\tboneA{192} \diary{11}{[2] 22.\,XII.\,1914\,--\,2.\,V.\,1915} \ersteseite{541407} \tbentryllong{22}{12}{1914}{}\fnA{Das Dokument beginnt erneut mit Einträgen zum 22. und 23.\,XII., die sich auch am Ende des vorigen Dokumentes finden. Carnap wechselt hier auf ein größeres Papierformat, ohne vorformatierte Datumsangaben. Außerdem sind die Tagebucheinträge nicht mehr, wie in den vorangegangenen Dokumenten, großflächig durchgestrichen.}\ort{Naumburg} 1\textsuperscript{28} \uline{von Naumburg}\IO{Naumburg}, \gestrunl\ Abschied von Sasse\IN{\sassesoldat} (Gefreiter), \sout{an \unl} am Bahnhof\IO{Naumburg!Bahnhof} Räubers\IN{\rjraeuber}\IN{\rjraeuberfrau}, Margret\IN{\rjmargret}, Elisabeth \editor{Kaßner}\IN{\elisabethjena}, Kranz um den Helm. In Jena\IO{Jena} Leni\IN{\rjleni} und Lisi\IN{\rjlisi}; Nürnberg\IO{Nürnberg} keine Otti\IN{\ulmerotti}; \uline{München}\IO{München},\ort{München} abgeholt, alle möglichen Waffen, Gymnasium\IO{München!Gymnasium}, unterwegs Bierkneipe\IO{München!Bierkneipe} mit jungen Musikanten. \tbentry{23}{12}{1914}{} Kaffee im Hackerbräu\IO{München!Hackerbräu}, Lietz\IN{\lietz} ist da; auf dem Hof\IO{München!Hof} üben durcheinander Infanterie, roter Husar, Pioniere usw. Nachmittags von dem neuen Gymnasium\IO{München!Neues Gymnasium} ins alte Luitpold-Gymnasium\IO{München!Luitpold-Gymnasium} gezogen. Abends mit Clauder\IN{\clauder} Kopfwäsche und {\lspitz}Tietz{\rspitz}\IO{München!Tietz}.\fnE{Vielleicht das Warenhaus Tietz am Bahnhofvorplatz in München.} Nachts Fenster auf zu aller Entsetzen. \tbentry{24}{12}{1914}{} Morgens Einteilung: 2.~Bataillon, 5.~Kompanie Lietz\IN{\lietz} ist Gefreiter in meiner Kompanie. Einer von Jena\IO{Jena} II\II{\freischar} (Sömmer\IN{\sommer}).\fnE{Steht für \emph{Freischar Jena~II}.} \gestrunl\ Weihnachtsfeier in der Aula\IO{München!Aula}. Lietz\IN{\lietz} \gestrunl\ schenkt mir einen {\lspitz}Dolch{\rspitz}. Mit ihm zur Post\IO{München!Post}. Mit Sömmer\IN{\sommer} gebummelt. Rathauscafé\IO{München!Rathauscafé}. Nachts im Helm zur Frauenkirche\IO{München!Frauenkirche} geführt, Hochamt\IO{München!Hochamt}, Chor und Orgel. Gefreiter Weiß\IN{\weiss} führt uns. \tbentry{25}{12}{1914}{} Appell. Mit Sömmer\IN{\sommer} gebummelt, vegetarisch gegessen. Nachmittags Kammerspiel Hauptmanns\IN{\hauptmanngerhart} Biberpelz (allein). Kaserne\IO{München!Kaserne}, gegessen, etwas geschlafen. Abends Kammerspiel Strindberg\IN{\strindberg}: Gläubiger und ,,Mit dem Feuer spielen``. Mit Clauder\IN{\clauder}. \tbentry{26}{12}{1914}{} Dienst: 7\textsuperscript{h} Vortrag bei beschränktem Feldwebel; Infanterie-Dienst auf dem Hof. Marsch- und Geländeübung. Abends zur Maschinen\-gewehr-Abteilung eingeteilt. Mit Clauder\IN{\clauder} zum Automat gefahren. \tbentry{27}{12}{1914}{} Im Wittelsbach-Gymnasium\IO{München!Wittelsbach-Gymnasium}. 8\,\hbox{--}\,11 Maschinengewehr gelernt: Auseinandernehmen und Zusammensetzen; \pagebreak vorher zeigt mir Doktor Lietz\IN{\lietz} \tboneA{193} Josuas\IN{\josua} Todesanzeige,\fnE{Carnaps Halbbruder Josua Benjamin fiel am 7.\,12.\,1914 bei Rzegocina in Galizien. Vgl. Carnap an seine Mutter, 27.\,XII.\,1914 (\href{http://doi.org/10.48666/807669}{RC~25"~09"~38}).} an Mutter\IN{\rjcarnapmutter} telegrafiert und nachmittags Karabiner am Bahnhof\IO{München!Bahnhof} abgeholt; \sout{spät} abends im Dunkeln heimgebracht. Mit Lietz\IN{\lietz} und Sömmer\IN{\sommer} im Colosseum\IO{München!Colosseum} gegessen, und ins Caf\'{e}\IO{München!Caf\'{e}}. \tbentry{28}{12}{1914}{} Maschinengewehrdienst. Brief von Mutter\IN{\rjcarnapmutter}. \textsp{\textbackslash\ulinesp{XII 1914\,\hbox{--}\,V 1915 \textcircledcn{\small{2}}}\textbackslash}\neueseite{541425} \tbentry{29}{12}{1914}{} \textit{MG}-Dienst. \textwh{\textit{MG}-Dienst.} \tbentry{30}{12}{1914}{} \textwh{\textit{MG}-Dienst.} Briefe von Mutter\IN{\rjcarnapmutter} (Magdalena\IN{\magdalenacarnap}, Gertrud\IN{\carnapgertrud}) und \textit{MH}\IN{\hoermann}. Abends mit Lietz\IN{\lietz} und Sömmer\IN{\sommer} im Caf\'{e}\IO{München!Caf\'{e}} Briefe geschrieben (an Miechen\IN{\michen}). \tbentry{31}{12}{1914}{} \textit{MG}-Dienst. Mittags Skisachen besorgt. 3\textsuperscript{h} auf die Skifahrt; mit Lietz\IN{\lietz} und Clauder\IN{\clauder} und 3 Leutnants {\lspitz}in{\rspitz} 2.~Klasse nach Garmisch\IO{Garmisch}.\ort{Garmisch} Abendessen im Braustübl\IO{Garmisch!Braustüble}. Skifahrt, zu wenig Schnee. Dann im Werdenfelser Michel\IO{Garmisch!Werdenfelser Michel}, mit Damen, ich drücke mich; Lietz\IN{\lietz} schon im Bett, ich schreibe etwas. Mitternacht. ,,Du.`` \tbentry{1}{1}{1915}{} Draußen die Berge im Mondschein.~| Füße verbunden, um~9\textsuperscript{h} erst los, \sout{zu} wenig Schnee, endlich oben mehr. Zum Kreuz Berghaus\IO{Klöck-Berghaus}; herrliche Berge\IO{Garmisch!Berge} ringsum, Garmisch\IO{Garmisch} und Partenkirchen\IO{Partenkirchen} im flachen Talboden\IO{Garmisch!Talboden}. Abfahrt, geschwinde, häufig warten, schwierige Stellen, schlimme Schneise: schneidiger junger Leutnant. Letzte steile Wiese mit wenig Schnee, im Dunkeln abgeschnallt; mit Clauder\IN{\clauder} und Lietz\IN{\lietz} um~7\textsuperscript{h} zurück. Der ,,Dicke``: Ein Kind. Jutta\IN{\rjjutta} noch nicht da. \tbentry{2}{1}{1915}{}\ort{München} \textit{MG}-Dienst. \textwh{\textit{MG}-Dienst.}; mit Clauder\IN{\clauder} im Tietz. Umzug in die Turnhalle; Mit Lietz\IN{\lietz} im Caf\'{e} geschrieben. \tbentry{3}{1}{1915}{} \textit{MG}-Dienst. 3\,\hbox{--}\,4 \textwh{\textit{MG}-Dienst.}; Weihnachtspaket von Mutter\IN{\rjcarnapmutter} (aus Naumburg\IO{Naumburg}, Brief von Räubers\IN{\rjraeuber}\IN{\rjraeuberfrau}), 6\,\hbox{--}\,10\,\textonehalf{} {\lspitz}Tristan{\rspitz} (große Müdigkeit und Husten). Großer Lärm in der Turnhalle\IO{München!Turnhalle}. \tbentry{4}{1}{1915}{} \textit{MG}-Dienst. \textwh{\textit{MG}-Dienst.} Abends ist Bregazzi\IN{\bregazzi} da.~\neueseite{541453}\pagebreak \tboneA{194} \tbentry{5}{1}{1915}{} \textit{MG} Dienst; mittags: fotografieren lassen. \textwh{\textit{MG}-Dienst.} Abends mit Lietz\IN{\lietz} Einkäufe: Spielzeug für seine Jungen. \tbentry{6}{1}{1915}{} \textwh{\textit{MG}-Dienst.} Nachmittags eingekleidet. Noch ein Paket von Bergneustadt\IO{Bergneustadt}. Abends mit Lietz\IN{\lietz} und Sömmer\IN{\sommer} im Caf\'{e}\IO{München!Caf\'{e}}, aber keine Ruhe. \tbentry{7}{1}{1915}{} Königsgeburtstag: Parade auf dem Odeonsplatz\IO{München!Odeonsplatz}.\fnE{Ludwig III., von 1913 bis 1918 der letzte König von Bayern, hatte am 7.\,I. Geburtstag.} Nachmittags mit Stehr\IN{\stehr} (dem ,,Langen``) im Caf\'{e}\IO{München!Caf\'{e}} geschrieben; auch Lietz\IN{\lietz} und Sömmer\IN{\sommer} dort. Abends mit dem Langen\IN{\stehr} und Bregazzi\IN{\bregazzi} im Vegetarischen\IO{München!Vegetarisches Restaurant}. Lisis\IN{\rjlisi} Brief von Brügmanns\IN{\bruegmann} Tod. \tbentry{8}{1}{1915}{} \textit{MG}-Dienst. \textwh{\textit{MG}-Dienst.} Im Caf\'{e}\IO{München!Caf\'{e}} geschrieben; im Bett Rugards\IN{\rugard} Brief gelesen, der Leutnant revidiert die Turnhalle\IO{München!Turnhalle}. \tbentry{9}{1}{1915}{} \textit{MG}. \textwh{\textit{MG}}; \gestrunl\ die Gewehre in unser Gymnasium\IO{München!Gymnasium} gefahren. Im Caf\'{e}\IO{München!Caf\'{e}}. \tbentry{10}{1}{1915}{} Appell;~\ldots{}, 3\,\hbox{--}\,6 mit dem langen Stehr\IN{\stehr} im Schauspielhaus\IO{München!Schauspielhaus} ,,Rose Berndt`` von Gerhart Hauptmann\IN{\hauptmanngerhart}; zusammen im Vegetarischen\IO{München!Vegetarisches Restaurant}. \tbentry{11}{1}{1915}{} \textit{MG}. \textwh{\textit{MG}.} Abends alleine in der Stadt: Antiquar\IO{München!Antiquar} (\gestrunl\ Bjørnson\IN{\bjoernson}) und Buchhandlung; vegetarisches \editor{Restaurant}. \tbentry{12}{1}{1915}{} \textit{MG}. \textwh{\textit{MG}.} \textit{B} von \textit{MH}\IN{\hoermann}: Manni\IN{\mannisoldat} gefallen! Abends Paket von Agnes\IN{\agnes}: Esssachen (Äpfel und Süßes). Mit Sömmer\IN{\sommer} im Stamm-Caf\'{e}.~\neueseite{541467} \tbentry{13}{1}{1915}{} \textit{MG}. \textwh{\textit{MG}} (auf den Isarwiesen\IO{München!Isarwiesen} auf Scheiben gezielt). Abends allein im Stamm-Caf\'{e}. \tboneA{195} \tbentry{14}{1}{1915}{}\nopagebreak \textit{MG}. \uline{Mit Lietz\IN{\lietz} und seiner Frau}\IN{\rjjutta} zu deren Vater\IN{\petersenn},\fnE{Georg von Petersenn.} dann durch die Straßen zu einem Kameraden. \tbentry{15}{1}{1915}{} \textit{MG}. Auf der Kammer; aber umsonst; Briefe geschrieben. Mit Bregazzi\IN{\bregazzi} und 2~anderen im vegetarischen ,,Ethos``\IO{München!Restaurant Ethos}.\fnE{Vegetarisches Restaurant in der Ottostraße.} \tbentry{16}{1}{1915}{} \textit{MG} auf der Theresienwiese\IO{München!Theresienwiese} (vor der Bavaria\IO{München!Bavaria}). 7\,\textonehalf{}\,\hbox{--}\,10\textsuperscript{h} Nachtübung, Isar{\lspitz}\sout{uf}{\rspitz}wiesen\IO{München!Isarwiesen}. \tbentry{17}{1}{1915}{} Appell usw. bis abends; inzwischen Briefe geschrieben. Abends mit von Schmude\IN{\schmutte} (kennt Malotki\IN{\malotki}) und Sömmer\IN{\sommer} im Stamm-Caf\'{e}. \tbentry{18}{1}{1915}{} Nach den Schießständen bei \unl\ Freimann\IN{\rjfreksa} zum Scharfschießen (2~Schüsse auf den {\lspitz}Männchen{\rspitz}, selbst kein Reihenfeuer), auf dem Lastauto zurück. 5\,\hbox{--}\,5. Abends Einkleiden bis~9\textsuperscript{h}. Essen bis~10\textsuperscript{h}. \tbentry{19}{1}{1915}{} Zur Bataillonskammer: Skistiefel. Mittags auf dem Hof fotografiert.\foto{Soldat}\fnE{Vgl. Abb.\,\refcn{schneeschuh}.} Nachmittags Einkleiden meiner Korporalschaft, bis abends 11\textsuperscript{h}; dann selbst gepackt bis \textonehalf{}\,2 Uhr nachts. Dann bei hellem Licht geschlafen (Diener\IN{\dauer} packt bis~5\textsuperscript{h}). Ich nehme den eignen Rucksack, in den andern geht nicht alles hinein.~\neueseite{541483} \tbentry{20}{1}{1915}{} Skier nach Jena\IO{Jena}, Sachen nach Bergneustadt\IO{Bergneustadt}. Allgemeine Geldnot. Veilchen von Frau Lietz\IN{\rjjutta}. Im Volksbad\IO{München!Volksbad} mit Clauder\IN{\clauder} geschwommen. Einige Einkäufe. \textonehalf{}\,1 feldmarschmäßig angetreten. Zum Bahnhof\IO{München!Bahnhof} gezogen. Unterwegs Professor Petersenn\IN{\petersenn}. Gesungen. Vor dem Bahnhof\IO{München!Bahnhof} gestanden. \textonehalf{}\,3\,\hbox{--}\,7 nach \uline{Garmisch}\IO{Garmisch}.\ort{Garmisch} Mit von Rütten\IN{\ruetten} ins Quartier\IO{Garmisch!Quartier} ({\lspitz}Keinzen{\rspitz} Franz\IN{\keinzenfranz}), Betten! Schönes Zimmer. 10\textsuperscript{h} Befehlsübergabe an die Korporalschaftsführer, in den ,,3~Mohren``\IO{Garmisch!Hotel Drei Mohren}.\fnE{Hotel Drei Mohren in Garmisch.} Bis 12\textsuperscript{h} Leute bestellt, die am andern Morgen Skier abladen. \tbentry{21}{1}{1915}{} 8\textsuperscript{h} antreten; Gebirgsskier verpasst. 11\textsuperscript{h} antreten. Nachmittags sehr langer Appell, Einteilungen, immer wieder umgeschmissen: \pagebreak Karpaten\-läu\-\tboneA{196}fer, oder teils Schützen, teils zu den Döberitzer \textit{MG}. Schließlich Löhnungs-Appell und lange Skier weggebracht. Dann mit Lietz\IN{\lietz} und Unteroffizier in Konditorei\IO{Garmisch!Konditorei}; eine Dame bezahlt für alle Soldaten. Nach dem Abendessen mit Diener\IN{\dauer} und von Rütten\IN{\ruetten} auf den Berghang; in Eile zurück. \tbentry{22}{1}{1915}{} 8\textsuperscript{h} antreten, zur Garage, die \textit{MG}-Wagen werden auf Kufen gestellt. Wir hängen dran, hinaus gerückt. Abgabe unserer \textit{MG} an andre Kompanie. Nach Hause gefahren (alles eben). Brief von Leni\IN{\rjleni}. Nachmittags Übungsfahrt mit Leutnant Graebsch\IN{\graebsch}; die schlechten Läufer werden aufgeschrieben. Abends 8\textsuperscript{h} Befehlsausgabe für die Korporalschaftsführer, dauert lange. \tbentry{23}{1}{1915}{} Alle Infanterie exerziert (Leutnant Graebsch\IN{\graebsch}). Mittags 1\textsuperscript{h} feldmarschmäßig antreten und Marsch ins Tal nach Westen. Biwakplatz, großes Zelt wird aufgeschlagen. Wir stattdessen in den Heustadel, mit Mantel und Brotsack. 7\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,2. Schwedisch gesprochen. Ins Zelt; von Rütten\IN{\ruetten} kocht uns einen Thee. \tbentry{24}{1}{1915}{} 2\,\hbox{--}\,3 Posten auf dem Hügel. Wie schnell vergeht die Stunde. Dann Patrouille mit Abram\IN{\abram}, Clauder\IN{\clauder}, Weiß\IN{\weiss} usw. Rucksack und Karabiner, mehrmals gefallen. Am Feuer gewärmt. Aufbruch. Schützenlinie unter Feldwebel Nietzschkes\IN{\nietzschke} Führung. Abram\IN{\abram} schickt mich mit zweien vor. Verfolgung. Finde {\lspitz}Rost{\rspitz}\IN{\rost} allein dann Nietzschkes\IN{\nietzschke} Schützenlinie; immer abzählen. Hahn und Herr im Walde. Sammeln; während der Besprechung üben wir Ski. Zeltabbau. Heimweg in der Mittagssonne; müde. Um 1\textsuperscript{h} zu Hause. 5\textsuperscript{h}~wieder antreten.~\neueseite{541481} \tbentry{25}{1}{1915}{} Zum Scharfschießen; weil neblig, Skifahrt unter Leutnant Graebsch'\IN{\graebsch} Führung; Abfahrt korporalschaftsweise mit Thilo\IN{\thilo}. Dann doch scharf geschossen auf aufgesteckte Schützenköpfe. \textonehalf{}\,3~erst zurück.{\tolerance5000\par} 3\,\hbox{--}\,5 stehen wir, es soll Gewehrappell sein. Ich bekomme Geld; endlich aus der Klemme. 7\textsuperscript{h} angetreten, 8\textsuperscript{h} wieder. \sout{Nachts} Schwedische Bücher von Tilly\IN{\tilly}; drin gelesen: Frödings\IN{\froeding} Värmlands Gedichte\IW{\froedinggedichte}.\fnE{Siehe LL \refcn{698}.} Nachts bis~1\textsuperscript{h} Rucksack gepackt. \tbentry{26}{1}{1915}{} 8\textsuperscript{h} angetreten; genaue Einteilung. Von Rütten\IN{\ruetten} hat sich streichen lassen, weil nicht Gebirgsläufer. Alles fertig gepackt; Bücher usw. im Militärrucksack nach Hause geschickt. \textonehalf{}\,12 gegessen; Abschied; die spröde blonde Haustochter schenkt mir Zigarren. \pagebreak \tboneA{197} 12\textsuperscript{h} feldmarschmäßig angetreten. Esspäckchen von Agnes\IN{\agnes}. Noch Karabiner. Schweres Gepäck. Zum Bahnhof\IO{Garmisch!Bahnhof}. Abschied von Lietz\IN{\lietz}, von seiner Frau\IN{\rjjutta}. Rede von Hauptmann Paulcke\IN{\paulcke}. In der Bahn Hilfenummern\II{\hilfe}\fnE{Die von Friedrich Naumann herausgegebene Zeitschrift \emph{Die Hilfe}, die Carnap abonniert hatte. Vgl. Carnap an Agnes Kaufmann, 1.\,X.\,1914 (\href{http://doi.org/10.48666/807672}{RC~25"~01"~23}).} gelesen. \textonehalf{}\,2\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,6 nach \uline{München}\IO{München}.\ort{München} Bis~10\textsuperscript{h} Listen geschrieben~usw. \tbentry{27}{1}{1915}{} Regimentssachen gepackt. Einkäufe. 11\textsuperscript{h}~eigene Sachen abgeschätzt bekommen. Bilgeri.\fnE{Bezeichnung für eine Skibindung. Vgl. TB~28.\,I.\,1915\diaryref{TB-28-I-1915}.} Sachen empfangen, Einkäufe. Abends Hauptstraße gebummelt, Einkäufe; \sout{Bilgeri} Stamm-Caf\'{e}\IO{München!Caf\'{e}}; geschrieben, Frödings\IN{\froeding} Gedichte\IW{\froedinggedichte} gelesen.{\tolerance1000\par} \tbentry{28}{1}{1915}{} Sachen Empfang; zum Schuster. Dort auch geschrieben. Nachmittags Sachempfang, Paket nach Hause gepackt, Rucksack möglichst reduziert, wiegt trotzdem 25\,\textit{kg}. Ein Paar Reserveskier zu Birkner\IN{\birkner} gebracht, Bilgeri aufmontieren lassen. Brief an \textit{T}\IN{\tilly} und Cha\IN{\elisabeth}. 8\textsuperscript{h} Patronenempfang. 9\textsuperscript{h}~Skier abgeholt. Mit schwerem Rucksack angetreten, Gaststube, zum \gestrunl\ \uline{Hauptbahnhof}\IO{München!Hauptbahnhof}; saumäßiges Gepäck. Mit den 6ern im Coupé. Hettmer\IN{\hettmer} und Rothe\IN{\rothe} in Hängematten geschlafen, ich auf dem Boden. \tbentry{29}{1}{1915}{} Morgens ganz früh in Salzburg\IO{Salzburg} Tee im Bahnhof\IO{Salzburg!Bahnhof}. Ganz verschneite Landschaft, Ennstal\IO{Ennstal}. Mittags warmes Essen in Attnang-Puchheim\IO{Attnang-Puchheim}. Nachmittags herzlicher Empfang in Linz\IO{Linz}, mit Musikkapelle, viele Offiziere; Oberleutnant Lenz\IN{\lenz} bringt ein Hoch auf Kaiser Franz\IN{\franzjoseph} aus. Kaffee usw. Nachts \gestrunl\ in Wien\IO{Wien},\ort{Wien} rumrangiert, weiter.~\neueseite{541479} \tbentry{30}{1}{1915}{} Weiter, leider nicht nach Budapest\IO{Budapest} hinein; durch Ungarn\IO{Ungarn}. \tbentry{31}{1}{1915}{} Wir haben einen halben Tag Verspätung; Mittag lange Pause in \textit{Debrezin}\IO{Debrezin}.\ort{Debrezin [Debrecen]} Schon viele deutsche Soldaten sind durchgefahren. Viele ungarische Soldaten (Lieder mit Klarinette). Reis und Konservenfleisch. Apfelsinen gekauft. Kalte Nacht, nicht geschlafen, ohne Heizung. \textonehalf{}\,4\,\hbox{--}\,5~Uhr nachts auf der Lokomotive. \tbentry{1}{2}{1915}{} Immer lange Haltepausen. Morgens freundliche Müllersleute, Schinkenbrot und Speck. Über die Theiß\IO{Theiß}. Mittags in \textit{Csap}\IO{Csap}.\ort{Csap [Tschop]} Apfelsinen, Äpfel, Nüsse, Schokolade im Ort gekauft, alles Judenläden. Alles läuft zum {\lspitz}Puff{\rspitz}\IO{Csap!Puff}. Abends \textit{Mss}\IO{Munkacs},\ort{Munkacs [Mukatschewe]} schöne Burg\IO{Munkacs!Burg Palanok} auf dem Hügel; Löhnung verteilt. Schnell gelaufen und Speck gekauft. Zum Glück fuhren wir weiter. (Nachmittags Zeltbahn und Schnürschuhe zur Bagage gebracht.) In \textit{M}\,\editor{unkacs}\IO{Munkacs} \tboneA{198} preußische Verwundete, und russische Gefangene. Abends noch weiter ins \textit{Latoneza}-Tal\IO{Latoneza-Tal}. Zum Glück, sonst hätten wir die ganze Steigung marschieren müssen. \tbentry{2}{2}{1915}{} Morgens langer Aufenthalt in \textit{\uline{Zanyka}}\IO{Zanyka},\ort{Zanyka} unten halb vereister {\lspitz}Gies\-bach{\rspitz}, gegenüber im Wald Eisenquelle. Die ersten 6 {\lspitz}paar{\rspitz} Schüsse hörbar. Weiter nach \textit{Wolowez}\IO{Wolowez}.\ort{Wolowez} Endstation\IO{Voloez!Endstation}, wir bleiben aber bis nachmittags im Zug. Hier oben endlich \sout{ziemlich} viele schneefreie Hänge und endlich ausgestiegen; der 1. Flieger über uns. Zum Biwakplatz. Im Dunkeln Zelt aufschlagen, Stroh am Bahnhof\IO{Voloez!Bahnhof} geholt, ebenso Brot und Fleischkonserven. Im Zelt mit der 1.~Korporalschaft, geschlafen zwischen dem bärigen Prosch\IN{\protz} und dem alten Topp\IN{\topp}, der Wachhabender ist. Schönes Feuer im hängenden Rost. Trotz Mantel ziemlich kalt. Weste aus dem Rucksack zu holen stört leider zu sehr. Dem Topp\IN{\topp} ist's zu eng, er geht, nachher tausche ich mal mit ihm. Einmal kurz eingeschlafen, schreiend erwacht. Der Frost schüttelt mich, also an Schlafen nicht zu denken. Dadurch zuweilen miese Stimmung: Werde ich aushalten, wenn's so weiter geht, und schlimmer wird? Aber die andern, zum Trost, schlafen meist auch nicht. \gestrunl\ Nachts einmal hinaus, prachtvolles \sout{\unl\ Lag} Lager mit den ,,Lappenzelten`` im Vollmond.%{\tolerance500\par} \tbentry{3}{2}{1915}{} Morgens wird man frischer. Es wird Kaffee gekocht, \gestrunl\ ungezuckert, mit Brot. Man tritt hinaus. Alle haben gefroren. Die Sonne kommt, man ist munter. Zelte abschlagen, aufpacken. Bilgeri zum 1.~Mal angeschnallt, losmarschiert. Schweres Gepäck (zwar Zeltbahn und Schnürschuhe zur Bagage gegeben), aber ganz erträglich. Viele Kolonnen, buntes Bild, ruthenische Tracht, weiße Lederjacken mit buntem \gestrunl\ Lederbesatz. Schönstes Wetter, schöne Berge (Pikul\IO{Pikul}), wieder hinunter, der Rucksack wird zu schwer, ich baue mit von Schmude\IN{\schmutte} einen Schlitten. Unten ein Dorf, Zucker bei einem Juden gekauft. Abends nach \textit{Alsoverecke}\IO{Alsoverecke}.\ort{Alsoverecke [Nyzhni Vorota]} Die Unteroffiziere und wir für sich, die andern suchen sich Quartier. Mit Thilo\IN{\thilo} zum Juden und Schokolade gekauft. Mit Auer\IN{\auer} in der Wolldecke geschlafen (der Schreiber mit dem großen Schnurrbart). Mit Diener\IN{\dauer} gekocht: Erbsensuppe, Gulasch.~\neueseite{541477} \tbentry{4}{2}{1915}{} \textonehalf{}\,8~Uhr weg; zuerst 1\textsuperscript{h} Rucksack geschleppt, Quälerei. Schlitten. \gestrunl\ Zum \textit{Verezka}-Pass\IO{Verecke-Pass} hinauf, immer Zickzack. Von unten die vielen Kolonnen oben. Oben die Grenze nach Galizien\IO{Galizien}, 2 Häuser, dann hinunter. Viele Unterstände am Weg. Unten über den Fluss, \sout{zu} durch das ganz zerstörte Dorf \textit{Klimie\^{c}}\IO{Klimie\^{c}}.\ort{Klimie\^{c} [Klymez]} Es wird dunkel. Wir müssen trotz Protestes anschnallen und aufsacken. Aufstieg zur \textit{Lysa}\IO{Lysa} (1000\,\textit{m}). Alle werden elend \mbox{müde}. \tboneA{199} Oben Artillerie\-kolonnen. Abfahrt. Unten wieder viel Stockung. 11\textsuperscript{h}~im Dorf \textit{\uline{Tucholka}}\IO{Tucholka}.\ort{Tucholka [Tukhol'ka]}\setort{Klimie\^{c} [Klymez]} Ein paar Pausen von \textonehalf{} Stunde haben wir, trotzdem nur 25\,\textit{km} zurückgelegt. Quartiersuche. Schließlich zeigt Feldwebel Vogt\IN{\vogt} uns ein Haus. Mit Oberjäger Middeldorpf\IN{\middeldorpf} oben im Stroh geschlafen. \tbentry{5}{2}{1915}{} Morgens müde, alles antreten; Freiwillige zur Patrouille vor. Ich sofort mit. Weißer Windanzug, Thilo\IN{\thilo} und Clauder\IN{\clauder} auch mit. In langer Kolonne (30 Mann) die Straße vor zum Divisionskommando. Hungrig und müde; Kehrtmarsch. Bei Feldküche auf der Straße Halt, gut und reichlich. Dann Befehl: Weil wir noch unbekannt und russische Skiläufer gesehen, zu gefährlich. Nach Hause. Leutnant sagt, wer diese Patrouille gemacht hat, braucht 2~$\times$ nicht Wache zu stehn. Die Infanterie unten in der warmen Stube ist weg; wir ziehen ein. \gestrunl\ Wir kochen Kakao, Tee. Auf der Bank geschlafen. Nachts kommen Middeldorpf\IN{\middeldorpf} usw. von einer Patrouille. Ich lege mich auf den Boden. \tbentry{6}{2}{1915}{} Ausgeschlafen. Um 10\textsuperscript{h} erst hinunter, die Köche sind da. Anscheinend kein Dienst. Mal wieder gewaschen. \sout{Die} Es sind 30 Leute auf Patrouille. Mit Clauder\IN{\clauder} usw. kleine Übungsfahrt, die Kommandos für die Haubitzen telefonieren gehört: {\lspitz}Gabel{\rspitz} 62/6300\fnE{Militärische Ortsangabe.} erschossen, Feuer frei, Wirkungsschießen. Bei der Artillerie unten Essen bekommen. Bei den Haubitzen zugesehen, 7200, etwa 45\textsuperscript{o} Erhöhung. Schließlich \textonehalf{}\,5 gibts Essen von der Kompanie. 6\textsuperscript{h} antreten, nichts los. 8\textsuperscript{h }antreten, Kaffee, Brotverteilung. Ziemlich kalt. Die Korporalschaft endlich mal besucht (Thilo\IN{\thilo} und die~6\textsuperscript{er}). Sie erzählen von der Patrouille, unser Oberleutnant {\lspitz}von Renz?{\rspitz}\IN{\renz} scheine leichtfertig vorzugehen. Ins Quartier, enger Platz auf dem Boden, aber warm. \tbentry{7}{2}{1915}{} 7\textsuperscript{h} der Befehlsempfänger bringt nichts, 8\textsuperscript{h} ebenso, \sout{9\textsuperscript{h}\unl} \gestrunl\ 9\textsuperscript{h} ich besuche Thilo\IN{\thilo} usw., noch kein Befehl. Mittagsessen, noch kein Befehl. Beutezug mit Clauder\IN{\clauder} usw. nach Zucker und Backobst, nichts gefunden. Abends noch kein Befehl. Endlich: Am andern Morgen feldmarschmäßig. \tbentry{8}{2}{1915}{} \textonehalf{}\,8 mit vollem Gepäck antreten, Kaffee. Es soll neue eiserne Portionen geben, also schleunigst noch mit Clauder\IN{\clauder} 1~Gulasch gegessen. Wir sollen den Rucksack erleichtern. Ich hole mir stattdessen sogar noch meine lang entbehrten Schnürschuhe wieder. Mittagessen, dann bepackt antreten. Langes Zusammenzählen, bis alles stimmt. Die Straße ist zu schmutzig, wir müssen auch noch die Skier tragen. \pagebreak Schwere Last. Nieder\-\tboneA{200}drückend. Endlich mal Pause. Vor \textit{Mowara}\IO{Mowara}\ort{Mowara}\setort{Tucholka [Tukhol'ka]} auf der Höhe Artilleriestellung, die mit Schrappnells beschossen wird. Wir gehen weiter, aus dem Wald hinaus. Feindliches Feuer. Kolonne zu einem, 20~Schritt Abstand und ruhig weiter. Das Gesicht weggedreht; {\lspitz}Wölkchen{\rspitz} beobachtet: Dann auch Infanteriefeuer, unangenehmes~\neueseite{541475} scharfes Pfeifen. Schließlich Deckung hinter der rechten Straßenböschung. Auch die Bagage kommt nach. Ich zähle die Korporalschaft; Sockel\IN{\sockel} verwundet (Penis), Otto\IN{\ottosoldat} kommt ohne Skier durch den Schnee nachgekrochen. Von Schmude\IN{\schmutte} ist der Skistock angeschossen und der Fußknöchel angeprallt. Leutnant Graebsch\IN{\graebsch} läuft vor, wir bei einbrechender Dunkelheit mit 20 Schritt Abstand. Inzwischen angebrannte Graupen aus der Feldküche. Die Dorfstraße zwischen den Bauernhäusern fortwährend beschossen von Infanterie und Maschinengewehren. \textit{\uline{Pohar\IO{Pohar}.}}\ort{Pohar} Langgezogenes Dorf. Endlich kein Schießen mehr. Das Gepäck wird schwer. Endlich vor dem Stabsgebäude\IO{Pohar!Stabsgebäude}. Schließlich ins Quartier\IO{Pohar!Quartier}. Thilo\IN{\thilo} hat gutes für uns gefunden, für die ganze Korporalschaft, daneben der Pferdestall. Bei den Infanteristen bekommen wir Pflaumenreis. 8\textsuperscript{h}~mit den Unteroffizieren beim Leutnant. Verteilt die Nachtpatrouillen. Bin müde, aber Thilo\IN{\thilo} sucht nach Leuten für seine schwierige Aufgabe; will mit, aber es sollen noch Leute für den folgenden Tag bleiben. Tee gekocht, zwischen den Fahrern Güttler\IN{\guettler} und Ernst\IN{\ernstsoldat} geschlafen, nicht so recht warm. \tbentry{9}{2}{1915}{} \textonehalf{}\,5~Uhr kommen Feldwebel Nietzschke\IN{\nietzschke} und Prosch\IN{\protz}; ich muss mit allen, die nicht auf Patrouille gewesen sind und einigen aus andern Korporalschaften bei der Kirche\IO{Pohar!Kirche} Doppelposten stellen und außerdem 4~Mann Patrouille nach Norden schicken. Wir finden die Kirche\IO{Pohar!Kirche} mit den drei Holztürmen. Nahe dabei guter Platz für Posten. Licht am Haus, Wachstube\IO{Pohar!Wachstube}. Frauen und Kinder können kein Deutsch. Machen uns aber Licht. Brief an Mutter\IN{\rjcarnapmutter}. Bouillon gekocht. Tagebuch. Draußen schon sonnige Schneelandschaft. Inzwischen kommt mal Doktor Belgardt\IN{\belgardt} rein, der alte Balkan\-krieger; soll zu besonderer Vorsicht mahnen; er versteht das Requirieren, die Leute sind freundlich. Um~8\textsuperscript{h} kommt Befehl, bis nachmittags~5\textsuperscript{h} zu bleiben. Geschrieben an Räubers\IN{\rjraeuber}\IN{\rjraeuberfrau} und Eva\IN{\eva}. Einzelne Leute gehen und holen Sachen zum Essen usw. Mittags gekocht. Prachtvolles Sonnenwetter. Auf der Galerie im Warmen gesessen. Um~5\textsuperscript{h} schick' ich zum \gestrunl\ Feldwebel um Befehl zum Einziehen der Wache. Plötzlich kommt der ganze Trupp vorbei, im Windanzug; \gestrunl\ Nietzschke\IN{\nietzschke} sagt uns: Schnell nach Hause Dauerlauf und nachkommen. Alles zusammengerauft, schnell in den Ort. Socken vom Ofen, Schuhe, usw. schnell in den Rucksack, Mantel drauf, an die Bagage gehängt, Windanzug dran, angehängt, Skier an, los. Es wird dunkel. \tboneA{201} Man sagt mir, warum ich nicht Windanzug \gestrunl\ anziehe; na, wenn ich auch so durchkäme; also Umgehungsversuch der Russen? Ich horche von Zeit zu Zeit, möchte nicht gerne in russische Gefangenschaft geraten. Endlich kommt Nietzschke\IN{\nietzschke}. Dann bald Rucksackdepot. Eben laufen die übrigen ab. Wir warten auf die Bagage, Pferde und Wagen werden geordnet. Mit Gepäck ein paar Häuser weiter, ich komme zum Sanitätsunteroffizier Doktor Belgardt\IN{\belgardt} ins Haus. Man erfährt die gespannte Lage. Wir müssen den Ort unbedingt halten. Doppelposten ausgestellt. Ich gehe um \textonehalf{}\,9 mit Lorenz\IN{\lorenz} auf Patrouille, sollen den Berghang sichern und mit II/43 Fühlung gewinnen.\fnE{Vermutlich II. Bataillon des Infanterieregiments 43.} Wir steigen die Wiese schräg nach rechts hinauf, bis zu dem Einschnitt im Bergrücken, der zur Kirche\IO{Pohar!Kirche} ausläuft. Oben auf dem Kamm, auch hinübergeschaut. Nichts zu sehen. Prachtvoller Sternenhimmel. Rechts auf dem Berg Gewehr- und \textit{MG}-Feuer, hier aber nichts zu hören. Weiter, zuweilen über den Kamm ins Tal geschaut, zuweilen durch den Wald oder diesseits den Wald umgangen. Oft schwierige Fahrt. Lorenz\IN{\lorenz} wird müde. Zuletzt sehr steiler Hang, schwierig hinunter zu kommen. Stehe unten und warte auf Lorenz\IN{\lorenz}, esse kalten Gulasch aus der Konservenbüchse. Wir fahren hinab zur Straße im Tal und sind richtig schon etwas über unser Quartier hinaus. \textonehalf{}\,12~wieder dort. Melde Belgardt\IN{\belgardt},~\neueseite{541413} bin betrübt, dass weder Kompagnie noch Russen gefunden; man ist aber zu meiner Freude befriedigt von der ordentlich durchgeführten Patrouille, Leutnant Graebsch\IN{\graebsch} ist auch im Quartier. Wir sitzen weiter in Alarm\-zustand, umgeschnallt, Karabiner in der Hand. Alle Viertelstunde wird abgezählt, um die Leute zu wecken. Schließlich wird das abgeschafft, und man schläft, wenn man kann. Auch ich, auf der Bank. Ganz früh zu Prosch\IN{\protz} hinauf. Oben sieht man schon die herrlichen sonnigen Höhen. \tbentry{10}{2}{1915}{} Es werden immer weiter Posten und Patrouillen ausgestellt. Ich laufe vormittags eine \gestrunl{} Patrouille auf dem gegenüberliegenden Berg, wo auf einen Mann 6 Schüsse abgegeben sein sollen. Mit Schmude\IN{\schmutte} usw. beobachte ich oben bei einem Häuschen, an das wir uns nur zaghaft herantrauen, weit weg auf dem hintern Berg einen Schützengraben und \mbox{Leute}, die in Kolonnen zum Graben hinaufsteigen. Wieder hinab. Unterdessen ist eine Stafette eingerichtet nach Krywe\IO{Krywe} zu, der Patrouille entgegen, die Middeldorpf\IN{\middeldorpf} mit 12~Mann nach Dolski\IO{Dolski} gemacht hat. Aber Middeldorpf\IN{\middeldorpf} kommt bald selbst schon an. Er hat die Verbindung mit der 3.~Garde\-division gefunden, \pagebreak die haben ihm aber im Übereifer einen Mann erschos\-\tboneA{202}sen. Nachmittags macht Infanterie~43 die Stafette. Abends gehe ich mit von Schmude\IN{\schmutte} und Birke\IN{\birke}, alle leicht müde, auf Patrouille, um den linken Flügel unserer Infanteriestellung aufzusuchen. \textonehalf{}\,6\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,9. Erst wieder auf den alten Berg\IO{Pohar!Alter Berg}, dann hinab zur Kirche\IO{Pohar!Kirche}, getretener Weg, verharscht. Wir schnallen ab. Oben der Feldwebel \sout{links} in der Holzhütte\IO{Pohar!Holzhütte}, links auf der Spitze der letzte Graben, kann zum Glück den Taleinschnitt und gegenüberliegende Kuppe sichern. Hinab, ich allein angeschnallt. Zum Leutnant, dem Zugführer von~43. Ziemlich ungnädig, dass man über seine Leute anders verfügt habe! Zurück, Belgardt\IN{\belgardt} gemeldet, Meldung geschrieben, zum Leutnant gebracht. Schläft schon, ist zufrieden, den Fehler hat nicht er, sondern Nietzschke\IN{\nietzschke} ohne sein Wissen gemacht. Er erzählt mir vom Beförderungsvorschlag und gratuliert schon. Über die Meldung des gegenseitigen Sicherungsentschlusses recht zufrieden; sei ihm wichtiger als die andere Meldung, die die anderen so aufregt: Ein Infanterist ist von Krywe\IO{Krywe} durchgekommen und sagt, starke russische Patrouillen durchsuchten dort die Häuser. \gestrunl\ Graebsch\IN{\graebsch} hält es für nicht so ernst, trotzdem ist verschärfter Alarmzustand befohlen. Belgardt\IN{\belgardt} hat aber für uns Erleichterungen erbeten, wir dürfen schlafen, aber umgeschnallt. Er hat mir auch schon vorher (nach meiner Patrouille) von der Beförderung verraten. Er hat ein gutes Herz, bei all seiner großen Strenge und kriegerischen Härte (in Bezug auf Disziplin). Ich vertrage mich sehr gut mit ihm, der doch so leicht anschnauzt und Strafwachen hageln lässt, da er sieht, dass ich mich anstrenge. Die Nacht \gestrunl\ verteilt er, ich bin nicht Wachhabender; habe ja auch in der vorigen Nacht meist den Dienst versehen, während Hagmann\IN{\hagmann} viel schlief. Trotzdem helfe ich viel und komme nur wenig zum Schlafen. Gegen morgen wird erlaubt, abzuschnallen. \tbentry{11}{2}{1915}{} Weitere Erleichterung, wir dürfen ins Freie ohne zu fragen, aber nur dicht beim Hause (Windanzug ausziehen, abschnallen). Diener\IN{\dauer} hat vormittags Wache, ich ruhe mich noch aus, sorge etwas für den kranken Thilo\IN{\thilo}, lese eine Bach\IN{\bach}-Sonate, esse \gestrunl\ geröstetes Brot mit requirierter Butter und Käse. 12\textsuperscript{h} Waffenappell, Sömmer\IN{\sommer} putzt für mich. Für Löhnung ist noch kein Geld da. 1\textsuperscript{h} plötzlich Befehl: Windanzug an, antreten mit Skiern. Schon kommt der Leutnant mit der Karte: Unsere Aufgabe, einen Umgehungsversuch einer russischen Kolonne um den linken Infanterieflügel zu erkunden und eventuell verhindern. Aber~\neueseite{541409} wo und wie weiß der Major selbst nicht. ,,Ich erwarte, dass der Gefreite Carnap besonders schnell fertig ist und mit 3 Mann die Spitze übernimmt.`` Also fix, die Skier noch flüchtig gewachst. Mit Krumteich\IN{\krumteich}, Diener\IN{\dauer} und Rohde\IN{\rohde}. Nur trockenes Brot \tboneA{203} eingesteckt. Aus der Feldküche noch schnell etwas kaltes Essen von ge\-stern gelöffelt. Los. Auf halbem Weg zur Kirche\IO{Pohar!Kirche} links auf die Wiese schräg rechts hinauf. Dann in einer Bachrinne senkrecht. Plötzlich ein Schuss. Geht's wirklich los? Schließlich zurück {\lspitz}und{\rspitz} weiter unten um den Berg herum. Der Leutnant kommt. Wohl verirrte Kugel, da wir keinen Knall hörten. Also weiter. Oben schimpft er, weil wir, die Spitze, uns nicht sorgfältig genug in Deckung gegen Sicht halten. Schließlich führt er; ausgezeichnet, am Waldrand, oft horchend. Im andern Tal \sout{kaum was zu} nichts zu sehen, auf den Bergen drüben Schützengräben, auch Leute sieht man dabei herumspazieren. Diener\IN{\dauer} auf dem {\lspitz}Damm{\rspitz}, sieht nichts. Kriegsberatung im Heuschober. Offenbar hat der Major \gestrunl\ selbst nicht recht gewusst. Man schießt auf uns von dem gegenüberliegenden Berg, aber immer viel zu hoch. So viele Leute halten sich doch nicht vorsichtig genug hinter den einzelnen Tannen in Deckung. Rohde\IN{\rohde} \gestrunl\ wird zum linken Infanterieflügel, den ich ja zeigen kann (man sieht den Schützengraben) geschickt. Er spricht dort mit dem Feldwebel; die wissen nichts von Umgehung. Rückmeldung an den Major, wir gehen nach Hause. Alle sind allmählich das viele Postenstehen und Patrouillieren müde. Die Nacht muss aber noch eine weitere Dauerpatrouille gestellt werden (2-stündig), am ganzen Berghang entlang, von der Schlucht bis zu dem Einschnitt an der Kirche\IO{Pohar!Kirche}, am unteren Waldrand entlang. Wir kochen noch Kakao und Tee usw.; ich wärme mir noch gestriges Essen auf der Feldküche auf. Belgardt\IN{\belgardt} schickt einen Bericht an den Feldunterarzt (siehe hinten in diesem Notizbuch).\fnE{Dieser Bericht ist nicht überliefert.} Ich bin aber noch relativ munter, würde mich zu einer interessanten Patrouille sofort melden, weiß allerdings nicht, woher ich die Leute dazu bekommen sollte. Ich bin zuerst Wachhabender. Um 9\textsuperscript{h} kommt das Essen, für mich und die Posten noch aufgewärmt. Um \textonehalf{}\,12 löst Diener\IN{\dauer} mich ab. Ich lege mich auf der Bank schlafen. \tbentry{12}{2}{1915}{} Um 7\textsuperscript{h} übernehme ich wieder die Wache. Um 8\textsuperscript{h} kommt Befehl: 9\textsuperscript{h}~Appell mit geschmierten Schuhen und geölten Skiern. Wir haben nur noch wenig zu essen, ich breche meine ,,eiserne`` Schokolade an. Während des Wachtdienstes schreibe ich etwas. Von uns 6~Oberjägern sind glücklich 4 krank, und Belgardt\IN{\belgardt} und ich müssen uns einfach abwechseln. Um~1 kommt Diener\IN{\dauer} doch und nimmt mir die Wache ab. Nachmittags wird auch Belgardt\IN{\belgardt} krank, kotzt und scheißt, ebenso wie Thilo\IN{\thilo} schon längst. Also ich halte es wirklich am besten von allen aus? \pagebreak 4\textsuperscript{h}~in den Ort zum~II/43, \tboneA{204} Löhnung holen. Aber der Zahlmeister noch nicht da. Vergeblich warten. Die Infanteristen singen und erzählen. 7\textsuperscript{h}~zurück. Essen aus der Feldküche aufgewärmt~(9\textsuperscript{h}). Helfe Krumteich\IN{\krumteich} etwas, der zum ersten Mal Wache hat. Es kommen wieder unsinnige Alarmnachrichten oben von Prosch\IN{\protz}; umschnallen und Windanzug; immer 6~Mann auf Posten. Prosch\IN{\protz} glaubt, dass seine Vorposten heftiges Gewehrfeuer haben, dabei ist's ganz hinten weit auf dem Zwinin~II\IO{Zwinin II}.\fnE{Die Bezeichnungen ,,Zwinin~I`` und ,,Zwinin~II`` beziehen sich auf die Himmelsrichtung, aus der man auf den Berg schaut.} Um 1\textsuperscript{h} allerhand Aufregung: 2 Infanteristen sollen auf Befehl von Leutnant Graebsch\IN{\graebsch} je einem Skiläufer mitgegeben werden,~\neueseite{541405} um nach Krywe\IO{Krywe} und in die Schlucht aufzuklären. Es werden Leute geholt, das dauert \gestrunl\ Belgardt\IN{\belgardt} zu lange; außerdem \sout{wie \unl} kommt Zimmermann\IN{\zimmermann} erst auf den 2. ausdrücklichen Befehl her und weigert sich dann, als ihm befohlen wird, um~3\textsuperscript{h} wieder zur Wache zu erscheinen. \tbentry{13}{2}{1915}{} Um 3\textsuperscript{h} nachts übernimmt Diener\IN{\dauer} die Wache. Ich schlafe bis~7, \gestrunl\ oder länger. Dann übernehme ich die Wache für Belgardt\IN{\belgardt}, der schlapp macht und sich hinlegt, aber schließlich durch Eieressen wieder munter wird. 2.~Gesundheitsbericht, siehe Notizbuch hinten.\fnA{Nicht überliefert.} Endlich Löhnung, aber \sout{kl\unl} kein Kleingeld. Vorher um~8\textsuperscript{h} Appell. Wir stellen tags nur 4~Posten, daher Zeit zum Ausruhen. Ich schreibe etwas. Thilo\IN{\thilo} ist so munter, dass er mittags wieder die Wache übernimmt. Abends \textonehalf{}\,9 kommt der Leutnant auf die Wache, Befehlsausgabe. Er berichtet auch ostpreußische Erfolge, und von der \gestrunl\ Mannschaft der Emden und Karlsruhe.\fnE{Die SMS Emden und die SMS Karlsruhe waren deutsche Kriegsschiffe.} Ich habe Wache bis Mitternacht. Schreibe an Mutter\IN{\rjcarnapmutter} weiter. Dann schlafe ich endlich mal auf dem Boden, infolgedessen vorzüglich bis~\textonehalf{}\,8. \tbentry{14}{2}{1915}{} Schöner Morgenkaffee; gestern ist Zucker und Speck verteilt worden; 8\textsuperscript{h} Appell, es gibt Brot. Also Schlemmerei. Warmes Tauwetter, deshalb 2"~Stunden Posten. Ich habe heute frei, schreibe. Mittags Leutnant Graebsch\IN{\graebsch} und Middeldorpf\IN{\middeldorpf} zum Huhnessen eingeladen. Der Leutnant erzählt, dass man mit den Beförderungen Schwierigkeiten macht, von \sout{vorge\unl} den zum Gefreiten vorgeschlagenen~5 wird's wahrscheinlich~1, von mir sagte er nichts. Übernehme von \sout{3\,\hbox{--}\,\unl} 2\,\hbox{--}\,8 Wache, gehe aber \textonehalf{}\,4\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,7 mit Thilo\IN{\thilo} und Otto\IN{\ottosoldat} auf Patrouille. Links vom Petroleumwerk\IO{Poha!Petroleumwerk} den Weg hinein, rechts hinauf, durch Wald, schwierig. Dann abgeschnallt und durch beintiefen Schnee zur Höhe eines Vorberges \pagebreak des Zwinin~II\IO{Zwinin} gestapft. \tboneA{205} Von dort prachtvoller Überblick über den Kamm der ganzen Kette Zwinin~II\IO{Zwinin II}. Wir sehen 2~große und etwa 5~kleine Schützengräben, Thilo\IN{\thilo} zeichnet Ansichtsskizze. Wieder hinab, Skier an und an der Zwinin-Kette\IO{Zwinin-Kette} rechts hinüber gefahren; unterdessen dunkel. Auf Fahrweg um unsern vorliegenden Berg herum, purzelhafte Abfahrt. Nietzschke\IN{\nietzschke} ist im Wachtlokal\IO{Zwinin!Wachtlokal} und wird geneckt. Belgardt\IN{\belgardt} ist auf Spionssuche; schließlich sind im ganzen 8~Leute hier versammelt, werden aber nach Hause geschickt, da man doch nichts nachweisen kann. Schlafe zum Glück wieder auf dem Boden. Fast alle haben sich allmählich wieder erholt, zum Teil auch durch Eier und das Huhn. \tbentry{15}{2}{1915}{} \textthreequarters{}\,5 geweckt, übernehme Wache für Hagmann\IN{\hagmann}. Schreibe. Es regnet, ich freue mich aber nicht, wie die andern, hoffe immer noch auf einen Dienst, der dem Charakter der Truppe besser entspricht. Von 8\,\hbox{--}\,2 weiter Wache. Wegen der schwindsüchtigen Frau zieht Thilo\IN{\thilo} um, ich will mit ihm. Krumteich\IN{\krumteich} ist krank, geht abends weg. Gegen 4\textsuperscript{h} mit Belgardt\IN{\belgardt} in den Ort\IO{Pohar} Petroleum holen, begegnen Doktor Lenel\IN{\lenel}. Hätmer\IN{\haetmer} ist mit, sieht schrecklich aus, traurig. Belgardt\IN{\belgardt} ist betrübt, dass ich umziehen will. Abends hinüber. Gut geschlafen in dunkler, ruhiger Stube, aber morgens etwas kühl.~\neueseite{541411} \tbentry{16}{2}{1915}{} 8\textsuperscript{h} Appell; ich bekomme den Ortsdienst; es sind wieder 63~Köpfe statt~56 von den~83. Brot und Speck wird verteilt. Thilo\IN{\thilo} hat Wache und skizziert, ich schreibe. Nachmittags mache ich \gestrunl\ die Aufzeichnungen fertig (bis Blatt~12) und schicke sie mit 2 Briefen an Mutter\IN{\rjcarnapmutter} und Agnes\IN{\agnes} fort, durch Kott\IN{\kott}, der wieder nach München\IO{München} kommt.\fnE{Vgl. Carnap an seine Mutter, undatiert (\href{http://doi.org/10.48666/807678}{RC~025"~09"~53}), wo diese Aufzeichnungen und die zwei Briefe erwähnt sind. Die Aufzeichnungen selber sind nicht überliefert. Vgl. TB~15.\,III. u. 7.\,IV.\,1915.} Ich habe Ortsdienst, deshalb keine Wache. \textonehalf{}\,11 zum Leutnant, stelle mit ihm und Middeldorpf\IN{\middeldorpf} den Doppelposten am Wald auf. \editorstr{bis} \textthreequarters{}\,12 bis \textthreequarters{}\,2 Posten revidiert. 2\,\hbox{--}\,4 \gestrunl\ geschlafen; ich war sehr müde geworden durch das Gehen im Harsch, der immer durchbricht. \tbentry{17}{2}{1915}{} 4\textsuperscript{h} wieder auf Revision. Zuerst Schluchtposten. Rohde\IN{\rohde} und Seifert\IN{\seiffert} sind eben abgelöst und kommen mir entgegen. Seifert\IN{\seiffert} hat um~2\textsuperscript{h} im Wald Lichter und \editor{sich} bewegende Gestalten gesehen. Da kommt auch schon der Doppelposten Heidrich\IN{\heidrich} --- ? zurück und meldet, dass 3, 4~Leute, eine förmliche Schützenlinie sich sprungweise über die Wiese bewegt. Ich schicke Seifert\IN{\seiffert} zur Wache, um zu melden. \pagebreak Ich gehe mit Rohde\IN{\rohde} weiter, \tboneA{206} um näher zu untersuchen; Rohde\IN{\rohde} immer 10 Schritt voran. Ich sehe mich um, der Doppelposten folgt uns nicht; weiter über den Punkt des Postens, Wegkreuzung, Tanne, bis zum Haus, nah am Waldrand. Nichts zu sehen und zu hören. Zurück. Unten kommt Leutnant und Middeldorpf\IN{\middeldorpf}, Belgardt\IN{\belgardt}, Rothe\IN{\rothe} usw.; alles ist alarmiert. Wir sollen nochmal vor und näher untersuchen, ob Spuren am Waldrand sind. Mit Rohde\IN{\rohde} und Rothe\IN{\rothe} ums Haus \gestrunl\ und an den Waldrand. Alles zurück. Hinter dem Verhau liegen Leute, die übrigen mit Gepäck angetreten an der Wache. Der Leutnant spricht von Gespenstersehern und lässt durch Middeldorpf\IN{\middeldorpf} erklären, dass ein Posten immer erst näher zu untersuchen hat, wenn er etwas Verdächtiges sieht, entweder durch Nähergehen oder durch Schießen. Müde hingelegt um~\textonehalf{}\,7; 8\textsuperscript{h} wieder Appell, dann Wache 8\,\hbox{--}\,2. Besuch des Majors, er kommt aber nicht zur Wache. \textonehalf{}\,1 zum Leutnant, die Korporalschaftsführer. Der ganze Trupp muss in den Schützengraben, bis das Bataillon Verstärkung von einem Ersatzbataillon bekommt. Zuerst soll \gestrunl\ die Gruppe, die schon oben ist, abgelöst werden, dann weitere hinauf, so dass immer 3~oben, 3~unten sind. \gestrunl\ Schnell noch gegessen, Strümpfe umgezogen, Windanzug grau angezogen. 3\textsuperscript{h}~angetreten. \textonehalf{}\,4~weg. Schweres Gepäck. Bald Befehl: 10~Schritt Abstand. Einige Kugeln pfeifen. Quartier gesucht. Bei unserm alten Quartier schmeißt uns der Feldwebel raus. Wir besehen am Bach die Müttich-Mühle\IO{Pohar!Müttich-Mühle}, mit starkem Rauschen. Aber ohne Beleuchtung und zu eng. Wir finden gutes Quartier, die ganze Gruppe, und Middeldorpf\IN{\middeldorpf}; der muss abends noch rauf. Wir unterhalten uns über Nietzschke\IN{\nietzschke}, er wird kräftig geneckt. \tbentry{18}{2}{1915}{} Infanterie liegen mit uns im Quartier\IO{Zwinin!Quartier}, wir beneiden sie um die gute Verpflegung, täglich warmes Essen und außerdem eine Gulaschbüchse, österreichischer Zucker-Kaffee, Honigbonbons usw.; sie schenken uns~2; einer probiert Skilaufen usw. Nachmittags kommt plötzlich Thilo\IN{\thilo}: Sofort fertig machen zum Schützengraben. Rucksack kräftig erleichtert, weißes Bündel unten gelassen. Wir müssen Skier mitnehmen, um als Patrouille zu untersuchen, ob die russischen Gräben wirklich geräumt sind. Um~4\textsuperscript{h} los. Auf den ersten Hügel; deutsches \textit{MG}. Hinunter, kräftiges Feuer, einige Zeit im Wald in Deckung gelegen. Zweimal über freie Flächen, immer einzeln im Dauerlauf; auf jeden Einzelnen wird geschossen, niemand getroffen. Lorenz\IN{\lorenz} begegnet uns mit Meldung: 3 Leichtverwundete, 1~schwere Verwundung: Rohde\IN{\rohde} mit Gehirnschuss.~\neueseite{541415} Dann begegnet uns Belgardt\IN{\belgardt}, den Arm in der Binde; betrübt, weil noch keinen Schuss abgegeben. Will nach München\IO{München} fahren, auf Wiedersehen in 3~Wochen. Da die Russen heftig feu\-\tboneA{207}ern ist Patrouille überflüssig, wir lassen die Skier im Tal. Schon dunkel, letzter Anstieg, wir werden heiß und nass; oben Vorsicht, dass wir die schönen Unterstände nicht eintreten. Deren Dach ist aus Tannenzweigen mit Heu und Erde bedeckt, dem Erdboden gleich. Alles zur Besichtigung in den Graben gekrochen. Dieners\IN{\dauer} Korporalschaft zieht hinab und schleppt den schwer verwundeten Rohde\IN{\rohde} mit. Der Leutnant: ,,Da haben mir die Schweine meinen besten Schützen abgeschossen.`` Posten werden aufgestellt und Schanzarbeit verteilt. Ich revidiere 9\,\hbox{--}\,10, greife auch selbst zur Picke. Wecke dann die Nächsten und instruiere. \textonehalf{}\,11 schlafen gelegt, mit Hirschfeld\IN{\hirschfeld}, Seifert\IN{\seiffert} und 3 andern. Wirklich gemütlich und warm. Nach einiger Zeit bekomme ich Schüttelfrost, das zappelt immer durch von oben bis unten, sehr ungemütlich. Ich vermute Influenza, deshalb nicht dicht an die andern gelegt. Endlich bin ich eingeschlafen. Um~1 durch Infanterie\editor{soldaten} geweckt, die uns ablösen, die Verstärkung der~43er. Wir wären lieber diese Nacht noch oben geblieben. Also zusammen gepackt, einen Skistock aus dem Schützengraben geholt. Fühle mich sehr schlapp, liege mit Rucksack und Karabiner wartend. Beschwerlicher Abmarsch, starke Leibschmerzen. Unten müssen wir noch die Skier nehmen. Es geht schwer. Links, wo der Berg flacher ist, hinüber, hinab ins Dorf. Zuweilen jagt uns eine Leuchtkugel der Russen nach: Kolossal helles grünes Licht, lange leuchtend, die Russen treffen aber niemand. Im Dorf\IO{Pohar} ein paar Mal ausgeruht. \gestrunl\ Vor dem Feldwebelhaus\IO{Pohar!Feldwebelhaus} an die Straße gesetzt und geruht; dann ins Quartier\IO{Pohar!Quartier}, vollständig besetzt; schlage mich dicht an die Tür vor den Ofen und schlafe. \tbentry{19}{2}{1915}{} Morgens, \sout{m} als alles aufsteht, mit Otto\IN{\ottosoldat} ins große Bett und weiter geschlafen. 8\textsuperscript{h} weckt uns Middeldorpf\IN{\middeldorpf}, die andern sind schon zum Appell. Auch hingegangen, später mit Belgardt\IN{\belgardt} gesprochen, der schickt mich ins \gestrunl\ Revier. Habe Kopfschmerzen, bin sehr schlapp, der weite Weg fällt mir schwer. ,,Fieberhafte Erkältung``, bin erfreut, keiner Spur von Drückebergerverdacht zu begegnen; nur Zwieback und Tee, schlafen. Beim Feld\-webel krankgemeldet und im Hinterstübchen schlafen gelegt. Es kocht mir keiner Tee, ich habe schrecklichen Durst. Nachmittags kommt Belgardt\IN{\belgardt}, er will doch nicht nach München\IO{München}, es lohnt nicht. Er will nach \textit{Munkaes}\IO{Munkaes} fahren, in einem Wagen Tag und Nacht, Schokolade usw. einkaufen und Post holen. Ich bewache sein Gepäck. Inzwischen zieht alles um, westlich, in die Nähe der Kirche\IO{Pohar!Kirche}. Ein Schlitten nimmt zum Glück mein Gepäck mit, bis zum Appell, dann schlepp ich's weiter in ein Quartier wo Rothe\IN{\rothe}, Hauschild\IN{\hauschild}, Birke\IN{\birke}, Otto\IN{\ottosoldat}, Sömmer\IN{\sommer} wohnen. \sout{Koche mir \unl} Bekomme endlich Tee \tboneA{208} und koche dann auch, schmeckt mir aber nicht. Ich habe fast keine Lust zu essen. Früh schlafen. \tbentry{20}{2}{1915}{} \textonehalf{}\,8 Revier, \textit{bolus alba}\fnE{Medikament gegen Verdauungsstörungen.} wegen etwas Dünnpfiff. Immer noch Fieber und keinen Appetit. Schlafe weiter. Abends brützeln alle Brot oder Zwieback in Speck usw., ich beneide sie um den Appetit. 7\textsuperscript{h} abends aufs Revier, um wieder \textit{b}\editor{olus} \textit{a}\editor{lba} zu trinken. Middeldorpf\IN{\middeldorpf} gratuliert mir, mir ist noch nichts bekannt gegeben. Zu Thilo\IN{\thilo} auf die Wache, gegenseitig gratuliert.\fnE{Beförderung zum Oberjäger. Vgl. Rudolf an Anna Carnap, 24.\,II.\,1915 (\href{http://doi.org/10.48666/807682}{RC~25"~01"~45}).} Ins Quartier\IO{Pohar!Quartier}, Rothe\IN{\rothe} gratuliert. Die 4 Sechser gehen auf Wache, Sömmer\IN{\sommer} unterhält sich mit der Matka\IN{\matka}, zeigt ihr Fotos usw., sie wäscht ihm Hemd dafür. Schlafen. Nachts kommt Sömmer\IN{\sommer} von der Wache, soeben sei die Post gekommen.~\neueseite{541421} \tbentry{21}{2}{1915}{} Tauwetter und Regen. \textonehalf{}\,8 umgeschnallt bis Revier, gesund, nur noch \textit{b}\editor{olus} \textit{a}\editor{lba}. Zum Feldwebel und Leutnant gemeldet. Auf der Wache die Post für mich; 13 Päckchen, 3 \textit{B}, 1 \textit{K}. Übernehme die Wache~10\textsuperscript{h}. Packe teilweise aus und in Beutel. Lese die Briefe, von Schmude\IN{\schmutte} näht mir die Tressenecken an den Kragen. Thilo\IN{\thilo}, Middeldorpf\IN{\middeldorpf} und von Schmude\IN{\schmutte} essen \gestrunl\ von meinem Gebäck und Quittenschnitten, ich Zwieback und 2~herrliche Pflaumen. Bis nachmittags 6\textsuperscript{h}. Abends zum Leutnant, Rohde\IN{\rohde} ist gestorben, seine Korporalschaft hält die Nacht Ehrenwache. Wir haben Warnung vom Regiment, der Leutnant sagt, es ist diesmal besonders gefährlich, der Oberst hatte viele Offiziere versammelt. Also viele Posten zu stellen, umgeschnallt geschlafen. Es passiert aber nichts. \sout{Am andern} \tbentry{22}{2}{1915}{} 11\,\hbox{--}\,\textonehalf{}\,3 Patrouille mit Hagmann\IN{\hagmann} und 2 Leuten, ob die Schützengräben zwischen 1038 und 943 wirklich verlassen seien.\fnE{Die Zahlen sind militärische Ortsangaben.} An der Kirche\IO{Pohar!Kirche} hinauf, Stellung der 5.~Kompanie passiert, zur Unteroffizierwache. Selbstverständlich seien die Gräben noch besetzt, diese Nacht seien auf den Posten noch Salven abgegeben worden. Zum Bach hinunter, hinüber, entlang, zu einem Wald hinauf. \gestrunl\ Abgeschnallt, Windrock grau angezogen, durch den Wald hinauf. Ich noch ziemlich müde. Zuweilen durch freiere Stellen, vorsichtig geäugt, dann hinüber. Oben deutliche Aussicht nach rechts auf die Gräben; durch Thilos\IN{\thilo} Glas sehe ich deutlich die Gestalten sich erheben, bewegen und miteinander sprechen. Durch das Waldstück nach links, da sieht man die Gräben links bis~1038, meist nur Doppel\-posten. Hagmann\IN{\hagmann} zeichnet alles; wieder hinunter. Dem Leutnant mündlich \tboneA{209} gemeldet. Ins Quartier\IO{Pohar!Quartier}: Nachmittags 4\textsuperscript{h} soll Rohdes\IN{\rohde} Begräbnis sein; hinten weit zu seinem Grab gegangen, er wird auf dem Schlitten aufgebahrt. Der Major wünscht aber, dass {\lspitz}auffälligere{\rspitz} Ehrenbezeugungen wegfallen. Ich bekomme wegen der Patrouille keine Wache. Die andern wollen wegen der Flöhe umziehen, ich deshalb mit Sömmer\IN{\sommer} ins Wachlokal\IO{Pohar!Wachlokal} zu Middeldorpf\IN{\middeldorpf} und Thilo\IN{\thilo}. Doch besinnen sich die andern, und wir bleiben zusammen wohnen. Ich kaufe zum ersten Mal Eier, mache Spiegeleier. \tbentry{23}{2}{1915}{} 5\,\textonequarter{} früh kommt Nachricht: 6\textsuperscript{h} Abmarsch nach Westen. Also alles plötzlich zusammenpacken. Welches Glück, dass ich jetzt alles leicht habe! Die vielen Liebesgaben machen den Rucksack dick und schwer. Zu spät angetreten, der Feldwebel ist unzufrieden. Losmarschiert, wieder die alte Gepäck-Plage. Vor dem alten Bagage-Platz gehalten, in die alten Quartiere, ich mit Birke\IN{\birke} und Sömmer\IN{\sommer} zusammen. Der Leutnant kommt~\textonehalf{}\,9, erklärt einen Befehl, dass 3~Unteroffizierposten mit je 6~Mann am Weg nach Krywe\IO{Krywe} Unterstände bauen und immer 24~Stunden dort bleiben sollen, und dann abwechselnd ein Tag die alte Dorfsicherung. Er selbst zieht los, um die Plätze zu suchen. Dann kommt der Major, und es wird zum Glück alles wieder über den Haufen geworfen. Wir bleiben hier, Hagmann\IN{\hagmann} besetzt mit seiner Korporalschaft das Ölberghaus\IO{Pohar!Ölberghaus}, wir sollen Schützen\-gräben bauen usw. Hauptsache sei: Verhindern, dass russische Patrouillen durchdringen, die die Stellung der österreichischen Mörserbatterien erkunden wollen. 1\textsuperscript{h}~mit Middeldorpf\IN{\middeldorpf} den Platz für den Schützengraben besehen, vom Major ungenau bezeichnet, von unserm Feldwebel halsstarrig festgehalten. Sömmer\IN{\sommer} und Drewski\IN{\drewski} fangen an zu arbeiten, es schneit; hoffentlich kommen bald andere zur Ablösung. Es finden sich noch 6 andere, so dass je~4 eine Stunde arbeiten. Diener\IN{\dauer} ist mit 5~anderen zur Infanterie befohlen, sie sind mit 2~Infanteriegruppen auf eine Höhe südlich des Weges Pohar\IO{Pohar} Krywe\IO{Krywe} gestiegen. Abends kommen Wagner\IN{\wagner} und als Weg\-weiser Osthagen\IN{\osthagen} zurück: Die Infanteristen sind oft bis an den Bauch in den Schnee gesunken und so erschöpft, dass sie kein Essen~\neueseite{541419} holen können. Es wird beschlossen, 24"~stündig abzulösen. Morgen geht Rothe\IN{\rothe} mit~5, nimmt Decken, Essen usw. mit, übermorgen ich. Abends schneit es kräftig. Und die ganze Nacht durch. Abends spät kommt Thilo\IN{\thilo}: Man wird uns ein \textit{MG} zuweisen, ich melde mich als Führer, die Begleitung wird gesucht, Sömmer\IN{\sommer} als Richtschütze. Da heißt es, der \textit{MG}-Führer kommt mit, also trete ich zurück; 5~aus Dieners\IN{\dauer} Korporalschaft melden sich, holen das \textit{MG} und gra\-\tboneA{210}ben's ein. \tbentry{24}{2}{1915}{} Alles prachtvoll mit viel Neuschnee zugedeckt. 8\textsuperscript{h} Appell, ganz wenig Leute: Hagmann\IN{\hagmann} sitzt im Ölberghaus\IO{Pohar!Ölberghaus}, Prosch\IN{\protz} oben, Diener\IN{\dauer} bei der Infanterie, einige beim \textit{MG}; wir sind der Rest. Der andere Trupp soll also die Vollendung des Schützengrabens übernehmen. Gemütliches Frühstück, Tee, Ei, Backobst. Mittags gehen 5 von der Korporalschaft unter Rothes\IN{\rothe} Führung zur Feldwache 1037 hinauf, und lösen Diener\IN{\dauer} ab; sie nehmen Wolldecken usw. mit. Osthagen\IN{\osthagen} führt sie, Thilo\IN{\thilo} geht mit; dieser erzählt nachher, dass Osthagen\IN{\osthagen} sie wieder fehlgeführt hat. Abends gemütlich mit Sömmer\IN{\sommer} und Birke\IN{\birke}, Sömmer\IN{\sommer} erzählt von seiner elektro-technischen Arbeit in der Schweiz\IO{Schweiz}. Abends befiehlt der Leutnant \sout{Alarm\unl} Alarmquartier, und in jedem eine Feuerwache; wir legen uns aber schlafen. Abends Verteilung der Löhnung an die Korporalschaftsführer. Nachts kommt Middeldorpf\IN{\middeldorpf} (Unteroffizier vom Ortsdienst) und klopft, endlich werde ich wach. Der Leutnant hat Alarmzustand befohlen. Wir ziehen uns die ausnahmsweise ausgezogenen Stiefel an, legen die Sachen bereit, schnallen aber nicht um.~\gestrunl \tbentry{25}{2}{1915}{} 8\textsuperscript{h} Appell, nur Sömmer\IN{\sommer} von meiner Korporalschaft: ,,3. Korporalschaft\,\hbox{--}\,weggetreten``. Sömmer\IN{\sommer} und ich und 4 andere sollen mittags auf die Feldwache; vorher Karte an Agnes\IN{\agnes} und Brief an Leni\IN{\rjleni} geschrieben. Dann fertig gemacht. Da bringt Middeldorpf\IN{\middeldorpf} Befehl: Das Regiment zieht die Feldwache ein; ich übernehme freiwillig mit Sömmer\IN{\sommer} die Benachrichtigung. \textonehalf{}\,1~Uhr sind wir fertig mit weißer Windjacke, umgeschnallt, Wegskizze von Thilo\IN{\thilo} und ebenso Fernglas. Da kommt Thilo\IN{\thilo} mit der Meldung: Schleunigst raustreten, Hagmann\IN{\hagmann} (im Ölberghaus\IO{Pohar!Ölberghaus}) liegt im Gefecht mit Russen. Also fix Brotbeutel weg, mehr Patronen, Skier an, wir stehen mit Sömmer\IN{\sommer} fertig, von anderen Korporalschaften noch nichts zu sehen \gestrunl: Thilo\IN{\thilo} schreit vergeblich nach seinem Gewehr, das einer zum Putzen hat. Also die 3. Korporalschaft wieder am schnellsten auf dem Plan. Darf ich vor? Nein, am Dorfausgang warten. Dort wunderbares Bild: Von der Höhe links kommt ein Skiläufer nach dem anderen mit eingestemmten Stöcken und Karabiner um den Abhang hinab, voran Prosch\IN{\protz} mit dem großen Bart. Wir stehen da, fragen den Posten; der hat nichts gehört; also wohl nur Probealarm. Mit Thilo\IN{\thilo} usw. schleunigst hinauf, es ist ernst. Hagmann\IN{\hagmann} hat eine russische Patrouille von 25 zwischen sich gehabt, alle erhoben die Hände, da hat ein Schafskopf losgeschossen und alle sind weggelaufen. Jetzt große Treibjagd. Schwieriges Laufen im Walde. Ich glaube schon nicht mehr an Einholen. Doch auf der Lichtung sehen wir welche. Es liegt sehr tiefer Schnee. Weiß\IN{\weiss} geht voraus und nimmt einige gefangen, \tboneA{211} redet Polnisch mit ihnen. Wir haben Schüsse auf sie abgegeben, die ersten, die ich schieße. Dann von oben großes Einkreisen. Schließlich 4~Tote, etwa~\neueseite{541423} 10 Gefangene, darunter mehrere Verwundete. Sanitäter Mathes\IN{\mathes} vom 1.~Trupp ist da und verbindet sie, Doktor Lenel\IN{\lenel} und Seifert\IN{\seiffert} sollen sich bei einem plötzlichen Schusse wieder gedrückt haben. Sogar Nietzschke\IN{\nietzschke} ist mal oben gewesen. 5\textsuperscript{h}~nach Hause, den Schnee abgeschüttelt. Sömmer\IN{\sommer} kommt hocherfreut mit einem russischen Rubel. Zur Benachrichtigung der Feldwache ist Diener\IN{\dauer} schon gegangen. Abends sollen wir wieder eigentlich auf Feldwache \editorstr{sollten}, zu Hagmanns\IN{\hagmann} Verstärkung hinaufziehen. Middeldorpf\IN{\middeldorpf} dispensiert mich davon. Mit der Feldküche soll Post kommen, sie bringt sie nicht mit. Ich schicke 2 hinunter. (Der Feldwebel ist ja wieder \gestrunl\ aus Angst vor der ,,exponierten`` Lage ins Mitteldorf\IO{Pohar!Mitteldorf} ins alte Quartier gezogen). Spät abends kommt die Post; endlich auch mehr Geschriebenes: \textit{K} von Lisi\IN{\rjlisi}, Brief von Heinz\IN{\heinz}, \textit{MH}\IN{\hoermann}. Und die Hilfe\II{\hilfe}. Rührender Brief von Mutter\IN{\rjcarnapmutter}. Wir lesen noch lange. \tbentry{26}{2}{1915}{} Zum Ortsdienst kommandiert. Graebsch\IN{\graebsch} führt jetzt beide Trupps, Thilo\IN{\thilo} unsern. Faules Leben, geschrieben. Hilfe\II{\hilfe} gelesen. Abends Instruktionen für die Nachtpatrouille bekommen. Abends noch bei der Lampe Zeitung gelesen. Um 11\textsuperscript{h} kommt Diener\IN{\dauer} wieder und berichtet die Schwierigkeiten, besonders Unterholz~-- 1 Posten revidiert: \luecke. Früh um~4\textsuperscript{h} wieder auf. \tbentry{27}{2}{1915}{} Früh 4\textsuperscript{h} mit Drewski\IN{\drewski}, Sömmer\IN{\sommer}, Weiß\IN{\weiss}, Wagner\IN{\wagner} auf Patrouille nach feindlichen Fußspuren. Durch die Schlucht hinauf, mühsam, glatte Skier. Immer am Bach, ich vermeide Dieners\IN{\dauer} 2~Stunden im Unterholz. Dann drüben über die Hänge, wo wir vorgestern die Gefangenen gemacht haben. Oben in den Wäldern laute Stimmen. Mit Weiß\IN{\weiss} auch noch das Häuschen oben untersucht. Abfahrt an den beiden Leichen vorbei. Ölberghaus\IO{Pohar!Ölberghaus}, rechts ab, auf den \textit{SW}-Hang des Chochnowka\IO{Chochnowka}, Dieners\IN{\dauer} Spur nach; bald umgekehrt, wo er auch. Gerade zum Appell 8\textsuperscript{h} zurück. Thilo\IN{\thilo} ist unzufrieden, dass wir nicht weiter bis Sa-Krywe\IO{Sa-Krywe} gegangen sind. Mittags 1\textsuperscript{h} wieder Postverteilung, die 3. Abends infolgedessen wunderbares Essen: Gemüsekonserve, Bratkartoffel, Wurst, usw. Hinterher noch Lieder gesungen. \tbentry{28}{2}{1915}{} Fauler Tag. Beim Abendappell (6\textsuperscript{h}) Befehl: Es ist ein Angriff für den frühen Morgen geplant. Eine Patrouille soll die Anmarschwege für die Kolonnen erkunden. Diener\IN{\dauer} und ich melden uns freiwillig als Führer. Sofort fertig machen, mit 4 andern (Sömmer\IN{\sommer} usw.). Mit Thilo\IN{\thilo} und Graebsch\IN{\graebsch} zum Bataillonsstab. Der Hauptmann erklärt uns mit der Karte: Die Schlucht \tboneA{212} gabelt sich; nach links Sicherungskolonne gegen 1038, nach rechts Angriffskolonne gegen Zwinin I\IO{Zwinin I}. Wir kriegen noch zu essen, fettige Grütze; der Leutnant kotzt sie gleich wieder aus. Richtung wird vom Felde rechts oben als \textit{N} festgestellt. Rechts vom Bach, der Leutnant voran, eine Gruppe Infanterie hinter uns. Über den Bach: Abgeschnallt und gesprungen. In die Seitentäler schickt der Leutnant immer 2~Skileute und 2~Infanteristen. Bald sind keine mehr da. Diener\IN{\dauer} und Mertens\IN{\mertens} rechts den Weg hinauf. Ich mit 4~Infanteristen am Bach weiter; der Leutnant und Thilo\IN{\thilo} zurück. Mehrmals durch den Bach, nasse Skier. Abgeschnallt, will rechts durch den Wald hinauf, wo damals mit Hagmann\IN{\hagmann}. Wegen Deckung noch weiter, dann hinauf. Gestampft, immer vorne, sehr ermüdend. Russische Fußspuren zum Heustadel. Oben in den Wald. Der Weg durch die Schneise aufwärts ist ja klar. Also zurück. Unten sammeln sich die andern allmählich. Die ersten Seitentäler zu untersuchen war sinnlos. Die rechte, handförmige Schlucht müsste noch für den Angriff untersucht werden. Wer ist noch frisch? Keiner. Also gehen Diener\IN{\dauer} und ich am Bach vor.~\neueseite{541417} Es zeigt sich, dass Diener\IN{\dauer} im Walde oberhalb der Schlucht gewesen ist. Also zurück. 12\textsuperscript{h} Meldung beim Hauptmann. Der kleine dicke Kerl ist unzufrieden: Ich hätte weiter sollen und die Stellung selbst erkunden, Diener\IN{\dauer} auch weiter und Verbindung der oberen deutschen Stellung nehmen sollen. Himmel, wir haben Angst, er schickt uns nochmal. Es ist halb so schlimm. Wir können uns im Hause neben dem Stab ausruhen. Etwas Stroh auf der Erde; schlechte Ruhe, aber geschlafen, weil sehr müde. \tbentry{1}{3}{1915}{} \textonehalf{}\,3 beim Stab angetreten. Thilo\IN{\thilo} hat 6 frische Leute als Melder geschickt. Diener\IN{\dauer} und ich stehen da, die 4~andern kommen noch nicht. Der Hauptmann verteilt uns an die Kompanien, die in langen Schlangen heraufmarschieren und auf der Straße stehen. Ich führe die linke Kolonne: 8.~Kompanie, Bartezki\IN{\bartezki} kommt noch zu mir. Wir marschieren zuerst los, diesmal links vom Bach; die Infanteristen bremsen, wir müssen langsamer fahren. Immer weiter am Bach, manchmal ziemlich schwierig; in der Eile auch durchs Wasser. Schließlich rechts hinauf, durchs Bachbett auf den Wald zu. Der Leutnant kommt; ob wir abends noch weiter gegangen sind. Ob wir nicht müde werden; ob wir nicht eigentlich durch die Schlucht sollen. Ich erkläre, dass ich den linken Waldrand oben für geeigneter halte, weil er höher liegt und ich vermute, dass \gestrunl\ dieser Hügel sich ohne Zwischental an den Kamm anlehnt. Durch den Wald hinauf bis zu der Stelle, wo wir abends waren. Gehalten. Der Leutnant kommt wieder. Bartezki\IN{\bartezki} und ich sollen weiter suchen, einige Infanteristen hinter uns \tboneA{213} her. Durch den Wald hinauf, eine Art Schneise, die wir öfter überkreuzen. Plötzlich sehen wir mal 100\,\textit{m} oberhalb eine Reihe schwarzer Köpfe. Wir stehen still, auch 2 Infanteristen sind noch bei uns. Ob's Köpfe sind? Wir müssen es näher untersuchen. Zur Seite in Wald; zwischen den Bäumen durch Lücken hinauf. Plötzlich wieder 20\,\textit{m} vor mir die ,,Köpfe``. Bartezki\IN{\bartezki} sofort auch still. Sie rühren sich nicht. Langsam in die Kulissen zurück, miteinander gesprochen, Bartezki\IN{\bartezki} hält es für Baumstümpfe. Wir tauschen die Plätze. Da sieht es nicht mehr so täuschend wie Köpfe aus. Bartezki\IN{\bartezki} geht darauf zu. Wir konstatieren: Baumstümpfe, ein ganzes Feld voll. Ich erkenne das Feld, an dem wir mit Hagmann\IN{\hagmann} waren. Infolgedessen tapfer hinauf und am Waldrand vor. Oben stehen wir plötzlich auf einer Kuppe. Zwischen uns und dem \gestrunl\ Kamm liegt noch eine Senkung. Ob nun links in der Schlucht die Kolonne besser hinauf geht? Lieber erst hierhin, dann kann von diesem prachtvollen Aussichtspunkt der Leutnant selbst die Stellung wählen. Ich bin zu müde, Bartezki\IN{\bartezki} fährt hinunter und schickt im Wald einen Infanteristen hinunter. Ich \gestrunl\ ruhe mich aus, esse etwas, auf der schönen Kuppe, den ganzen Kamm in unbestimmtem Lichte vor mir. Schließlich zu ungemütlich (im durchschwitztem Hemd), zum Heustadel; angelehnt und etwas gegessen. Die Kolonne kommt, ich lasse noch in Deckung halten. Der Leutnant kommt, und noch einer. Hinauf auf die Kuppe. Ich erkläre die Lage des Kammes, der russischen Stellungen, des $\bigtriangleup$~1038 und des Zwinin I\IO{Zwinin I}. Der Tag bricht bald an, es wird Zeit; der Leutnant entschließt sich für diesen Punkt, im nächsten Wald oben (ob der schon am Kamm liegt?) will er Posten ausstellen. Hier einen gekrümmten Graben anlegen. Er rühmt das schöne \gestrunl\ freie Schussfeld. Ich sage, dass ich nur die Funktion habe, hier hinauf zu führen; Bartezki\IN{\bartezki} bleibt als Melde. Ich bin entlassen. Ich kratze das Eis von den Skiern. Schöne Abfahrt zwischen den Bäumen, dann auf freiem Feld neben dem Wald.~\neueseite{541429} Unten im Wald kommt ein Infanterist {\lspitz}Rehlein{\rspitz}\IN{\rehlein} an. Über den Bach, lasse den ,,Pohar``\IO{Pohar} links, will durch die Kirchschlucht\IO{Zwinin!Kirchschlucht} nach Hause. Falle aus Müdigkeit eine kleine steile Böschung hinab kopfüber, Karabiner auf den Hinterkopf. Unten breiter Bach, komme wirklich nicht trocken hinüber. In einer Blockhütte, wie sie da viele stehen, ausgeruht, gegessen. Eis abgekratzt. Fühle mich wieder erfrischt; gemütlich heimgefahren. Unterwegs zum Leutnantshaus. Ihm Karte zurückgebracht, erzählt. Auch von des Hauptmanns Unzufriedenheit. Gibt mir die neuen Zeitungsnachrichten. Ins Westdorf; zu Thilo\IN{\thilo}. Der hat keine frischen Leute zur Ablösung mehr. Hat auch die Nacht nicht viel schlafen können. Im Quartier gegessen, ausgeruht; dann schlafen gelegt; kann aus Übermüdung im hellen Licht nicht schlafen. Nachmittags ein \tboneA{214} wenig geschlafen. Für die übliche Nachtpatrouille um unsern Berg sind nicht genug Leute da. Ich laufe deshalb \gestrunl\ die erste (6\,\hbox{--}\,8\textsuperscript{h}) mit Bartezki\IN{\bartezki}. Oben liegt eine Feldwache. Auf der andern Seite unten auch noch um die Hütte gesucht. Auf dem ,,Anmarschweg der russischen Kolonne`` um den Berg herum von links zurück. \textonehalf{}\,8 schon wieder da. Schönes Abendessen; Middeldorpf\IN{\middeldorpf} ist in unser Quartier gezogen. Es gibt noch Post, Pelzweste und Pelzsocken, Butter. \tbentry{2}{3}{1915}{} Feste ausgeschlafen. Gelesen und geschrieben. Nachmittags und abends kommt Thilo\IN{\thilo} herüber, er ist sonst allein in seinem Quartier nebenan. Wir sprechen von Lietz\IN{\lietz} und Seebohm\IN{\seebohm} und Wyneken\IN{\rjwyneken}, er erzählt viel von \sout{Wyneken}\IN{\rjwyneken} Bieberstein\IO{Bieberstein}\II{\bieberstein}.\fnE{Schloss Bieberstein bei Fulda war seit 1904 eine Hermann-Lietz-Schule.} Abends erzählt er von Narwik\IO{Narwik}, Norwegen\IO{Norwegen}, Lappland\IO{Lappland}, den Erzdampfern. Es schneit und ist unsichtiges Wetter. Deshalb wird Angriff der Russen befürchtet. Befehl vom Leutnant kommt: Die Patrouillen sollen auf 3 Mann verstärkt werden, überall Feuerwache, erhöhte Alarmbereitschaft. Allmählich ist uns das tatsächlich lästig, wir glauben doch an nichts mehr. Und dabei soll ich noch als Oberjäger vom Ortsdienst 2x nachts die Quartiere revidieren! Es gibt noch etwas Post. Hagmann\IN{\hagmann} kommt; er liegt im Ölberghaus\IO{Pohar!Ölberghaus}, auf dem exponiertesten Posten, und ist so ruhig wie je. Er sagt auch, dass es Pflicht des Führers ist, die Leute zu beruhigen und nicht aufzuregen. Middeldorpf\IN{\middeldorpf} und der Leutnant sind sich nicht einig über die Zahl der Feldwachen usw. auf dem Pohar\IO{Pohar} und dem \textit{MG}-Berg\IO{Zwinin!Berg}. Middeldorpf\IN{\middeldorpf} will hinauf, nimmt mich mit. Auf dem \textit{MG}"~Berg Rothe\IN{\rothe}, und 3 andere im Unterstand beim \textit{MG}. 2~Skimelder schi\discretionary{k-}{k}{ck}en wir nach Hause; 2,~die auf den falschen Pohar\IO{Pohar} gelaufen sind, nehmen wir mit. Hinab, über den Bach, hinauf, zur Feldwache auf den richtigen Pohar\IO{Pohar}, unserem Patrouillenberg. Ein Doppelposten steht dort vorn am Schützengraben, einer hinten am Waldrand. Der weiß nicht einmal, wo die Russen liegen. Weiter den Patrouillenweg. Zu den Hütten hinab. Den Kolonnenweg um den Berg; glatte Abfahrt, Middeldorpf\IN{\middeldorpf} saust hinab. 12\textsuperscript{h}~sind wir zurück. Wir legen uns ruhig schlafen; selbst Middeldorpf\IN{\middeldorpf} ist durch die Fahrt ganz ruhig geworden und zieht die Schuhe aus. Das Wetter hat sich ja auch aufgeklärt, und wir hatten die ganzen Berge besehen können; das war ein Genuss und wirkt enorm beruhigend. Ich bin Wachhabender, schlafe aber und lasse mich einfach immer durch die Posten wecken. Meist höre ich sie an der Haustür und empfange sie schon mit der elektrischen Lampe. Ich träume dazwischen und wimmere mich wach.\tboneA{215}~\neueseite{541427} \tbentry{3}{3}{1915}{} Fauler Tag; lese die Kronprätendenten\IW{\kronpraetendenten}.\fnE{Drama von Henrik Ibsen. Siehe LL \refcn{701}.} Abends beim Feldwebel Löhnung geholt. \tbentry{4}{3}{1915}{} Vormittags Befehl vom Regiment: Patrouille soll Stellung der russischen Artillerie erkunden, die auf Orawa\IO{Orawa} schießt. Also \uline{Versuch, über den Kamm zu kommen}. Ich melde mich freiwillig. Es kommt Nachricht vom Leutnant, er freut sich, dass sich Leute gemeldet haben, er hält die Sache aber für unausführbar und meldet das dem Regiment. Also brauchen wir nicht. Plötzlich Befehl: Der Major wünscht es trotzdem, er glaubt, dass links von $\Delta{}$~943, wo die rechte, angreifende Kolonne war, eine Lücke von 200\,\textit{m} ist. Wir essen noch Schokoladenreis, dann los. Mit Drewski\IN{\drewski}, von Schmude\IN{\schmutte}, Koch\IN{\koch}. \gestrunl\ Zum Leutnant\IN{\graebsch}, er will nicht, dass wir uns \gestrunl\ unnötig aufs Spiel setzen. Vielleicht können wir wenigstens sonst etwas erkunden. Die russische Artillerie feuert heute nicht. Erst nach Orawa\IO{Orawa}. Der Posten weiß, dass gestern Schrapnells gekommen sind. Von \textit{NNW} her. Fort fahren durch die Schlucht zwischen falschem Pohar\IO{Pohar} und {\lspitz}Domberg{\rspitz}, wie vorgestern Nacht. Dann rechts über den Bach. Da steht der letzte Posten. 5\,\textit{min}.~Pause. Weiter hinauf. Nach einigen Minuten sind wir an dem Punkt, wo damals in der Nacht Diener\IN{\dauer} und Mertens\IN{\mertens} schon umgekehrt sind, wie Koch\IN{\koch} berichtet. Weiter hinauf, fast immer durch Wald gedeckt. Einmal gewartet. Nahe Schüsse auf beiden Seiten. Übers Feld links hinüber. \gestrunl\ In den Wald gehorcht; nur Astgeräusch. Es wird schon bedenklich. Rechts hinüber. \gestrunl\ Schützengraben der 12.~Kompanie. Weiter hinauf. Koch\IN{\koch} vermutet (vielmehr ,,weiß``) in jedem Walde Feldwache oder Besetzung. Schließlich nahe am Kamm. Noch etwas hinauf, Ausblick nach rechts. Vor jeder Höhe des Kammes Schützengraben; in dem nächsten Leute; vor den Sätteln einfache Drahtverhaue aus gekreuzten Stäben; \htmlimg{abbimtext/drahtverhau.jpg}{height:1em;margin-bottom:-0.2em} \latexonly{\hbox{\includegraphicscn[height=10pt]{abbimtext/drahtverhau.jpg}{}}}~4\,\textonequarter{}\textsuperscript{h}. Skizze gezeichnet. Zurück. Nach \textit{W} hinüber. \sout{Schwierig} Ich will nicht ganz hinunter, sondern auf halber Höhe zur Schlucht rechts von $\Delta{}$ 1038. Abstieg in die erste Schlucht\IO{Zwinin!Schlucht} beschwerlich; dann bald Skispuren (wohl von den Verbindungsleuten von vorgestern Nacht). Waagerecht hinüber. Auf die Lichtung, wo ich mit der 8 Kompanie hinaufgegangen bin. Auf dem Heustadel\IO{Zwinin!Heustadel} \textonequarter{} oder \textonehalf{} Stunde Pause. Gegessen; Schnee und kalter Wind. Es wird dunkel. Hinüber an die Schlucht, rechts hinauf. Koch\IN{\koch} weiß wieder überall Feldwachen. Trotzdem weiter. Dann nach links über den Bach, und langsam weiter hinauf. Eine russische Fußspur kommt zum Bach hinab. An einer Stelle zögern wir. \pagebreak Dann zum Wald hinauf und am unteren \tboneA{216} Wald entlang weiter, bis zur Waldecke. Da stehen wir, horchen lange und flüstern. 6\,\textonehalf{}\textsuperscript{h} vor uns weiße Fläche, dann der Kamm. Zu dunkel, um Gräben zu erkennen, links oben einiges Gehölz. Sollen wir wirklich weiter zum Kamm. Irgendwie müssen wir feststellen, ob vor uns Leute sind. Wir stehen lange. Da hören wir Husten, 1\,\hbox{--}\,200\,\textit{m}. Wir entschließen uns zum Umkehren. Bleiben diesseits der Schlucht. Hinab, über den Bach, zu Pohar\IO{Pohar} und \textit{MG}"~Berg. Gleich zum Leutnant, 8\textsuperscript{h}. \gestrunl\ Er hatte gerade Leute nach uns schicken wollen. Freut sich, dass wir so weit gewesen sind; über Skizze und genaue Angabe der Drahtverhaue.~\neueseite{541431} Ich kriege Tee, während ich anhand der Karte die Meldung mit genauen Angaben schreibe. Dazu wird die Skizze gelegt. \sout{Nachher} Er erzählt, dass Hettmer\IN{\hettmer} ihm aus München\IO{München} geschrieben hat: Auf dem Bataillonsbüro sagt man, dass wir nicht aufgelöst, sondern dem Infanterieregiment 43 zugeteilt werden. Er \gestrunl\ ist energisch dagegen. Renz\IN{\renz} will nach München\IO{München} fahren, um das zu ändern. Nach Hause,~9\textsuperscript{h}. Noch Post da; mit Middeldorpf\IN{\middeldorpf} usw. gemütlich gesessen und gegessen, auch Thilo\IN{\thilo} da. Erst 12\textsuperscript{h} zu Bett. \tbentry{5}{3}{1915}{} Fauler Tag, Kunstwart\II{\kunstwart} gelesen. Etwas geschrieben. Drewski\IN{\drewski} zieht wieder los, um \uline{die Heustadel in Brand zu stecken}, mit Sömmer\IN{\sommer} und Wagner\IN{\wagner}. Gestern ist der Befehl dazu leider zu spät gekommen, nachdem wir schon weg waren. 6\textsuperscript{h} abends halte ich Appell ab; nur Verlosung der Wachverteilung. Abends etwas Post, Briefe von \textit{T}\IN{\tilly} und Cha\IN{\elisabeth}.\fnE{Vgl. Elisabeth Schöndube an Carnap, 16.\,II.\,1915, Briefkonzept (ES).} Man hört aus München\IO{München}, wir würden der Infanterie überwiesen; aus Berlin\IO{Berlin}, wir würden aufgelöst. Man bespricht unsere Hoffnungen. \tbentry{6}{3}{1915}{} Nachmittags \textonehalf{}\,3 \uline{Übungsfahrt} am Hang. \uline{Skikjöringübung} auf der Straße. 6\textsuperscript{h} Appell: Middeldorpf\IN{\middeldorpf} bekommt das Eiserne Kreuz; einige andere eine Belobigung. Abends etwas Post, Ruges\IN{\ruge} Brief. Alarmbereitschaft, weil morgens Angriff. \tbentry{7}{3}{1915}{} Der Leutnant ist unzufrieden, dass der Unteroffizier vom Dienst sich nicht mehr meldet und nicht mehr nachts revidiert (es stellt aber nur Hagmann\IN{\hagmann} einen Posten, und auch nicht immer). Wunderschönes Winter\-wetter. Post muss kommen, die \uline{Vorräte sind alle aufgezehrt}. Speck oder Schmalz zum Brot ist mir jetzt zu fett (weil nicht genug Bewegung?). Abends mit Middeldorpf\IN{\middeldorpf} Revision über den Pohar\IO{Pohar} und zum Ölberghaus\IO{Pohar!Ölberghaus},~6\,\hbox{--}\,8. \tboneA{217} \tbentry{8}{3}{1915}{} Früh 4\,\textonequarter{} zur Revision des Ölbergpostens\IO{Ölberg}. Vergeblicher Versuch, die Skier anzuschnallen, eingedrückter Backen.\fnE{Beschädigung der Skibindung.} Zu Fuß auf den Ölberg\IO{Ölberg}. Eisig kalt, schätze auf 15\textsuperscript{o}. Die armen Kerle müssen da oben stehen. 6\textsuperscript{h}~beim Leutnant gemeldet; schriftliche Meldung über die Revision abgegeben. Nachmittags \textonehalf{}\,3 ,,\uline{Sportfest}``. Skikjöring fällt aus, weil die Pferde nicht genug zu fressen haben. Übungsfahrt auf den Pohar\IO{Pohar}, allerhand Waldschwierigkeiten usw.; Beobachtung der russischen Gräben auf $\Delta{}$~1091; kein Mensch zu sehen. Abfahrt über die Wiese mit Stemmbögen, Hub. Feldwebel Nietzschke\IN{\nietzschke} immer als letzter, will aber auch mit. Voll Sorge hat er gemeldet, dass bei seinem Hause immer Kugeln gehört werden; natürlich verirrte, über den Pohar\IO{Pohar} hinüber. Abends ein Fischlein (von zu Hause) geschlemmt. Müde, früh zu Bett. \tbentry{9}{3}{1915}{} Endlich 3 Briefe von zu Hause. Mit Middeldorpf\IN{\middeldorpf} etwas Ski geübt. Middeldorpf\IN{\middeldorpf} hat Post, und wir kriegen Süßigkeiten, statt der ewigen Pellkartoffeln. Nachts soll wieder ein \uline{Angriff} stattfinden. Deshalb mit Middeldorpf\IN{\middeldorpf} und Leutnant auf den \textit{MG}-Berg {\lhaken}\textsp{Falscher Pohar}{\rhaken} und die gegenüberliegenden Schluchten und Wälder besehen. Zum Regimentsstab hinunter. Da sagt uns der Leutnant, abends sollen sich 9~Mann, je~3 für die 3~Kolonnen, melden; das sei aber keine Aufgabe für Oberjäger. Infolgedessen gehen Diener\IN{\dauer} und ich nicht mit. 8\,\hbox{--}\,10 mit Prosch\IN{\protz} Pohar\IO{Pohar}-Patrouille. Dann sitze ich noch mit Middeldorpf\IN{\middeldorpf} und Rothe\IN{\rothe} zusammen, der über das Schicksal von Hauschild\IN{\hauschild} und den andern Skiläufern, die die Infanterie führen~\neueseite{541433} sollen, sehr beunruhigt ist. Er glaubt, sie würden trotz der Verhaltensmaßregeln unseres Leutnants zu sehr ausgenutzt werden und immer vorgeschickt werden, wenn es gälte, eine Feldwache aufzuheben oder eine Stellung zu erkunden. In Wirklichkeit war's aber nicht so schlimm. \tbentry{10}{3}{1915}{} Es kommt Nachricht, dass \uline{einige feindliche Stellungen genommen} sind, aber unter Verlusten. 370 Mann sind gefangen und 3 \textit{MG} genommen. \sout{Wir} Noch immer keine Post. Wir leben aus der Gulaschkanone und von Middeldorpfs\IN{\middeldorpf} Sachen. Abends 8\,\hbox{--}\,10 mit Hauschild\IN{\hauschild} Pohar\IO{Pohar}-Patrouille, starkes Schneetreiben und kalter Wind. Die beiden Melder auf dem Pohar\IO{Pohar} weise ich an, 3~$\times$ nachts eine 1"~stündige Patrouille nach \textit{NW} hin zu laufen. Alarmbereitschaft! \tbentry{11}{3}{1915}{} Der \gestrunl\ erwartete Nachtangriff der Russen ist nicht eingetroffen. Infanteriekolonnen kommen durch, teils von über Dolski\IO{Dolski} her, teils waren sie zur Sicherung in Unterständen zwischen hier und Krywe\IO{Krywe}. Einige ko\-\tboneA{218}chen bei uns Kaffee, und wir geben ihnen Speck usw. Es schneit wieder den ganzen Tag. Ich bin die Nacht Wachhabender, laufe also keine Patrouille. Die Infanterie macht wieder Angriffe. Es schneit den ganzen Tag, und nachts ist kalter Schneesturm. Abends sitzen wir noch lange zusammen, mit Thilo\IN{\thilo}. Middeldorpf\IN{\middeldorpf} wird wegen der Ansichtskarte der Schauspielerin geneckt. Es kommt Nachricht, dass die einjährig Gedienten zu \uline{Offizierskursen} in die Heimatsregimente zurückgerufen werden sollen; Thilo\IN{\thilo} freut sich kolossal. \tbentry{12}{3}{1915}{} Schmude\IN{\schmutte} kommt als Melder vom Regimentsbüro zurück und erzählt. Die Infanterie hat einige Gräben genommen, aber viele Verluste. Viele haben erfrorene Gliedmaßen; manche sind gefangen genommen, weil sie mit den steifen Fingern nicht abdrücken konnten. Es sind aber auch Russen gefangen genommen. Ein Kriegsfreiwilliger der Infanterie hat gesagt, dass er wahrscheinlich auch zum Kursus nach Hause gerufen wird; am 20.\,III. Ob das auch für uns Artilleristen gilt?! Prachtvolles klares, kaltes Winterwetter. Hagmann\IN{\hagmann} läuft wegen des Befehls für Offiziersaspiranten zum Bataillon; dort ist tatsächlich ein Divi\-sionsbefehl steckengeblieben. Der wird gebracht: Geeignete Einjährige der Infanterie, Schützen und Jäger, sollen zum 20. zu den Ersatztruppenteilen zurück; \uline{am 24. beginnen die neuen Kurse.} Große Aufregung allerseits und Besprechung in unserem Quartier. Es wimmelt, Thilo\IN{\thilo} und Middeldorpf\IN{\middeldorpf} legen Vorteile und Nachteile für uns Artilleristen dar. Wir entschließen uns dazu, als \textit{MG}. Abends Liste derer, die sich dazu melden, zu Nietzschke\IN{\nietzschke}; dieser lässt leider noch das alte Regiment dazuschreiben, sodass wir als Artilleristen usw. da stehen, (und nicht \textit{MG} angeben~(?)). Morgens \sout{me} kommt Wagner\IN{\wagner} vom Zwinin\IO{Zwinin} zurück und meldet, dass \uline{Söm\-mer\IN{\sommer} verwundet} ist. 4~Beinschüsse, aber nur Fleischschüsse. Sie sind zu der alten Stelle des Bataillonsstabes gegangen; dieser hatte sich zurückgezogen. Sie kamen in mörderisches Feuer. Sömmer\IN{\sommer} fiel hin, Wagner\IN{\wagner} schnallte sich und Sömmer\IN{\sommer} ab, und zog ihn etwas hinunter. Dann lief er zur Infanterie. Die Infanterie wollte nicht, aber der Feldwebel befahl streng, der Skiläufer müsse unbedingt geholt werden. Deshalb gingen 2 mit. Sie zogen ihn hinab in die Deckung. Dabei wurden beide Infanteristen verwundet. Sömmer\IN{\sommer} wurde dann sofort abtransportiert. Wagner\IN{\wagner} glaubte, er sei schon nach Tucholka\IO{Tucholka}. Mittags Meldung, er sei noch da. Ich laufe etwa 7\,\textit{km} weit, bis hinter Orawa\IO{Orawa}, finde ihn nicht. Ich fahre mit Hauschild\IN{\hauschild} und dem Schlitten zurück. Abends kommt Meldung, er sei in Orawa\IO{Orawa} und wünsche~\neueseite{541435} \mbox{Wäsche}. Ich fahre nachts mit Middeldorpf\IN{\middeldorpf} hin, wir finden ihn nicht. \tboneA{219} \tbentry{13}{3}{1915}{} Vormittags Meldung, Sömmer\IN{\sommer} sei noch in Orawa\IO{Orawa}. Ich fahre mit Wagner\IN{\wagner} und dem Sanitätsgefreiten {\lspitz}Dorn{\rspitz}\IN{\dorn} hinunter. Wir finden den Verbandsplatz. Der Stabsarzt gibt schriftlich, dass er nach Tucholka\IO{Tucholka} transportiert ist, und gut und warm versorgt. \sout{Ich} Bei der Rückkehr ist Post da. Ich muss aber noch erst zum Leutnant, um mich als Oberjäger vom Dienst zu melden. Abends die Patrouille oben auf der Waldwiese\IO{Zwinin!Waldwiese} revidiert. \tbentry{14}{3}{1915}{} Früh 4\textsuperscript{h} den \uline{Leutnant zur Revision abgeholt}. Zur Feldwache auf den Pohar\IO{Pohar} hinauf. Zum Posten. Bald kommt unsere Patrouille (König\IN{\koenig} und einer von den 9 Neuen). Der Leutnant ist unzufrieden, dass die Patrouillen nicht auf den falschen Pohar\IO{Pohar} gelaufen sind. Zum Posten zurück und unter dem Wald entlang, über den Bach, und zum falschen Pohar\IO{Pohar} hinauf. Wir geraten aber in den Wald und brauchen 1~Stunde hinauf. Oben den Melder revidiert. Zurück, Thilo\IN{\thilo} wartet seit 1 Stunde auf die Rückkehr der Patrouille. Zum Ölberghaus\IO{Pohar!Ölberghaus}. Es sind viele Infanteristen einquartiert. Thilo\IN{\thilo} zieht zu uns; wir essen gut und reichlich. Abends ist Rothe\IN{\rothe} verschwunden. Er hat Dienst und will sich den Pohar\IO{Pohar}-Bachübergang ansehen. Er kommt spät. Er ist auf unsere Spur geraten, sehr lange im Wald geirrt, hat auf der freien Fläche dann tüchtiges Feuer bekommen. Wieder gutes Essen mit Drewskis\IN{\drewski} Mundharmonikamusik dabei. Zwischen 9~und~10\textsuperscript{h} wird draußen so hell, wir gehen hinaus, oben auf dem Pohar\IO{Pohar} brennt ein Haus der Feldwache. Etwas wärmere Nacht. Ob bald Tauwetter? Thilo\IN{\thilo} prophezeit das für den 15. (Mondwechsel), ich glaube nicht daran. Man hört, dass aus uns ein Gebirgsregiment in Berchtesgaden\IO{Berchtesgaden} gebildet werden soll; das könnte doch ganz fein werden! \tbentry{15}{3}{1915}{} Mittags kommt Post: Nähpäcklein, auch Zigaretten; Päckchen und Brief von Leni\IN{\rjleni}; \textit{B} und Gedichtbüchlein von Margret\IN{\rjmargret}; Karte von~\textit{MH}\IN{\hoermann}, dass sie meine Aufzeichnungen hat.\fnE{Möglicherweise handelt es sich um die Aufzeichnungen, die Carnap am 16.\,II.\,1915 zunächst an Mutter und Schwester geschickt hat. Vgl. auch unten den Eintrag zum 7.\,IV.\,1915.} Wir schlemmen abends hervorragend. Nachts bin ich Wachhabender = wir schlafen natürlich. Abends will noch Infanterie sich bei uns einquartieren. Der Leutnant lässt sich abschrecken, weil ,,Wachtlokal``. \tbentry{16}{3}{1915}{} Es taut ein wenig. Die Briefe noch einmal gelesen. Abends 6\textsuperscript{h} plötzlich Befehl: \pagebreak Wir müssen diesen ganzen Teil von Pohar\IO{Pohar} räumen. \sout{Es} Man \tboneA{220} spricht von ganzen Infanteriebrigaden, die herangezogen sind. Wir suchen Quartier im Tälchen jenseits der Prosch\IN{\protz}-Höhe und ziehen mit \gestrunl\ vieler Männer Hilfe ab. Rührender \uline{Abschied von Luka Kosilowitsch}\IN{\kosilowitschluka} und der Matka\IN{\matka}. Ich schleppe alles allein und werde in der \textonequarter{} Stunde ziemlich \sout{ersch} müde. Nettes geräumiges, helles \uline{Quartier, mit Webstuhl}; abends noch lange gesprochen mit Middeldorpf\IN{\middeldorpf} und Thilo\IN{\thilo}; als wir Mitternacht zu Bett gehen, reden die beiden noch lange weiter. Wir sprechen von \uline{Bügelfalten} (Tedje)\IN{\tedje} als Bildungssymptom, vom Umgang mit Mädchen usw. Nachts Middeldorpf\IN{\middeldorpf} von einiger Enttäuschung als Fahnenjunker, will auf keinen Fall Landoffizier werden; denkt jetzt an sie oft, bedauert, nicht noch länger Zeit zur Entscheidung zu haben. Man merkt, welche Enttäuschungen er mit seinen jugendlichen, aber durchaus kräftigen Idealen erlebt hat. Am anderen Tag fällt mir sein hoher breiter Schädel über dem jungen Gesicht auf. Hoffentlich rettet er sich ins zivile Leben und kommt in geeignete Umgebung; der Instinkt dafür steckt schon in ihm. Mit seinem energischen Charakter kann man \gestrunl\ ihn im zivil-(kulturellen) Leben schon gebrauchen. Wie ich wünschte, dass er zur Universität gehen würde! Aber ich halte natürlich mein Maul, wirke auch nicht indirekt darauf hin. Bei solchen Naturen wirkt eine Beeinflussung ja leicht gegenteilig. \begingroup \setlength{\aboveentryskip}{2.1mm} \tbentry{17}{3}{1915}{} 12\textsuperscript{h} als Oberjäger vom Dienst beim Leutnant gemeldet. Ein Verbindungsmann, der im Kreise läuft, wird angeordnet. Der Leutnant erklärt mir auf der Karte, wie weit die Höhen östlich 943 und die Hänge zwischen 1038 und 943 schon in unserem Besitz sind. \uline{Hagmann\IN{\hagmann} soll} nachmittags \uline{eine Feldwache aufheben}. Der Leutnant kommt selbst~\neueseite{541443} zu unserem 1\textsuperscript{h}~Appell. Hagmann\IN{\hagmann} kennt die russische Feldwache nicht. Thilo\IN{\thilo} \gestrunl\ und Prosch\IN{\protz} gehen mit dem Leutnant\IN{\graebsch} zum Stab. Es zeigt sich, dass eine ganz andere Feldwache gemeint ist, als die, die immer auf unsere \gestrunl\ Pohar\IO{Pohar}-Patrouille geschossen haben soll, eine, die ganz oben vor den russischen Stellungen liegt. Da lehnt der Leutnant ab. Ich habe Dienst. Bei der Abendrevision führe ich 8\textsuperscript{h} die \sout{Patrouille} Pohar\IO{Pohar}-Patrouille von Drewski\IN{\drewski}. Bei dem starken Harsch soll nämlich über den Kamm gelaufen und auf den Lichtungen lang gehorcht werden. \sout{Mitten auf} Wir suchen die geeigneten Horchstellen auf. Mitten auf dem Kamm begegnen uns \uline{5 Gruppen} Infanterie, die das \uline{westliche Heuhaus\IO{Zwinin!Heuhaus} als Feldwache} besetzen und Doppelposten auf die Lichtungen stellen sollen. Wir erschrecken sie durch plötzlich lauten Unteroffizier. Dem Leutnant gemeldet; unsere Pohar\IO{Pohar}-Patrouille wird als überflüssig aufgehoben. \tboneA{221} \endgroup \tbentry{18}{3}{1915}{} Morgens 9\textsuperscript{h} auf Revision. Auf dem Ölberg\IO{Ölberg} oben ist Hagmann\IN{\hagmann} mit einem der 3 gefangenen Russen (Überläufer), der Deutsch spricht und uns erklärt, in welche Wälder nachts die russischen Patrouillen kommen (ganz oben, einige 100\,\textit{m} vor den russischen Stellungen). Gewöhnlich lege sich die Patrouille, die die ganze Nacht gehen solle, oben in ein Heuhaus und schlafe. Die beiden Melder auf dem falschen Pohar\IO{Pohar} revidiert; es ist Telefon hinaufgelegt; ich melde dem Leutnant, die beiden Melder werden herunter geholt. Abends lange mit Thilo\IN{\thilo} und Middeldorpf\IN{\middeldorpf} aufgeblieben und gesprochen. Wir sind einig, dass die Anforderungen an geistige Fähigkeiten beim aktiven Offizier recht gering sind; Middeldorpf\IN{\middeldorpf} will deshalb auch keinesfalls zum Landheer. Dann spricht er von der ,,\uline{hohlen Gesellschaft}``. Wir sprechen über das geistige und ästhetische Niveau der ,,Gesellschaft`` als Schicht und über deren Symptome: Die Abendgesellschaft, die \sout{zur} Auswahlkriterien der Zulassung zur Gesellschaftsschicht (Beispiel: Volksschullehrer~-- gewissenloser Mensch aus dem Harringa\IW{\harringa}),\fnE{Popert, \emph{Helmut Harringa}. Siehe LL \refcn{187}.} die Inkonsequenz in der moralischen Beurteilung von Menschen. Middeldorpf\IN{\middeldorpf} und ich sprechen recht scharf, Thilo\IN{\thilo} verteidigt. Wir sind aber einig in \sout{der} gewissen Vorwürfen gegen die Gesellschaft, und dass mehr verlangt werden müsste an gesellschaftlicher Kultur,~\neueseite{541437} Hinblick auf die Goethe\IN{\goethe}-Zeit in Weimar\IO{Weimar} und die Renaissance; ich spreche vom Diederich'schen\IN{\diederichs} Kreise\II{\sera}. Hierin sind wir einig, nur ist Thilo\IN{\thilo} nicht so unbedingt anspruchsvoll und begnügt sich mit dem jetzigen Zustand, soweit er nicht direkt verwerflich ist und er selbst sich dabei gut unterhält usw. Er meint übrigens, er würde an meiner Stelle, wenn er so überzeugt von der besseren Idee und der Verwerflichkeit des jetzigen Zustandes wäre, mit aller Kraft für Verbesserung eintreten. Ich sage, ich bin kein Propagandist (siehe Abstinenz); glaube auch, der Allgemeinheit zu dienen (ich denke für mich ,,dem Objektiven``), indem ich meiner Befähigung entsprechend nicht Menschenbeeinflussung, sondern wissenschaftliche Arbeit leiste. Um 3\textsuperscript{h} schlafen gelegt. Diese Nacht Wachhabender. Die Pohar\IO{Pohar}-Patrouille ist ja nicht mehr, nur der ,,Pendelmann`` (Dorfpatrouille zur Verbindung: unser Quartier\IO{Pohar!Quartier}\,\hbox{--}\,Ölberg\-haus\IO{Pohar!Ölberghaus}\,\hbox{--}\,Leutnant\,\hbox{--}\,zurück), alle 3~Stunden. \tbentry{19}{3}{1915}{} Die Infanterie rückt immer weiter uns auf den Hals. Sie sitzt schon auf der Prosch\IN{\protz}-Höhe, links davon wird ein \textit{MG} aufgestellt. Infolgedessen pfeift's um unser Haus; \pagebreak mit dem Glas können wir sehr schön über die \tboneA{222} Prosch\IN{\protz}-Höhe weg und durch die Schlucht zwischen Pohar\IO{Pohar} und Ölberg\IO{Ölberg} die russischen Stellungen besehen. Geschrieben, \sout{gestern und} gestern Kartenskizze gezeichnet und durchgepaust. \sout{Nacht} \uline{Es pfeift immer ums Haus}, wahrscheinlich verirrte Schüsse, \gestrunl\ die der neuen Feldwache links auf dem Pohar\IO{Pohar} gelten; vielleicht auch gezielte, da anscheinend besonders heftig, wenn sich einer zeigt. Nachmittags Post: Ich habe kein Päckchen, nur Briefe von \textit{T}\IN{\tilly} und {\lspitz}Metz{\rspitz}\IN{\metz}. Ich \uline{spreche mit Middeldorpf}\IN{\middeldorpf}, ob er sich wohl befriedigt fühlen wird als \uline{Seeoffizier, ohne geistige Tätigkeit}. Ich erzähle von meinem Studiengang, wie ich mir Zeit genommen, nicht gleich ein festes Ziel gewählt, und erst später meine Begabungen kennengelernt habe. Auch von Baedeker\IN{\baedeker} usw. Draußen regnet's etwas. Man erzählt, es sei Nachricht vom 1. Trupp, der in Tucholka\IO{Tucholka} liegt, dass wir 1.\,IV. in München\IO{München} aufgelöst würden, 25. III von \textit{Volocz}\IO{Volocz} führen. Abends \textonehalf{}\,9 geh' ich mit Middeldorpf\IN{\middeldorpf}, der Dienst hat, auf Revision. Ölbergposten\IO{Ölberg}, Hagmann\IN{\hagmann} sagt, dass anderntags auch Middeldorpf\IN{\middeldorpf} mit Prosch\IN{\protz} ins Ölhaus\IO{Pohar!Ölhaus} soll. Ich bin zu müde und fahre nach Haus; fest geschlafen. \tbentry{20}{3}{1915}{} Rothe\IN{\rothe} kommt und erzählt, dass \uline{der Leutnant sich (den Trupp) der Infanterie immerfort anbietet}, obwohl nichts mehr für uns zu tun ist, und sich dadurch lächerlich macht. Er ironisiert und bringt uns alle heftig zum Lachen, will zu Hause eine Operette über Leutnant und Nietzschke\IN{\nietzschke} schreiben. Nachts mit Thilo\IN{\thilo} im Bett (zum ersten Mal in den Karpaten\IO{Karpaten}) als Wachhabender. \tbentry{21}{3}{1915}{} \uline{Prachtvolles Sonnenwetter.} Schreibe. 1\textsuperscript{h} nach dem Appell mit Thilo\IN{\thilo} losgefahren, etwas Bogen und Schwünge geübt, dann Revolverschießen auf die Hüttentür, und in den Schnee: Große Einschießlöcher. Hinauf zum \uline{Dautski}\IO{Dautski}; immer herrlicher der Blick auf den Zwinin\IO{Zwinin}. Die Berge rechts und besonders links vom Zwinin\IO{Zwinin}. Ganz hinauf. Auf die andere Seite. Prachtvoller Blick in das weite Tal drüben. Alles sieht so nah aus in der klaren sonnigen~\neueseite{541441} Luft. Viele Wildspuren, Hirsche; Hasen. Hinüber in den Buchenwald\IO{Buchenwald}, dann auf einen Rammelplatz.\fnE{Platz, an dem sich Hasen und Kaninchen paaren.} Ein Revolverschuss scheucht keine Tiere auf. Abfahrt, erst etwas rutschig auf steilem Harsch, dann wunderbare Fahrt in elastischer Schwebe hinab; dann weiter auf die Vorhügel und hinunter. Bald kommt Post, viel Briefpost: Lisis\IN{\rjlisi} Brief aus Berlin\IO{Berlin}, Lenis\IN{\rjleni} Brief mit Bj\o{}rnsons\IN{\bjoernson} Synn\o{}ve Solbakken\IW{\bjoernsonsolbakken}\fnE{Siehe LL \refcn{708}.}, Kunstwart\II{\kunstwart}, Kriegsflugblatt \tboneA{223} für die Meißner Jugend\II{\rjfreideutschejugend} (darin die Wandervogelnovelle\II{\wandervogel} ,,Der Klotz und die Ursch``),\IW{\klotzursch} Hilfe\II{\hilfe}, Wynekens\IN{\rjwyneken} Rede\IW{\wynekenrede}.\fnE{Wyneken, \emph{Der Krieg und die Jugend}. Siehe LL \refcn{709}.} Abendessen. Man konstatiert, ich esse überhaupt zu viel; Nikotin und Alkohol schade weniger. Noch allerhand gelesen. \tbentry{22}{3}{1915}{} Es kommt Befehl vom Leutnant: Thilo\IN{\thilo}, Hagmann\IN{\hagmann}, Rothe\IN{\rothe} und eine ganze Anzahl Schützen (namentlich bestimmte) sollen zu einer Patrouille kommen. Geheimer Befehl von der Division. Ich bedauere lebhaft, nach der langen Untätigkeit diesmal nicht mitzukommen. Wir vermuten, es handelt sich um Untersuchung von 1091 und Renzhöhe\IO{Renzhöhe} und der Schluchten und russischen Stellungen dort; vielleicht ist bald ein Infanterieangriff in dieser Gegend geplant, als Überraschung; die Russen hatten hier bisher keinen Gegner vor sich liegen. Mittags kommt die Patrouille wieder; Resultat: Die Zeichner nehmen die Gegend von verschiedenen Punkten auf, das ist alles. Nachmittags \textonehalf{}\,4 Besprechung beim Leutnant. Er schickt die \sout{Karten} Skizzen der Zeichner mit angegebenen Anmarschwegen (8 bzw. 5~Stunden von der Straße bis zum Sammelplatz) nach Tucholka\IO{Tucholka} an die Division, über Oberleutnant von Renz\IN{\renz}. Dabei Text, der auf die Schwierigkeiten genügend hinweist. Der Leutnant hat sich selbst überzeugt, dass diese Gegend zum Angriff jetzt, nachdem die Russen auch hier genügend Befestigungen angelegt, wohl ebenso viele Schwierigkeiten bietet, wie die bisherige (weiter rechts). Belgardt\IN{\belgardt} besucht und ein neues Wachtbuch erbettelt. Auf dem Pohar\IO{Pohar} rechts und links bei den Feldwachen die Melder revidiert und die Gegend erklärt. Auf dem Kamm ist jetzt getretener Infanterieweg; in der Mitte auf einer Lichtung Schützengraben mit Doppelposten. \sout{7\textsuperscript{h}} 7\textsuperscript{h} zurück, Appell, dann ins Ölhaus\IO{Ölhaus}, \uline{Middeldorpf\IN{\middeldorpf} besucht}. Prosch\IN{\protz} geht gerade mit 4~Mann auf eine Patrouille. Middeldorpf\IN{\middeldorpf} bewirtet mich gut. \uline{Wir sprechen über Thilo\IN{\thilo}}, Middeldorpf\IN{\middeldorpf} hält ihn für klug, ja schlau, aber doch auch oberflächlich; er meint, allerhand in Bieberstein\IO{Bieberstein}\II{\bieberstein}\fnE{Hermann-Lietz-Schule im Schloss Bieberstein. Vgl. TB~2.\,III.\,1915\diaryref{TB-2-III-1915}.} angelernt. Ich meine umgekehrt: Bieberstein\IO{Bieberstein}\II{\bieberstein} hat den gesunden Kern in ihm entwickelt, während irgendwelche sonstige Umgebung ihn durch ihre Umgangsformen und Ton zur Oberflächlichkeit beeinflusst hat; Schwierigkeit der Erziehung bei so häufigem Wechsel, und früh aus dem Elternhaus. Ölbergposten\IO{Ölberg} oben revidiert. \tbentry{23}{3}{1915}{} 6\textsuperscript{h} beim Leutnant gemeldet. Hygienische Maßnahmen: Cholera-Impfung nachholen, Latrinegruben. \pagebreak Wieder wunderschöner Tag. Belgardt\IN{\belgardt} \tboneA{224} besucht uns. Geschrieben. Nachmittags Feldpost, Brief von Mutter\IN{\rjcarnapmutter} (sie und Agnes\IN{\agnes} gehen jetzt auf Reise, Darmstadt\IO{Darmstadt}, Freiburg\IO{Freiburg}, Lichtental\IO{Lichtental}) Gretel Fath\IN{\gretel}, Hans Rothe\IN{\rothehans}. Nachmittags sind Leutnant, Thilo\IN{\thilo}, usw. auf Patrouille: Abends spät zurück, sie haben sehr schöne Fahrt gemacht, über den Dauzki\IO{Dauzki}, bis zur Gardedivision. Inzwischen vertrete ich Thilo\IN{\thilo} bei Appell usw. und mache die Wacheinteilung; nur mit Mühe und ziemlicher Beanspruchung der Leute geht's.~\neueseite{541439} \tbentry{24}{3}{1915}{} Morgens etwas wolkig, dann \uline{herrliche Sonne}. In der Nacht haben wir starkes Feuer von Infanterie und \textit{MG} gehört. Morgens Nachricht: Ein russischer Angriff ist abgeschlagen worden. Ich lese \uline{Synn\o{}ve Solbakken}\IW{\bjoernsonsolbakken}, sitze dann auf dem riesigen Schwellenstein am Türpfosten in der Sonne und vertiefe mich ganz ins Buch, lebe in einer andern Welt. Dann lege ich mich auf Schmudes\IN{\schmutte} Lager, auf den Baumstamm gebettet, träume in den blauen Himmel hinein. Leni\IN{\rjleni} schrieb, dass sie bei den nordischen Erzählungen oft an mich denkt. Ich glaube \editorstr{ich}, ich bin diesen Menschen irgendwie innerlich verwandt; ich kann so gut mit ihnen fühlen. Warme Sonne, blau-weißer Schnee auf allen Bergen, frühlingswarme Luft; man lebt auf. Man glaubt wirklich zu fühlen, jetzt muss es bald kommen: Sieg und Frieden (so schrieb auch Gretel Fath\IN{\gretel}~(?), ,,Und ist doch noch so lang bis dahin.``). Nachmittags einen Lagerplatz im Schnee geschaufelt, ein Flieger brummt, etwas geschrieben. \uline{Wyneken\IN{\rjwyneken}\IW{\wynekenrede} gelesen.} [Ziel des Krieges nicht politisch, sondern ethisch: Nicht ,,größeres Deutschland\IO{Deutschland}``, sondern ,,jüngeres Deutschland\IO{Deutschland}``; innere Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit. ,,Sorgen wir nur für Kultur in Deutschland\IO{Deutschland},~-- deutsche Kultur wird sie dann von selbst werden.``] \tbentry{25}{3}{1915}{} Oberjäger vom Dienst. 12\textsuperscript{h} zum Leutnant. Wenn in der Schlucht zwischen Ölberg\IO{Ölberg} und Pohar\IO{Pohar} tatsächlich vor unserm Posten ein Infanterieposten steht, soll unserer unbedingt weiter vor, um mit dem andern zu ,,\uline{konkurrieren}``. Nachmittags Feldpost, sehr reichlich. 10 Pakete, ein großes Paket von Pfarrer Ferling\IN{\ferling}, in Mutters\IN{\rjcarnapmutter} Brief ein Brief von Cha\IN{\elisabeth} an Agnes\IN{\agnes}, ein Brief von Lotte\IN{\lotte}; germanisches Heldentum\IW{\germanischesheldentum}.\fnE{Neckel, \emph{Germanisches Heldentum}. Siehe LL \refcn{711}.} 6\textsuperscript{h} auf Revision gefahren, es war Tauwetter, jetzt abends Harsch; schon viele schneefreie Stellen. Pohar\IO{Pohar} rechts, Kamm links, in die Schlucht hinab, Ölberghaus\IO{Pohar!Ölberghaus}. Mit Middeldorpf\IN{\middeldorpf} hinein. Prosch\IN{\protz} bewirtet mich mit Bratkartoffeln und Sauerkraut. Aussichten auf baldiges Fortkommen werden besprochen. Mit Prosch\IN{\protz} Ölbergposten\IO{Ölberg} revidiert; linker Schluchtposten, weit vorgeschoben, \tboneA{225} wird durch Rauschen des Baches gestört; es findet sich aber kein besserer Platz. Nach Hause. Zwischen 11 und~12. Noch etwas gelesen. \tbentry{26}{3}{1915}{} \sout{Den ganzen} 6\textsuperscript{h} beim Leutnant \gestrunl\ gemeldet. Wieder ins Bett. Den ganzen Rucksacküberzug vollgepackt, zum\fnA{Original \original{zur}.} \uline{Rucksackerleichtern}. Wir dürfen nämlich Sachen ins Depot Tucholka\IO{Tucholka} schicken. Die Anzeichen, dass wir bald wegkommen, mehren sich. Auch Päckchen nach Hause geschickt. Gelesen, geschrieben. Ich lasse von Domrich\fnE{Buchhandlung in Naumburg.} ,,Germanisches Heldentum``\IW{\germanischesheldentum} an 9~Bekannte schicken. An \textit{T}\IN{\tilly} und Cha\IN{\elisabeth} geschrieben. \tbentry{27}{3}{1915}{} Es kommt Befehl: Morgen muss ich mit meiner Korporalschaft ins Ölhaus\IO{Pohar!Ölhaus}. Da gibt's mehr Dienst, besonders für die Leute, aber ganz interessant: Selbstständigkeit, und weiter vorne. Ich würde mich freuen, wenn Middeldorpf\IN{\middeldorpf} dabliebe. 1\textsuperscript{h} muss ich mit Drewski\IN{\drewski} zum Leutnant. Damals in der Nacht, als ich mit Middeldorpf\IN{\middeldorpf} fuhr, um den verwundeten Sömmer\IN{\sommer} zu suchen, hätte ich nicht den Drewski\IN{\drewski} zum Stellvertreter ernennen sollen, der bald selbst wegmusste. Prosch\IN{\protz} hat gesagt, dass \uline{Drewski\IN{\drewski} und Diener\IN{\dauer} ihre Patrouille nicht gelaufen sind}. Diener\IN{\dauer} hat zum Leutnant~\neueseite{541449} gesagt, Drewski\IN{\drewski} habe das aus Müdigkeit vorgeschlagen. Drewski\IN{\drewski} ist empört. Der Leutnant sagt, er will die Sache auf sich beruhen lassen, um des Rufs des Trupps willen. Drewski\IN{\drewski} erzählt, dass Diener\IN{\dauer} überhaupt in seinem Quartier\IO{Pohar!Quartier} hat bleiben wollen, aber Prosch\IN{\protz} sie auf die Patrouille gejagt hat. Dann hat Diener\IN{\dauer}, weil's schon spät war, zur Rückkehr aufgefordert, unten wieder Prosch\IN{\protz} getroffen, und ist sehr erschreckt gewesen. Ich glaube Drewski\IN{\drewski} mehr; Diener\IN{\dauer} ist ein unzuverlässiger Charakter. Nachmittags aus dem ,,Rucksackerleichterungsbeutel`` die Händel\IN{\rjhaendel}-Sonaten wieder herausgeholt.\fnE{Händel, \emph{Violinsonaten}. Siehe LL \refcn{709}.} Jenen selbst zur Bagage geschickt. Wieder mal Händel\IN{\rjhaendel} gepfiffen. Es gibt Feldpost. Nicht viel. Ein kurzer Brief von Eva\IN{\eva}: Alle Gedanken bei der Arbeit, Verwundetenpflege. Abends wird großes Trara mit dem Hauspärchen (Fedor\IN{\fedor} und Maruschka\IN{\maruschka}) getrieben, mit Mundharmonika-Begleitung. \tbentry{28}{3}{1915}{} \uline{Am Palmsonntag Zug auf den Ölberg.} Vormittags aller Kram zusammengesucht und gepackt. 12\textsuperscript{h} abgerückt. Zum Glück erleichterter Rucksack. Deshalb angeschnallt und gut hingekommen. Middeldorpf\IN{\middeldorpf} fo\-\tboneA{226}tografiert\foto{Gruppe} uns mit den Infanterie-Feldwebeln. Prosch\IN{\protz} ist noch auf Patrouille. Schwierigkeiten der Einteilung, da jeder mal die verschiedenen Posten (Höhenposten auf dem Ölberg\IO{Ölberg}, Schluchtposten links vom Ölberg\IO{Ölberg} (leider am rauschenden Bach), Krywe\IO{Krywe}-Patrouille alle 4\textsuperscript{h}) kennenlernen muss. Die Kochkiste kommt; \gestrunl\ endlich mal wieder daraus gegessen. 5\textsuperscript{h}~zur Befehlsausgabe zum Leutnant, mit Thilo\IN{\thilo}, Middeldorpf\IN{\middeldorpf}, Nietzschke\IN{\nietzschke}, Belgardt\IN{\belgardt}. \sout{Haupt} Oberleutnant Renz\IN{\renz} vermutet, dass man die Einjährigen nach Hause schicken wird, um ihnen eine ihnen zukommende, gründliche Ausbildung zu geben, da Mangel an Chargen herrscht. Am 30. sind die Truppenführer nach Tucholka\IO{Tucholka} befohlen. Da wird sich wohl einiges entscheiden. Es regnet in Strömen, und die Aussicht, in den Schützengraben zu kommen, wirkt daher jetzt beängstigend. Mit Thilo\IN{\thilo} und Middeldorpf\IN{\middeldorpf} nochmal hinaufgegangen, um einige Sachen zu holen. Der Windanzug wird durchnässt\fnA{Original \original{durchnass}.}. Feuerwachen eingeteilt, selbst bis~11 aufgeblieben, dann müde hingelegt. \tbentry{29}{3}{1915}{} Morgens ist die Stimmung allgemein besser, als es wieder hell wird. Es regnet auch nicht mehr. Holz gesägt. Mal ordentlich mit Tee gefrühstückt. \sout{10\textsuperscript{h}} 2 Leute müssen aufs Revier, Einteilungsschwierigkeiten. 10\textsuperscript{h}~selbst Patrouille nach Krywe\IO{Krywe}. 11\textsuperscript{h} kommt der Leutnant, ordnet Verbindungsgang: Pohar\IO{Pohar}-Patrouille~-- Feldwache Pohar\IO{Pohar} Westausgang an. 12\textsuperscript{h}~laufe ich diese Patrouille mit Bartezki\IN{\bartezki}. Zu Thilo\IN{\thilo} ins ,,Thilodorf`` hinab, um 2~Ersatzleute zu holen. Sind schon zum Ölhaus\IO{Pohar!Ölhaus} geschickt. Nachmittags Feldpost, reichlich, \textit{B} von Cha\IN{\elisabeth}, \textit{P} und \textit{B} von Margret\IN{\rjmargret}. \textonehalf{}\,6 Befehlsempfang beim Leutnant. Nichts Besonderes. Dann Belgardt\IN{\belgardt} besucht, Kerze bekommen. Wir haben ja so schlechte Beleuchtung im Ölhaus\IO{Pohar!Ölhaus}; die Feuerwache kann nicht lesen oder schreiben, wenn die erste Kerze aus ist. Abends noch gegessen und geschrieben, \textit{B} an Gretel Fath\IN{\gretel},~\neueseite{541451} Karte an Lisi\IN{\rjlisi}.\fnE{Carnap an Elisabeth Czapski, 29.\,III.\,1915 (WF).} Nachts verschläft sich Schmude\IN{\schmutte} um eine Stunde, die Posten verschieben sich: Koch\IN{\koch} schimpft, weil er 3~Stunden gestanden hat. Es kommt aber alles wieder in Ordnung. \tbentry{30}{3}{1915}{} Neueinteilung der Posten mit übersichtlicher Tabelle. Um 5\textsuperscript{h} früh kommt eine Anfrage vom Leutnant wegen Postenstellung auf den Chochnowka\IO{Chochnowka}, schon mit ablehnender Antwort von Thilo\IN{\thilo}; ich ebenso. Es kommt dann Befehl, \gestrunl\ je 2-mal bei Tag und bei Nacht eine Patrouille auf den ,,falschen Chochnowka``\IO{Chochnowka} zu schicken; dazu bekomme ich 4 Mann Verstärkung. Mittags gehe ich selbst mit Weihrich\IN{\weihrich} und Döll\IN{\doell} hinauf. Vorgestern \tboneA{227} war da Proschs\IN{\protz} Patrouille, wo er beschossen worden ist. Seine Spur ist zu Ende. Ich gehe natürlich noch höher. Döll\IN{\doell}: ,,Da sind wir ja beinahe auf dem Gipfel, wo die russische Feldwache ist.`` So wird man durch den Dummkopf doch etwas nervös; mit aller Vorsicht hinauf. Nichts oben, nur alte Spuren (werden Wildspuren gewesen sein). Hinunter. In die Schlucht. Den Schluchtposten 20\,\textit{m} nach rechts verlegt, damit der Bach nicht so stört; vorher mit Wagner\IN{\wagner} lustig auf allen den dort mündenden Wegen herumgelaufen. Im strömenden Regen zurück. Ich kriege kaum mein Zeug trocken. \textonehalf{}\,6 \gestrunl\ Befehlsausgabe beim Leutnant. Er war morgens beim Oberleutnant in Tucholka\IO{Tucholka}; unsere Zukunft ungewiss, der Oberleutnant hat aber der Division gemeldet, dass er 50 Mann seiner Kompanie nach Deutschland\IO{Deutschland} schicken muss, zur Ausbildung als Offiziersaspiranten. Hauptmann Giersberg\IN{\giersberg} von der 6. Skikompanie in Krywe\IO{Krywe} hat angeregt, und der Leutnant befiehlt jetzt: Die Krywe\IO{Krywe}-Patrouille soll über den Chochnowka\IO{Chochnowka} laufen. Schwieriger Weg, Gefahr wegen des lauten Harsches. Weber\IN{\webersoldat} als Führer führt \textonehalf{}\,11 mit 3~andern. \textonehalf{}\,2 zurück. \tbentry{31}{3}{1915}{} Weg zu schwierig. Deshalb gemeldet. Morgens mit Weber\IN{\webersoldat} zum Leutnant. Zeigt uns die Skizze des Hauptmanns. Ist falsch, die Schlucht geht ganz hinauf, man muss also hindurch. 10\textsuperscript{h} kommt der Leutnant selbst zu uns hinaus. Mit ihm, Weber\IN{\webersoldat} und Heidrich\IN{\heidrich} auf den Chochnowka\IO{Chochnowka}. Die ,,Hexe`` auch mit, wird \gestrunl\ auch mal an die Leine genommen, als er sich verirrt hat. Blick vom Chochnowka-Gipfel\IO{Chochnowka} zum Zwinin\IO{Zwinin} hinüber, der Kamm im Nebel. \gestrunl\ Wir bemerken \sout{an\unl} scheinbar Flaggen oben an Sträuchern. Es sind Zettel in roter, grüner und weißer Farbe mit Antwort in polnischer Sprache auf die Zettel, die wir mal (in Russisch) an die Heustadel\IO{Zwinin!Heustadel} gebracht haben. Es wird festgestellt, dass die Schlucht so unwegsam ist, dass eine ständige Patrouille hinüber nicht möglich ist. Wir suchen einen Platz für die Rufverbindung mit dem gegenüberliegenden Posten der 6.~Kompanie und können uns auch gut damit verständigen. Abfahrt. Unterwegs viele Hirschspuren, sehen oft Fußspuren täuschend ähnlich.\linebreak \textonehalf{}\,1~zurück. Ich zeichne 2~Skizzen der Gegend (mit Höhenlinien) und schi\discretionary{k-}{k}{ck}e sie zum Leutnant (für Hauptmann Giersberg\IN{\giersberg} und für die Division), der sehr zufrieden mit der Ausführung ist. \textonehalf{}\,6 Befehlsempfang beim Leutnant. Er erklärt nochmal die Wichtigkeit des Chochnowka\IO{Chochnowka}. Gefahr bei russischer Besetzung; Notwendigkeit und Günstigkeit deutscher Besetzung durch starke~\textit{FW}; schreibt Graebsch\IN{\graebsch} auch an die Division. Nachmittags gab's Feldpost, auch \textit{P} und \textit{B} von \textit{MH}\IN{\hoermann}. Abends nur die trüben Nachtlichter. Hauschild\IN{\hauschild} hat eine Kerze. Aber bald aus. Deshalb schon \textonehalf{}\,11 zu Bett. \gestrunl\ \tboneA{228} Die Leute haben jetzt immer 6\textsuperscript{h} statt 4\textsuperscript{h} Pause zwischen den Posten, weil ich die Verstärkung hier behalte, obwohl ich Chochnowka\IO{Chochnowka}-Patrouille und Krywe\IO{Krywe}-Patrouille zusammenlege.~\neueseite{541445} \tbentry{1}{4}{1915}{} Es schneit kräftig und es ist wieder alles weiß. 7\textsuperscript{h} kommt Staudt\IN{\staudt} mit der Meldung vom Leutnant, dass Hauptmann Giersberg\IN{\giersberg} schreibt, er habe auf dem \textit{NW}-Hang des Chochnowka\IO{Chochnowka} einen \textit{UO}-Posten, den soll ich feststellen lassen. Ich schicke (meine) Skizze mit der 8\textsuperscript{h} Krywe\IO{Krywe}-Patrouille, dass Hauptmann Giersberg\IN{\giersberg} oder schon der vorderste \textit{DP} oben auf dem Weg den Standort einzeichnet. Der Hauptmann zeichnet es auf den \textit{NW}"~Hang des Chochnowka\IO{Chochnowka}. Ich glaub's nicht, auch nicht der Leutnant, den ich oben bei Thilo\IN{\thilo} finde. Dieser hat nach der Karte eine feine Skizze gemacht, schraffiert, bringt sie mit dem Bericht vom Leutnant selbst nach Tucholka\IO{Tucholka} zur Division. \sout{Schneit feste, schon wieder alles weiß.} \textonehalf{}\,6~zum Befehlsempfang. Treffe am Dorfausgang den Leutnant, wir werden vom Zwinin\IO{Zwinin} durch die Pohar\IO{Pohar}-Schlucht tüchtig beschossen, nicht schlecht gezielt. Beim Leutnant kommt meine Krywe\IO{Krywe}-Patrouille zurück, hat den sogenannten ,,Choch``-\textit{UO}-Posten aufgesucht, der liegt aber jenseits der Schlucht.{\tolerance1000\par} Abends wird höchste Alarmbereitschaft von der Infanterie befohlen. Hagmann\IN{\hagmann} revidiert und besucht uns. Er hält den Schluchtposten für zu exponiert. Ich ziehe ihn an die linke Seite des Drahtverhaus zurück, wo er den Weg am Bach und den Osthang des Chochnowka\IO{Chochnowka} sichert. Ich melde das dem Leutnant. Die Meldung kommt zurück mit Vermerk ,,einverstanden``. Wir schlafen umgeschnallt. Da \gestrunl\ alle Kerzen ausgebrannt sind und wir keine Petroleumlampen da haben, müssen die Feuerwachen im Dunkeln sitzen \gestrunl\ oder immer ins Feuer kucken. \tbentry{2}{4}{1915}{} Meldung aus Krywe\IO{Krywe}. Die Quartiere der 6. Skikompanie sind gestern nachmittag mit 6 schweren Granaten beschossen worden. Sie bauen sich jetzt Unterstände. Um 8\textsuperscript{h} bei Middeldorpf\IN{\middeldorpf}, mit Apfelkraut\fnE{Süßer Brotaufstrich.} bewirtet. Mit \gestrunl\ ihm, Thilo\IN{\thilo} und Clauder\IN{\clauder} zum \uline{Dauzki}\IO{Dauzki} hinauf. Von der andern Seite kommen der Leutnant und Mertens\IN{\mertens}. Zum Artillerie-Beobachtungsstand. Wir lenken das Feuer der Haubitzen auf die Schützengräben, die den Schlucht-Posten und die Straße beim Dorfausgang beschießen. Sehr gute Beobachtung. Mehrere Treffer in den Graben. Der Major kommt und macht selbst die Beobachtung durchs schwere Fernrohr. Middeldorpf\IN{\middeldorpf} fotografiert, auch die beiden Hunde des Leutnants. Prachtvolle Aussicht; in der Sonne sind wir warm geworden, dann frieren wir oben in der \sout{kalt} klaren Luft. Schön \tboneA{228} ist der Blick auf die andere Seite. Erst weites flaches Land, dann wieder hohe Ketten. Schöne Abfahrt. 1\textsuperscript{h} zurück. Neue Wacheinteilung gemacht. Hinterm Haus\IO{Pohar!Haus} oben an dem Schuppen\IO{Pohar!Schuppen}, der als Brennholz abgebrochen wird, in der Sonne gesessen und geschrieben. Einige Tage keine Post mehr. Auch Brot wird 4~Tage lang nicht ausgeteilt. Schönes sonniges Wetter, wir liegen zuweilen in der Sonne auf dem Gras. \tbentry{4}{4}{1915}{\textit{So}, Ostern} Staudt kommt ins Ölhaus\IO{Pohar!Ölhaus}, die \textit{MG}-Leute werden abgeschoben, dadurch einiges Durcheinander. {\lhaken}\textsp{\ldots{} ?}{\rhaken} Der 15. Trupp kommt aus Tucholka\IO{Tucholka}, soll sich 24-stündig mit uns ablösen, bekommt aber von Major Dorndorf\IN{\dorndorf} Befehl, den Chochnowka\IO{Chochnowka} zu besetzen. Morich\IN{\morich} meldet das nicht an Graebsch\IN{\graebsch}, dem er doch unterstellt ist. Meine Chochnowka\IO{Chochnowka}-Patrouille meldet es. Der Trupp begegnet einer 30 Mann starken Patrouille, ein Mann tot, ein Gefreiter vermisst. Wir müssen also weiter unsern Dienst tun.~\neueseite{541447} Wir bekommen aber 20 ,,Kombattanten`` Verstärkung (kommen erst am~7. abends). Ich ziehe in die vordere sonnige Stube, Heidrich\IN{\heidrich} kocht. Brät uns immer von dem Kalb, das am Fenster hängt. \tbentry{7}{4}{1915}{} Mit Leutnant, Major und Leutnant Gabriel\IN{\gabriel} (von der Artillerie; der den Unterstand hat) auf Pohar-West\IO{Pohar-West}. Die Kombattanten bauen vorne einen langen Schützengraben auf unserm alten Patrouillen-Waldweg. Zum Ölberg\IO{Ölberg} hinauf, dem Artillerie-Offizier wird's heiß; der Leutnant meint, ihm macht's nichts, da er ja Bergschütze werden wird. Post, und abends noch einmal. Brief von Onkel Gustav\IN{\rjgustavonkel}, der meine Aufzeichnungen gelesen hat.\fnE{Vgl. TB~15.\,III. und 16.\,II.\,1915} Brief von Hans Rothe\IN{\rothehans} (seine Eltern scheinen mit seinen Plänen nicht einverstanden) und Mäusch\IN{\mausch}, mit Wollsachen, o weh! \textit{P} von Nohl\IN{\rjnohl} und Trude Holtze\IN{\rjholzetrude}. Abends schleppe ich mit Kopfschmerzen noch einen Postsack herauf. Nusskörbchen von Lisi\IN{\rjlisi} mit \textit{B}, hat meine Aufzeichnungen von Flitner\IN{\flitner} bekommen. Staudt\IN{\staudt} hat jetzt die Wache. Alarmbereitschaft. Wir machen alles fertig, entleeren den Rucksack bis auf das Notwendigste (dabei sind die Körbchen von Lisi\IN{\rjlisi}). \tbentry{8}{4}{1915}{} Die ganze Infanterie-Feldwache mit dem Feldwebel zieht ab. Wir behalten die 20 Kombattanten mit ihrem Unteroffizier, die wir mit ihr teilen sollten, für uns. Sie besetzen die beiden Unteroffiziersposten links in der Schlucht und auf dem Ölberg\IO{Ölberg} und helfen uns Postenstehen. Es gibt wieder Brot, ein ,,Trupp-Schwein``, usw. Nachmittags habe ich Lust, mal wieder eine Patrouille zu machen, Schröder\IN{\schroedersoldat}, Peter\IN{\peter} und Wagner\IN{\wagner} wollen hinauf. Der Leutnant hat nämlich gesagt, \tboneA{230} die Division hat geschrieben, sie lege Wert darauf, dass das Gelände zwischen Zwinin II\IO{Zwinin II}, 1091, 1038 durch Patrouillen erkundet wird. In der linken Schlucht holen wir uns am \textit{MG} noch Bartezki\IN{\bartezki}: Diener\IN{\dauer} und die \textit{MG}er necken uns: \sout{Wenn wir oben \unl} Damit sie sehen, dass wir wirklich bis oben zu dem weißen Schneefleck kommen, sollen wir von dort winken. Na, das haben wir ja schön getan. Links schräg aufwärts, aber oben der Sattel zwischen Chochnowka\IO{Chochnowka} und 1091 ist waldfrei, deshalb wieder etwas hinunter und ziemlich horizontal am steilen Waldhang entlang. Sehr ermüdend, tiefer Schnee, aber um die Bäume herum getaut. Durch mehrere steile Bachbetten. Schließlich in einen Hochwald. Anscheinend frisch gefällte Bäume. Es macht Spaß, mit mutigen Leuten zu gehen; wir müssen einen ungedeckten Hang zum Bach hinunter. In Abständen läuft einer nach dem anderen hinab. Auf der Renz-Höhe\IO{Renz-Höhe} scheint kein Russe aufzupassen, oder kein Posten auf dieser Seite zu stehen. Eine ziemlich kahle Schlucht hinauf, oben an den Waldrand rechts, teils davor, teils dahinter. Ein Strohschober mit scheinbarem Zweigverhau harmlos. Ebenso gleich lange Pfähle, zeltartig an einen Baum gelehnt (mit Bartezki\IN{\bartezki} aufgepflanzt daran gegangen). Vom tiefen Schnee und Regen recht nass. Weiter hinauf. An den Schneefleck. Mal nach links hinüber, da wird's aber unsicher. Rechts können wir von dem ,,Dreieck`` gesehen werden, doch fährt meist Nebel dazwischen. Mal glauben 2, drüben einen Mann vom Schützengraben hergehen zu sehen. Schröder\IN{\schroedersoldat} und Wagner\IN{\wagner} lachen Bartezki\IN{\bartezki} aus, dass er immer noch höher will, um ,,die Leute im Schützengraben einzeln abzuzählen``. Mir tut's leid, dass deren Mut jetzt doch seine Grenze erreicht hat. Ich fühle mich~\neueseite{541455} gerade heute so ruhig und könnte noch viel weiter gehen. Wir sehen dann noch über eine Böschung hinüber, gehen an einem vollen\fnA{Original \original{vielen}.} Heustadel vorbei, weiter oben 2 schon abgegraste. Plötzlich geht der Nebel weg, und wir stehen ungedeckt den Schützengräben des ,,Dreiecks`` nahe gegenüber. Schleunigst zurück. Der Heustadel wird angesteckt 6\textsuperscript{h}. Wagner\IN{\wagner} zündet sich noch eine Zigarette daran an. Da fängt's aber auch schon an zu pinken\fnE{Niederdeutsch für funkeln, glitzern.}. Ich überzeuge mich noch, dass die Flamme wirklich gefasst hat, dann schleunigst zum Waldrand und in Hast hinab in den steilen Wald, immer noch Schüsse hinter uns: Wir kugeln förmlich in dem glatten Urwald. Dann in Ruhe, aber doch ziemlicher Eile hinab zum Bach. Dann gemütlich nach Hause, meist im \gestrunl\ Bachbett. Schröder\IN{\schroedersoldat} hat sich oben von uns verloren, er findet sich unten wieder. Über dem Wald \tboneA{231} sehen \editor{wir} starken Qualm, wie von einer Fabrik, die Flamme können wir leider nicht sehen. Das \textit{MG} ist schon zur Prosch-Höhe\IO{Prosch-Höhe} geschleppt, die Leute haben nichts gesehen. \gestrunl\ 2\textsuperscript{15}\,\hbox{--}\,6\textsuperscript{\uline{45}}. Der 7\textsuperscript{h}-Höhenposten\IO{Renz-Höhe!7\textsuperscript{h}-Höhenposten} meldet, das Feuer gesehen zu haben. Es ist einer der ganz Neuen; ,,beinah ganz oben`` meint er. Heidrich\IN{\heidrich} hat das Feuer noch bis~10\textsuperscript{h} gesehen. Kurze Meldung an den Leutnant. Mertens\IN{\mertens} erzählt später, er sei zufrieden gewesen, ,,das ist ja schneidig``. \tbentry{9}{4}{1915}{} Der 13 Trupp unter Löwenhardt\IN{\loewenhart} kommt auch noch, aus Tucholka\IO{Tucholka}. Vormittags 8\textsuperscript{h} Sturmangriff. Zwinin I\IO{Zwinin I} und westlich davon wird genommen. Laute Detonationen der Minen und Gewehrgranaten. Abends ist der Kamm streckenweise in unserm Besitz. \tbentry{10}{4}{1915}{} 1038 wird genommen. Es ist zu fatal: Man weiß gar nicht, was die andern Trupps unternehmen, wenigstens wird uns hier hinaus nichts gemeldet. Ich bin so enorm unternehmungslustig. Abends beim Einschlafen denke ich an nichts als Patrouillen, Überfälle und dergleichen auf dem Zwinin\IO{Zwinin}. Man hört, Löwenhardt\IN{\loewenhart} rückte mit dem ganzen Trupp hinauf, Graebsch\IN{\graebsch} wolle auch hinauf, usw. Endlich Meldung: Löwenhardt\IN{\loewenhart} schickt 2~Patrouillen gegen 1091, Middeldorpf\IN{\middeldorpf} sagt, wenn die uns früher als wir melden, die Stelllungen seien geräumt, so wird unser Leutnant unzufrieden. Wir schicken schleunigst Brennauer\IN{\brennauer} gegen Renz-Höhe\IO{Renz-Höhe}, dann Staudt\IN{\staudt} links in die Schlucht; unser Höhen-Posten meldet, rechts von der Renz-Höhe\IO{Renz-Höhe} sieht man schon Deutsche \editorstr{in} bei den Gräben herumlaufen. Ob wir bald aufbrechen? Ich schicke schleunigst 3 \textit{P} nach Jena\IO{Jena}. Wenn unser Leutnant nur bald was unternähme oder irgendeine Verfolgungsaktion beföhle; schlimm dafür, dass Löwenhardt\IN{\loewenhart}, als der Dienstältere, den Befehl über die 3 Trupps hat, und er sehr unternehmungslustig ist. Womöglich zieht er mit seinem Trupp los, und wir sitzen hier. Brennauer\IN{\brennauer} kommt mit einem Gefangenen aus einem Unterstand, und einer Handgranate zurück, Staudt\IN{\staudt} erzählt, dass er auf der andern Seite in Orwachik\IO{Orwachik} gewesen ist. Nachmittags gehe ich zu Thilo\IN{\thilo} und Middeldorpf\IN{\middeldorpf}, um zu hören, was eigentlich geschehen wird. Wo ist der Leutnant? Auf dem Dauzki\IO{Dauzki}. Aber zum Glück ist Löwenhardt\IN{\loewenhart} mit seinem Trupp nach Tucholka\IO{Tucholka} zurückmarschiert. Ob ich mit einer Patrouille auf eigene Verantwortung losziehe? Ich habe nur Befehl: Sicherung des Abschnitts bis zum Kamm. Ich will lieber bis zum Befehlsempfang bleiben, um abzuwarten, was der Trupp unternimmt. \textonehalf{}\,6 zum Leutnant. Wir müssen lange warten. Dann kommt er endlich vom Zwinin\IO{Zwinin}, hat schöne bunt gestickte Hemden in den Unterständen gefunden, auch Clauder\IN{\clauder} eins. Regimentsbefehl: Für die verschiedenen Regimenter \tboneA{232} und Bataillone werden ihre \sout{Auf} Verfolgungsrouten und Stellungen vorgeschrieben. \gestrunl\ Wir sollen nach 1091 und Zwinin II\IO{Zwinin II} Verbindung halten und Chochnowka\IO{Chochnowka}~\neueseite{541461} besetzen (Morichs\IN{\morich} Trupp 15), und \gestrunl\ Sicherung des Dorfausgangs (unser Trupp). Vom Ölhaus\IO{Pohar!Ölhaus} stellen wir nur noch den Ölberg\IO{Ölberg}~\textit{DP}. Dadurch soll sich der Trupp für etwaige spätere Tätigkeiten ausruhen und Gelegenheit zu freiwilligen Patrouillen auf den Kamm und nach Orwachik\IO{Orwachik} gegeben werden. Ich nehme mir vor, des anderen Morgens möglichst früh mit wenigen hinaufzugehen, um in den Unterständen Sachen zu finden, und eventuell auch etwas weiter zu gehen. Wir schlafen natürlich \gestrunl\ diesmal ohne besondere Alarmmaßregeln. Plötzlich werden wir geweckt, Staudt\IN{\staudt} ruft Alarm und alles fertig machen. Rucksack dalassen und ins Zimmer hinüberkommen! Es war nur ein Spaß. Das Befehlsbuch war gekommen (etwa \textonehalf{}\,11~Uhr): Divisionsbefehl die Trupps 14 und 15 rücken morgen nach Tucholka\IO{Tucholka} ab, stellen aber den Infanteriebrigaden 1 und 2 je 2~Oberjäger und 10~Mann für Patrouille, und auch Middeldorpf\IN{\middeldorpf} und Carnap. (Ob Middeldorpf\IN{\middeldorpf} das angestiftet hat, weil ich gestern so unternehmungs\-lustig zu ihm sprach?) Die andern bemitleiden uns, die faulen Patrioten; nur \mbox{einige} mögen mit uns kommen. \tbentry{11}{4}{1915}{} Plötzlich kommt früh Clauder\IN{\clauder}, wir sollen uns beeilen, wenn der Trupp auch erst 12\textsuperscript{h} abmarschiert; die Brigade habe einen neuen Angriff vor usw. Middeldorpf\IN{\middeldorpf} schickt Nachricht, er nehme sich Zeit, ich soll ihm eine Liste schicken. Weber\IN{\webersoldat} (steht Post) und Wagner\IN{\wagner} (meldet sich freiwillig), die andern wollen nicht. Ich schlage noch Bartezki\IN{\bartezki}, {\lspitz}Weiß Fritz{\rspitz}\IN{\weisszwei}, Schmude\IN{\schmutte}, Drewski\IN{\drewski}, Hagmanns\IN{\hagmann} Leute vor. Drewski\IN{\drewski} kommt nicht mit, Hagmanns\IN{\hagmann} Leute wollen anscheinend nicht ohne Hagmann\IN{\hagmann}, bestimmen deshalb 4 von Prosch\IN{\protz}: Weihrich\IN{\weihrich}, Döll\IN{\doell}, Zimmermann\IN{\zimmermann} I (zu meinem Entsetzen!), Seiler\IN{\seilersoldat}. Wir sammeln uns bei Middeldorpf\IN{\middeldorpf}. Zum Leutnant. Er knurrt erst, dass wir so spät kommen (9\textsuperscript{h}, und Weber\IN{\webersoldat} ist noch nicht da). Dann spricht er von dem ehrenvollen Auftrag; die Division habe uns beide genannt; der Oberleutnant habe vielleicht etwas damit vor. [Ob er uns bei der Bergschützentruppe halten will?] Schneegestöber. Nach 1038. Oben die Waldecke (damals mit Schmude\IN{\schmutte}, Koch\IN{\koch}, Drewski\IN{\drewski}), erstaunlich hoch. Der Posten meint, die Brigade sei unten. Weiter über den Kamm, die Kolonnen und Offiziere wissen nichts von der Brigade. Ein Mann soll uns zum Leutnant Vogt\IN{\vogt} führen. Unten in dem Unterstand ist er aber nicht mehr. Wir legen uns hinein. Einer mit dem Melder zurück. Wir liegen da, durchnässt, frö\-stelnd und essend auf etwas Heu. Die arme Infanterie, die Monate lang oft in solchen Unterständen hat übernachten müssen! Endlich kommt Nach\-\tboneA{233}richt, ein Offizier meine, der Stab müsse in Orawa\IO{Orawa}\ort{Orawa [Oryava]}\setort{Pohar} sein. Also hinab. Die Dorfstraße ganz unglaublich dreckig! Der Schlamm fußhoch, tiefe Löcher. Unser Sanitätswagen sitzt mit dem einen Rad bis an die Achse im Dreck, Belgardt\IN{\belgardt} daneben mit Unteroffizier Steime\IN{\steime}. Wir gehen nebenher über die Höfe und Wiesen usw., oft dick durch den Sumpf. Den Brigadestab finden wir nach 1/3~3 an der Straßenkreuzung in Orawa Ost\IO{Orawa Ost}. Hinein. Der Adjutant (Haubmann)\IN{\haubmann} mit einem Oberleutnant am Telefon. Wir übergeben die Meldung. Bald kommt Generalmajor von Wedel\IN{\wedel}, den Middeldorpf\IN{\middeldorpf} persönlich kennt. Wir sollen erst Quartier suchen. Schwierige Suche. Alles zersplittert in die Häuser. Middeldorpf\IN{\middeldorpf} wieder zum Stab, wir hängen alles zum Trocknen auf. (Mit Döll\IN{\doell} und Seiler\IN{\seilersoldat}). Wir sind heillos froh, dass kein Befehl mehr kommt für Nachtpatrouille, so müde, hungrig und kalt sind wir. Die Nacht sehr hart gelegen,~\neueseite{541457} nur mit Mantel zugedeckt. Der Rock hängt noch nass im Ofen. \tbentry{12}{4}{1915}{} Nach 7\textsuperscript{h} geht Middeldorpf\IN{\middeldorpf} wieder zum Stab; 11\,\hbox{--}\,3\textsuperscript{h} statt seiner Döll\IN{\doell}. Wir bekommen Brot und Fleischkonserven. Die Sachen sind immer noch nicht trocken. Etwas gelesen und geschrieben. Es werden Leute geschickt, unsere Skier zu holen, die wir noch am Pohar\IO{Pohar} vermuten, sie sind aber in Tucholka\IO{Tucholka}. Nachmittags werden deshalb einige \gestrunl\ dorthin geschickt, auch um Post zu holen. Sie kommen abends nicht wieder. Ich \sout{nehme} habe deshalb Wolldecken zur Verfügung; es wird auch so besetzt genug im Quartier\IO{Orawa!Quartier}. \tbentry{13}{4}{1915}{} Endlich kommen sie aus Tucholka\IO{Tucholka} zurück, und haben nicht einmal meine Post mit. Beim Stab gesessen, werde sehr hungrig. Mittags nach Hause, Kaffee und trocken Brot. Dann schenkt mir Middeldorpf\IN{\middeldorpf} von seiner Post. Schließlich Essen von den \textit{MG}-Leuten. Aufzeichnungen geschrieben, von den einzelnen Leuten, auch Middeldorpf\IN{\middeldorpf}.\fnE{Offenbar nicht erhalten.} Nachmittags sehen wir den 14.~und 15.~Trupp von Tucholka\IO{Tucholka} her vorbeimarschieren. Unser Trupp soll nach Pohar\IO{Pohar}, die beiden andern \gestrunl\ auf den Berg. Genaueres wisse selbst der Leutnant nicht, sagen sie. Singend ziehen sie in Kolonnen zu einem,\fnE{In einreihigen Kolonnen.} Nietzschke\IN{\nietzschke} voran, über die schlammige Straße. Abends noch gemütlich mit den Kronprinzern,\fnE{Das Ostpreußische Grenadier-Regiment Nr.~1 ,,Kronprinz``.} darunter 4~Unteroffiziere, zusammengesessen; die Hamburger reden platt, wir singen etwas; 2~Leute gehen auf Kartoffel\-patrouille, dann brät Heims\IN{\heimssoldat} 2 riesige Pfannen voll davon; bis~11\textsuperscript{h}.\setort{Orawa [Oryava]} \pagebreak \tboneA{234} \tbentry{14}{4}{1915}{} Es heißt, ein österreichisches Regiment werde all die Quartiere auf dieser Seite beziehen. Ob auch wir hinausmüssen, mit unserm prima \gestrunl\ Auftrag? Es regnet in Strömen; schon gestern war aller Schnee weg. Nachts sah man nördlich großen Feuerschein, vielleicht Koziowa\IO{Koziowa}. Auch heute schießen am Bach immer die Haubitzen, unten in der Nähe der Brigade, dass die Fenster klirren und der Kalk herunterfällt. Plötzlich Meldung: Ein österreichisches Regiment bezieht alle diese Quartiere. Wir bleiben ruhig, wir sind ja von der Brigade kommandiert. Aber plötzlich heißt's: Hier hinein kommt der Bataillonsstab. Also schleunigst zusammengepackt. Einer ist schon auf Quartiersuche geschickt. In den strömenden Regen hinaus, unsagbarer Schlamm, nach Orawa\IO{Orawa} hinein, alle Häuser besetzt. An der Kirche\IO{Orawa!Kirche} hinauf. Oben steht Topp\IN{\topp} bei einem stecken bleibenden Wagen, weiß nichts von meiner Post, die Rothe\IN{\rothe} in Tucholka\IO{Tucholka} im Quartier\IO{Tucholka!Quartier} gelassen hat. Finde kleines Haus mit 2 Infanteristen, große Kuh nimmt die ganze eine Wand ein. Dort Gepäck gelassen, weiter gesucht. Artilleristen weisen mich ins Quartier\IO{Pohar!Quartier}, das gerade Leutnant Müller\IN{\muellerleutnant} vom \textit{MG}~43 verlassen hat. Schnell für alle belegt. Die andern geholt. Endlich kommt auch Middeldorpf\IN{\middeldorpf}, genehmigt das Quartier\IO{Pohar!Quartier}. Schuh umziehen.\fnE{Bedeutung unklar. ,,Schuh`` könnte der Name einer Person sein (die oder mit der man umzieht) oder auch ein (einzelner) Schuh.} Einige bleiben hinten wohnen, \sout{die \unl} von denen 2 dauernd sich beim Stab einquartieren. \sout{Gemütliche} Schicke Bartezki\IN{\bartezki} zu Nietzschke\IN{\nietzschke}, wegen Post zu fragen; liegt tatsächlich in einem Haus in Tucholka\IO{Tucholka}. Gemütlicher Abend mit Mitteldorpf\IN{\middeldorpf}, mit dem ich in der Offiziersstube bei der Familie wohne. Wir erzählen uns allerhand. Er zeichnet mir die Grundrisse seines Hauses auf, ich zeige ihm Fotos von zu Hause, seine kannte ich schon. Zusammen auf der Bank geschlafen; breit genug, aber zu kurz. \tbentry{15}{4}{1915}{} Wir hören, unser Trupp ist noch im Dorf, schleppt nur Essen hinauf für die beiden anderen, die im Schützengraben sind. Middeldorpf\IN{\middeldorpf} geht zum Leutnant; Nietzschke\IN{\nietzschke} hat keine Lust, meine Post holen zu lassen, Wagner\IN{\wagner} bekommt das Eiserne Kreuz; Thilo\IN{\thilo} glaubt, dass der Trupp bald wieder nach Tucholka\IO{Tucholka} kommt; wird selbst Leutnant bei der \textit{MG}-Abteilung. Mittags Schlemmeressen mit Spargeln~\neueseite{541459} aus Middeldorpfs\IN{\middeldorpf} Post. Nachmittags \sout{will} geht Schmude\IN{\schmutte} nach Tucholka\IO{Tucholka}, um nach unserer Post zu forschen. Wir bekommen Löhnung (15,80) mit Sätzen und Bismarckzulage. Währenddessen kommt schon die neue angefahren. Geschrieben, \textit{B} an Mar\-\tboneA{235}gret\IN{\rjmargret}, Aufzeichnungen.\fnE{Offenbar nicht erhalten.} Abends Middeldorpf\IN{\middeldorpf} erzählt von Weimar\IO{Weimar}, Tiefurter Fest\IO{Tiefurt}, Autofahrt, Freischarfest\II{\freischar}, Freiburger Markt\IO{Freiburg!Markt}; Griechenland\IO{Griechenland}. \tbentry{16}{4}{1915}{} Immer noch keine Patrouille; aber unser Quartier\IO{Pohar!Quartier} ist schön. Nachmittags kommt Schmude\IN{\schmutte} aus Tucholka\IO{Tucholka} zurück; unser Postsack ist wirklich verloren, ich bin darüber sehr geknickt. Er war auch 2~Stunden beim Oberleutnant. Von Auflösung ist keine Rede. Frage ist nur: Form des Weiterbestehens. Er wird aus den Offiziersaspiranten auswählen und nach Deutschland\IO{Deutschland} zurückschicken zu den Kursen; die werden Infanteristen. Er selbst reist bald ab, krank. Geschrieben, auch etwas gelesen; langweilig, weil unbefriedigt. Nichts zu tun; man träumt von Auszeichnungen und hat keine Gelegenheit dazu. Vom anderen Trupp kommen Leute vorbei. Sie seien täglich von der 2. Brigade auf Patrouille geschickt. Abends finden wir endlich Kerzen nach langem Suchen und machen uns gemütliches Essen; dann gelesen. Nachts aufgestanden und große Läusesuche veranstaltet. \tbentry{17}{4}{1915}{} Middeldorpf\IN{\middeldorpf} geht nach Tucholka zum Oberleutnant. Ich sitze alleine, schreibe Aufzeichnungen und an Agnes\IN{\agnes}, lese etwas ({\lspitz}Lieder{\rspitz}). Die Leute \sout{sorg} (Seiler\IN{\seilersoldat} usw.) sorgen, dass ich nicht verhungere. Abends lege ich mich auf Middeldorpfs\IN{\middeldorpf} Decke auf die Bank. Als er kommt, bin ich längst eingeschlafen. Er ist müde. Ich lege mich auf den Boden, wegen größerer Bewegungsfreiheit. \tbentry{18}{4}{1915}{} Middeldorpf\IN{\middeldorpf} erzählt, in etwa einem Monat wird er wohl Offizier. Der Oberst hat nun ans Bataillon nach Königsberg\IO{Königsberg} telegrafiert wegen seiner Versetzung zur Marine, und als Grund der Eile die bevorstehende Beförderung angegeben. Graebsch\IN{\graebsch} kommt zu seinem Regiment zurück, die Division erfüllt ihm diesen Wunsch. Der Oberleutnant hat Middeldorpf\IN{\middeldorpf} die Führung unseres Trupps angeboten, er hat abgewinkt. Ich frage ihm übrigens zu viel; wenn er mal Leutnant sein wird! Er reitet spazieren; 4~Schützen gehen zum Spaß auf den Zwinin\IO{Zwinin}. Allen wird die Untätigkeit allmählich zu viel. Abends ,,Familie auf Gilje``\IW{\familieaufgilje} gelesen.\fnE{Lie, \emph{Die Familie auf Gilje}. Siehe LL \refcn{721}.} \tbentry{19}{4}{1915}{} Herrlicher Sonnenschein. Mit Middeldorpf\IN{\middeldorpf} auf den Zwinin\IO{Zwinin}. Oben sitzen Bregazzi\IN{\bregazzi} und Seilfeld\IN{\seilfeld}, die Russen schießen sich mit Schrapnells auf uns~4 ein. Man hört sie vorher und geht dann immer in Deckung. Über den Kamm\IO{Zwinin!Kamm}; \pagebreak gewaltige russische Gräben, einzelne hässliche Leichen. Das \tboneA{236} grosse Holzkreuz. Feldkanonen; Gebirgskanone, feuernd. Schöner Blick in die Gegend nach \textit{N}, Koziowa\IO{Koziowa}, Tal nach Skole\IO{Skole}, weiße Berggipfel dahinter. Der Offizier und die beiden Pfarrer (Divisionspfarrer Bock\IN{\bockpfarrer} und Oberpfarrer Emmel\IN{\emmelpfarrer}) halten uns für Österreicher. D\sout{as Gro\unl} Soldatenfriedhof\IO{Koziowa!Soldatenfriedhof} mit Massengräbern 2\textsuperscript{h} wieder unten. Möglichst ausgezogen und in die Sonne gelegt. Die Post kommt, reichlich! Middeldorpf\IN{\middeldorpf} bekommt jetzt nichts mehr, ich muss schnell für ihn auspacken. Alter Brief von Margret\IN{\rjmargret}; alter von \textit{MH}\IN{\hoermann}. Ein Sanitätsfeldwebel der Fußartillerie quartiert sich bei uns ein. Gemütlich, ungebildet, erinnert etwas im Temperament an Ernst Pfeifer\IN{\pfeiferernst}. Viele Kerzen sind gekommen, {\lspitz}Bananen{\rspitz} und Backobst. Wir lesen noch lange. Kunstwart\II{\kunstwart}, Jugend Bismarcknummer\II{\jugend},\fnE{Die Bismarck gewidmete Nr. 13 des Jahrgangs 1915 der Zeitschrift \emph{Jugend}.} \textit{B} von \textit{T}\IN{\tilly}; Familie auf Gilje\IW{\familieaufgilje} zu Ende gelesen. Der Feldwebel gibt uns Insektenpulver, zum Glück recht wirksam.~\neueseite{541463} \tbentry{20}{4}{1915}{} \textit{B} an Agnes\IN{\agnes} fertig geschrieben. Fauler Tag sonst. Abend kommt Befehl, die Kompanie rücke am nächsten Morgen nach Tucholka\IO{Tucholka}, auch wir. Gepackt. \tbentry{21}{4}{1915}{} \textonehalf{}\,5 kommt der Trupp vorbei, wir schließen uns an. Bei schönem Wetter durch Orawa\IO{Orawa}, dann über die Stelle unserer Feuertaufe, letzter Blick auf unser Tal und den Zwinin\IO{Zwinin}, nach Tucholka\IO{Tucholka}.\ort{Tucholka [Tukhol'ka]} 8\,\hbox{--}\,10 Ruhe am Grashang über der Bagage; Rucksack noch erleichtert (Kocher, Patronen usw. auf die Bagage; dann auch den Mantel). Thilo\IN{\thilo} kommt verwundet von der \textit{MG}"~Abteilung, Salonschuss durch die Schulter; bleich (ziemlicher Blutverlust) aber vergnügt, wird wohl zu seinem Regiment zurückkommen. Viele Leute bekommen Helme, ohne Überzüge. Das lange Dorf Tucholka\IO{Tucholka}; neues Lazarett, große Baracken der Verpflegungsstation\IO{Tucholka!Verpflegungsstation}; Gefangene als Straßenarbeiter. Es wird warm. Wir sehen die 3~Serpentinen vor uns. Zum Glück kommen Wolken, und es geht gut hinauf. Oben neben der Straße noch 2\,\textit{m}~hohe Schneewand. Auf der anderen Seite Rast. Middeldorpf\IN{\middeldorpf} foto\-grafiert Rothe\IN{\rothe} und Otto\IN{\ottosoldat} in Helmen. Hinab, wieder viele Gefangene, genießen die viele Freiheit. Unten wird's warm und staubig. Bei den Bara\discretionary{k-}{k}{ck}en ,,Zweikaiserstadt``\fnE{Bezeichnung für ein Feldlager bei Klimiec [Klymez].} Mittagessen, Kaffee, Rast. Hinauf zum Vereckepass\IO{Vereckepass}, Schick\IN{\schick} erzählt aus dem Lazarett von dem netten katholischen Pfarrer. ,,Heil``-Geschrei, als wir unsere gesegneten Flure erblicken. Darüber die hohen Schneegipfel vom \textit{Stoy}\IO{Stoy} (1600), (hinter Volowez\IO{Volowez}), etwas Rast. Hinab, \tboneA{237} wir schneiden ab. Unten leider noch ziemliches Ende\fnE{Umgangssprachlich für unangenehm lange Strecke.} auf der Straße, wir singen; sehr viele Soldaten hinter der Front, meist Train;\fnE{Militärsprachliche Bezeichnung für eine zum Transport von Material bestimmte Einheit.} Feldbäckerei. \textit{Also Verecke}\IO{Alsoverecke}.\ort{Also Verecke [Nyzhni~Vorota]}\setort{Tucholka [Tukhol'ka]} Wir kommen im Dunkeln an. Auf dem Gehöft wird die Ankündigung von mir jubelnd begrüßt. Auf dem Boden des Magazinhauses. Noch Stroh hinaufgeholt. So wird's zwar eng, aber erträglich; ungemütlich, dass wir erst im Dunkeln hinkommen. Dann noch Postverteilung, die sehr lange dauert; alle sind so müde, dass sie kaum mehr stehen können. 12~\textit{P}. Ich esse aus dem Rucksack; habe zur Küche keinen Hunger \gestrunl\ mehr, aber schrecklichen Durst. Trinke viel Tee, wenn er auch Rumzusatz hat. \tbentry{22}{4}{1915}{} Schlecht geschlafen, wegen der Flöhe. Mit Kototzer\IN{\kototzer} unter einer Decke stören wir uns immer gegenseitig durch das Jucken. Morgens wird Briefpost verteilt. \textit{B} von Mutter\IN{\rjcarnapmutter} mit Wiesnecker Grüßen, \textit{B} von Dodo\IN{\dodo} mit 2~Vorträgen von Nohl\IN{\rjnohl}. Karte von Flitner\IN{\flitner}. Mittags sehr warm, einige gehen schon mit Graebsch\IN{\graebsch} hinaus, um Bagage zu verladen. Wir erst nachmittags. Alle müssen sich Helm verpassen. Apfelsinenkauf. Schönes Küchenessen: Sauerkraut mit Schweinefleisch; aber doch immer nur Durst: Tee, und Apfelsinen. Vor dem Abmarsch noch Flitners\IN{\flitner} \textit{B} vom 5.\,II.~(!), unterwegs gelesen. Die Exzellenz, \sout{kommt} der kommandierende General von Bodman\IN{\bodman} kommt noch und begrüßt uns; sagt wiederholt, dass \gestrunl\ wir hier Gutes geleistet haben, und wir würden uns nach einiger Zeit wiedersehen. Beim Appell auch Beförderungen (Schmude\IN{\schmutte}, Drewski\IN{\drewski}, Weiß\IN{\weiss}, Topp\IN{\topp} werden Gefreite) (auch Muck\unl\IN{\muck}), Hagmann\IN{\hagmann} V\textit{er}, ich und Staudt\IN{\staudt} etatsmäßige 6\,\textit{J}. Wagner\IN{\wagner} bekommt das Eiserne Kreuz. Abmarsch, mit Gesang. Wir begegnen einrückenden Ersatztruppen für 43, 3 Kronprinzer; auch Landsturm. Als es hinaufgeht, lässt Magendantz\IN{\magendanz} abstimmen, wir sind für den steilen Fußweg. Uns holen unsere Train-\neueseite{541473} Soldaten mit Pferden ohne Wagen ein, ihre Moll-Lieder singend. Das Volowez-Tal\IO{Voloz-Tal} erscheint, Lichter, die Bahn und {\lspitz}Palata{\rspitz}! Singend die Serpentinen hinab, schon im Dunkeln. Unten\ort{Wolowez} in größter Eile ein wenig gegessen, in Hast vergeblich nach dem Mantel auf der Bagage gesucht. Die Windanzüge werden ins ,,Skidepot`` abgegeben, unser Trupp und der halbe 3. fährt um 9\textsuperscript{h} mit dem 1. Zug. Die andere halbe Kompanie kommt nach. Wir kommen in 2. Klasse, leider nimmt mir Diener\IN{\dauer} meinen Fensterplatz weg. Mit Staudt\IN{\staudt} auf einer Bank gelegen.\pagebreak \tboneA{238} \tbentry{23}{4}{1915}{} Beim Aufstehen Station \textit{Batyn}\IO{Batyn}, schon über \textit{Munkacs}\IO{Munkacs} hinaus, wir biegen jetzt endlich nach Osten ab; also unser Schicksal, wie schon aus Anzeichen vermutet, besiegelt: \unl\ Nicht nach München\IO{München}; vermutlich Bukowina\IO{Bukowina}. Auf dem Zuge steht jetzt ein Zettel ,,Kolomea``\IO{Kolomea}. Herrliche Hügel, blauer Himmel, Sonnenbäder auf dem flachen Güterwagen, stärker bewaldete Berge, darüber die Schneegipfel, schöne Birkenwälder, die breite Dina\IO{Dina}. Viele winkende Gestalten in der bunten Tracht. Häufig Apfelsinen gekauft, fast nichts anderes gegessen; an Mutter\IN{\rjcarnapmutter}, Agnes\IN{\agnes},\fnE{Vgl. Carnap an Agnes Kaufmann, 23.\,IV.\,1915 (\href{http://doi.org/10.48666/808553}{RC~025"~01"~88}) und Rudolf an Anna Carnap, 23.\,IV.\,1915 (\href{http://doi.org/10.48666/808555}{RC~025"~01"~94}).} \textit{MH}\IN{\hoermann}~geschrieben. Aber ins Gebirge hinauf. Es wird kühl. Das Tal wird eng, steile Berge, teilweise felsig. Hier viel höher als bei Pohar\IO{Pohar} (bis über 2000\,\textit{m}, \textit{Czorna \mbox{hora}}\IO{Czorna \mbox{hora}}). \tbentry{24}{4}{1915}{} Beim Aufstehen sind wir schon übers Gebirge hinaus im \textit{Pruthtal}\IO{Pruthtal}; ordne Briefe usw., \textit{P} an Mutter\IN{\rjcarnapmutter} und Frau Tänzer\IN{\taenzerfrau}, schreibe an Leni\IN{\rjleni} und Flitner\IN{\flitner}.\fnE{Vgl. Carnap an Flitner, April 1915 (WF).} Wenn der Zug langsam fährt, springt man leicht auf und ab und besucht so die verschiedenen Wagen. Die Sanitätsleute machen immer dollen Zirkusbetrieb. Hinter\fnE{Vielleicht umgangssprachlich für ,,dahinter``.} mit Drewski\IN{\drewski} usw. auf dem Dach gesessen. Der Zug hat 53 Wagen, so ist es weit von uns (im ersten) bis hinten. Erzherzog Franz Salvator\IN{\franzsalvator} fährt an uns vorbei; während wir auf den {\lspitz}Hofzug{\rspitz} warten, Haare schneiden lassen. In Kolomea\IO{Kolomea} heißt's: Weiter. Nach \textit{Czernowitz}\IO{Czernowitz}.\ort{Czernowitz} Über Brücken, die die Russen gesprengt haben, die Eisenkonstruk\-tion ist bald wiederhergestellt worden. Dort hinten liegt die Stadt. Über den Pruth\IO{Pruth} hinüber, in die Stadt. Großes Bahnhofsgebäude\IO{Czernowitz!Bahnhofsgebäude}, wir fahren noch bis Station ,,Volksgarten``\IO{Czernowitz!Volksgarten}. Dort noch im Dunkeln lange gestanden, Schauspiel fürs Publikum. Ein österreichischer Feldwebel: Gott sei Dank, dass Ihr da seid. Unser langer Zug täuscht ein ganzes Bataillon vor. Singend in die Albrechtkaserne\IO{Czernowitz!Albrechtskaserne} (Infanterie). Hohe Gestalt in schneeweißem Haar an der Straße: ,,Gott schütze Euch alle miteinander, \gestrunl\ Deutschlands\IO{Deutschland} Kinder!\grqq{} Betten mit Stroh; mächtig Durst, unten gibt's Wein; ich trinke kaltes Wasser mit Fluade.\fnE{Brausepulver, zu dieser Zeit beliebtes Erfrischungsgetränk.\baustellex{KG}} Endlich mal wieder gut geschlafen, leider nicht lange. \tbentry{25}{4}{1915}{} 5\textsuperscript{h} geweckt, 5\textsuperscript{30} Antreten, zum Bahnhof\IO{Czernowitz!Bahnhof}, abgeladen, mit Gesang wieder in die Kaserne\IO{Czernowitz!Kaserne} (8\textsuperscript{h}). 10\textsuperscript{h} kommt Exzellenz (deutscher General), besichtigt 5. und 6.~Kompanie und deutschen Train, der hier ist. Sagt, hat Gutes von unserer Leistung am Zwinin\IO{Zwinin} gehört. Hier würde es auch Arbeit \tboneA{239} geben, dann sollen wir wieder so tüchtig sein, Schulter an Schulter mit den Österreichern. Fragt einzeln nach Eisernem Kreuz usw. Dann Ausgang bis~\textonehalf{}\,4. Ich werde leider Unteroffizier vom Dienst, darf nicht ausgehen. Ich geh' natürlich doch, die Leute mögen sich selber zum Essen führen. Eine Stadt wie \textit{Cz}\editor{ernowitz}\IO{Czernowitz}, europäisch und zugleich balkanisch (rumänische Sonntagstrachten usw.) sieht man so leicht nicht wieder. Unterhose, Lektüre, Notizbuch gekauft. Wannenbad ,,Türkenbad`` (=~Puff) mit Hauschild\IN{\hauschild}, Otto\IN{\ottosoldat}, Rothe\IN{\rothe}. Die Wonne! Dann mit Rothe\IN{\rothe}~\neueseite{541471} Middeldorpf\IN{\middeldorpf} getroffen; ins ,,Deutsche Haus``\IO{Czernowitz!Deutsches Haus}.\fnE{1910 eröffnetes Kulturzentrum der deutschsprachigen Minderheit in der Bukowina.} Der gute Professor Kaindl\IN{\kaindl} zeigt uns Festsaal\IO{Czernowitz!Festsaal}, Klubsaal der ,,Schlaraffia``\IO{Czernowitz!Klubsaal der ,,Schlaraffia``}\fnE{1859 in Prag gegründete Vereinigung zur Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor.} usw. Unten gibt's leider nichts Warmes. Also mit Rothe\IN{\rothe} und Middeldorpf\IN{\middeldorpf} ins Polnische Haus\IO{Czernowitz!Polnisches Haus}.\fnE{Neben der deutschsprachigen gab es in Czernowitz auch eine große polnischsprachige Minderheit.} Gut gegessen. In die Kaserne\IO{Czernowitz!Kaserne} zurück. Kein Mensch hat mich vermisst. Beim Abmarsch sorge ich, \gestrunl\ dass die Küche angespannt steht und sich anschließt. Weiter hab' ich nichts zu tun. Ich möchte gern noch mal in die interessante Stadt, das bunte Gewimmel auf dem ,,Ringplatz``\IO{Czernowitz!Ringplatz}, und die wirklich sehr schönen Trachten: Weißer (blendend!) Anzug der Männer mit buntbestickter Weste darüber; Weiber barfuß Rock auf einer Seite aufgesteckt, unten und oben sieht man blendend weißes Unterzeug; schöne bunte Farben. Aber ich bleibe lieber zur Sicherheit in der Kaserne\IO{Czernowitz!Kaserne} (ob man dem Feldwebel Lange\IN{\lange} schließlich trauen kann?) und schreibe Tagebuch und Ansichtskarten. Um 7\textsuperscript{h} bläst der Trompeter, um~8\textsuperscript{h} geh' ich schlafen, nach 10 kommt die Kompanie, schließlich kommt der Feldwebel Kallenberg\IN{\kallenberg} und weckt mich, und dann sorge ich unten für Essen"~, Brot"~, und Wein-Ausgabe, bis bei\-nahe~12\textsuperscript{h}. \tbentry{26}{4}{1915}{} Vormittags mit Drewski\IN{\drewski} in die Stadt; Landesbazar mit herrlichen Panjehemden. \gestrunl\ Eins lasse ich verlängern, damit ich es tragen kann, 2~lasse ich für Friedenszeit zurücklegen (per Nachnahme zuschicken). Wir beide lange im Marktgewühle. Mittags mit Middeldorpf\IN{\middeldorpf} in die Stadt. Verliere ihn (ohne seine Absicht?). Ich kaufe Verschiedenes, gehe auf den Stadthügel\IO{Czernowitz!Stadthügel}, dann zur Kaserne\IO{Czernowitz!Kaserne}, ausgeruht und Jugend\II{\jugend} gelesen, wieder hinaus, Landesbazar\IO{Czernowitz!Landesbazar} (Deckchen und Gürtel) treffe dort Hirschfeld\IN{\hirschfeld} usw.; am Markt\IO{Czernowitz!Markt} zu Abend gegessen. 8\textsuperscript{h} Kaserne\IO{Czernowitz!Kaserne}. \tbentry{27}{4}{1915}{} Vormittags mit Drewski\IN{\drewski} gebummelt; in der Konditorei\IO{Czernowitz!Konditorei} gegessen. Nachmittags mit Drewski\IN{\drewski}, es regnet zwischendurch, Verschiedenes ge\-\tboneA{240}kauft, 4\textsuperscript{h}~ins Deutsche Haus\IO{Czernowitz!Deutsches Haus}. Der ganze Festsaal\IO{Czernowitz!Festsaal} füllt sich allmählich. Wir sind zum Kaffee eingeladen. Kleine Mädchen singen Soldatenlieder. Deutscher Bukowinakalender. Professor Kaindl\IN{\kaindl} und noch ein anderer legen uns das Deutschtum in der Bukowina\IO{Bukowina} ans Herz. Vor~7\textsuperscript{h} drücken wir uns, Middeldorpf\IN{\middeldorpf} geht für sich (hat bis~12\textsuperscript{h} Urlaub), mit Schmude\IN{\schmutte}, Rothe\IN{\rothe}, Hauschild\IN{\hauschild}, Otto\IN{\ottosoldat} im Delikatessenladen der Herrenstraße\IO{Bukowina!Herrenstraße} fein zu Abend gegessen. Mit Schmude\IN{\schmutte} in den Puff. Enttäuschung, nichts los, Oberjäger Herold\IN{\heroldoberjaeger} spielt etwas Mundharmonika, kann nicht mal Walzer. Mattes\IN{\mattes} ist auch mit. Nach einiger Zeit verschwindet Schmude\IN{\schmutte}. Später gehe ich hinaus, warte einige Zeit draußen, spreche mit österreichischem Feldwebel, gehe dann nach Hause. Treffe unterwegs Prosch\IN{\protz} und {\lspitz}Schüch{\rspitz}\IN{\schuech}. Mit denen in den zweiten Puff. Dort sind Abraham\IN{\abraham}, Milsch\IN{\milsch}, Müller\IN{\muellerleutnant}, Langer\IN{\langer}. Auch stumpfsinnig; hässlich angemalt. Die Feldwebel haben bis~12\textsuperscript{h} Urlaub. Ich gehe bald weg. Bald kommt auch Schmude\IN{\schmutte} nach Hause (,,ohne Liebe geht es nicht``). Middeldorpf\IN{\middeldorpf} ist auch dort gewesen, mit Staudt\IN{\staudt}. Da es auch ,,nicht ging``, ist er schon gar nicht hinaufgegangen, auch Enttäuschung [aber dass er schon wollte!]. \tbentry{28}{4}{1915}{} 8\textsuperscript{h} abmarschiert nach Osten, über \textit{Czahor}\IO{Czahor} nach \textit{Molodia}\IO{Molodia}.\ort{Molodia [Molodiya]}\fnE{5\,km südöstlich von Czernowitz gelegenes Dorf.} Wir kommen unter das Kommando eines österreichischen Oberstleutnants. Er erklärt uns Oberjägern, dass wir stärkere Truppen \gestrunl{} vortäuschen müssen und die rumänische Grenze bewachen, da man einen russischen Umgehungsversuch durch Rumänien\IO{Rumänien} fürchtet; und nicht zur Bevölkerung sprechen!~\neueseite{541469} Ich melde mich gleich zur 1.~Patrouille, von jedem Trupp 1~Oberjäger 10~Mann. Schmude\IN{\schmutte} kocht noch schnell Rührei, dann los; nachträglich Decken und Mäntel geholt. Die Offiziere reiten vorn. Zum Schloss Lukawiza\IO{Molodia!Schloss Lukawiza}; auf der Meierei bekommen wir Kaffee und Gulasch, freundliche Verwaltersleute. Dann wir beiden Patrouillen weiter. Ich soll ursprünglich nach Wama\IO{Wama}. Morich\IN{\morich} ändert, wir kommen nach \textit{Marmaritza}\IO{Marmaritza}. Morich\IN{\morich} ordnet Doppelposten und nächtliche Patrouillen an. Zum Glück kommt 7\textsuperscript{h} wieder der Rittmeister Born\IN{\bornrittmeister}~\ldots\ aus dem Schloss\IO{Molodia!Schloss Lukawiza} und sagt: Diese Nacht ausruhen, morgen bei Tage am Ufer zeigen. 2 saubere Häuser; liebenswürdiger Feldwebel \sout{vor} versorgt uns mit allem. Tisch und Lampe, gemütlich. Der Panje\fnE{Hier ,,Herr des Hauses``, nach dem Polnischen und Russischen pan = Herr.} spricht Ruthenisch, einige Worte Deutsch. Aber das Haus ist sauberer und reicher, als die in den Karpaten\IO{Karpaten}. Schlafe mit Schick\IN{\schick} auf dem erhöhten Seitenplatz. \tboneA{241} \tbentry{29}{4}{1915}{} Morgens früh Patrouille nach \textit{Wama}\IO{Wama}, am Grenzbach\IO{Wama!Grenzbach} entlang. Wir mit österreichischen Soldaten auf die Grenzbrücke\IO{Wama!Grenzbrücke}, die rumänischen Soldaten begrüßt; sie kaufen Wein für uns. Wir melden uns dann bei dem Hauptmann Burda\IN{\burda} an der Schule\IO{Wama!Schule}; er fragt, woher wir stammen, wann unsere Formation entstanden, wer unser Kommandant ist, wo wir tätig waren; wundert sich, dass wir nicht im Gefecht waren. Über die Straße zurück. Schicke die Daheimgebliebenen auf demselben Wege aus. Kaffee getrunken. Inzwischen kommt die ganze Kompanie am Bach entlang. Ich melde Magendantz\IN{\magendanz}, was wir getan. Graebsch\IN{\graebsch} kommt mit Middeldorpf\IN{\middeldorpf} und unserer Ablösung. Unsere Patrouille kommt zurück, wir packen zusammen. Graebsch\IN{\graebsch} erzählt mir und Hauschild\IN{\hauschild}, dass er selbst dem Rittmeister nicht traue und ihn deshalb beschwindelt. Nach \textit{Wama}\IO{Wama}. Die Kompanie hält Rast hinter der Hecke, in der Sonne etwas geschlafen. Rückmarsch mit 100\,\textit{m} Gruppenabständen, der Weg kommt mir recht lang vor. Schützengraben und Drahtverhau. In \textit{Mol.}\IO{Molodia} gibt's schönes Essen, auch gekochte Apfelschnitzen. Nachmittags und abends zum Feldwebel. 10\textsuperscript{h} abends kommt Befehl: 6\textsuperscript{h} früh antreten. Ich wohne jetzt mit Schick\IN{\schick} und {\lspitz}Schömbs{\rspitz}\IN{\schoembs} (Hauschild\IN{\hauschild} und Otto\IN{\schoendubeotto} sind draußen; uns abgelöst) bei deutschen Leuten, Mann trinkt, tüchtige Frau und Tochter. Schlafe nachts auf der Chaiselongue, die anderen auf dem Boden, in den beiden Betten die Kinder und die beiden Töchter. \tbentry{30}{4}{1915}{} 6\textsuperscript{h} angetreten, Verwaltungssachen. 8\,\hbox{--}\,10 Fußexerzieren, Zielübungen. So allmählich lernt man die Infanteriekommandos. Schmude\IN{\schmutte} kommt aus dem Revier zu uns, ,,Gonorrhoe verdächtig``. Gespräch mit ihm und Schick\IN{\schick}, \gestrunl\ was er später seiner Frau sagen wird; überhaupt über Keuschheit vor der Ehe; Verheiratung, wenn geschlechtskrank gewesen usw. Nachmittags kein Dienst; geschrieben und etwas gelesen; 9\textsuperscript{h} abends nach Dienst erkundigt und alle Ansichtskarten zur Schreibstube gebracht, damit Abraham\IN{\abraham} sie morgen mit zur Stadt nimmt. \tbentry{1}{5}{1915}{} Die Arbeiterkolonnen haben vor dem österreichischen Leutnant in unserem Hause einen Maibaum aufgepflanzt, kommt um~6\textsuperscript{h} und singen ihm eins, mit Geigenspiel. Ziehen dann mit unserer Lied- und Geigenbegleitung ab. 6\textsuperscript{h}~geht die Kompanie auf die Höhe, Richtung nach \textit{Wama}\IO{Wama}, von \sout{von} wo wir \textit{Bojan}\IO{Bojan} sehen können. Links ist zeitweise ein Fesselballon sichtbar, in großer Höhe; ein deutscher Flieger gibt der österreichischen Mörserbatterie Signale~\neueseite{541465} durch Rauchstreifen, dann hört man immer den Mörser abschießen und 45\,\textit{sek} später schlägt's drüben mächtig ein, und dann fahren die Feldgeschütze mit Schrapnells dazwischen. Wieder zu\-\tboneA{242}rück, die Sanitäter besucht, Mattes\IN{\mattes} spielt Geige. Etwas geschrieben. Nachmittags 3\,\hbox{--}\,5 exerziert, auch mal Zugführer markiert; dann über das ganze Feld vorgeschwärmt, schweißtriefend. Revisio penibilis\fnE{Viell. Privatausdruck für penible Ordnungsmache.} (am anderen Tag fahren 8~ins Lazarett\IO{Wama!Lazarett}). Die anderen machen mit Middeldorpf\IN{\middeldorpf}, Hagmann\IN{\hagmann}, Rothe\IN{\rothe} und dessen Korporalschaft Bierabend im Garten hinten. Ich lese Strindberg\IN{\strindberg}, gehe aber auch mal hinaus und höre zu. Nachher schlafen die anderen oben auf dem Boden, ich alleine im Zimmer. \tbentry{2}{5}{1915}{} Schöner sonniger Tag, warm. Helm geputzt, 9\textsuperscript{h} angetreten. Prote\-stantische Kirche\IO{Wama!Protestantische Kirche} gibt's zwar nicht, Frau Weckend\IN{\weckendfrau}: ,,Glaubt ihr denn, es gibt 2 oder 3 Götter?{}`` Die Katholischen werden kommandiert, alle anderen gehen freiwillig mit, \gestrunl\ da es ,,die deutsche Kirche`` sei. Nach 1~Stunde habe ich noch kein deutsches Wort gehört,\fnE{Wohl Anspielung auf den Umstand, dass zu dieser Zeit katholische Messen noch immer auf Lateinisch gelesen wurden.} gehe hinaus. Wir dürfen nicht weg, liegen auf dem Rasen unter den Bäumen. Dann mal ein Stück der langweiligen Predigt angehört. Nachmittags dienstfrei. Zuerst ist es sehr warm, die Milchfrau vergisst mich immer, die kleine 19"~Jährige seit 2~Jahren verheiratet. (Frau W.\IN{\weckendfrau} hat übrigens mit nicht ganz 14~Jahren geheiratet, ohne \editor{es} selbst zu wünschen; jetzt 35~Jahre alt, man merkt noch, dass sie schön gewesen ist, hat schon 9~Kinder gehabt; jetzt will sie nicht, dass Emma\IN{\emma} früh heiratet.) Sonnenbad unter den Obstbäumen, Abwaschung in der Badewanne hinterm Schuppen. Mattes\IN{\mathes} kommt mit der Geige und spielt allerhand. Nachmittags, als es kühler wird, gehen wir auf die große Wiese, den prachtvollen Gemeindeanger\IO{Wama!Gemeindeanger}, den man zwischen den Häusern frei gelassen hat. Alles Volk freut sich über den ersten Maisonntag. Wir bummeln zu den verschiedenen Gruppen, die sich auf dem Grase vergnügen. Die rumänischen Frauen und Mädchen mit ihren schneeweißen Tüchern haben so wunderbar anmutigen Gang; überhaupt ihre Haltung. Im Gegensatz dazu die ballspielenden deutschen Mädchen. Die \gestrunl\ rumänischen sollen tanzen, Mattes\IN{\mathes} und Menzel\IN{\menzel} spielen abwechselnd, nur eine ist zu bewegen, mit Hauschild\IN{\hauschild} Walzer zu tanzen. Schließlich tanzen aber mal~2. Hauschild\IN{\hauschild} hascht sich inzwischen mal die sogenannte ,,Angeluscha``\IN{\angeluscha} (in Wirklichkeit \gestrunl\ Jelena). Nachdem die Geige und die anderen Leute weg sind, kommt's endlich zu unserer großen Freude dazu, dass Angeluscha\IN{\angeluscha} und eine andere ,,\mbox{Hora}`` tanzen, eine dritte spielt Maultrommel dazu. Dann spielt Angeluscha\IN{\angeluscha} und die anderen 2 Tänze. Wir hören und sehen unermüdlich zu, Bartezki\IN{\bartezki}, der ,,{\lspitz}Botzick{\rspitz}`` ist noch dabei. \pagebreak Es wird dunkel; die Mädchen \tboneA{243} gehen weg. Wir bummeln nach Hause. Bartezki\IN{\bartezki} sagt mir, die Mädchen haben darauf gewartet, dass einer mit ihnen geht, nach Hause, und mit der Familie zu Abend isst und mit der Freundin den Abend verplaudert. Ich erzähle das Hauschild\IN{\hauschild}. Wir schlafen alle auf dem Boden, \sout{Schick\IN{\schick}} Hauschild\IN{\hauschild} kommt erst spät nach Hause. Prachtvoller Sternen\-himmel. %%% Local Variables: %%% TeX-PDF-mode: t %%% mode: latex %%% TeX-master: "Tagebuecher_1908_bis_1919" %%% End: