über Metaphysik; wir sind im Ganzen einig.~\neueseite{540175} Mittags zusammen zu Frau Wilken\IN{\wilkenfrau}. Über den modernen Menschen, moderne Mode, Bubikopf usw. Merten\IN{\merten} zur Bahn\IO{Wiesneck!Bahn} gebracht. Geschrieben. \tbtwoA{328} Abends (weil Christiansen\IN{\christiansen} krank) bei Kuwalke\IN{\kubalke} im kleinen Kriegerhaus\IO{Wiesneck!Kleines Kriegerhaus} (afrikanischer Farmer) im Radio Vortrag von Reichenbach\IN{\reichenbach} über die allgemeine Relativitätstheorie gehört.\fnE{Zu Reichenbachs Radiovorträgen vgl. Gerner, \emph{Hans Reichenbach}, 118\hbox{--}121.} \tbentry{21}{4}{1927}{} 11\,\hbox{--}\,2 zu \ulinesp{Christiansen}\IN{\christiansen}. Zum ersten Mal \ulinesp{auch Persönliches} besprochen. Über Hanne\IN{\hanne} und Hans Arnold\IN{\hansarnold}; er findet es schade für sie, \gestrunl\ zu ihm zu gehen, meint aber, dass es ihr sicher gelingen wird, infolge ihrer Anpassungsfähigkeit. Auch über Otto Schöndube\IN{\schoendubeotto}; er meint, Hanne\IN{\hanne} würde es bei ihm zwar schwer haben, aber er habe im Unterschied zu Hans Arnold\IN{\hansarnold} doch wenigstens Inhalt. Über Elisabeth\IN{\elisabeth} und mich: Wir beide seien bockig; er weiß nicht (ich sage es ihm), dass wir seit Herbst 1924 bewusst einen neuen Versuch gemacht haben, den ich jetzt für klar misslungen halte. Ich sage ihm, dass mir lieber gewesen wäre, wenn er mir seine Vorwürfe in Bezug auf mein Verhalten vorigen Sommer in Bezug auf Frau Gramm\IN{\maue} selbst und offen gesagt hätte; er sagt, dass wir Gramm\IN{\gramm} Unrecht getan haben, da dieser~\neueseite{540179} viel mehr gelitten hat, als er uns hat sagen wollen. Er meint, mir scheine natürlich Frau Gramm\IN{\maue} wertvoller. Ich sage, dass es davon nicht abhängt; trotz meiner Hochschätzung für Gramm\IN{\gramm} kann ich auf ihn nicht Rücksicht nehmen. Ebensowenig wie früher auf Elisabeth\IN{\elisabeth}; wir sprechen über die prinzipielle Richtschnur: Wie weit man auf das Empfinden eines anderen Rücksicht zu nehmen hat, Beispiele: Verhalten in der katholischen Kirche, Fahne aufziehen, obwohl der Nachbar sich ärgert usw. Ich meine: Diese Reaktionen mit Ärger, Eifersucht usw. sind verkehrt und auf sie soll besser nicht Rücksicht genommen werden. \tbentry{22}{4}{1927}{} \uline{Freiburg\IO{Freiburg}.} Liebensteins\IN{\manni}\IN{\albrecht}, Albrecht\IN{\albrecht} ist zum 1.~Oktober gekündigt. Er beklagt sich, dass ich nie geschrieben habe; aber das ist doch unnötig. Susi\IN{\maurerfrau} im Krankenhaus\IO{Freiburg!Krankenhaus} besucht. Kurz zu Merten\IN{\merten}. Nudi\IN{\nudi} getroffen. \tbentry{23}{4}{1927}{\strich} Merten\IN{\merten} hier. Mittags zusammen bei Frau Wilken\IN{\wilkenfrau}. Ihr Bruder da (der ,,Arbeitslose``). Er scheint nicht so schlimm wie sie ihn schildert. Mit Merten\IN{\merten} über Reichenbachs\IN{\reichenbach} Maschine-Homunkulus-Problem. 5\,\hbox{--}\,7 zu Christiansen\IN{\christiansen}. Er meint, Elisabeth\IN{\elisabeth} sei nicht aus Anlage zum Un\-glück\-lich-\neueseite{540173} Leben bestimmt, sondern durch mich so geworden. \editor{Er fragt}\fnA{Original \original{Ich fragt}.} nach Gramms\IN{\gramm}\IN{\maue} Plänen. Ich sage, dass sie im Sommer ein Kind erwartet. Er meint, es sei erstaunlich, dass es so lange vorher gehalten habe zwischen den beiden, Gramm\IN{\gramm} habe nicht die Eigenschaften, \pagebreak die eine Frau anziehen. \tbtwoA{329} Über Grete\IN{\grete} und Walter\IN{\diederichsenwalter}: Walter\IN{\diederichsenwalter} kann sich nicht frei bewegen bei Papa\IN{\schoendubeheinrich} und hat dadurch keine Gelegenheit, die Bildungsunterlegenheit gegen Grete\IN{\grete} \editor{durch}\fnA{Original \original{und}.} männliches Tun wettzumachen; das wird Schwierigkeiten geben.{\tolerance500\par} Abends bei Franks\IN{\frankswiesneck}. \tbentry{24}{4}{1927}{} 2 Bücherkisten fertiggemacht und Bücherregal verpackt. Ganzen Tag zu Hause geblieben. \tbentry{25}{4}{1927}{} Gepackt. Herr Herold\IN{\herold} und Frau aus München\IO{München} kommen, wollen sich die Landwirtschaft ansehen, um sie vielleicht neben {\lspitz}Bondy{\rspitz}\IN{\rjbondy} zu übernehmen. Verabschiedungen. Mittags Gepäck weg. 5\,\hbox{--}\,9 zu Christiansen\IN{\christiansen}. Meist über Elisabeth\IN{\elisabeth}. Auch über meine Beziehungen zu anderen; er vermutet: Mit Margret\IN{\rjmargret} und Sonja\IN{\sonja} nein, aber beinahe, mit Eva\IN{\eva}, Hanne\IN{\hanne} und Maue\IN{\maue} ja.~\neueseite{540177} Er meint, Elisabeth\IN{\elisabeth} soll in Wien\IO{Wien} 1~Jahr Kunstgewerbe lernen und dann einen Laden aufmachen. Tätigkeit scheint mir auch unbedingt nötig, gegen Kunstgewerbe bin ich skeptisch, weiß allerdings keinen andern Vorschlag. Er meint, es sei bei mir Trotz und bei Elisabeth\IN{\elisabeth} Trotz und Stolz, dass wir nicht mehr zusammenwollen. Im Grunde sei es aber Elisabeths\IN{\elisabeth} Wunsch. Ich sage, dass es mir unmöglich scheint. Dann meint er, wäre es für Elisabeth\IN{\elisabeth} leichter, wenn ich jemand anderen heirate, damit es damit auf einmal entscheidend zu Ende ist, und nicht immer die lange Ungewissheit. Von allen in Betracht Kommenden sei Hanne\IN{\hanne} die Richtigste für mich. Wir hören Reichenbachs\IN{\reichenbach} \textit{RT}-Vortrag zusammen im Radio. Christiansen\IN{\christiansen} kann sich mit einem homogenen und zeitlich konstanten nicht-euklidi\-schen Raum zur Not befreunden, nicht aber mit ,,schwabbeligem``, der von der Materie abhängt. \tbentry{26}{4}{1927}{} 7\,\hbox{--}\,6 nach \uline{München}\IO{München}.\ort{München} Zu Rohs\IN{\rohfranz}\IN{\rohhilde}; sie sind zum Glück doch da. Hilde\IN{\rohhilde} kommt um~9, Franz\IN{\rohfranz}~\textonehalf{}\,11. Wir sprechen besonders über Maue\IN{\maue}. Franz\IN{\rohfranz} sagt, sie sei als Frau äußerst reizvoll, aber einseitig, weil ungenügendes Interesse für sachliche und geistige Dinge und sehr egozentrisch. Die Missachtung gegen Gramm\IN{\gramm} missfällt ihm. Sie stellen sich aber trotzdem positiv zu ihr.~\neueseite{540183} \tbentry{27}{4}{1927}{\kreuz} 11~Uhr kommt \uline{Maue}\IN{\maue}. Mit ihr alleine gesprochen (beinahe vergewaltigt) und dann in die Stadt, ins Vegetarische\IO{München!Vegetarisches Restaurant}, nachher ins Caf\'{e}\IO{München!Caf\'{e}}, um~5 wieder zu Rohs\IN{\rohfranz}\IN{\rohhilde}. Sie erzählt von der Situation. Dann \gestrunl\ wir beide mit Franz\IN{\rohfranz} zusammen, später kommt Hilde\IN{\rohhilde}, zusammen gegessen, \pagebreak bis~\textonehalf{}\,12 zusammen. \tbtwoA{330} Wir sprechen über Maues\IN{\maue} Situation, sie müsse mehr Geduld mit Gramm\IN{\gramm} haben. Sie ist sehr gut beeinflussbar durch Rohs\IN{\rohfranz}\IN{\rohhilde}, und lässt sich alle Mahnungen gut gefallen, weil sie merkt, dass sie sie gern mögen. \textonehalf{}\,12~lassen sie uns alleine. Wir gehen zu Bett. \textonehalf{}\,2 bringe ich sie zu Fuß in die Kaulbachstraße\IO{München!Kaulbachstraße}, und zu Fuß zurück. \tbentry{28}{4}{1927}{} Mit Rohs\IN{\rohfranz}\IN{\rohhilde} ins Deutsche Museum\IO{München!Deutsches Museum}; Optik und Akustik leider geschlossen. Druckverfahren, Farbenfotografie und Farbendruck. Luftschifffahrt. Roh\IN{\rohfranz} nach Hause zu Poldi Weismann\IN{\weismannpoldi}; ich lange Kollontai\IN{\kollantay}\IW{\kollontaiwege} gesucht für Hilde\IN{\rohhilde};\fnE{Vgl. TB~1.\,IV.\,1927\diaryref{TB-1-IV-1927}.} Besorgungen; gegessen. \textonehalf{}\,9 zu \uline{Horns}\IN{\hornhilde}\IN{\hornwilhelm} (Hilde\IN{\rohhilde}) und \uline{\textit{CW}}\IN{\giedionfrau}. \textit{CW}\IN{\giedionfrau} nach den Motiven der Operation\fnE{Meint hier wohl einfach nur ,,Vorgehensweise``.} gefragt. Sie will nur Pause. Sie ist sehr munter und wir wollen uns nächstes Jahr alle zum Skilaufen treffen. Christoph\IN{\hornchristoph} im Schlaf gesehen. Später kommen Hilde Roh\IN{\rohhilde} und Horns\IN{\hornhilde}\IN{\hornwilhelm}. Über Haldanes\IN{\haldane} exogene Geburt;\fnE{Vgl. Haldane, \textit{Daedalus or Science and the Future}, wo eine Methode der ,,exogenesis`` beschrieben wird, die der seit den 1970er-Jahren gebräuchlichen In-vitro-Fertilisation (Befruchtung außerhalb des Körpers) ähnelt.} Probleme der Abhängigkeit der \sout{Fruchtbarkeit} Befruchtungswahrscheinlichkeit von~\neueseite{540191} den Tagen usw. Bei Rohs\IN{\rohhilde}\IN{\rohfranz} noch Poldi Weismann\IN{\weismannpoldi} getroffen, die auch zur Nacht dableibt. Sie läuft gut Ski und erzählt von Sankt Christoph\IO{Sankt Christoph} und anderen \gestrunl\ Gegenden; sie fährt zu Heidegger\IN{\heidegger} nach Marburg\IO{Marburg}. \tbentry{29}{4}{1927}{} 9\,\hbox{--}\,6 nach \uline{\ulinesp{Wien}}\IO{Wien}.\ort{Wien} Graf\IN{\grafoskar}, ,,Wir sind Gefangene``\IW{\grafgefangene} gelesen; deprimierend dieses offen geschilderte, angekrankte Menschentum. \uline{Hockegasse}\IO{Wien!Hockegasse}, mein neues Zimmer. \gestrunl\ Gekramt, abends auswärts. \tbentry{30}{4}{1927}{} Besorgungen: Teller und Besteck usw.; Universität\II{Universität Wien}. Gekramt. \tbentry{1}{5}{1927}{} Vormittags mit Waismann\IN{\waismann} spazieren. 5\textsuperscript{h}~zu Schlick\IN{\schlick}~\hbox{--}~8. Er war mit Maja\IN{\maja} einen Tag in der Wachau\IO{Wachau}. Er will im September, von Money-Kyrle\IN{\moneykyrle} eingeladen, nach England\IO{England}, vielleicht auch in Oxford\IO{Oxford} und Cambridge\IO{Cambridge} Vorträge halten. Wir studieren zusammen die schwierige Karte von Scholz\IN{\scholzheinrich} mit logischen Problemen. Zu Maja\IN{\maja}. \textonehalf{}\,10 bis \textonehalf{}\,1. Sie freut sich sehr. Ich erzähle von Maue\IN{\maue}, dass sie ein Kind bekommt; Maja\IN{\maja} ist sofort im Bilde und freut sich ungeheuer.~\neueseite{540185} Sie will's aber niemand erzählen. \pagebreak Sie berichtet von {\lspitz}Schochat{\rspitz}\IN{\schachat} und Anni\IN{Anni}, \tbtwoA{331} durch die sie enttäuscht worden ist. Anni\IN{Anni} liebt Luxusleben und spricht dabei von proletarischem Leben. Maja\IN{\maja} will vielleicht 1~Monat nach Berlin\IO{Berlin}. Zu Fuß im Regen heim, \textthreequarters{} Stunde. \tbentry{2}{5}{1927}{\strich} Besorgungen. 4 mit Maja\IN{\maja} Schlicks\IN{\schlick} Vorlesung über Ethik der Gegenwart gehört. Dann mit Maja\IN{\maja} ins Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}, Schlick\IN{\schlick} auch kurz \sout{zu}. Dann mit Maja\IN{\maja} ins Kino\IO{Wien!Kino} ,,Sadismus``. Dann zusammen ins Vegetarische\IO{Wien!Vegetarisches Restaurant}; sie isst nur 1~Apfel! Sie gibt selbst zu, asketisch zu sein, seit sie in Paris\IO{Paris} war. Sie hat einen Brief von Arnold\IN{\arnoldmaja} und freut sich darüber. Nach Hause. Geschrieben. \tbentry{3}{5}{1927}{} Geschrieben. Nachmittags Spaziergang, Vorlesung überlegt. \tbentry{4}{5}{1927}{} Steuersachen geschrieben. \sout{Für Vorlesung.} \gestrunl\ Nachmittags um den Schafberg\IO{Schafberg} spaziert; Vorlesung überlegt.~\neueseite{540187} \tbentry{5}{5}{1927}{} 11\,\hbox{--}\,1 erste Vorlesung in der Universität\II{Universität Wien}: Probleme der Erkenntnistheorie (= Konstitutionstheorie); 25 Zuhörer. Über die 4~Schichten der Begriffe; über Begriffe als ungedeckte Papiere, z.\,B. ,,real``. Es gelingt mir, gut verständlich. Verschiedene Fragen werden gestellt. 1\textsuperscript{h}~Vorbesprechung Logistik. Feigl\IN{\feigl} erscheint; mit ihm gegessen. Er erzählt aus Fiesole\IO{Fiesole}, wo er bei Professor Miller\IN{\millerprof} war, und von Strongs\IN{\strong} prächtiger Villa\IO{Villa von Charles Strong}. Ich erzähle von Diskussion mit Reichenbach\IN{\reichenbach}; Feigl\IN{\feigl} will aber Wahrscheinlichkeit nicht als Grundbegriff, sondern stets auf relative Häufigkeit zurückführen.\fnE{Vgl. Reichenbach an Carnap, 25.\,VIII.\,1927 (\href{http://doi.org/10.48666/828670}{RC~15"~30"~24}).} Abends \ulinesp{Schlick\IN{\schlick}-Zirkel\II{\schlickzirkel}: Weyl}\IN{\weyl}, Philosophie der Mathematik\IW{\weylphilosophie} wird vorgelesen.\fnE{Weyl, \emph{Philosophie der Mathematik und Naturwissenschaft}.} \tbentry{6}{5}{1927}{\strich} 11\,\hbox{--}\,1 Logistik. Ich wiederhole sämtliche Zeichen. Mit Feigl\IN{\feigl} gegessen. \textit{KZ}-System neu vereinfacht, für die Logistik-Übun\-gen.\fnE{Vgl. die Kurzfassung des KZ-Systems in Carnap, \emph{Abriß der Logistik}, 80\hbox{--}87 sowie das auf den 17.\,V.\,1927 datierte fünfseitige paginierte Kurzschriftmanuskript (\href{http://doi.org/10.48666/808016}{RC~081"~02"~01}).} Das geht überraschend gut und schnell. \tbentry{7}{5}{1927}{} \ulinesp{\textit{KZ}-System\IC{\rjzeit}.} Nachmittags mit Feigl\IN{\feigl} spazieren, Pötzleinsdorf\IO{Pötzleinsdorf}, hinten herum nach Salmannsdorf\IO{Salmannsdorf}. Über Reichenbachs\IN{\reichenbach} Homunkulus und die ,,Realität`` des fremden Bewusstseins, und anderes.\fnE{Vgl. TB~23.\,IV.\,1927\diaryref{TB-23-IV-1927}.}~\neueseite{540197} \tbtwoA{332} \tbentry{8}{5}{1927}{Maja}\IN{\maja} Fleißig gearbeitet: Symbolik der dreigliedrigen Relationen; Mengers\IN{\menger} Dimensionstheorie in logistischer Fassung; Dimensionstheorie für diskrete Mannigfaltigkeiten.\fnE{Vgl. Carnap, \textit{Abriß der Logistik}, 33c.} Abends spät zu Maja\IN{\maja}. Sie kommt um~10.\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,1. Über ihre mangelnde Achtung \gestrunl{} vor sachlichen Objektivitäten (sie war böse gewesen, dass Schlick\IN{\schlick} unmittelbar vor seinem Seminar nicht freundlich genug zu ihr gewesen war). Zu Fuß heim. \tbentry{9}{5}{1927}{} Briefe geschrieben. Gearbeitet. \tbentry{10}{5}{1927}{} 12 Maja\IN{\maja} kommt; später mit ihr zu Fuß zu ihr; Wette, ob der Brief da ist; ich gewinne, ich habe einen Wunsch frei! 3 zum Adler\IN{\adleralfred}-Vortrag (ohne Mittagessen!), der ist aber erst um~5. Ins Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}} (das Küken unter dem Mantel). An Moro\IN{\moro} und Maue\IN{\maue} zusammen geschrieben. 5\,\hbox{--}\,7 \uline{Adler}-Vortrag\IN{\adleralfred}. Erziehung schwer erziehbarer Kinder. Gut, leicht verständlich, nicht wissenschaftlich streng; praktisch und gut einfühlend. \textonehalf{}\,8 \uline{Feigl\IN{\feigl} und Waismann}\IN{\waismann} bei mir; hier gegessen. Allgemein wissenschaftliche Besprechungsabende\II{\diskussionsabend} beschlossen.\fnE{Vgl. TB~24.\,V.\,1927\diaryref{TB-24-V-1927}.} Bis \textonehalf{}\,1.~\neueseite{540199} \tbentry{11}{5}{1927}{\strich} Zollamt\IO{Wien!Zollamt}. 1 Schlick\IN{\schlick} getroffen. Mit Feigl\IN{\feigl} gegessen. Besorgungen. Vorlesung vorbereitet ({\lspitz}dazwischen{\rspitz} Spaziergang). \tbentry{12}{5}{1927}{} 11 \uline{Vorlesung} Konstitutionstheorie. Statt 25 heute 29; es laufen aber 3 zwischendurch weg, vermutlich weil's heute abstrakter ist. (Zurückführung der physikalischen Begriffe auf Wahrnehmungen.) Untersuchung bei \uline{Professor Neumann}\IN{\neumannwilhelm}. Optimistisch, es sei alles in Ordnung, die bedenklichen Stellen auf der Röntgenplatte seien Narben von früheren Herden; ich soll jetzt mit stärkerer Salbe einreiben, kann sonst nichts tun, höchstens für gutes allgemeines Befinden sorgen. Etwa 1~Jahr lang noch vorsichtig sein: Kann lange wandern, darf aber nicht starke Anstrengung machen, nicht ins Wasser springen usw. Soll auch nicht Nächte durcharbeiten (wegen allgemeinem Befinden). Die verwachsenen Stellen sind nur dann gefährlich, wenn gerade am unteren Rand ein (Luft-?) ,,Emphysem`` ist; dann kann es da einreißen. Logistik vorbereitet. \tbentry{13}{5}{1927}{} 11\,\hbox{--}\,1 Logistik. Nachmittags Lesesaal der Universitätsbibliothek\II{Universitätsbibliothek Wien} (zum ersten Mal).{\tolerance1000\par} \tbtwoA{333} 6~Vortrag Charlotte Bühler\IN{\buehlercharlotte} in \editor{der} Philosophischen Gesellschaft\II{\philosophischegesellschaft}: Grundprobleme der Sozialpsychologie. Gut, aber zu selbstgefällig.~\neueseite{540193} Sehr kalter Abend. Kino\IO{Wien!Kino} ,,Der Harem von Buchara``. \tbentry{14}{5}{1927}{\strich} Kabelnachricht von Elisabeth\IN{\elisabeth} (an Christiansen\IN{\christiansen}): Kommt erst September. Bücherregal aufgestellt und Bücher ausgepackt. \tbentry{15}{5}{1927}{} Briefe geschrieben. Nachmittags mit Feigl\IN{\feigl} ins Volkstheater\IO{Wien!Volkstheater}: Evreinoff\IN{\evreinoff}, Komödie des Glücks. Interessant (die Schauspieler spielen ins Leben hinein; in der Pension). Nachher mit Feigl\IN{\feigl} im Volksgarten\IO{Wien!Volksgarten} spazieren, viel miteinander geredet, über Beeinflussung anderer, Schauspielerei dabei, und Wahrhaftigkeit; erotisches Erleben. \textonehalf{}\,9\,\hbox{--}\,11 zu Jerusalem\IN{\jerusalem}, Maja\IN{\maja} dort. Dort auch Doktor Eckstein\IN{\eckstein}, Rechts\-philo\-soph, nicht sehr interessant. 11\textsuperscript{h}~mit Maja\IN{\maja} zu ihr. Sie geht zu Bett. Sie erzählt von den Kummertagen und Selbstmordgedanken. 1~zu Fuß nach Hause. \tbentry{16}{5}{1927}{} Logistik\IC{\logistik} gearbeitet. \tbentry{17}{5}{1927}{} Abends Waismann\IN{\waismann} und Feigl\IN{\feigl} bei mir. \tbentry{18}{5}{1927}{} Von Wieschen\IN{\ruscheluise} Nachricht von Schöndubes\IN{\schoendubeheinrich} Tod.\fnE{Vgl. den Bericht zur Ermordung von Heinrich Schöndube in Elisabeth an Rudolf Carnap, 21.\,V.\,1927 (\href{http://doi.org/10.48666/807838}{RC~025"~64"~01}).}~\neueseite{540201} Mittags mit Schlick\IN{\schlick} und Feigl\IN{\feigl}. 8 zu Maja\IN{\maja}, bringe Blumen, wir feiern Geburtstag. Sie ist sehr lieb und wir liegen auf dem Bett, sie erzählt von Moro\IN{\moro} und anderes aus ihrem Leben. Zwischendurch kommt eine Lehrerin zu Besuch. 12\textsuperscript{h} begleitet sie mich noch hinaus. Zu Fuß heim. \tbentry{19}{5}{1927}{} 11\,\hbox{--}\,1 Vorlesung Konstitutionstheorie. 8\,\textonehalf{} \ulinesp{Schlick\IN{\schlick}-Zirkel}\II{\schlickzirkel}. Lebhafte Diskussion über \ulinesp{Identität}. Ich verteidige die Russell'sche\IN{\russell} Definition scharf gegen Hahn\IN{\hahnhans}; interessant. \tbentry{20}{5}{1927}{\strich} 11\,\hbox{--}\,1 Logistik (Dimensionszahlen).\fnE{Vgl. Carnap, \emph{Abriß der Logistik}, 77\,f.} \tbentry{21}{5}{1927}{\strich} \uline{Neurath}\IN{\neurath} in seiner Geschäftsstelle\IO{Wien!Geschäftsstelle von Neurath} besucht. Mit ihm in die Ausstellung\IO{Wien!Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum}\II{\museumneurath}, er zeigt seine statistischen Tafeln.\fnE{Zum Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum vgl. Sandner, \emph{Otto Neurath}, 176\hbox{--}187.} Mit ihm gegessen, langes Gespräch. Er meint, ich brauchte zum Weiterkommen nicht so Allgemein\-\tbtwoA{334}philo\-sophisches zu schreiben; aber ich sollte doch die historischen Interessen meines Spezialgebietes treiben. Er sei mal gefragt worden, ob ich wohl eine Geschichte meiner philosophischen Gebiete lesen könnte. Er meinte, er komme doch vielleicht zuweilen in die Lage, Urteil über mich abzugeben. Wenn z.\,B. die Stadt (im Vertrauen!)~\neueseite{540195} eine Konkurrenzuniversität aufmachen würde oder für die Lehrer einen Philosophen haben wolle, der ihnen unbemerkt den Atheismus beibringt,\fnE{Nimmt wohl Bezug auf Bestrebungen des Pädagogischen Instituts der Stadt Wien (an dem Neurath selbst Ende der 1920er-Jahre tätig gewesen ist), den Rang einer Universität zu erlangen und so eine fortschrittlichere Lehrerausbildung zu ermöglichen.} so wüsste er keinen Geeigneteren als mich. Beim Heimweg planen wir 1)~er will mir, Waismann\IN{\waismann} und seinem Bekannten (Sinologe) seine Geschichtsphilosophie vortragen, an einigen Abenden; dabei soll Fräulein Reidemeister\IN{\reidemeistermarie} stenographieren. 2)~Er will gelegentlich mit mir zusammen etwas schreiben, in dem er bestimmte Ideen hat, deren einwandfreie Fassbarkeit \gestrunl\ so oder so ich durch kritische logische Betrachtung beurteilen soll oder irgendwie so; vielleicht ein Kapitel eines Buches. Nachmittags 4\,\textonehalf{} zu \uline{Kraft}\IN{\kraftvictor}. Er referiert über Tangaloa, das Weltbild der Polynesier\IW{\rechetangaloa}, von Reche\IN{\reche}.\fnE{Reche, \emph{Tangaloa}.} Der Autor scheint aber zu viel hineingetragen zu haben (Schopenhauer'sche\IN{\schopenhauer} Gedanken). Abends gebadet. \tbentry{22}{5}{1927}{} Nachmittags \uline{mit Maja}\IN{\maja} ins Josefstädter Theater\IO{Wien!Josefstädter Theater}: Shaw\IN{\shaw}, Frau Warrens Gewerbe. Maja\IN{\maja} ist gepackt. Sie legt den Kopf auf meine Schulter, fasst meine Hände. \gestrunl\ (Auch Feigl\IN{\feigl} da, in der Pause zusammen.) Nachher muss ich~\neueseite{540205} mit ihr ,,\textonequarter{} Stunde`` (6\,\hbox{--}\,7) ins Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}} zum ,,Onkelchen`` Feigl\IN{\feigl}. Dann zusammen herumgebummelt, schließlich ins vornehme Caf\'{e} Splendid\IO{Wien!Caf\'{e} Splendid} beim Stephan\IO{Wien!Stephansplatz}, nachher Musik. Dann mit zu ihr. Sie ist sehr müde, legt sich zu Bett; ich lege mich auf ihre Decke und nehme sie in den Arm, sie schläft schnell ein. Beim Aufwachen erschrickt sie zuerst, dann muss sie lachen, dass da einer bei ihr liegt. Dann muss ich weg. Zu Fuß heim \textonehalf{}\,1\,\hbox{--}\,1. \tbentry{23}{5}{1927}{\strich} Viele Briefe (Professor Arthaber\IN{\arthuber} wegen Auditorium) geschrieben. \tbentry{24}{5}{1927}{} Abends unser \uline{1. Diskussionsabend} in der Boltzmanngasse\IO{Wien!Boltzmanngasse}.\II{\diskussionsabend}\fnE{Vgl. TB~10.\,V.\,1927\diaryref{TB-10-V-1927}.} \textit{Ca}.~20~Teilnehmer, Doktor Roffenstein\IN{\rofanstein} referiert über Freud\IN{\freudsigmund}. Doktor Hartmann\IN{\hartmannheinz}, der Verfasser des Buches ,,Grundlagen der Psychoanalyse``\IW{\hartmannheinzgrundlagen} ist auch \tbtwoA{335} da und spricht ausführlich in der Diskussion. \gestrunl\ Manche beteiligen sich gut an der Diskussion, im Allgemeinen aber noch zu viel Zurückhaltung.{\tolerance5000\par} \tbentry{25}{5}{1927}{\strich} 10\,\hbox{--}\,12 Besprechung über Terminologie der Logistik, mit Schlick\IN{\schlick}, Hahn\IN{\hahnhans}, Waismann\IN{\waismann}. 1 mit Schlick\IN{\schlick} zum Essen,~\neueseite{540209} er klagt, dass Maja\IN{\maja} ihn jeden Tag sehen will und immer Tränen und Geschichten macht, wenn er nicht kommt. Abends ins Ottakringer Volksheim\IO{Wien!Volksheim Ottakring}. 7\textsuperscript{h}~\uline{Zilsel}\IN{\zilsel} ,,Raum und Zeit in der Philosophie``, über reine und angewandte Geometrie, sehr gut und klar, nennt auch mein Buch\IC{\rjdissertation}. 8\textsuperscript{h} Adler\IN{\adleralfred} ,,Menschenkenntnis``, interessant. Dann mit zu Zilsel\IN{\zilsel}; ich erzähle von Mexiko\IO{Mexiko}. Über Konstitutionstheorie\IC{\konstitutionstheorie}\IC{\konstitutionstheorie} gesprochen. Die positivistische Ablehnung sinnloser Probleme wäre ihm sehr sympathisch, wenn sie ginge; er glaubt aber, die Frage, ob Bewusstsein in einem Anderen sei, müsse sinnvoll sein, ohne dass der Sinn doch angegeben werden könne. Denn es ergeben sich Folgerungen: Man darf den Schmetterling nicht quälen, weil er Schmerz empfindet. Auch über Identität. \tbentry{26}{5}{1927}{Himmelfahrt} Gearbeitet. Abends \textonehalf{}\,10 (anstatt \textonehalf{}\,9) kommt \uline{Maja}\IN{\maja} ins Caf\'{e} Museum\IO{Wien!Caf\'{e} Museum}, erzählt von ihrem ,,Sieg`` nach dreistündigem Vortrag in einer reichen Familie, für ihr Kinderheim.~\neueseite{540207} \tbentry{27}{5}{1927}{} 11\,\hbox{--}\,1 Logistik (\textit{KZ}- System angefangen).\fnE{Vgl. TB~6.\,V.\,1927\diaryref{TB-6-V-1927}.} Vorher kurz Schlick\IN{\schlick} und Maja\IN{\maja} im Institut\II{Philosophisches Institut der Universität Wien} getroffen. Abends (Majas\IN{\maja} Geburtstag) Volkstheater\IO{Wien!Volkstheater} mit Schlick\IN{\schlick} und Frau\IN{\schlickfrau} und Maja\IN{\maja}, eine Loge, ,,Der Graf von Charolais``. Hinterher ist Maja\IN{\maja} sehr ergriffen; wir können nicht zu ihr, weil Julchen\IN{\julchen} dort; nicht hinaus, weil sie nicht laufen kann. Caf\'{e} Bellaria, nachher Auto zu ihr. Zu Fuß heim. \tbentry{28}{5}{1927}{} Abends Kraft\IN{\kraftvictor} und Feigl\IN{\feigl}, später auch Waismann\IN{\waismann} bei mir. Sehr interessante Unterhaltung. Über Wittgenstein\IN{\wittgenstein}; ,,Abbildung`` der Wirklichkeit durch die Elementarsätze. Die Sätze sind vor den Gegenständen. Erinnerungsvertrauen \gestrunl\ ist nur \uline{praktisch} erforderlich, geht nicht in die theoretischen Gedankengänge ein. \tbentry{29}{5}{1927}{} Vergeblich zum Konzerthaus\IO{Wien!Konzerthaus} (Feier der Ethischen Gemeinde\II{\ethischegemeinde}, Felix Adler\IN{\adlerfelix}),\fnE{Die von Felix Adler gegründete \emph{Gesellschaft für ethische Kultur}, deren Wiener Zweigstelle von Friedrich Jodl mitbegründet worden war. Vgl. Kato-Mailáth-Pokorny, ,,Die Ethische Gemeinde in Wien``.} Saal wegen Überfüllung gesperrt.\vspace*{-2mm}\pagebreak \tbtwoA{336} 6\textsuperscript{h}~vergeblich zu Maja\IN{\maja}. 7\,\textonehalf{} mit Julchen\IN{\julchen} und Maja\IN{\maja} im Burgtheater\IO{Wien!Burgtheater}; Werfel\IN{\rjwerfel}, ,,Paulus unter den Juden``, für mich nicht sehr eindrucksvoll. Maja\IN{\maja} muss morgen nach Berlin\IO{Berlin}, Moro\IN{\moro} fährt nach Amerika\IO{Amerika}; große Aufregung. Ins Caf\'{e} Herrenhof\IO{Wien!Caf\'{e} Herrenhof}, Doktor Thaler\IN{\thaler} (schwarz),~\neueseite{540211} Journalist; Doktor Ernst Fischer\IN{\fischerernst} (blond), Journalist an der Arbeiter-Zeitung\II{\arbeiterzeitung}, kennt Neurath\IN{\neurath} gut, hält ihn für romantisch. \textonehalf{}\,12 hinausgefahren. \textonehalf{}\,1\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,2 mit Maja\IN{\maja} noch ins Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}. Sie ist sehr müde, weiß nicht, was Berlin\IO{Berlin} bringen wird; sie ist sehr froh, dass sie bei mir ruhiger wird. \gestrunl\ Zu Fuß heim. \textonehalf{}\,3 zu Bett. \tbentry{30}{5}{1927}{} 10\,\hbox{--}\,11\,\textonehalf{} Besprechung Terminologie der Logistik. Feigl\IN{\feigl} abgeholt. 3\textsuperscript{h}~zu Maja\IN{\maja}, dort Schlick\IN{\schlick}. Mit Maja\IN{\maja} zusammen, Reiseerfrischungen und Luftkissen gebracht, sie ist sehr überrascht und dankbar, meint, sie sei nicht immer gut zu mir gewesen, wird es aber noch sein. 4\textsuperscript{h}~mit ihr und Frau Jerusalem\IN{\jerusalemfrau} zum Franz-Josefs-Bahnhof\IO{Wien!Franz-Josefs-Bahnhof}. Doktor Thaler\IN{\thaler} bringt Rosen. Abschied, Kuss. Schlick\IN{\schlick} im Caf\'{e} Arkaden\IO{Wien!Caf\'{e} Arkaden} getroffen, Feigl\IN{\feigl}, Waismann\IN{\waismann}. \ulinesp{Schlick\IN{\schlick} erzählt von Wittgenstein}\IN{\wittgenstein}, über Identität usw. 7\,\hbox{--}\,8 mit Waismann\IN{\waismann} im Park\IO{Wien!Park} spazieren, ich erzähle von Frau Schlick\IN{\schlickfrau}, er von seiner Braut, dass sie wünscht, er möge den \textit{Do}-Abend drangeben, um eines Festes willen! 8\textsuperscript{h} Adler\IN{\adleralfred}-Vortrag ,,Wie liest man eine Lebensbeschreibung``, gut.~\neueseite{540219} \tbentry{31}{5}{1927}{} \textonehalf{}\,12\,\hbox{--}\,1 Besprechung Terminologie. Abends unser 2. Diskussionsabend\II{\diskussionsabend}: Doktor Roffenstein\IN{\rofanstein} über Adlers\IN{\adleralfred} Individualpsychologie, stark kritisch. Ziemlich lebhafte Diskussion. Waismanns\IN{\waismann} Logik wird vorgeschlagen und angenommen.\fnE{Vgl. TB~14. und 21.\,VI.\,1927.} \tbentry{1}{6}{1927}{} An Maue\IN{\maue} geschrieben. Gearbeitet. 5\,\hbox{--}\,7 Tee bei \uline{Schlick}\IN{\schlick}. Professor \uline{Felix Adler}\IN{\adlerfelix}, alter Mann aus New York\IO{New York}, Ethiker. Professor \uline{Börner}\IN{\boerner}, Ethische Gemeinschaft\II{\ethischegemeinde}. Professor \uline{Daviston}\IN{\daviston} aus Oxford\IO{Oxford}, freundlicher Philologe. \uline{Frau Scheu-Riesz}\IN{\scheiereissfrau}, Frau eines Rechtsanwalts, mit 22-jährigem Sohn mit Schillerkragen; sie ist sehr interessiert für Pädagogik, sehr gegen Esperanto, ausführlich darüber gesprochen; sie meint, sie muss es also doch lernen. \tbentry{2}{6}{1927}{} Vorlesung \uline{Konstitutionstheorie}; über das \uline{Fremdpsychische}. Waismann\IN{\waismann} sagt, dass es diesmal besonders klar und konzentriert war (mit dem \tbtwoA{337} ,,erkenntnistheoretischen Kern``); er wünschte mir als Auditorium die bedeutendsten Philosophen.~\neueseite{540217} Abends \ulinesp{Schlick\IN{\schlick}-Zirkel}\II{\schlickzirkel}. Nachher mit Schlick\IN{\schlick}, Waismann\IN{\waismann}, Feigl\IN{\feigl} im Col\unl{} Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}. \tbentry{3}{6}{1927}{} Logistik. \gestrunl\ Nach dem Essen mit Feigl\IN{\feigl} \uline{baden}, zum ,,Gänsehäufel``\IO{Wien!Gänsehäufel} an der alten Donau\IO{Wien!Alte Donau}, schönes Strandbad. Schöne Abkühlung von der großen Hitze. Nachher in den Prater\IO{Wien!Prater} zum Nachtmahl. \tbentry{4}{6}{1927}{} Schafbergbad\IO{Wien!Schafbergbad} (zum 1.~Mal diesen Sommer). Nachmittags 5 kommen Feigl\IN{\feigl} und Waismann\IN{\waismann}. Über Fraenkels\IN{\fraenkelabraham} Brief. Mit Feigl\IN{\feigl} in Pötzleinsdorf\IO{Pötzleinsdorf} gegessen. Über seine Metaphysik. \tbentry{5}{6}{1927}{\uline{Pfingsten}} 3\,\hbox{--}\,7 mit Schlick\IN{\schlick}, Waismann\IN{\waismann}, Feigl\IN{\feigl} im Park\IO{Wien!Park} am Südbahnhof\IO{Wien!Südbahnhof} spazieren, dann ins Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}}. Über Wittgenstein\IN{\wittgenstein}, Elementarsätze; Reichenbach\IN{\reichenbach}, Homunkulus, unbestimmte Wirklichkeit; Positivismus; Laxenburg\IO{Laxenburg}. Abends Roten-Turm-Kino\IO{Wien!Roten-Turm-Kino} ,,Die Ehe des Professor Imhoff``.\fnE{Der Film ,,Arthur Imhoff`` (,,Wenn das Herz der Jugend spricht``).}~\neueseite{540215} \tbentry{6}{6}{1927}{\strich} \ulinesp{Geschrieben ,,Erkenntnistheoretische Analyse``\IC{\scheinprobleme} (angefangen).}\fnE{Carnap selbst vermutet in der folgenden, später eingefügten Bemerkung einen Bezug zu den \emph{Scheinproblemen in der Philosophie}. Hier könnte es sich um einen (nicht erhaltenen) Entwurf zu Abschnitt I.A. ,,Der Sinn der erkenntnistheoretischen Analyse`` handeln.} \textspkl{(Vielleicht für Broschüre ,,Scheinprobleme``\IC{\scheinprobleme}.)} \tbentry{7}{6}{1927}{} \textwh{Geschrieben ,,Erkenntnistheoretische Analyse``\IC{\scheinprobleme}} (fertig!). Langen Brief an Fraenkel\IN{\fraenkelabraham}. \tbentry{8}{6}{1927}{} Schafbergbad\IO{Wien!Schafbergbad}. Ziemlich verbrannt. \tbentry{9}{6}{1927}{} 11 Vorlesung. Abends \ulinesp{Schlick\IN{\schlick}-Zirkel}\II{\schlickzirkel}; interessante Diskussion, Gabelung des arithmetischen Axiomensystems am Fermat'schen Satz; ich soll den Beweis der \ulinesp{Un\-mög\-lich\-keit der Gabelung} beibringen.\fnE{Vgl. Carnap, \emph{Untersuchungen zur allgemeinen Axiomatik}, Abschnitt~3.5. Es handelt sich hier um erste Überlegungen, die in das von Carnap im Wesentlichen im März und April 1928 verfasste Manuskript gemündet sind. Vgl. TB~13.\,III.\,1928\diaryref{TB-13-III-1928}.} \tbentry{10}{6}{1927}{\strich} 11 Logistik. Morgiges Referat vorbereitet. \tbentry{11}{6}{1927}{} Beweis für Hahn\IN{\hahnhans} gemacht. \tbtwoA{338} 5\,\hbox{--}\,7 bei Kraft\IN{\kraftvictor} über Reichenbachs\IN{\reichenbach} \textit{MS}\IW{\reichenbachraumzeit}\fnE{Vgl. TB~16.\,IV.\,1927\diaryref{TB-16-IV-1927}.} referiert. Abends kleines Kino: ,,Der Geiger von Florenz`` mit Conrad Veidt\IN{\veidtconrad}.~\neueseite{540213} \tbentry{12}{6}{1927}{} Beweis Goldbach\IN{\goldbach} getippt.\fnE{Siehe das auf diesen Tag datierte fünfseitige Typoskript ,,Beweis der Unmöglichkeit einer Gabelung der Arithmetik`` (\href{http://doi.org/10.48666/825473}{UCLA 01~-- CC01}).} \ulinesp{,,Realismus`` geschrieben.}\IC{\scheinprobleme}\fnE{Vgl. TB~6.\,VI. und 15.\,VI.\,1927. Es könnte sich um einen Entwurf zum Kapitel II.B. ,,Anwendung auf den Realismusstreit`` der \emph{Scheinprobleme in der Philosophie} handeln.} Logistik vorbereitet. \tbentry{13}{6}{1927}{} 11 Logistik (weil \textit{Fr} Universität\II{Universität Wien} geschlossen). ,,Erkenntnistheoretische Analyse`` durchgearbeitet.\IC{\scheinprobleme} Abends zu \uline{Neurath}\IN{\neurath}. Angefangen, seine Gedanken für die Schrift ,,Der Gehalt der Geschichte und Nationalökonomie``\IW{\neurathneuesbuch} zu besprechen.\fnE{,,Der wissenschaftliche Gehalt der Geschichte und der Nationalökonomie (MS)`` (ON~192/K.3), eine Vorstufe zu Neurath, \emph{Empirische Soziologie}. Vgl. TB~13.\,I.\,1930\diaryref{TB-13-I-1930}.} Er will die Geschichte nur generell; das Konkret-Deskriptive sollte nicht Wissenschaft heißen (die Reaktionäre hängen daran).\fnE{Zur ambivalent-kritischen Haltung Neuraths gegenüber der beschreibenden Auffassung von Geisteswissenschaften in der deutschen Tradition (Dilthey, Sombart) vgl. \mbox{Uebel}, ,,Neurath on Verstehen``.} \tbentry{14}{6}{1927}{} Schafbergbad\IO{Wien!Schafbergbad}. Braun gebrannt. ,,Erkenntnistheoretische Analyse`` getippt.\IC{\scheinprobleme} Abends Waismanns\IN{\waismann} Referat in unserem Zirkel\II{\diskussionsabend}: Krisis der Logik. Heute ist er indisponiert. Nachher noch Diskussion mit Ichheiser\IN{\ichheiser} über Realität des Fremdpsychischen. \tbentry{15}{6}{1927}{} \textwh{,,Erkenntnistheoretische Analyse``\IC{\scheinprobleme}}, fertig. \ulinesp{,,Realismus``\IC{\scheinprobleme} fertig durchgearbeitet.} Mittags mit Schlick\IN{\schlick} und Feigl\IN{\feigl}. \textspkl{Für Broschüre ,,Scheinprobleme``\IC{\scheinprobleme}.} \tbentry{16}{6}{1927}{} \textwh{,,Realismus``\IC{\scheinprobleme} fertig durchgearbeitet} und getippt. Abends Kino\IO{Wien!Kino} ,,Die Liebschaften des Hektor Dalmore`` mit Veidt\IN{\veidtconrad}; gut gespielt.~\neueseite{540221} \tbentry{17}{6}{1927}{} \ulinesp{,,Realismus``\IC{\scheinprobleme} fertiggetippt und verschickt.} Kaufmanns\IN{\kaufmannfelix} Schriften gelesen.\fnE{Es ist unklar, welche Texte genau gemeint sind.}\pagebreak \tbtwoA{339} \tbentry{18}{6}{1927}{\strich} Briefe. Nachmittags zu \uline{Kaufmann}\IN{\kaufmannfelix}, schöne Wohnung. Diskutiert über Konstitu\-tions\-theorie\IC{\konstitutionstheorie}\IC{\konstitutionstheorie}. Er betont sehr die Wesensschau, gibt aber die Aufgabe zu, mit einem Minimum an Gegebenen auszukommen. Wir reden aber doch viel aneinander vorbei. Abends Kino\IO{Wien!Kino} ,,Herrn \editor{Filip} Collins Abenteuer``. \tbentry{19}{6}{1927}{} Fraenkels\IN{\fraenkelabraham} Axiomatik. Ich beweise, dass nach diesem \textit{AS} keine Menge sich selbst angehören kann.\baustellex{WISS} \tbentry{20}{6}{1927}{} Briefe. Abends zu Schlick\IN{\schlick}; dort Waismann\IN{\waismann} und \uline{Wittgenstein}\IN{\wittgenstein} (zum 1.~Mal). Sehr interessanter, origineller, sympathischer Mensch. Heftig gegen Esperanto, weil ,,nicht gewachsen`` \gestrunl. Künstlernatur. Über Identität, seine Einwände gegen Ramsey\IN{\ramsey}. Er nimmt immer schnell intuitiv Stellung, und überlegt dann erst, um es zu begründen.\fnE{Siehe die Gesprächsnotizen (\href{http://doi.org/10.48666/807999}{RC~102"~77"~03} und \href{http://doi.org/10.48666/808002}{-04}).}~\neueseite{540229} \tbentry{21}{6}{1927}{} Vormittags mit Schlick\IN{\schlick}. Wenn Maja\IN{\maja} mit Moro\IN{\moro} kommt, soll ich helfen, dass er nicht oft und möglichst nur mit mir zusammen zu ihr kommt, soll sie ablenken; und schließlich sorgen, dass sie bald nach Palästina\IO{Palästina} fährt. Nachmittags Wiener Ausstellung\II{Wien und die Wiener, Ausstellung 1927}.\fnE{Vermutlich die Ausstellung \emph{Wien und die Wiener}.} Die \uline{Wochenendhäuser} und der schöne einfache \uline{Hausrat} der Wiener Hausratgesellschaft\IO{Wien!Wiener Hausratgesellschaft} imponieren mir; und ich baue Luftschlösser. 6\,\hbox{--}\,8 mit Fräulein \uline{Feix}\IN{\feix}; sie erzählt aus ihrem Leben, war dreimal verlobt, zuletzt mit dem Historiker Georg \editor{Veith}\fnA{Original \original{Veidt}.}\IN{\veidtgeorg}, der später (nach Aufhebung der Verlobung) in der Türkei\IO{Türkei} ermordet wurde. Sie \sout{glaubt} will nicht heiraten, wegen Unabhängigkeitsdrang, und weil sie sich nicht vertragen kann. Es ist ihr drückend, dass sie nicht Fühlung mit der Wissenschaft halten kann, sie muss verdienen, im Verlag Zsolnay\IO{Wien!Verlag Zsolnay}\II{\zsolnayverlag}. Hat für sich den ganzen I.~Band der Konstitutionstheorie\IC{\konstitutionstheorie}\IC{\konstitutionstheorie} abgetippt! Abends\II{\diskussionsabend} \uline{Waismann\IN{\waismann} 2. Referat} über Krisis der Logik. Diesmal sehr gut. Über Intuitionismus. \tbentry{22}{6}{1927}{} Mittags Feigl\IN{\feigl} von Wittgenstein\IN{\wittgenstein} erzählt. 4 zu Frau \uline{Neurath}\IN{\neuratholga}; ihr ein \textit{MS} von Reidemeister\IN{\reidemeisterkurt} vorgelesen, wir haben beide große Mühe, weil wir die Ausdrücke der Gruppentheorie nicht ver\-\tbtwoA{340}stehen.\fnE{Reidemeister hat in den 1920er-Jahren eine Reihe von gruppentheoretischen Schriften publiziert. Es ist unklar, um welche es sich handeln könnte. Vgl. die Bibliografie in Stadler, \emph{Studien zum Wiener Kreis}, 912.}~\neueseite{540225} Abends mit Neurath\IN{\neurath} diskutiert. Heftig über die ,,Wirklichkeit``, die nach ihm eine Eigenschaft der Dinge ist genau wie ,,rot``. Er wittert in meiner Unterscheidung zwischen Real- und Formal-Begriffen idealistische Metaphysik.\fnE{Zur Realismus-Diskussion mit Neurath vgl. TB~21.\,XI.\,1926\diaryref{TB-21-XI-1926}. Hier bezieht sich die Diskussion aber offensichtlich auf Carnap, \emph{Scheinprobleme in der Philosophie}, II.B. Real- und Formalbegriffe.\baustellex{WISS} Vgl. Uebel, ,,Neurath's Influence on Carnap's \textit{Aufbau}``.} \tbentry{23}{6}{1927}{} Vorlesung; über Erkenntnis der geistigen Gegenstände. (Es gelingt mir gut, ausführlicher als im \textit{MS} der Konstitutionstheorie\IC{\konstitutionstheorie}\IC{\konstitutionstheorie}.)\fnE{Vgl. Carnap, \emph{Der logische Aufbau der Welt}, \S\S\,23\hbox{--}24.} \uline{Brief von Eli\-sa\-beth\IN{\elisabeth}}, ausführlich über Papas\IN{\schoendubeheinrich} Tod.\fnE{Elisabeth Carnap an Carnap, 21.\,V.\,1927 (\href{http://doi.org/10.48666/807838}{RC~025"~64"~01}).} Abends Schlick\IN{\schlick}-Zirkel\II{\schlickzirkel}. \tbentry{24}{6}{1927}{\strich} 11 Logistik. \tbentry{25}{6}{1927}{} Bis mittags mit Professor \uline{Miller}\IN{\millerprof} aus Amerika\IO{Amerika}, der im Cobenzl\IO{Wien!Cobenzl} wohnt, und Feigl\IN{\feigl} spazieren. Über meine Aufsätze. Miller\IN{\millerprof} will Realität des Fremdpsychischen beibehalten. Nachmittags Gomperz'\IN{\gomperz} Referat über Demokrits\IN{\demokrit} Ethik. Abends Kino\IO{Wien!Kino}, russischer Film ,,Iwan der Schreckliche``; grausig, gut gespielt. \tbentry{26}{6}{1927}{Maja}\IN{\maja} Geschrieben. Plötzlich Maja\IN{\maja}, \uline{Moro}\IN{\moro} und Schlick\IN{\schlick}. Spazieren zusammen, um den Schafberg\IO{Schafberg}. Moro\IN{\moro} lieb, klug und sympathisch. Maja\IN{\maja} wird \sout{in}~\neueseite{540227} bei seinem Landhaus ,,Irganim`` ihr Kinderheim bauen, falls sie Geld bekommt. Mittags Schlick\IN{\schlick} im Auto heimbegleitet (,,Du`` mit Schlick\IN{\schlick} und Moro\IN{\moro}!); wieder hinaus, nachmittags bei mir Tee. Abends zur Krottenbachgasse\IO{Wien!Krottenbachgasse}, mit Maja\IN{\maja} auf dem Bett gelegen, zusammen an Maue\IN{\maue} geschrieben. \tbentry{27}{6}{1927}{} Geschrieben. Mittags mit Maja\IN{\maja} und Moro\IN{\moro}. Moro\IN{\moro} spricht mit mir über Psychoanalyse der Errettung. Abends \uline{Wittgenstein}\IN{\wittgenstein}, Schlick\IN{\schlick} und Waismann\IN{\waismann} bei mir; gemütliches Essen, Wittgenstein\IN{\wittgenstein} erzählt von Norwegen\IO{Norwegen}. Nachher diktiert er Brief an Ramsey\IN{\ramsey}.\fnE{Vgl. Wittgenstein an Ramsey, 2.\,VII.\,1927, in: Wittgenstein, \emph{Briefe}, 160\hbox{--}162.} \tbentry{28}{6}{1927}{} Geschrieben. 4 mit Maja\IN{\maja} und Moro\IN{\moro} \ulinesp{zu Schlicks\IN{\schlick}\IN{\schlickfrau} zum Tee}. \ulinesp{Mit Albert\IN{\schlickalbert} Esperanto ge\-spro\-chen}, er hat ganz alleine gelernt, \vspace*{-2mm}\pagebreak hat keine Übung im Sprechen, spricht \tbtwoA{341} aber gut. Frau Schlick\IN{\schlickfrau} sagt, ich soll nach Millstatt\fnA{Original \original{Millstätt}.}\IO{Millstatt} kommen, nicht zu spät, weil später kühl, vielleicht 20.~August. Frau Schlick\IN{\schlickfrau} geht um~6. Plötzlich bekommt Maja\IN{\maja} Appetit. Schlick\IN{\schlick} spielt uns Klavier, Maja\IN{\maja} sitzt auf dem Boden an meinem Knie, er spielt Grieg\IN{\grieg}, Chopin\IN{\chopin}, Tschaikowski\IN{\tschaikowski}, Bach\IN{\bach}. Wir sind sehr guter Stimmung.~\neueseite{540223}\textbackslash{\uline{Fortsetzung im großen Format!}}\textbackslash Abends Diskussionsabend\II{\diskussionsabend}, Referat Ichheiser\IN{\ichheiser} über deskriptive Psychologie und Selbsttäuschung. \tbentry{29}{6}{1927}{} Gearbeitet und geschrieben. 5~Caf\'{e} Arkaden\IO{Wien!Caf\'{e} Arkaden}, 6~kommen Maja\IN{\maja} und Moro\IN{\moro}, er muss noch mit Thaler\IN{\thaler} sprechen, so dass ich leider nur kurz mit ihm ohne Maja\IN{\maja} sprechen kann. Wir 3~ins Josefstädter Theater\IO{Wien!Josefstädter Theater}: ,,Peripherie``, erschütternd, gut gespielt. Noch etwas im Caf\'{e}\IO{Wien!Caf\'{e}} gesessen. Moro\IN{\moro} hält mich immer frei, es ist unmöglich, dagegen anzukommen; auch schenken sie mir: Silberne Manschettenknöpfe, Nachthemd, Schlips; er will mir noch ein Buch von sich schicken; eine kleine Thora für Maues\IN{\maue} Baby! \tbentry{30}{6}{1927}{} 11\,\hbox{--}\,1 Vorlesung. Dann mit Maja\IN{\maja} und Moro\IN{\moro} essen. Nachher \uline{mit Moro\IN{\moro} gesprochen}, er weiß nicht, dass Majas\IN{\maja} Beziehung zu Schlick\IN{\schlick} erotisch ist; sie hat ihm immer gesagt, sie fühle zu ihm nicht anders als zu einer Frau. Ich sage es ihm, weil ich mir Sorgen um Maja\IN{\maja} mache, wenn sie allein hier sein wird. Er ist betrübt, dass sie nicht aufrichtig ist. Nachher Verkehrsbüro\IO{Wien!Verkehrsbüro}, dann Auto Krottenbachgasse\IO{Wien!Krottenbachgasse}. Dort spricht er zu ihr wegen der Unaufrichtigkeit. Sie fängt an zu weinen und bittet mich wegzugehen.\fnA{Es folgt ein gelber Zettel, auf dem auf der Vorderseite in Altersschrift hier nicht wiedergegebene Bemerkungen und Notizen zur Chronologie des Tagebuchs zu finden sind.} %%% Local Variables: %%% TeX-PDF-mode: t %%% mode: latex %%% TeX-master: "Tagebuecher_1920_bis_1935" %%% End: