\brief[Carnap an Neurath, Chicago, 16.~Januar 1939]% {Rudolf Carnap an Otto Neurath, 16. Januar 1939}{Januar 1939} \anrede{Lieber Neurath:} \haupttext{Nach einer langen Fahrt sind wir zu Weihnachten wieder hier eingetroffen und jetzt hat auch der Unterrichtsbetrieb wieder begonnen. Meinem Rücken geht es ganz gut. In den Ferien habe ich mich hauptsächlich damit beschäftigt, mein Heft für die Enzyklopädie umzuarbeiten. Leider bin ich damit noch nicht fertig geworden. Es ist viel mehr Arbeit, als ich vorausgesehen habe, da ich sehr viel ändere. Ich denke aber, daß ich es in kurzer Zeit druckfertig haben werde. \cutcn{In Berkeley habe ich Brunswig und N\ae{}ss gesprochen. Sie sind gemeinsam an der Arbeit für ihr Heft\fnEE{Brunswik, \textit{The Conceptual Framework of Psychology} hätten ursrprünglich N\ae{}ss und Brunswik gemeinsam verfassen sollen ??? vgl. ???} und hoffen, es bald fertigstellen zu können. In Los Angeles habe ich Gomperz und Reichenbach gesprochen. Dort war ein Prof. J.~E.~Boodin (University of California, Los Angeles, 405 Hilgard Ave.). Er scheint einigermaßen ein Metaphysiker zu sein, ist aber sehr lebhaft an Deinen Arbeiten interessiert. Er sagte mir, er habe in Paris an der Diskussion nach Deinem Vortrag teilgenommen. Dann habe er Dir im Herbst 1937 ein Buch geschickt und Dir geschrieben, daß er sich um eine Vortragseinladung\fnA{\original{Vortragseinleitung}} für Dich nach Los Angeles bemühen wolle. Er habe aber keine Antwort von Dir bekommen. Ich weiß nicht, ob er wirklich imstande sein würde, genug Geld für die lange Reise aufzutreiben, aber wenn doch, so wäre es sicher lohnend, wenn Du auf diese Weise einmal in den Westen kämest. Bei der Gelegenheit könntest Du dann auch Berkeley besuchen. Den Scheck über \$ 25.00, den ich Dir im Herbst für Heinz\fnE{Gemeint ist Heinrich Neider.} geschickt habe, hast Du anscheinend noch nicht eingelöst. Ich glaube, es wäre besser, wenn Du ihn sofort einlösen würdest. Andernfalls würde es vielleicht viele Wochen dauern, wenn Heinz kommt und dann erst den Scheck einlöst. Im Juni habe ich Dir ein MS von Pankraz geschickt und um Deine Meinung darüber gebeten. Jetzt fragt er mich, ob es veröffentlicht wird. Bitte, gib ihm und mir Nachricht. Besten Dank für den Sonderdruck über Jørgensen's Enzykl\editor{opä"-\hbox{die-}}Vorlesung. Hast Du meine Rezensionen über Hilbert und Cantor zum Druck gegeben? Würdest Du, bitte, so gut sein und die Druckerei benachrichtigen, daß ich 50 Sonderdrucke davon haben möchte.} Die Bemerkungen über \uline{mein Ms. zur Enz\ekl{yklopädie}} vom 25. November sind mir sehr anregend und wertvoll jetzt bei der Umarbeitung. Ich sehe ganz klar, daß die Schrift, so wie sie jetzt ist, schwerer verständlich ist als die meisten anderen Hefte. Aber ich bin nach längerer Überlegung zu dem Schluß gekommen, daß ich das kaum \neueseite{}\zzz wesentlich ändern kann, ohne ein ganz neues Heft zu schreiben. Dein Vorschlag, ein neues Heft zu schreiben und andererseits gleichzeitig ein Buch, scheitert mangels an Zeit. Das Buch würde nicht vor 1940 fertig werden. So habe ich es für das beste gehalten, den Aufbau des Heftes im ganzen beizubehalten, aber durch zahlreiche Einfügungen von Erläuterungen und Beispielen den Text leichter verständlich zu machen. Ferner trenne ich verschiedene sehr technische Abschnitte deutlicher vom übrigen Text und lasse sie in Kleindruck setzen. Ich glaube nicht, daß es meine Aufgabe ist, im Heft nachzuweisen, daß die semantische Methode unentbehrlich ist. Das würde viel zu schwierig sein. Ich glaube, es genügt, wenn dem Leser klar wird, daß die Methode nützlich ist, indem sie Begriffe zur Verfügung stellt, mit denen eine Menge Fragen, die der Wissenschaftler hat, in einfacher und direkter Weise formuliert werden können. In die Bibliographie werde ich noch verschiedenes einfügen auf Grund der Vorschläge von Dir und anderen. Du schreibst: ,,Gödel\IN{\goedel}!!!{}`` Aber da habe ich doch Bedenken. Der Aufsatz ist doch nur für die höchsten Experten verständlich. Dafür erwähne ich aber G\editor{ödel}s\IN{\goedel} Namen an mehreren Stellen im Heft. -- Du hättest ruhig Durchschläge an Morris\IN{\morris} und andere schicken können, denn auch wenn ich die Doppel-Publikationen planen würde, würde ich daraus im Kreise meiner Freunde kein Geheimnis machen. Ich habe zur \uline{Rezension} bekommen: P. Léon Veuthey\IN{\veuthey}, La Pensée Contemporaine, Paris 1938. Das Buch ist vom Standpunkt der katholischen Philosophie und Theologie geschrieben, im Anschluß an die Vorträge und Diskussionen des Pariser Philosophen\ekl{-}Kongresses 1937 (meiner Meinung nach lohnt es sich nicht zur Rezension in unserer Zeitschrift). Ich schicke gleichzeitig Kopie eines Briefes an Juhos\IN{\juhos} für Dr. Hazebroek\IN{\hazebroek} und Strauss’\IN{\straussmartin} ,,Remarks to Carnap\incarnap{}``.\fnEE{Strauss, ,,Remarks to: R.~Carnap, Foundation of Logic and Mathematics`` (\href{https://doi.org/10.48666/938555}{ON~394/R.57-1 bzw. RC~102-75-06}).} } Mit besten Grüßen \grussformel{Dein\\Carnap} \briefanhang{Wann kommst Du herüber?} \ebericht{Brief, msl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/846603}{ON 222 (Dsl. RC 102-53-47)}; Briefkopf: gedr. \original{Rudolf Carnap\,/\,Department of Philosophy\,/\,University of Chicago} und \original{Chicago, Illinois}, ergänzt durch msl. \original{16.~Januar 1939}.}