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Lieber Carnap.
Vielen Dank für Brief vom 8. April mit Nachtrag vom 9. April. Ich finde alles, was Du sagst, durchaus erwägenswert. Sei aber so lieb und unterstütze mich mit Morris, wie Ihr es bisher getan habt, vertrauensvoll in meiner etwas abweichenden Haltung.
Ich stehe grundsätzlich, wie in Paris 1937 auf dem Standpunkt, man solle nicht vorzeitig irgend eine Position aufgeben.
Ich fände es einfach nicht fair, mit anderen Verlegern Vorbesprechungen zu führen, solange unser Verlag hier mit KEINEM WIMPERZUCKEN IRGEND EINE BESORGNIS ZEIGT, sondern bereit ist, Vertrag auf Vertrag abzuschließen und Honorare zu zahlen.
Mir persönlich würde es einfach wider meine Haltung gehen, einem mutigen, gelassenen und durchhaltenden Holländer gegenüber von den Sorgen meiner Freunde zu berichten und allerlei Vorschläge zu erwägen, damit für immer die aufrichtige Bereitwilligkeit dieser Verleger herabdrückend. VERTRAUEN GEGEN VERTRAUEN, GELASSENHEIT GEGEN GLEASSENHEIT.
Ich bin sicherlich nicht tollkühn und habe mehr als einmal Vorsorgen treffen müssen, aber ich habe nie PRÄVENTIVMASSNAHMEN ergriffen, weil das irgendwie die ganze Haltung beeinflußt. Ich will aber Eure Besorgnis voll im Auge behalten und will SOFORT CABLEN, WENN ES NÖTIG IST, DASS IHR ETWAS BEI DER PRESS UNTERNEHMT.
In diesem Sinne sende ich heute ein Telegramm.
1. JOURNAL. Betrübliche Verzögerung, erst, weil die Transportfirma die Blockade-Routine feststellen mußte, dann, weil, wie es scheint, die USA-Stelle strenger als sonst war. Die Weltfirma, die den Transport durchführt, war seinerzeit beim USA-Konsul. Aber es scheint irgend etwas nicht genau unterfertigt gewesen oder ausgefüllt zu sein. Wie mir der Verlag glaubwürdig mitteilt, ist nunmehr die Routine in USA genau bekannt und in Hinkunft geht alles glatt weiter.
Heft 5/6 ist im Druck und kommt mit Titelei für den ganzen Band dieser Tage heraus. Dann folgen die Kongreßberichte. Es hängt nur von uns ab, wie rasch wir sie erscheinen lassen. Am Schluß kommen dann die Diskussionsnachträge. Ich selbst fände es netter, dazwischen mal wieder Artikel zu bringen. Es wäre gut, wenn die PRESS einen Zettel einlegte, Nr. 1–3 verzögert durch Weltereignisse.
2. LIBRARY. Wenn das Verzögerungsmoment beim Journal eine Rolle spielt, so spielt es bei der Library praktisch keine Rolle. Denn alle Verzögerungen des Drucks sind klein gegenüber denen, welche den Autoren zuzuschreiben sind, Gomperz z. B. hat natürlich nicht nur vieles im Text geändert, er hat die Idee gehabt, die Rechtschreibung in den Korrekturbogen auf amerikanisch umzuändern (MODERN MAN IN THE MAKING hat der amerikanische Verlag von meiner amerikanischen Rechtschreibung auf englische umgearbeitet, weil es dem Absatz günstig ist) – ich werde ihn doch nicht zu hindern versuchen, um irgend welche Gereiztheiten zu hören zu bekommen. Des Autors Wille ist sein Himmelreich. Werden halt die Menschen etwas später wissen, wie sie interpretieren. Kelsen hat neue Entdeckungen gemacht, die er den Lesern nicht vorenthalten will, und liest nun die ganze Korrektur nochmals. Warum nicht? Die Magie ist nicht mehr so aktuell und geordnete Strafrechtspflege ist ja ohnehin jetzt weniger aktuell. Von Mises war schon erheblich unzufrieden, daß die letzte Korrektur hier gelesen wurde. Es könnte sein, daß 21⁄2 Druckfehler stehen geblieben sind. Das war aber schon passiert und er hatte die gedruckten Exemplare, ehe ich den Brief von ihm hatte, sonst hätte ich ihm natürlich alles nochmals geschickt und die Menschen hätten halt etwas später erfahren, wie es mit dem Negativismus bestellt ist. Die Korrekturen sind ja ohnehin schön herumgereist.
Ich bin NICHT dafür, mit der PRESS und VAN STOCKUM neue Verhandlun
VERTRÄGE für Monographseries:
HEMPEL & OPPENHEIM, STRAUSS, CARNAP zwei Publikationen.
Weitere Verträge in Aussicht genommen. NACH AUSBRUCH DES KRIEGES WURDEN VERTRÄGE GEZEICHNET, bitte das nicht zu vergessen. 5 Stück. Auch jetzt ist der Verlag völlig positiv gegenüber weiterer Arbeit. Er hat sich tadellos benommen, als RASCH die Kongreßdrucke gemacht werden mußten, und sie rechtzeitig fertig gebracht, obgleich manche Manuskripte spät eintrafen.
Wenn der Himmel einstürzt, bekommen wir alle blaue Nachtmützen. Dann ists noch reichlich Zeit, mit der PRESS zu reden. Nichts ist so eilig, daß es jetzt geschehen müßte. NUR KEINE HAST, bitte!
Wenn ich etwas sinnvoll fände, so daß die PRESS eine größere Anzahl Hefte und Bücher FIX übernimmt, auf Lager (nicht Kommission), sagen wir 50 Stück von allem und 100 Stück von solchen Sachen, die in Chicago gesucht sind, z. B. Deine Semantik.
Du mußt nur dafür sorgen, daß Du genügend ABSCHRIFTEN des Manuskript[s] hast, damit Versenkungen nichts schaden. Sie haben sehr abgenommen. Nach Indien wurde eine Sendung Modern Man (holländische Übersetzung) versenkt. Na, da wurde eben ein weiterer Posten nachgesendet. So ist das Leben. Es wäre gut, wenn Ihr zu dieser Anschaffung die PRESS bewegen könntet.
Die PRESS ist entzückend. Aber die Abhängigkeit von den Komitees ist ein erhebliches Unsicherheitselement und Verzögerungselement. Mit VAN STOCKUM & ZOON sind große Verlagsverhandlungen, inklusive Kaffeetrinken (sehr gut!), in etwa einer Stunde fix und fertig. Handschlag und schon…Carnap, unterschätze das nicht, erinnere Dich, wie Reichenbach mehrere Verleger wegen des Journal fragte, wie Ihr mit der Press spracht und wie ich dann – ich habe mich wirklich nicht dazu gedrängt – mit Van Stockum & Zoon sofort Abschluß machen konnte, mit Honorar für Redaktionsbetrieb. Jetzt wird hier viel Zeit dem Korrekturlesen gewidmet, dem Übersetzen von vielen Briefen usw. Zusammenstellen der Bücherlisten usw. usw. Es entwickelt sich die Routine.
Die Gesamtsituation ist sehr ernst, aber ich sehe die Entwicklung anders wie Du. Jetzt viel beruhigender als vorher! Der 9. April hat sehr beruhigende Folgen – das wäre zu lang, das zu entwickeln. Studium der Kriegsgeschichte zeigt ja, daß ein Pokerelement immer da ist, daß es aber andererseits auch allgemeinere BASIS-Fakten gibt, die allerlei erzählen. Manchmal stimmts nicht – gewiß. Wie in allem.
Ich habe Zilsel, Rougier nicht zu sehr gedrängt, weil sie durch die Ereignisse bedrückt sind. Aber unsere Enzyklopädie wird dennoch sehr schön werden und zwar umso schöner, je weniger wir drängen in solchen Fällen. Ich finde es viel schlimmer, daß Frank die Freundlich-Sache nicht erledigt hat.
Daß Monograph I und II nun zweiten Druck erleben, ist sehr erfreulich. Tinbergen ist mit seiner Monographie fast fertig. Ich habe nun so ziemlich alles an Büchern aus Holländischen Bibliotheken beisammen, was ich im British Museum einsehen wollte, und werde in absehbarer Zeit mit dem Text fertig.
Im ganzen hat der Krieg alles etwas verlangsamt, aber es gleicht sich nun alles wieder aus, da der Anpassungsprozeß fortschreitet. (Hier wurde ich durch Besuch eines Verlegers unterbrochen, der mit mir sehr aussichtsreich die Propaganda für den großen VISUAL THESAURUS erörterte, Herausgabe eines Buchs über Holland – Geschichte und Gegenwart –, ausgewählte Sachen, und eine kleine Sache über Ausstellungswesen. Alles in Verbindung mit Ausstellungen, die geplant sind, teilweise in Zusammenarbeit mit offizieller Stelle. Ich erzähle Dir das gleich, damit Du ein wenig Dir die Lage vorstellst.)
Sobald ich von den nordischen Freunden höre, schreibe ich. Ich nehme an, daß die Edelgermanen besser behandelt werden als die Polen. Ich überlege noch immer, wie im Spätherbst eine Tagung in OSLO aussehen würde – nicht weil mir das wahrscheinlich dünkt. Ich hielt den Krieg nicht für unwahrscheinlich, als ich in England nach dem D[eutschland]-R[ußland]-Pakt das Schiff bestieg. Es war nur gut, daß ich in USA war und zurückkehrte. Ich habe unseretwegen herumgehört – es war nichts wirklich Entscheidendes zu machen (ich hätte gern eine „Branch“ gegründet), erst jetzt scheint eine USA-Institution ernstlich sich um uns eventuell kümmern zu wollen. Wie gern sorge ich vor, wie ungern weiche ich zurück, bevor ich muß.
Daher RECHNE ich auf die SEMANTIK-Hefte für die Library. Wenn Du nicht in der Korrektur Deine Symbolik änderst usw., wirst Du raschestens alles gedruckt vorliegen haben. Es handelt sich um nicht mehr als 6–8 Wochen Verzögerung, wenn Du rasch Korrektur liest. Wie soll ich VAN STOCKUM & ZOON, die mit mir kaltblütig die Lage besprechen und die wachsenden Chancen für Buchverkauf, nun mit Bedenken kommen? Bitte führen wir durch, was wir begonnen. ES IST IMMER ZEIT, MIT PRESS usw. ZU VERHANDELN, WENN WAS ERNSTES PASSIERT.
Ich HOFFE, daß wir für die Library die englische Übersetzung der Logistik bekommen. Es ist für unser gemeinsames Prestige gut, wenn unsere Publikationen einander stützen. Ich fand es traurig, daß Du SPRINGER, nachdem er von sich aus die Sammlung aufgab, dennoch die Logistik belassen hast. Aber Du wirst gute Gründe dafür gehabt haben. Ich hoffe, Du wirst die Library immer mehr als Dein Heim empfinden lernen.
ENZYKLOPÄDIE.
Ich bin, glaube ich, mit Euch ganz einig gewesen, daß wir für jeden Band ein EDITORIAL COMMITTEE haben, mit einem SECRETARY (diese Bezeichnung ist besser. Wir wollen nicht neue Editors schaffen – besonders, wenn vielleicht in einem späteren Band der Secretary verhältnismäßig jung ist und die Mitglieder ausgereifter und bedeutender. Die Organisation soll so sein, daß sie immer geht. Secretary ist Primus inter Pares), ich glaube, Morris hat seinerzeit diesen Terminus erwähnt.
Ich sehe keinen Grund, die Anfangszahl auf zwei Mitglieder zu beschränken, manchmal werden 3 oder sogar 4 besser sein. Ich lege Wert darauf, bei der Anfangsauswahl mitzuwirken, nicht als ob ich mich in fremde Gebiete wie Physik einmengen will, sondern um mitzuwirken, daß gewisse Grundsätze wenn möglich realisiert werden, z. B. daß Europäer in den Komitees sitzen, etwa PAULI im Komitee für Physik usw. Natürlich soll Frank die Verhandlungen im einzelnen führen, die Mitglieder einladen im Namen der Herausgeber. Die Verzögerung ist nicht erheblich. Zumal wir ja den Telegraph erfunden haben. Die Kosten kann unser Institut noch tragen, solange sie nicht zu hoch werden.
Ich bin nicht für Pedanterie, aber die normale Routine sollen wir in so wichtiger Sache durchhalten.
Also
Wenn man mit Mises gut steht, läßt es sich gut mit ihm arbeiten. Mit Frank steht er sehr gut.
Sollten wir nicht erst die 6 Sekretäre bitten, uns eine kurze Übersicht zu geben, was sie im RAHMEN des schon besprochenen Gesamtplans vorhaben? Um dann erst einzelne Komitees zu besprechen? Ich bin aber sehr dafür, wenn man mit Bd. V beginnt. Aber ich glaube, daß so viel für die Zukunft von der Zusammensetzung abhängt, daß ich, wenn es dringend ist, um Cable bitte.
Bitte sendet bald Entwurf für Prospekt.
Gern hörte ich von Euch allen mehr. Uns gehts gut. Der neue Auftrag für USA, MENTAL HYGIENE betreffend, ist sehr interessant und wichtig. Alles geht seinen normalen Gang. Wir arbeiten besonders viel für USA. Die Verzögerungen sind im ganzen nicht groß, nachdem die Anpassung erfolgt ist. Wenn die schwedische Ausgabe meines Buchs draußen ist, deren Abzüge ich schon sah, habe ich alles erreicht, was geplant war. Der Verleger, von dem ich oben sprach, erzählte mir, daß mein Buch Absatz hatte wie ein sehr gut gehender Roman. Es freut mich, daß Dir der Roman gefällt. Du würdest mir einen großen Dienst erweisen, wenn Du mir sagtest, als einer meiner lieben Leser, was Dir schwieriger zu verstehen schien, was Du anders möchtest, welche Ergänzungen Du wünschst und was Dir daran besonders angenehm war. Ich brauchs für die zweite Auflage und für mein neues Buch.
Von Frank-Stockholm kam heute wieder ein Brief. Er nimmt alles mit großer Gelassenheit hin und arbeitet allerlei für sich. Er hat bisher keine Nachrichten aus Dänemark. Nach einiger Zeit wirds die geben. Man ist natürlich nicht frei von Sorge. Vergiß nicht an REACH, an RAND usw. Schreib bald wieder. Brief ist immer Labsal.
Gute Grüße an Euch zwei beide
herzlichst Dein
ON
Brief, Dsl., 4 Seiten, ON 222; Briefkopf: msl. An Carnap zwei Exemplare\,/\,An Morris zwei Exemplare und 22.IV.40.