\tboneA{383} \diary{19}{[9] 9.\,V.\,1917\,--\,26.\,VIII.\,1917} \uline{\ulinesp{Tagebuch.}} \textsp{\ulinesp{\textit{Mai}\,\hbox{--}\,\textit{Dez}. 1917} \textcircledcn{\small{9}}}\fnA{Dieser Text ist in blauer Tinte über das ursprünglich in schwarzer Tinte geschriebene und unterstrichene \original{Mai 17} geschrieben.} \ersteseite{541005} \textsp{6.\,\hbox{--}\,8.\,V.\,17.}\fnA{Ein ursprünglicher Text wurde hier später mit blauer Tinte teilweise überschrieben, vermutlich eine ursprünglich falsche Datumsangabe.} \uline{\ulinesp{Winterberg\IO{Winterberg}, siehe besondere Blätter.}} \tbentryllong{9}{5}{1917}{} \uline{Sainte-Preuve}\IO{Sainte-Preuve},\ort{Sainte Preuve} Lazarettbaracke\IO{Sainte-Preuve!Lazarettbaracke}. Endlich ins Bett. Ausgeruht, gegessen. Nachmittags gleich weiter, im Auto, liegend, nach \uline{Mont\-cor\-net}\IO{Montcornet},\ort{Montcornet} Krankensammelstelle. Dort {\lspitz}plötzlich{\rspitz} Heidrich\IN{\heidrichleutnant}, Gurlt\IN{\gurlittsoldat}, Conrad\IN{\conradsoldat}. Wir~4 in einem Zimmer oben. Zuweilen unten im Hof oder Garten gesessen. \ulinesp{An Mutter\IN{\rjcarnapmutter} und Cha\IN{\elisabeth} geschrieben.}\fnE{Rudolf an Anna Carnap, 10.\,V.\,1917 (\href{http://doi.org/10.48666/828655}{RC~025"~01"~84}).} \tbentry{10}{5}{1917}{} Hanke\IN{\hanke} bringt für Heidrich\IN{\heidrichleutnant} und mich Gepäck und Post: Bücher, Briefe von Mutter\IN{\rjcarnapmutter} und Agnes\IN{\agnes}, von \ulinesp{Cha\IN{\elisabeth} die Bildchen vom Feldberg\IO{Feldberg} und von Gertrud\IN{\gertrud} und Lisa\IN{\vogellisa}}; Briefe von Seppl\IN{\ulmer} und Fränzel\IN{\rjfraenzel}. \tbentry{11}{5}{1917}{} Im holperigen Auto sitzend nach \uline{Malaise Ferme}\IO{Malaise Ferme} bei Tavaux\IO{Tavaux}.\ort{Tavaux et Pontséricourt} Kran\-ken\-transportabteilung. Erst oben ins Läusezimmer. Dann schleunigst hinunter in das große helle mit den riesigen Fenstern zum Garten. Dort wohnen Gurlt\IN{\gurlittsoldat} und ich zusammen mit \editorstr{Feldw} Leutnant Junker\IN{\junker}, der den China\IO{China}-Feldzug\fnE{Bezieht sich wohl auf die Belagerung von Qingdao durch japanische und britische Truppen im Herbst 1914. China erklärte dem Deutschen Reich erst im August 1917 den Krieg.} mitgemacht und selbstgefällig davon erzählt, und dem ostpreußischen Leutnant. Schöner Park mit großen Bäumen und duftenden Blütensträuchern. \ulinesp{Dort gelesen: M.\,O. Johannes\IN{\johannesmo}, Wegsucherin Liebe\IW{\johannesmoliebe}; Flex\IN{\flex}, Der Wanderer zwischen beiden Welten\IW{\flexwanderer}; Westermarck\IN{\westermarck},} \ulinesp{Peters\IN{\petersemil}, Key\IN{\key}, Roh\-den\IN{\rjgustavonkel} über Ethik der Liebe und Ehe\IW{\rohdengustavliebeundethik}.}\fnE{Siehe LL \refcn{1102}, \refcn{1106}, \refcn{1107}, \refcn{1108}, \refcn{1110}, \refcn{1112}.} Zweimal mit Gurlt\IN{\gurlittsoldat} spazieren gegangen, hinüber an den Fluss, an den blühenden Obstbäumen vorbei, schöne frischgrüne Wiese; noch müde. \tbentry{14}{5}{1917}{} Abends wir 4 in den Leichtkrankenzug verladen. Schlafen auf den Polstern. \tbentry{15}{5}{1917}{} Vormittags \uline{Sedan}\IO{Sedan}.\ort{Sedan} Kriegslazarett~18, Abteilung Turenne\IO{Sedan!Turenne}, ein früheres Coll\`{e}ge\IO{Sedan!Coll\`{e}ge}, ein großes quadratisches Gebäude mit langen Gängen, hübschen kleinscheibigen Fenstern und überall viel Blumen, die das Herz \tboneA{384} erfreuen. Nette helle Zimmer; aber zu~7 drin. Mit Gurlt\IN{\gurlittsoldat} zusammen. \gestrunl\ \ulinesp{An} Hüttner\IN{\huettner}, Mutter\IN{\rjcarnapmutter},\fnE{Rudolf an Anna Carnap, 15.\,V.\,1917 (\href{http://doi.org/10.48666/808853}{RC~025"~01"~85}).} \ulinesp{Cha}\IN{\elisabeth}, Schubert\IN{\schubertsoldat} \ulinesp{geschrieben}. Zuweilen etwas gelesen, meist zu wenig Ruhe. Hoffmanns\IN{\hoffmannvon} Rassenhygiene\IW{\hoffmannvonrassenhygiene}, \ulinesp{Johannes Müllers\IN{\muellerjohannes} Er\-zieh\-eri\-sche Bedeutung}~\neueseite{541027}\fnA{Diese Seite enthält ein Fragment von Carnaps Leseliste, das die Einträge \refcn{1206} bis \refcn{1219} umfasst. Siehe dort.}\neueseite{541043} \ulinesp{der Ehe}\IW{\muellerjohannesehe}.\fnE{Siehe LL \refcn{1113}, \refcn{1116}.} Gespielt, häufig Schach; Würfel. In die Stadt gebummelt. Der Lazarettarzt Stabsarzt Professor Heller\IN{\hellerprof} (aus Leipzig\IO{Leipzig}) freundlicher Herr. Wunde fast verheilt. Bald ohne Verband. Leutnant Pultke\IN{\pultke} (Feldartillerie~95,~III.~!) spielt zuweilen Geige, netter, gebildeter Mensch. Leutnant Groß\IN{\gross}, Dresdner, weiß alles, töricht. Leutnant Dick\IN{\dick}, aus Halberstadt\IO{Halberstadt}, zusammen an Professor Rüter\IN{\rueter} geschrieben, reist bald nach Deutschland\IO{Deutschland} ab. Leutnant Koppenburg\IN{\kopperburg}, durch Leuchtpistole linke Gesichtshälfte arg verletzt, Auge weg; sehr tapfer, klagt nie über seine Schmerzen, immer heiter; wir helfen ihm beim Essen usw. \tbentry{17}{5}{1917}{} Abends ins Theater\IO{Sedan!Theater}, Operette, ,,Die Schöne vom Strande``; viel Blödsinn auf einmal, aber doch gelacht. Ich schreibe allmählich meine Tagebuchnotizen von den Winterbergtagen. \tbentry{18}{5}{1917}{} Abends mit Gurlt\IN{\gurlittsoldat} und dem Sachsen spazieren gegangen, hinter die Stadt, um die Zitadelle herum, schöne Allee, schöner Blick über die Stadt, mit vielen Parks, blühende Kastanien. ~\ldots{} Mehrmals noch spazieren gegangen; auch mit Gurlt\IN{\gurlittsoldat}. \gestrunl\ oben im Grase gelegen und gelesen; er hat Mörikes\IN{\moerike} Gedichte und Tasso\IW{\goethetasso} mit. Auch mal Händelsonaten\IN{\rjhaendel}. Einmal abends wieder Operette: Die schöne Galathée (Bildsäule, die lebendig wird), wieder viel Stuss. Ich tippe mal wegen Urlaub beim Professor\IN{\hellerprof} an; doch geht's nicht, da ich erst im März war. Auf dem Bekleidungsamt Feldbluse und Hose gekauft. \tbentry{21}{5}{1917}{} \ulinesp{Endlich Briefe von Mutter\IN{\rjcarnapmutter} und Cha\IN{\elisabeth}, die anstatt meiner dauernden Karten auch lieber einen Brief hätte.} \ulinesp{Schreibe ihr wieder ein vertröstendes Brief\-lein, fange aber schon die Aufzeichnungen über die Winterbergtage für sie an, nach meinen Tagebuchnotizen, die fertig sind.}\fnE{Siehe die fragmentarische langschriftliche Fassung von (TB~18), ,,Die Tage am Winterberg (6.\,\hbox{--}\,8.\,V.\,17)`` (\href{http://doi.org/10.48666/807727}{RC~025"~28"~35}).} \tbentry{23}{5}{1917}{} \ulinesp{Schreibe an} Mutter\IN{\rjcarnapmutter},\fnE{Rudolf an Anna Carnap, 22.\,V.\,1917 (\href{http://doi.org/10.48666/808855}{RC~025"~01"~86}).} Agnes\IN{\agnes}, \ulinesp{Cha\IN{\elisabeth}, dass ich Pfingsten wieder beim Re\-gi\-ment bin}. Der Professor\IN{\hellerprof} sagt, \pagebreak dass ich Sonnabend oder Sonntag fahren \tboneA{385} kann. Leutnant Pultke\IN{\pultke} (III/\textit{FAR} 95) fährt nach Naumburg\IO{Naumburg}; er hat uns oft Geige gespielt, auch mal unten im Schwesternheim\IO{Sedan!Schwesternheim} Klavier; viel Schach gespielt; netter, gebildeter Mensch, Zahnstudent.~-- \ulinesp{Ich denke viel an Cha\IN{\elisabeth}; hätte ich Urlaub bekommen, so wäre ich zuerst nach Wiesneck\IO{Wiesneck} gefahren.}~-- ~\neueseite{541045}\textbackslash\textit{Mai}~17.\textbackslash{} \tbentry{25}{5}{1917}{} Heute endlich die nachgeschickte Post. Geburtstagsbriefe von Mutter\IN{\rjcarnapmutter}, Agnes\IN{\agnes}, Mäusch\IN{\mausch}, Leni\IN{\rjleni}, Tante Elisabeth\IN{\elisabethtante}, \textit{MH}\IN{\hoermann}; \ulinesp{langer Brief von Cha\IN{\elisabeth}.} Allmählich lernen wir uns besser kennen und bilden eine sehr fidele Gesellschaft auf unserer Bude. Leutnant Koppenburg\IN{\kopperburg} bringen wir zu Bahn. Später kommt ein neu beförderter Leutnant \ulinesp{Fiedler}\IN{\fiedler} (\textit{IR} 19) verheirateter Lehrer, \ulinesp{hat über die Ehe eines Abends spät erregte Debatte mit Heidrich\IN{\heydrich}}, einem materialistisch erzogenen katholischen Volksschullehrer, der das Geld für die Hauptsache hält. \ulinesp{Ausführlich an Mutter\IN{\rjcarnapmutter} geschrieben: Nietzsche\IN{\rjnietzsche}-Zitat über die Ehe;}\fnE{Siehe Rudolf an Anna Carnap, 25.\,V.\,1917 (\href{http://doi.org/10.48666/807729}{RC~025"~09"~09}). Die angesprochenen Zitate stammen aus Nietzsche, \emph{Also Sprach Zarathustra}, Abschnitt ,,Von Kind und Ehe``. Nicht in der Leseliste.}\ulinesp{ über Meisel-Hess\IN{\meiselhess} als Vertreterin der Monogamie.}\fnE{Vgl. Meisel-Hess, \emph{Das Wesen der Geschlechtlichkeit}. LL \refcn{1122}.} \ulinesp{Ausführlich an Cha\IN{\elisabeth}:}\ulinesp{ Neue Formeln für Taufe und Trauung; sie solle mit gutem Gewissen die Freude genießen; 3 Bücher: Flex\IN{\flex}, Johannes\IN{\johannesmo}, Perutz\IN{\perutz}.}\fnE{Vgl. LL \refcn{1106}, \refcn{1102}, \refcn{1098}.} Schließlich auch Brief \ulinesp{an Flitner\IN{\flitner}}: Über Zeitschrift Freideutsche Jugend\II{\rjfreideutschejugend}, unsere Probleme (,,Kommunismus der Geistigen``) darin; \ulinesp{neue Formeln für Taufe und Trauung.} \ulinesp{Ich lese Meisel-Hess\IN{\meiselhess}, Wesen der Geschlechtlichkeit I und II zum Teil\IW{\meiselhesswesen}. Viel Gutes; Hauptsache: Wirkung des wahllosen Geschlechtsverkehrs auf den Charakter. Lese auch Krische\IN{\krische} noch einmal.}\fnE{Vgl. LL \refcn{1123}.} Wir wollen (Gurlt\IN{\gurlittsoldat} und~ich) eigentlich \textit{Mo},~28., fahren; es verschiebt sich wegen des Lazarett-Entlas\-sungs\-termins und der Papiere. \tbentry{30}{5}{1917}{} 11\textsuperscript{35} Abfahrt. 3\textsuperscript{h} Montcornet\IO{Montcornet}.\ort{Montcornet} Wir wollen mit der Kleinbahn nach Sissonne\IO{Sissonne}, glauben das Regiment noch in Montaigu\IO{Montaigu}. Erfahren, dass es abgelöst ist. Trinken Kaffee im Kasino\IO{Montcornet!Kasino}. Dann telefoniert nach Sissonne\IO{Sissonne}: Regimentsstab sei schon auf dem Marsch. Der Regimentsstab~19 in Montcornet\IO{Montcornet} zeigt uns Verteilung: Wir kommen nach \uline{\ulinesp{Chaourse}}\IO{Chaourse},\ort{Chaourse} 1\textonehalf{}\,\textit{km}~westlich. Wir gehen dorthin und quartieren uns ein. Später erfahren wir, unser Regiment kommt erst morgen. Man sagt, wir würden 3~Wochen in Ruhe sein, hier in der Gegend. Abends nach Montcornet\IO{Montcornet}, im Kasino\IO{Montcornet!Kasino} gegessen. \tboneA{386} \tbentry{31}{5}{1917}{} Ausgeschlafen; wir frühstücken ein Brot, das ich noch vom Lazarett habe, und \ulinesp{Chas\IN{\elisabeth} Kirschkuchen}. Dann im Bach geschwommen, noch ziemlich kühl. Nach Montcornet\IO{Montcornet}. Unterwegs treffen wir das 1.~Bataillon. Lanfermann\IN{\lahnfaehrmann}, Schubert\IN{\schubertsoldat}, Braun\IN{\braunsoldat}, Bentrup\IN{\bentrap}. Vergnügtes Wiedersehen. In Montcornet\IO{Montcornet} gegessen.~\neueseite{541051}\textbackslash\textit{Juni}~17.\textbackslash{} Dabei Russgeberg\IN{\rjrussen} getroffen (Infanterieregiment 160), war leicht verwundet. Vorige Nacht habe ich Diarrhoe gehabt; jetzt ruh' ich mich nachmittags im Bett noch aus. Timm Kröger\IN{\kroegertimm} gelesen.\fnE{Kröger, \emph{Sturm und Stille}. Siehe LL \refcn{1124}.} Abends gehen wir nach Basse Chaourse\IO{Basse Chaourse} hinunter. Baeßler\IN{\baessler} kommt mit dem \gestrunl\ neuen Major und stellt uns vor. Wir \gestrunl\ können mit der Bahn zu dem neuen Quartier fahren. Bei Schubert\IN{\schubertsoldat} erfahren wir: Martigny\IO{Martigny} ist nach Montcornet\IO{Montcornet}, abendgegessen. \ulinesp{Bei Schubert\IN{\schubertsoldat} Brieftasche und Notizbuch geholt.}\fnE{Vgl. TB~7.\,V.\,1917\diaryref{TB-7-V-1917}: Carnap hatte vor der Erstürmung des Winterbergs bei dem erwähnten Schubert Brieftasche und Notizbuch zurückgelassen.} Vor unserem Quartier spielt Böhm\IN{\boehmmusiker} mit der Regimentskapelle. \ulinesp{Aus der Brieftasche den alten Brief von Cha\IN{\elisabeth} gelesen.} \tbentry{1}{6}{1917}{} Ausgeschlafen. Kein Frühstück. 12\textsuperscript{h}~in Montcornet\IO{Montcornet} kräftig gegessen. Gepäck nach Martigny\IO{Martigny} aufgegeben. Selbst (Gurlt\IN{\gurlittsoldat} und ich) im Leerzug nach \uline{Liart}\IO{Liart},\ort{Liart}~4\textsuperscript{h}. In der Kriegsverpflegungsanstalt\IO{Montcornet!Kriegsverpflegungsanstalt} gut gegessen. Zum Ort hinauf, einfaches Quartier. Der heutige einzige Zug hält in Martigny\IO{Martigny} nicht. Das Abendessen wird durch einen Spaziergang ersetzt. Buschs\IN{\buschwilhelm} Kritik des Herzens\IW{\buschkritik} gelesen. \tbentry{2}{6}{1917}{} Spät aufgestanden, in Eile noch am Bahnhof\IO{Montcornet!Bahnhof} etwas gegessen. \textonehalf{}\,10 abgefahren nach \uline{Martigny}\ort{Martigny}.\fnE{Gemeinde in Frankreich, zehn Kilometer südöstlich von Hirson.} Baeßler\IN{\baessler} bestätigt telefonisch, dass ich die 1.~MGK übernehme. Ich treffe Unteroffizier Hauk\IN{\hauck} als Quartiermacher. Die Kompanie wird 2 oder 3\textsuperscript{h} eintreffen. Inzwischen haben gestern die 1. und 4.~Kompanie die besten Quartiere weggenommen. Mit Schubert\IN{\schubertsoldat} herumgelaufen; Bentrup\IN{\bentrap} besucht. \ulinesp{Chas\IN{\elisabeth} \unl{} gegessen; ich sehe den schandteuren Preis (3,25), das hat sie sich abgespart, weil sie die Bahn nicht mehr zu bezahlen braucht}. 4\textsuperscript{h}~kommt Engel\IN{\engelsoldat}, die Kompanie ist untergebracht. Abends sagt mir Hauptmann Menzel\IN{\menzelzwei}, dass er erst morgen umzieht. Ich bekomme sein Quartier, muss also diese Nacht bei Engel\IN{\engelsoldat} mich einquartieren. Abends mit Engel\IN{\engelsoldat} bei Schubert\IN{\schubertsoldat}. Das Exerzieren fängt am~5. an. In etwa 12~Tagen sollen die Besichtigungen sein. Wo mag's dann hingehen? Vermutlich bleiben wir hier in \sout{der} dieser Ecke der Westfront. \tboneA{387} \tbentry{3}{6}{1917}{} Zusammen bei Engel\IN{\engelsoldat} mittaggegessen. 3\textsuperscript{h}~mit Engel\IN{\engelsoldat}, Härich\IN{\herich} und Schubert\IN{\schubertsoldat} ums Dorf, Platz fürs Exerzieren und Schießstand ausgesucht, unten am Bach nahe der Bahn gefunden. Mit Engel\IN{\engelsoldat} bei Schubert\IN{\schubertsoldat} Kaffee getrunken; \ulinesp{unbescheidenerweise Urlaubsgesuch geschrieben, sehr zweifel\-haft.} Schreibstube ,,regiert``. Bentrup\IN{\bentrap}, Mathematik, Judenfrage. Regimentskapelle spielt auf dem Markt. Ich ziehe in Brauns\IN{\braunsoldat} Zimmer, gegenüber der Kirche\IO{Martigny!Kirche}, hell und luftig, schöner Blick vom Tisch übers Dorf hinunter und hinüber ~\neueseite{541053}\textbackslash\textit{Juni}~17.\textbackslash{} ins Grüne. \ulinesp{Immer noch keine Post.} Engel\IN{\engelsoldat} scheint zum Glück bei der Kompanie zu bleiben. Gurlt\IN{\gurlittsoldat} führt jetzt die~3., Hüttner\IN{\huettner} ist auf Urlaub. Abends Schubert\IN{\schubertsoldat}, Engel\IN{\engelsoldat} und Härich\IN{\herich} zum Essen eingeladen, aus Anlass der Kompanieführerzulage. \ulinesp{Geschrieben.} \tbentry{4}{6}{1917}{} Vormittags Raedsch\IN{\radz} hier. \ulinesp{Ich reiche Urlaub ein (ziemlich un\-be\-schei\-den).} Nachmittags kommt mein alter Bursche Zabierski\IN{\zabierski}. 4\textsuperscript{h}~Besprechung bei Hauptmann Menzel\IN{\menzelzwei}; Winke für die Ausbildung. \ulinesp{Pakete von Mutter\IN{\rjcarnapmutter}, Agnes\IN{\agnes}, Cha\IN{\elisabeth}.} \tbentry{5}{6}{1917}{} Zum ersten Mal exerziert. Schießstand gebaut, am Bach \textit{nw} Martigny\IO{Martigny}. Heißer Tag. Nachmittags bei Bentrup\IN{\bentrap} Mathematik. An Mutter\IN{\rjcarnapmutter} geschrieben. \tbentry{6}{6}{1917}{} Nicht ganz so heiß. Exerzieren. An Agnes\IN{\agnes} geschrieben. ~\ldots{} Zuweilen mit Bentrup\IN{\bentrap} Mathematik. Allmählich in die neue Aufgabe des Kompanieführers wieder gut eingelebt. \tbentry{9}{6}{1917}{} Morgens Manöver zweier Kompanien und \textit{MG}-Züge vor Major Cleppe\IN{\cleppe}, dem stellvertretenden Regimentskommandanten. Ich reite auf Hubertus hin. \ulinesp{Abends schreibe ich den langen Brief an Cha\IN{\elisabeth} zu Ende.} \ulinesp{Erfahre plötzlich, dass mein Urlaub (den ich für ganz aussichtslos hielt) vom~12. bis~27. genehmigt ist.} Inzwischen wird's wohl losgehen (hoffentlich nicht vorher!); die Transportstärken sind schon gemeldet. \tbmanyentries{\tbentry{10}{6}{1917}{}\,\hbox{--}\,\tbentry{11}{6}{1917}{}} Engel\IN{\engelsoldat} muss also die Besichtigung machen; wenn's überhaupt bis dahin nicht losgeht. \ulinesp{Reisevorbereitungen.} Engel\IN{\engelsoldat} in verschiedene Sachen eingeweiht: Diensteinteilung; Kommandos usw. beim bespannten Exerzieren\fnE{Exerzieren mit Pferdewagen.}, Freimachen mit 3~MG auf dem Fahrzeug, Beurlaubungen, Beförderungen usw. Schöner Sonntag. Dienstfrei. \ulinesp{9\textsuperscript{h} abends fahr' ich mit Hauptmann Berendts Dogwart\IN{\berendt} durch den schönen hellen Abend nach Hirson\IO{Hirson},\ort{Hirson} kurz nach~10 dort.} Schlafwagen bis Metz\IO{Metz}, 6\textsuperscript{h}. Aber schwül, wenig geschlafen. \ulinesp{Von Straßburg\IO{Straßburg} an Cha\IN{\elisabeth} telegrafiert}, ,,\uline{möchte einige Tage \tboneA{388} Wiesneck\IO{Wiesneck}}``. 2\textsuperscript{h}~\textonehalf{}\,2 (statt~1) \uline{Freiburg\IO{Freiburg}.}\ort{Freiburg}\setort{Hirson} \ulinesp{Zu Cha\IN{\elisabeth} in die Karlstraße\IO{Freiburg!Karlstraße}.} \ulinesp{Freudige Begrüßung.} Ob ich (alleine!) nach Wiesneck\IO{Wiesneck} will? Urlaub für sie hier nicht mehr so einfach. Will's versuchen. Vom Winterberg\IO{Winterberg} erzählt, Fotos vom Feldberg\IO{Feldberg} gezeigt. Vom gestrigen Geburtstag Gretes\IN{\grete} erzählt. 4\textsuperscript{h}~muss Cha\IN{\elisabeth} ins Lazarett. Ich lese ihre Randbemerkungen zu Meisel-Hess\IN{\meiselhess} (Krise)\IW{\meiselhesswesen},\fnE{Meisel-Hess, \emph{Das Wesen der Geschlechtlichkeit}, LL \refcn{1122}.} und ihr Tagebuch (Okt. 16\,\hbox{--}\,Mai 17).\fnE{Siehe (ES).} Dann zum Europäischen Hof\IO{Freiburg!Hotel Europäischer Hof}. 8\textsuperscript{h}~hole ich Cha\IN{\elisabeth} ab, wir gehen bis~11 auf den Schlossberg\IO{Freiburg!Schlossberg}. Oben setzen wir uns abseits vom Weg unter ihre Birke über dem Weinberg\IO{Freiburg!Weinberg}. Über ihr schwankendes Selbstvertrauen, häufig unbefriedigtes Gefühl; verlangt mehr von sich, als sie leisten kann. Dass Grete\IN{\grete} sich \gestrunl\ schneller mit anderen~\neueseite{541055}\fnA{Es folgt hier ein eingeschobenes Blatt aus kariertem Papier (das übrige Tagebuch ist auf unliniertem Papier notiert), das in tabellarischer Form Einträge zu den Tagen vom 12.\,VI. bis~26.\,IV. enthält. Siehe nebenstehende Tabelle.} %\blockade{Hier muss der nach der Tabelle stehende Text unmittelbar und ohne Zeilenumbruch anschließen!!!} befreundet; und ich meine doch, Cha\IN{\elisabeth} kann's noch viel eher als ich. Über Verschlossenheit und Offenheit. Ob ich oft zu wenig ausdrücke, was in mir vorgeht. Ich sage, dass ich anderen noch viel weniger eröffne, z.\,B. Kriegserlebnisse und vieles andere. Über Lazarett und Schwesterntätigkeit. \tbentry{12}{6}{1917}{} Gebadet. Um~12 will ich Cha\IN{\elisabeth} am Bahnhof\IO{Freiburg!Bahnhof} treffen; ob sie Urlaub hat (1\textonehalf{} Tage will sie sich auf jeden Fall freimachen)? Ob für mich ein telegrafischer Rückreisebefehl in Wiesneck\IO{Wiesneck}? Heute oder morgen werden die Kameraden wohl marschieren. 12\textsuperscript{h}~nach \uline{\ulinesp{Wiesneck}}\IO{Wiesneck}.\ort{Wiesneck} Unterwegs am Bach treffen wir Frau Cloos\IN{\cloosfrau}, Gertrud\IN{\gertrud}, Mädele\IN{\maedele}.\medskip \uline{\ulinesp{Jena\IO{Jena}.}}\ort{Jena} --- --- --- --- [\ulinesp{Siehe Zettel.}]\fnA{Siehe die nebenstehenden tabellarischen Aufzeichnungen zum 12. bis 26.\,VI.\,1917.} \tbentry{26}{6}{1917}{} Abends 8\textsuperscript{h} mit Cha\IN{\elisabeth} zur Bahn. In Weimar\IO{Weimar}\ort{Weimar} nehme ich den späteren Zug, gehe in den dunklen Park an der Ilm\IO{Ilm}, Goethehäuschen\IO{Weimar!Goethehäuschen}\IN{\goethe}. Unter den Bäumen gesessen, ziemlich müde, Chas\IN{\elisabeth} Rose gefunden, Johannisbeeren gegessen. An der Bahn an Cha\IN{\elisabeth} nach Jena\IO{Jena} geschrieben. \textonehalf{}\,1 weiter. \tbentry{27}{6}{1917}{} 1\textsuperscript{h} Metz\IO{Metz};\ort{Metz} vorher an Cha\IN{\elisabeth} geschrieben. Ich erfahre: Wir sind noch in der 3. Armee; Engel\IN{\engelsoldat} hat also mit der ,,alten Stelle`` die Aisnefront\IO{Aisne} gemeint, nicht die Maashöhe\IO{Maashöhe}! In Sedan\IO{Sedan} einige Stunden Aufenthalt. 8\textsuperscript{h}~weiter. 11\textsuperscript{h}~Montcornet\ort{Montcornet}. Im ,,Reichshof``\IO{Montcornet!Offizierskasino Reichshof} (Offizierskasino) einquartiert. Wieder ein Bett nach der durchgeschüttelten Nacht.\pagebreak \tboneA{389} \endentry \marginnote{\margsize\textit{Wiesneck}}[175mm] \setort{Wiesneck} \begin{sideways} \small \tabcolsep4pt \newcommand*{\skipper}{\vskip-1.5mm} \begin{tabular}{@{}>{\RaggedRight\arraybackslash}p{3cm}|>{\RaggedRight\arraybackslash}p{2cm}|p{2.5cm}|>{\RaggedRight\arraybackslash}p{5cm}|p{2.5cm}|p{1.5cm}@{}}\multicolumn{6}{l}{}\\[7mm] \ersteseite{541049} \emph{Di} 12.\,VI.\,17&\emph{Mi} 13.&\emph{Do} 14.&\emph{Fr} 15.&\emph{Sa} 16.&\fbox{\emph{So}} 17.\\\hline \skipper\textsp{\ulinesp{VI 1917}}&&&\skipper\raggedright Morgens Frau Cloos\IN{\cloosfrau} drüben besucht. Dann auf die Herzenbank.&\skipper\raggedright Cha\IN{\elisabeth} zur Bahn gebracht. An Mutter geschrieben.\fnEmark&\\ \raggedright \ulinesp{12\textsuperscript{h} nach Wiesneck.} Nach Tisch auf Chas\IN{\elisabeth} Stüble, nicht zu küssen gewagt. An Mutter\IN{\rjcarnapmutter} geschrieben. \sout{Nachmittags} Auf die Burg\IO{Wiesneck!Burg}, Erdbeeren gefuttert, nicht zu küssen gewagt, \gestrunl\ Regen. Auf der Bank vor der Hütte gesessen. Endlich. Alles Glück auf einmal. \gestrunl\ \newline Plötzlich ½ 8.&&\raggedright 3\textsuperscript{h} mit Cha im Bach gebadet.\newline\newline 5\textsuperscript{h} nach Freiburg\IO{Freiburg} Regenmantel gekauft. Mit Cha und Gertrud\IN{\gertrud} ins Vegetarische\IO{Freiburg!Vegetarisches Restaurant}. \uline{Sonatenabend}. Zu~Fuß nach Wiesneck\IO{Wiesneck}, mit Grete. Bei Buschkiels\IN{Buschkiels}\fnEmark\ Ständchen, Tee.&\raggedright Nach Tisch zu Gertrud\IN{\gertrud}, Turnen und Tanz mit Vortrag und Gespräch. Auf den Burgberg. Zeitpunkt der Heirat; ökonomische und gesellschaftliche Gründe. Kriegstrauung! Ich will Mutter\IN{\schoendubeluisa}\fnEmark\ sprechen, hinunter, wir treffen sie, geht Pilz suchen. Wir warten oben mit Ungeduld. Endlich~6\textsuperscript{h}. Sehr ruhig und freundlich. Doch der Vater\IN{\schoendubeheinrich} muss alles entscheiden. Nach Tisch mit ihr und Cha auf der Veranda. Später Grete und Gertrud dazu. Apfelwein. Grete\IN{\grete} und Gertrud singen Kothe Ständchen, und Ade zur guten Nacht.& \quad\newline\newline\newline\newline\newline\newline nachmittags: bei Frau Cloos\IN{\cloosfrau}.&Birken\-wäldchen \neueseite{541047}\\ \raggedright Noch zusammen oben.&\raggedright Noch zusam\-men oben, bis spät.&&&Tanne \end{tabular} \fnEtext{Rudolf an Anna Carnap, 16.\,VI.\,1917 (\href{http://doi.org/10.48666/808857}{RC~025"~09"~10}).} \fnEtext{Marianne von Liebenstein war eine geborene Buschkiel.} \fnEtext{Luisa Schöndube, die Mutter von Elisabeth Schöndube.} \end{sideways} \clearpage \tboneA{390} \marginnote{\margsize\textit{Jena}}[175mm] \setort{Jena} \begin{sideways} \small \tabcolsep4pt \newcommand*{\skipper}{\vskip-1.5mm} \begin{tabular}{>{\RaggedRight\arraybackslash}p{1.7cm}|>{\RaggedRight\arraybackslash}p{1.7cm}|>{\RaggedRight\arraybackslash}p{1.7cm}|>{\RaggedRight\arraybackslash}p{1.7cm}|>{\RaggedRight\arraybackslash}p{1.7cm}|>{\RaggedRight\arraybackslash}p{1.7cm}|>{\RaggedRight\arraybackslash}p{1.7cm}|>{\RaggedRight\arraybackslash}p{1.7cm}|>{\RaggedRight\arraybackslash}p{1.7cm}} \multicolumn{9}{l}{}\\[17mm] \emph{Mo} 18&\emph{Di} 19 &\emph{Mi} 20&\emph{Do} 21&\emph{Fr} 22&\emph{Sa} 23&\fbox{\emph{So}} 24&\emph{Mo} 25&\emph{Di} 26\\\hline \skipper\textsp{\ulinesp{VI 1917}}&\skipper Besprechung (Wohnungen)&\skipper Besprechung (kirchliche Trauung)&&\skipper bei Frau Professor Kessler\IN{\kesslerfrau}&&&&\\ \textsp{\ulinesp{Reise nach Jena\IO{Jena}}}&Tante Tine\IN{\tinetante}&&&&&Wien\IN{\rjwien}&&Nohl\IN{\rjnohl} (mit~Cha\IN{\elisabeth})\newline\quad\\ &&&&&Hohe Lehde\IO{Hohe Lehde}&mit Onkeln bei Tante Tine&&Gepackt. Bücher und Bilder besehen\newline\quad\\ &Tante Elisabeth\IN{\elisabethtante}&&&&&&&Zusammen gesungen.\\ &&&&Bei Trüpers\IN{\rjtruepers}.&&&&\uline{8\textsuperscript{47}}\\ &abends: Pfingstspiele&&&Auf den Berg.&&&&\uline{Abreise} \end{tabular}\hspace*{2mm} \end{sideways} \clearpage \tboneA{391} \tbentry{28}{6}{1917}{} Die Division ist in Malaise\IO{Malaise}. Ich treffe den Pfarrer, er sagt mir, das Regiment liegt im Windmühlenlager Ost. Ich muss bis Le~Thour\IO{Le Thour} fahren. Fernspruchwagen bestellt. Der Koffer ist noch nicht da, wieder nach Liart\IO{Liart} telefoniert. Mittaggegessen, ,,Rund um die Erde zur Front``\IW{\rundumdieerde} gelesen.\fnE{Anthes, \emph{Rund um die Erde zur Front}. Nicht in der Leseliste.} Etwas geschrieben. 3\textsuperscript{h}~mit dem Koffer auf der Kleinbahn bis \gestrunl\ Le~Thour\IO{Le Thour} gefahren. Der Wagen steht da. Über \uline{Malmaison}\IO{Malmaison}\ort{La Malmaison} ins Waldlager \uline{,,Windmühlenlager Ost``}. Beim Major, Raedsch\IN{\raetsch}, Baeßler\IN{\baessler}, Hauptmann Menzel\IN{\menzelzwei} gemeldet. Verlobung bekanntgegeben, alles gratuliert. Die Unverheirateten bedauern mich ,,Reingefallenen``. Starker Regen, kleine Baracke für mich. Viel Post, packe nur einiges aus. Müde. Nachts heftiges Rollen.\fnA{Rechtsbündig gesetzt und durch Linie links und oben begrenzt steht hier am Seiten\-ende \original{Fortsetzung 5~Seiten weiter.}.}~\neueseite{541009}\fnA{Es folgt eine Seite mit Aufstellungen des Inhalts von Paketsendungen, die Carnap zwischen Mai und August 1917 an der Front erhalten hat (nicht abgedruckt). Der Text des Tagebuches geht, anders als die vorstehende Bemerkung \original{Fortsetzung 5~Seiten weiter} nahelegt, auf der nachfolgenden Seite weiter (möglicherweise wurden hier also zwei Blätter des ursprünglichen Konvoluts nachträglich entfernt), unter dem Eintrag \original{\uline{Tagebuch, Fortsetzung} \textit{Juni/Juli} 17.}.} \tbentry{29}{6}{1917}{} Schulschießen. Kompanierevier angesehen. Unterschriften. Mittags zusammen gegessen. Das elende Gefühl von gestern Abend, durch Ungemütlichkeit, Neuheit, Dunkelheit, Regen usw. verschwindet allmählich. In der Stellung wird's wohl auch nicht so schlimm sein. Etwas geschrieben. \tbentry{30}{6}{1917}{} Morgens Brief an Chas\IN{\elisabeth} Vater\IN{\schoendubeheinrich} fertiggeschrieben, dazu kleinen Brief an Cha\IN{\elisabeth}. Für Stellung gepackt. Abends ganz kurz Brief an Cha\IN{\elisabeth} angefangen. Abends sitze ich mit Engel\IN{\engelsoldat} und Härich\IN{\herich} noch zusammen, dabei Hüttner\IN{\huettner} und Hiebmann\IN{\hiebmannsoldat}, die beiden blau. Chas\IN{\elisabeth} Brief mit dem von Frau Rothe\IN{\rothefrau} kommt, ich kann sie noch \sout{es} nicht lesen. \textonehalf{}\,10 Abmarsch. Der Regen hat aufgehört, ruhig. Vorn Gurlt\IN{\gurlittsoldat} abgelöst, ist sehr heiter. Netter, niedriger Stollen; mit Weiß\IN{\weisszwei} zusammen. 1\textsuperscript{h}~endlich schlafen gelegt. \framebox{Stellung.} \tbentry{1}{7}{1917}{} Bis~10 geschlafen. Dienstlich geschrieben; durch die Stellung (rechts) und zum KZK.\fnE{Bezug unklar.} Dann endlich Chas\IN{\elisabeth} lieben Brief, und den von Frau Rothe\IN{\rothefrau}, der mich sehr erfreut. Wieder viel dienstlich geschrieben. Abends im Dunkeln nach links, Schützennest bei der Mühle. \textonehalf{}\,12 kommt das Essen. Dann noch Durchgänge usw. 1\textsuperscript{h}~geschlafen. Brief von Cha\IN{\elisabeth} aus Freiburg\IO{Freiburg} und Wiesneck\IO{Wiesneck}. \tboneA{392} \tbentry{2}{7}{1917}{} 11\textsuperscript{h} aufgestanden. Mittags durch die Stellung. Schönes Wetter. \gestrunl\ Endlich mal draußen gesessen, Zeltbahn aufgespannt.\fnA{Bei den folgenden Einträgen bis zum 14.\,VII. fehlt die neben der Angabe des Monatstages ansonsten übliche Angabe des Wochentages.} -- --~-- --~-- Schöne Tage; fast immer draußen gesessen, geschrieben: Mehrmals an Cha\IN{\elisabeth}, an Crousaz\IN{\crusitz}, Gertrud Carnap\IN{\carnapgertrud}, Frau Rothe\IN{\rothefrau}, Hermann Lietz\IN{\lietz}; und gelesen: Rade\IN{\rade}, Stellung des Christentums zum Geschlechtsleben\IW{\radegeschlechtsleben}; Paul Jaeger\IN{\jaegerpaul}, Vom Schicksal der Werte\IW{\jaegerpaulwerte};\fnE{Siehe LL \refcn{1135}.} Deutschland-Vaterland\IW{\deutschlandvaterland} (von Grete\IN{\grete}; Gedichte und Bilder ,,aus Kunst und Leben``).\fnE{Siehe LL \refcn{1136}.} Jetzt meist das Essen mittags gekocht (Öfchen im Graben) anstatt mitternachts. Trotzdem meist bis~1\textsuperscript{h} aufgeblieben; spät in der Nacht kommt der Essenholer, die Post, dienstliche Papiere, Durchgänge vom Bataillon, Meldung für morgen früh~5\textsuperscript{h} fertigschreiben usw. Von \textonehalf{}\,11\,\hbox{--}\,12 abends gehe ich meist in Stellung; die Arbeiten außerhalb der Gräben können nur bei Nacht gemacht werden. \tbentry{4}{7}{1917}{} Am~4. abends stehe ich mit Walter\IN{\waltersoldat} als Ordonnanz, und Vize Ritter\IN{\ritter} bei der Arbeit am MG-Nest Mühle.~\neueseite{541007}\fnA{Die folgende Seite enthält unter der Überschrift \original{Adressen für Anzeige} eine großflächig durchgestrichene Liste von Adressaten (vermutlich für die Hochzeitsanzeige Carnaps).} Plötzlich ein einzelner Infanterieschuss: Walter\IN{\waltersoldat} sinkt lautlos um; ganz im Dunkeln, Zufallstreffer. Kopfschuss, mitten durchs Gehirn. Ich verbinde ihn schnell. Ins Dorf zu Braun\IN{\braunsoldat}. Der meint: Aussichtslos. Doch wird er am anderen Tag nach Sissonne\IO{Sissonne} geschafft. Am~6. früh in Ville-aux-Bois\IO{Ville-aux-Bois} gestorben. Hier sehr viel Papierkrieg: Tankabwehrgewehre, Fliegerabwehrgewehre, ständige Meldungen über Munition, Gefechtsstärke usw., Arbeitsleistung \gestrunl. \tbentry{5}{7}{1917}{} Vormittags kommt Raedsch\IN{\radz}. Durch die Stellung gegangen. \tbmanyentries{\tbentry{7}{7}{1917}{}\,\hbox{--}\,\tbentry{14}{7}{1917}{}} Abends von Hüttner\IN{\huettner} abgelöst. In \uline{II. Stellung} Gurlt\IN{\gurlittsoldat} abgelöst. Anfangs Regenwetter. Unten im tiefen Stollen mit Schmids\IN{\schmidts} zusammen gehaust; feucht und kühl. Später meist draußen in der schilfgedeckten Sommerlaube gesessen. Dort gelesen: Lynkeus\IN{\lynkeus}, Das Individuum und die Bewertung menschlicher Existenzen\IW{\lynkeusindividuum} [Tod im Krieg usw. nur freiwillig zulässig; stark individualistisch], Schleiermachers\IN{\schleiermacher} Katechismus für edle Frauen\IW{\schleiermacherkatechismus}, Schneikert\IN{\schneikert}, Geheimschrift\IW{\schneikertgeheimschrift};\fnE{Siehe LL \refcn{1139}, \refcn{1140}, \refcn{1143}.} \tboneA{393} Briefe von Cha\IN{\elisabeth} (mit Grundriss und Glückwunschbrief), Mutter\IN{\rjcarnapmutter},\fnE{Vgl. Anna an Rudolf Carnap, 29.\,VI.\,1917 (\href{http://doi.org/10.48666/808859}{RC~025"~17"~09}).} Lisi\IN{\rjlisi}, Hannah\IN{\hannah}. Geschrieben an Cha\IN{\elisabeth}, Pfarrer Jaeger\IN{\jaegerpaul} (2~$\times$),\fnE{Vgl. das kurzschriftliche Konzept ,,An Pfarrer Jäger, 1917`` (\href{http://doi.org/10.48666/808861}{RC~089"~74"~07}).} Flitner\IN{\flitner} (mit Übersetzung von Kjellens\IN{\kjellen} Halbjahresübersicht),\fnE{Carnap an Flitner, 8./9.\,VII.\,1917 (WF). Der Brief enthält den Text ,,Weltpolitische Übersicht, 1917/1. Halbjahr``.} die Eltern des gefallenen Walter\IN{\waltersoldat}. 3~$\times$~hinten im Bach gebadet, mit Schmids\IN{\schmidts}; Sonnenbad. \sout{Abends} Nachts \textonehalf{}\,1 abgelöst, ins Lager geritten. Wohne jetzt in Hüttners\IN{\huettner} Baracke. \tbentry{15}{7}{1917}{} Nachmittags Kompanieführerkursus in \gestrunl\ Malmaison\IO{Malmaison}. Abends Besprechung mit Raedsch\IN{\radz}; morgen habe ich ihn zu vertreten. \tbentry{16}{7}{1917}{} Abends kommen Hüttner\IN{\huettner} und Klemp\IN{\kleehove} aus Stellung. \tbentry{17}{7}{1917}{} Vormittags in die neue Stellung geritten, II, 1 angesehen. Abends Fliegergesuch eingereicht. \tbentry{18}{7}{1917}{} Abends erzählt mir Bentrup\IN{\bentrap}, dass Menzel\IN{\menzelzwei} mich schon zum EK~I eingereicht hat und das auch wiederholen will. Bentrup\IN{\bentrap} hat es jetzt bekommen. In diesen Tagen gelesen: Von Klemp\IN{\klemp} \gestrunl\ Balzacs\IN{\balzac} drollige Geschichten\IW{\balzacgeschichten}; Wurmb\IN{\wurmb}, Zum Offizier befördert\IW{\wurmboffizier}; Gruber\IN{\gruber}, Hygiene des Geschlechtslebens\IW{\gruberhygiene}.\fnE{Siehe LL \refcn{1144}, \refcn{1147}, \refcn{1148}.} Mutter\IN{\rjcarnapmutter} schreibt vom Haus am Pfaffenstieg\IO{Pfaffenstieg}.\fnE{Vgl. Anna Carnap an Rudolf Carnap, 5.\,VII.\,1917 (\href{http://doi.org/10.48666/807731}{RC~25"~17"~12}).} Briefe von Cha\IN{\elisabeth}, Agnes\IN{\agnes}, Friedrich\IN{\rohdenfriedrich}. Geschrieben an Cha\IN{\elisabeth}, Mutter\IN{\rjcarnapmutter}, und Agnes\IN{\agnes}, Friedrich\IN{\rohdenfriedrich}.~\neueseite{541015}\fnA{Die folgenden beiden Seiten enthalten hier nicht wiedergegebene Notizen. Überschrift der ersten Seite: \original{Mit Cha besprechen}. Überschrift der zweiten Seite (auf der fast alle Einzelpositionen durchgestrichen sind): \original{An Cha geschrieben}. Die folgende Tagebuchseite beginnt mit dem Eintrag \original{\uline{Tagebuch, Fortsetzung} \textit{Juli} 17.}.} \tbentry{19}{7}{1917}{} Nach Malmaison\IO{Malmaison} zum Baden. Gepackt. Abends in die rechte, neue Stellung, II.~1; Treffpunkt. Bayerisches Infanteriegement~32 abgelöst. \tbmanyentries{\tbentry{20}{7}{1917}{}\,\hbox{--}\,\tbentry{23}{7}{1917}{}} Mit Raedsch\IN{\raetsch} Nester im Gelände ausgesucht und zu bauen angefangen. Härich\IN{\herich} wohnt in meiner Nähe. Ich schlafe oben in der Treppe, unten Zabierski\IN{\zabierski} und Mattes\IN{\mattes}. Oben im Ausgang kann ich bei Tageslicht lesen und schreiben. Gerling\IN{\gerling}, Diskrete Antworten\IW{\gerlingantworten}; Reichhardt\IN{\reichhardt}, Hochzeit im Volks\-\tboneA{394}brauch\IW{\reichhardthochzeit}; Hunkel\IN{\hunkel}, Freia und Frauwa\IW{\hunkelfreia}; De Coster\IN{\coster}, Herr Halewijn\IW{\costerhalewijn}\fnA{Original \original{Halevin}.}; Kriegsernährungsamt, Kriegsernährung 1917\IW{\kriegsernaehrung}; Cortés\IN{\rjcortes}, Eroberung von Mexiko\IO{Mexiko},~I\IW{\cortesmexiko}.\fnE{Siehe LL \refcn{1151} bis \refcn{1156}.} An Grete\IN{\grete} geschrieben, dann auch an Cha\IN{\elisabeth}. Von Cha\IN{\elisabeth} \gestrunl\ Schumanns\IN{\schumann} Noten ,,Wenn ich ein Vöglein wär``. In unserer Divison häufige Erkundungsunternehmungen. Überhaupt unruhige Tage. Besonders \textit{So.} 22. gute Sicht, viel Artillerietätigkeit. Die Batterien vor uns werden arg befeuert, mehrmals Geschütze zerschossen, Munition brennt. Die Garde ist auf dem Winterberg\IO{Winterberg} weiter vorgekommen. Man \sout{hatte} vermutet bei Craonne\IO{Craonne} größeren Vorstoß des Feindes. Vom 22. abends ab erhöhte Bereitschaft. Wir arbeiten trotzdem weiter. In der Stellung treffe ich den neuen Oberleutnant {\lspitz}Hanscheidt{\rspitz}\IN{\hanscheidt} (Kapelle\IO{Winterberg!Kapelle}), er ist in den Karpaten\IO{Karpaten} gewesen, bei der 220. Division, die aus Jägerregiment 3, 4, 5 besteht; erzählt mir von dem netten Betrieb bei diesen Regimentern, dem Rodeln im Winter usw. Bei Schubert\IN{\schubertsoldat} schreibe ich nochmal mein Fliegergesuch. Werde zur Untersuchung nach Vervins\IO{Vervins} geschickt. \tbentry{23}{7}{1917}{} Abends runter, Härich\IN{\herich} \gestrunl\ vertritt mich oben. Hubertus ist ziemlich kaputt, schlägt auf die Knie. Muss im Schritt nach Hause reiten, noch ins alte Lager; ,,Wenn ich ein Vöglein~\ldots``. Unten Brief von Flitner\IN{\flitner} (über den Plan zu vieren in Wiesneck\IO{Wiesneck}; meine Eheabsichten; Kirche), Cha\IN{\elisabeth}; Glückwunsch von Otto Kreitz\IN{\kreitzotto}. \tbentry{24}{7}{1917}{} Gebadet. Mittags 1$^\circ{}$ über Laon\IO{Laon} nach \uline{Vervins}\IO{Vervins},\ort{Vervins} 5$^\circ{}$.\fnE{Steht vermutlich für ,,Punkt fünf Uhr`` etc. Die Notation findet sich auch am~29.\,VII. 1917.} Müde; abends etwas zwischen den Gärten spazieren. \tbentry{25}{7}{1917}{} Ganzen Vormittag eingehende Untersuchung: Ohren, Augen (Oberstabsarzt Krahnsteiner\IN{\krahnsteiner}, der mit \uline{Josua\IN{\josua} in Solln\IO{Solln} musiziert hat}), Inneres. Viel Steherei. Ich bin tauglich.\fnE{Offenbar handelt es sich um die Tauglichkeit für die Fliegerausbildung.} Nachmittags geschlafen~\neueseite{541023} in meinem ,,Hotel Chevalier noir``\IO{Vervins!Hotel Chevalier noir}; etwas geschrieben. Abends zurückgefahren.\ort{La Malmaison}{\tolerance2000\par} \tbentry{26}{7}{1917}{} Mit Bastian\IN{\bastian}, dem freundlichen, fast zu lebhaften Berliner zusammen in der Baracke\IO{Vervins!Baracke}.\pagebreak \tboneA{395} Ich schicke Cha\IN{\elisabeth} Bücher und Kerzen. Abends auf Vierton in Stellung geritten. \tbentry{27}{7}{1917}{} An Margret\IN{\rjmargret} geschrieben (Verlobung). 28. bekomme ich ihren Brief vom~22. Da Chas\IN{\elisabeth} ,,Sünde`` vom~11. mich doch etwas ärgert, schicke ich jetzt einige Zeit nur Briefe von anderen Leuten an sie. Doch macht mir das frische Ungestüm auch wieder herzliche Freude; wenn's nur nicht gerade mich träfe! \tbentry{28}{7}{1917}{} An Onkel Gustav\IN{\rjgustavonkel} geschrieben: Verlobung, Ehe, Familie; an Flitner\IN{\flitner}: Kirche, Fliegerei. Mein Magen ist seit einiger Zeit in Unordnung. Sehr lästig, weil's zuweilen auf die Stimmung drückt. \tbentry{29}{7}{1917}{} 5° morgens lebhafter Betrieb: Die ganzen Batterien hier werden stark vergast, vorn liegt französisches Trommelfeuer, auf der ganzen Front wird dauernd Sperrfeuer angefordert. Endlich Ruhe; wir wissen noch nichts Genaues; die Franzosen sollen eine Patrouille gemacht haben, vorn am Graben gewesen sein. 10\,\hbox{--}\,1 mit Raedsch\IN{\raetsch} in der Hitze durchs Gelände, vorne rechts zu den Batterien usw. Nachmittags Kopfschmerzen. An Mutter\IN{\rjcarnapmutter} geschrieben: Fliegerei, vielleicht früher Urlaub. 11\textsuperscript{h} abends von Kaul\IN{\kaul} abgelöst, da Seidel\IN{\seidelsoldat} zahnkrank. Ins neue Lager (Ballonlager~II) geritten, stockfinster, einige Umwege. Wohne mit Seidel\IN{\seidelsoldat} zusammen, später mit Härich\IN{\herich}; Wellblechbude. \tbmanyentries{-- \tbentrylong{4}{8}{1917}{}} Meist schlechtes Wetter. Mehrmals ins alte Lager, Pferde inspiziert, Pferdeappell, Zahlmeister usw. Malmaison\IO{Malmaison} Kompanieführerkursus. Scheffs\IN{\scheff} Arche\IW{\scheffarche} gelesen,\fnE{Siehe LL \refcn{1161}.} phantastischer Roman: Komet vergiftet die Erde, im U-Boot bleiben die einzigen Überlebenden, fangen neue Menschheit an. Tolstoj\IN{\tolstoj}, Patriotismus und Regierung\IW{\tolstojpatriotismus}\fnE{Siehe LL \refcn{1163}.} (von Margret\IN{\rjmargret}), gegen alle Regierung und Patriotismus, da notwendig zu Kriegen führend. Keith\IN{\keith} und Vierath\IN{\vierath}, Über Ehe und \gestrunl{} Geschlechtsempfinden.\fnE{Vgl. LL \refcn{1165} und \refcn{1166}.} Johannes Müller\IN{\muellerjohannes}, Volkskirche\IW{\muellerjohannesvolkskirche}.\fnE{Siehe LL \refcn{1167}.} Von Cha\IN{\elisabeth} Brief, mit Fliegerei einverstanden; Bedenken ihrer Mutter\IN{\schoendubeluisa} gegen baldiges Heiraten, bevor Vaters\IN{\schoendubeheinrich} Antwort da ist. \tboneA{396} Flitner\IN{\flitner} \gestrunl\ schickt mir Thesen \uline{für den Freischarbericht\II{\freischar} über politische Betätigung}.\fnE{Siehe Wilhelm Flitner, ,,Thesen für Carnap`` (\href{http://doi.org/10.48666/807734}{RC~81"~48"~01}), abgedruckt in \textit{Monatsbericht der Deutschen Akademischen Freischar}, August 1917, 166\hbox{--}167. Zum Kontext Werner, ,,Mit den blanken Waffen des Geistes``.}\fnA{Am Ende dieser Seite steht rechtsbündig, unter einer horizontalen Linie gesetzt \original{Fortsetzung hinten (6 Blätter weiter).}.}\neueseite{541031}\fnA{Auf der folgenden Seite stehen erneut, wie nach dem Eintrag zum 18.\,VII., hier nicht wiedergegebene Notizen zu Briefen an Elisabeth Carnap, Überschrift: \original{An Cha geschrieben}, fast alle Detaileinträge einzeln durchgestrichen. Die Rückseite dieses folgenden Blattes ist leer. Das nächste Tagebuchblatt beginnt mit dem Eintrag \original{\uline{Tagebuch} (Fortsetzung). \textit{Aug}.~17.}} \tbentry{5}{8}{1917}{} Nach den ganzen Regentagen endlich etwas Sonne zwischendurch. Sikenius\IN{\sikenius} besucht mich und erzählt von dem große Unternehmen der vorigen Nacht, das alle 3~Regimenter zusammen gemacht haben, 76~Gefangene! Unser Regiment~38; er war als Führer unserer Stoßtruppen dabei. Von der 3.~MGK sind auch einige mitgewesen (Unteroffizier Cewinski\IN{\cewinski}; Sobania\IN{\sobania}; Kabat\IN{\kabat}.) Sie haben tolles Artilleriefeuer bekommen, sind aber bis in die 3.~feindliche Linie gedrungen. Drüben war gerade eine neue Division in Stellung. Feindliche Offiziere sind nicht gefangen; teils entkommen, teils niedergeschossen, weil sie nicht mitwollten. Sikenius\IN{\sikenius} erzählt von dem sicheren Gefühl, dass ihm gar nichts passieren könnte. Da noch nichts von der Fliegersache verlautet, muss ich noch mit in \uline{Stellung}. \textonehalf{}\,10 mit Härich\IN{\herich} hinaufgefahren. Löse vorn Hüttner\IN{\huettner} ab, sitze unten im Stollen eines Nestes. \tbentry{6}{8}{1917}{} Schönes sonniges Wetter. Da MG wieder einen Stollen weiter arbeiten soll, ziehe ich hinaus in einen Batterieführerunterstand, 30\,\textit{m} weiter links. Oben Laube mit vollem Tageslicht. \tbmanyentries{-- \tbentry{10}{8}{1917}{}} Meist schönes Wetter. Man kann hier draußen herumgehen, wenn nicht gerade Fesselballons hoch sind; nur zwischen MG 1 und~2 nicht. Lese Jensens\IN{\jensen} Schiff\IW{\jensenschiff}, das die Wikingerzeit mit humorvoller Realistik und doch tiefer Einfühlung schildert; Bulls\IN{\bull} Brautfahrt\IW{\bullbrautfahrt}, eine an Bjørnson\IN{\bjoernson} erinnernde norwegische Bauerngeschichte, deren Stil in der Übersetzung die nordische Spracheigentümlichkeit gut gewahrt hat.\fnE{Siehe LL \refcn{1169}, \refcn{1170}.} Schreibe endlich mal wieder Fränzel\IN{\rjfraenzel} (zum Geburtstag), erzähle von Cha\IN{\elisabeth} und Fliegerplan. An Cha\IN{\elisabeth}, dabei Brief an Mutter\IN{\rjcarnapmutter}, auf deren Vorschlag, die Trauung sofort zu machen, falls der Baldige nur kurzen Urlaub kommt.\fnE{Rudolf an Anna Carnap, 7.\,VIII.\,1917 (\href{http://doi.org/10.48666/808863}{RC~025"~09"~03}). Vgl. Anna an Rudolf Carnap, 27.\,VII.\,1917 (\href{http://doi.org/10.48666/808865}{RC~025"~17"~05}, \href{http://doi.org/10.48666/808867}{RC~025"~17"~10}), 3.\,VIII.\,1917 (\href{http://doi.org/10.48666/808869}{RC~025"~17"~13}).} Auch an Cha\IN{\elisabeth} die Be\-\tboneA{397}merkungen zu Mutters\IN{\rjcarnapmutter} Aufzeichnungen vom Feldberg\IO{Feldberg} über den Kirchenaustritt.\fnE{Carnap ist 1920 aus der Kirche ausgetreten.} Von Mutter\IN{\rjcarnapmutter} Brief, auch über die Kirche; von Cha\IN{\elisabeth} einige Briefe von Mutter\IN{\rjcarnapmutter}. Zweimal Härich\IN{\herich} besucht, wohnt hinten im Suezwald; friedlich-idyllisch.~\neueseite{541025} \tbentry{11}{8}{1917}{} Früh 1\textsuperscript{h} Fernspruch, dass ich kommandiert bin.\fnE{Zur Fliegerausbildung.} Lanfermann\IN{\lahnfaehrmann} war schon mehrmals bei mir, um Näheres zu hören; ich glaubte schon, die Sache verschiebe sich weiter hinaus. Morgens löst Gurlt\IN{\gurlittsoldat} mich ab, kommt endlich zu spät, lange mit Scherenfernrohr erspäht. Auch Härich\IN{\herich} kommt. Übergabe, Abschied. In II, 1 Kaul\IN{\kaul} und Lanfermann\IN{\lahnfaehrmann}; ich soll ihm alles genau schreiben; nächsten Monat will er auch Flieger werden. \sout{Abschie} Abmeldung bei Menzel\IN{\menzelzwei}; Abschied von Schubert\IN{\schubertsoldat} und Sikenius\IN{\sikenius}; der will auch gern hören, wie's bei den Fliegern geht; er würde auch einen schneidigen Flieger geben. Abmeldung beim Regiment, Reichel\IN{\reichel} und Beaulieu\IN{Beaulieu, Martin Chales de (1857\hbox{--}1945), dt.~Offizier}. Dieser sagt, dass er mein Weggehen bedauert, aber mir's nicht verdenken kann; ist sehr freundlich; dankt mir ,,für die guten und schneidigen Dienste, die \uline{Sie} dem Regiment geleistet``, wünscht mir alles Gute, meine Brust recht ordensgeschmückt (Hauptsache!). Abmeldung bei Raedsch\IN{\raetsch} in der Kiesgrube; freundlich, aber innerlich sehr fremd. Unten mit Seidel\IN{\seidelsoldat} in eine Ba\-racke. Seidel\IN{\seidelsoldat}, Klemp\IN{\klemp} und Hüttner\IN{\huettner}, beglückwünschen mich. Abgewaschen, geschlafen. Gepackt. Kiste nach Jena\IO{Jena}. Abends an Cha\IN{\elisabeth} geschrieben. \tbentry{12}{8}{1917}{} Mittags mit Zabierski\IN{\zabierski} abgefahren. Von Malmaison\IO{Malmaison}\,\hbox{--}\,Hirson\IO{Hirson}\,\hbox{--}\hskip.133em Anor\IO{Anor}\hskip.133em\hbox{--}\,\uline{Chimay}\IO{Chimay},\ort{Chimay} 9\textsuperscript{h}.\fnE{In der belgischen Gemeinde Chimay befand sich eine Fliegerschule.} In Anor\IO{Anor} eine Stunde Aufenthalt; Kopfschmerzen, spazieren gegangen. In Chimay\IO{Chimay} zur Kommandantur\IO{Chimay!Kommandantur}, dann \gestrunl\ zur Fliegerschule\IO{Chimay!Fliegerschule}. Endlich finde ich mein Quartier; vornehmes Haus: Advokat mit Frau und 2~Töchtern, schönes Zimmer. Wir sitzen noch bis~11 mit {\lspitz}ihm{\rspitz} und Fliegerleutnant Narr\IN{\narr} und dem \gestrunl\ Stellvertreter-Ortskommandanten zusammen. Der alte belgische Advokat ist interessant. Riesiges, weiches Bett; ich schlafe die halbe Nacht nicht. \tbentry{13}{8}{1917}{} Ins Kasino\IO{Chimay!Kasino}, Kaffee. Gemeldet. Durch die Stadt gebummelt. Etwas geschrieben an Cha\IN{\elisabeth} und Mutter\IN{\rjcarnapmutter}. Nachmittags Unterricht über~\textit{MG}. \sout{Funken;} Vortrag über das Fliegen. Abends fleißig geschrieben: An Agnes\IN{\agnes}, Flitner\IN{\flitner}, Freischaramt, \textit{MH}\IN{\hoermann}. \tboneA{398} \tbentry{14}{8}{1917}{} 8\textsuperscript{h} Funken. Nachmittags \gestrunl\ Fotografieren; gefunkt. Abends etwas geschrieben; Geheimschriften dechiffriert.~\neueseite{541029}\textbackslash \uline{\textit{Aug.}~17.}\textbackslash \tbentry{15}{8}{1917}{} Morgens geh' ich zum Funken zu Kursus~III (statt~IV). Nachmittags Primzahlen gearbeitet.\fnE{Vgl. TB~26.\,XII.\,1916\diaryref{TB-26-XII-1916}.} 6\textsuperscript{h} zum Flugplatz\IO{Chimay!Flugplatz}, zu schlechtes Wetter. Abends Primzahlen. \tbentry{16}{8}{1917}{} Morgens zu Kursus II (statt IV), komme gut mit, Tempo~40. Noch keine Post! Nach Tisch mit einem Kameraden Schach gespielt. 3\textsuperscript{h}~Blinken; der Lehrer nicht sehr intelligent. \sout{Kaffee getrunken.} Etwas geschrieben. \tbentry{17}{8}{1917}{} Abends \textonehalf{}\,7 \uline{geflogen} (,,eingeschaukelt``). Ich habe nur gestaunt, als wir uns von der Erde hoben: Wirklich nichts mehr unter uns. Die schöne sonnige Landschaft. Orientierung erschien mir gar nicht schwer, ich fand die Allee zum Flugplatz\IO{Chimay!Flugplatz} immer wieder. Glaubte, wir blieben der Erde sehr nah, hörte, wir wären bis~800 oder 1000\,\textit{m} gewesen. Abends an Cha\IN{\elisabeth} geschrieben. \tbentry{19}{8}{1917}{} Die erste Post! Direkte Briefe von Cha\IN{\elisabeth}, Mutter\IN{\rjcarnapmutter},\fnE{Vgl. Anna an Rudolf Carnap, 13.\,VIII.\,1917 (\href{http://doi.org/10.48666/808871}{RC~025"~17"~19}) und 15.\,VIII.\,1917 (\href{http://doi.org/10.48666/808873}{RC~025"~17"~18}).} Agnes\IN{\agnes}. Nachmittags mit dem langen Straßburger Fußartilleristen\IN{\lusarte} (Böckel) und einigen anderen spazieren gegangen. Am Lac de Bechamp\IO{Lac de Bechamp} schön geschwommen und Sonnenbad genossen. Abends Brief an Cha\IN{\elisabeth} fertiggeschrieben. \tbentry{20}{8}{1917}{} Der Hauptmann verkündet unseren Urlaub. Er kennt Lies\IN{\lies} und Johannes\IN{\carnapjosephjohannes} aus Ronsdorf\IO{Ronsdorf}. Ich fahre vielleicht Freitag. Telegrafiere an Mutter\IN{\rjcarnapmutter} und Cha\IN{\elisabeth}, und schreibe beiden.\fnE{Rudolf an Anna Carnap, 20.\,VIII.\,1917 (\href{http://doi.org/10.48666/808875}{RC~025"~09"~01}).} Viele nachgeschickte Briefe von Cha\IN{\elisabeth}, auch ein neuer. Abends Zabierski\IN{\zabierski} zum Regiment geschickt. \tbentry{21}{8}{1917}{} Wieder ein neuer Brief von Cha\IN{\elisabeth}, und alte Post. Ich schreibe an \sout{Joh} Gertrud\IN{\carnapgertrud} und lade sie und Johannes\IN{\carnapjosephjohannes} ein. Schreibe auch (zum ersten Mal!) an Mama\IN{\schoendubeluisa}. Abends kommt Zabierski\IN{\zabierski} zurück, Fahrscheine nur bis Metz\IO{Metz}, einige Post, von Jena\IO{Jena} der leere Handkoffer. Ich schreibe wieder an Cha\IN{\elisabeth}. \tbentry{22}{8}{1917}{} Schicke den vielleicht letzten Brief an Cha\IN{\elisabeth} fort. Brief von Margret\IN{\rjmargret}. Nachmittags wieder zum Lac\IO{Lac de Bechamp} gegangen, Sonnenbad, geschwommen, lange herumgelegen, Reitversuch auf dem jungen Hengst. Bei der hübschen Modistin Seidenmütze bestellt. \tboneA{399}~\neueseite{541041} \tbentry{24}{8}{1917}{} Vom Hauptmann Heiratskonsens erbeten, zur Vorsicht. Er beruhigt meine Furcht, in den ersten Urlaubstagen abberufen zu werden. Man kann ein paar Tage durch Rückfrage gewinnen; außerdem wird's einige Zeit dauern. Besonders bei den Fliegern \sout{komme} werde nichts so heiß gegessen, wie gekocht, man komme immer zu früh. An Ruge\IN{\ruge} geschrieben. Bekomme heut' keine Post mehr. Weiß nun nicht bestimmt, ob Mutter\IN{\rjcarnapmutter}, Agnes\IN{\agnes} und Onkel Wilhelm\IN{\wilhelmonkel} schon in Wiesneck\IO{Wiesneck}. \tbentry{25}{8}{1917}{} Kleiner Überlandflug nach Couvin\IO{Couvin}, Viertelstunde; kräftige Spirale im Gleitflug, dass die Welt sich auf den Kopf stellen wollte. Brieflein von Cha\IN{\elisabeth}; keine bestimmte Nachricht, ob die Verwandtschaft dort. 11\textsuperscript{h}~nach Wiesneck\IO{Wiesneck} und Ronsdorf\IO{Ronsdorf} telegrafiert. Mit Zabierski\IN{\zabierski} gepackt, er bringt die 3~Stücke zur Bahn. Dort Abschied von ihm. 7\textsuperscript{h}~Abfahrt, mit netten Feld\-artilleristen und einigen anderen zusammen. Große Schwierigkeiten \sout{m} für Fahrkarten und Gepäck weiter als Metz\IO{Metz}. Endlich gelingt's in Hirson\IO{Hirson}.\ort{Hirson} \sout{6\textsuperscript{h}~Metz\IO{Metz} über Straßburg\IO{Straßburg}.} \tbentry{26}{8}{1917}{} 6\textsuperscript{h} Metz\IO{Metz}, über Straßburg\IO{Straßburg}, 12\textsuperscript{h} \uline{Freiburg}\IO{Freiburg}.\ort{Freiburg} Cha\IN{\elisabeth} hat den Zug versäumt, kommt 2\textsuperscript{h}. Zusammen die Brautrosen geholt, dann zu Pfarrer Jaeger\IN{\jaegerpaul}. Er mahnt, nicht das Institutionelle vor dem Wesen der großen geistigen Gemeinschaft so in den Vordergrund treten zu lassen. \textonehalf{}\,5 Himmelreich\IO{Himmelreich}. An der Bahn Grete\IN{\grete}, Nena\IN{\rjnena}, Mädele\IN{\maedele}, Ursula\IN{\kaufmannursula}. Auf dem Weg neben dem Bahndamm kommt die Mutter\IN{\rjcarnapmutter} mit Onkel Wilhelm\IN{\wilhelmonkel}, Johannes\IN{\carnapjosephjohannes} und Gertrud\IN{\carnapgertrud}. Hinterm Zipfelhof\IO{Zipfelhof} kommt Mama\IN{\schoendubeluisa}; später Agnes\IN{\agnes}. \uline{Wiesneck\IO{Wiesneck}.}\ort{Wiesneck} Zuerst alle zusammen Kaffee getrunken. Dann gehe ich mit Cha\IN{\elisabeth} ins Häusle; ganz über alles Erwarten schön eingerichtet. Das müsste für die Dauer sein!\fnE{Die Hochzeit mit Elisabeth Carnap fand am 27.\,VIII.\,1917 statt.}\foto{Eheleute}~\neueseite{541037}\fnA{Das Tagebuch bricht hier mitten auf der Seite ab. Die Rückseite des Blattes ist leer. Es folgt eine hier nicht wiedergegebene Aufstellung, die Carnap vermutlich für die Untersuchungen zur Fliegertauglichkeit in Vervins am 25.\,VII.\,1917 verfasst hat und die unter anderem Angaben über Carnaps Kriegstätigkeit enthält.} %%% Local Variables: %%% TeX-PDF-mode: t %%% mode: latex %%% TeX-master: "Tagebuecher_1908_bis_1919" %%% End: