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MIT BEILAGE
Lieber Carnap!
Lieber Morris!
So, da wären die ersten Separata unseres JOURNAL OF UNIFIED SCIENCE – uh, uh. Ja, aller Anfang ist schwer. Aber jetzt gehts schon einigermaßen automatisch, das Einlaufen der Manuskripte, Ablieferung an den Drucker, Drucklegung, an den Autor usw. Und die Kongreßanzeigen.
Es sind jetzt schon viele Kongreßreferate beim Drucker, von manchen sind schon die Korrekturen da.
Mises liest letzte Korrektur von seinem Buch, Kelsen die erste von seinem. Die Weltereignisse hemmen nicht den Fortgang unserer Arbeit – bis jetzt.
Ich habe nun die nächsten sechs Bände nochmals sehr genau überlegt. Und ich möchte mich natürlich möglichst Euren Anregungen anschließen. Ich begann damit, mir zu sagen, „Methode“ ist ein gutes Wort – gutes Wort usw. Dann habe ich Sätze damit gebildet und mich eingeübt. ABER – es ist hier bestimmt nicht gut, wenn wir den Grundgedanken beibehalten, den ich für richtig halte und den Ihr selbst auch hervorhebt, gerade im Prospekt – und zwar auf treffliche Weise:
Unsere engere Gruppe stellt mit möglichst „unifizierten“, also „neutralen“ Sprachmitteln die Diskussionslage dar, alle Lücken, Widersprüche usw. betonend, um dann innerhalb dieser Darstellung des tatsächlichen Wissenschaftszustand[es] die ABWEICHUNGEN der verschiedenen Schulen, Richtungen, Gruppen usw. mit zu behandeln, worauf dann diese Gruppen in ihren eigenen Darstellungen angeben, wie weit sie sich „erfaßt“ vorkommen, wie weit unsere Formulierungsweise ausreicht, sie mit zu umfassen, wie weit unser
Ich frage mich, würde ich die verschiedenen Richtungen der Psychologie, der Biologie, der Sozialwissenschaften als verschiedene „Methoden“ bezeichnen? Ist der Unterschied der Darstellungsweise von Bohr und der von Einstein erstrebten (Frank schrieb mir darüber sehr nett, wie Einstein jetzt gegen die Grammatik von Bohr ungefähr vorbringt, was man früher gegen die Grammatik von Einstein vorbrachte, er deutet das so, daß Einstein sich dagegen wehrt, weil man die Bohrsche Grammatik nur in der Grammatik unseres logischen Empirismus unterbringen kann, usw.) einer der „Methode“? Ist, was Strauss jetzt bearbeitet, was wir sonst von Anregungen für die nächsten Bände wissen, „Methode“? Oder mehr GRAMMATIK, STRUKTUR – VORFÜHRUNG DER WISSENSCHAFT IN MÖGLICHST KONSISTENTER VORSICHTIGER SPRACHE. Man sieht: dies ist einfacher Realsatz, das ist ein semantischer Satz, das ist
Ich schlage daher nach mannigfaltigen Erwägungen vor:
GRAMMAR OF UNIFIED SCIENCE. Vol. III–VIII.
Wir mühen uns um eine möglichste UNIFICATION WITHIN OUR ENCYCLOPEDIA. Wir können im Prospekt, in der Vorrede betonen, daß es um diese Bemühung geht, nicht um eine Antizipation oder auch nur um eine Limes-Vorstellung.
Der Terminus GRAMMAR OF SCIENCE ist genügend allgemein auffaßbar. Er hat eine ausgezeichnete Tradition. Das Buch von PEARSON, das auch gedanklich uns so nahe steht, was Mach, Physikalismus usw. anlangt.
Eine kleine kritische Bemerkung sei mir erlaubt. METHODS OF SCIENCE sagt nicht, daß es sich um unsere spezielle Aufgabe handelt. Außerdem ist METHODS ein Plural, durch nichts auf Vereinheitlichung
GRAMMAR OF UNIFIED SCIENCE hat, meine ich, mehr reizvolles. Man fragt sich ab, was wohl drinsteht. METHODS OF SCIENCE ist, scheint mir, trivial, klingt etwas schulmeisterlich. Auch POCEDURES wäre etwas trocken, wenn auch etwas weniger üblich.
Der Titel GRAMMAR OF UNIFIED SCIENCE veranlaßt die Mitarbeiter (so wie der Titel der ersten Series das nachweislich getan hat), irgendwie (und wäre es einschränkend, Bedenken vorbringend) auf den Titel einzugehen. Sie müssen (auch die „representatives“) wenigstens in der Einführung ihres Artikels etwas über die einheitliche Sprache der Wissenschaft sagen und daß sie im folgenden sich einer Sprache bedienen, von der sie entweder meinen, daß sie durch unseren Vorschlag nicht ersetzt werden kann oder eigentlich mit ihr übereinstimme oder…
Mir persönlich läge es nahe, den UNIVERSAL JARGON
Gerade unsere Gesamthaltung entspricht dem GRAMMAR OF SCIENCE, im Sinne Vorführung der Wissenschaft in ihrer grammatischen Struktur. (Es kann zum Teil über die Struktur gesprochen werden, es genügt aber, sie vorzuführen). So setzen wir fort, was wir begonnen, besonders CARNAP immer betonte, ebenso MORRIS, FRANK immer mehr, ich, u. a. von uns.
Die dritte Serie kann dann die Darstellung der Wissenschaft als ERGEBNIS von I und II bringen. Das bleibt noch offen. Aber darüber waren wir einig, daß, wenn es geht, eine Übersicht über die Details in unserer gemeinsamen Sprache erfolgen soll. Na, da sind ja noch ein paar Jahre bis dorthin.
In der Beilage, was ich über den Prospekt und die Bände meine. Ich glaube, daß wir diesmal, wie immer, uns auf einer netten mittleren Linie einigen werden.
Herzliche Grüße
Otto Neurath
Brief, Dsl., 2 Seiten, RC 102-53-11; Briefkopf: gedr. International Institute for the Unity of Science mit näheren Angaben, hsl. Carnap, 13. Juli 1939; ohne Signatur.