Ich fahre ca. 9. II ab, spreche am 23. II in New York, habe dann noch allerlei Verhandlungen und möchte womöglich Anfang März in Chicago sein. Schade, daß es so kostspielig ist. Könnt Ihr nicht einen oder zwei honorierte Vorträge einrichten?
Du wolltest mir eine Einladung senden. Bis jetzt habe ich Sie nicht, bitte schick Sie postwendend ab.aKsl. (zu spät) (ich habe ihn gefragt, was drin stehen soll, und für welchen Zweck, aber keine Antwort bekommen). Betone, daß es Deiner Meinung nach wichtig ist, daß ich Besprechungen habe, insbesondere auch als Editor in Chief der Enzyklopädie, daß Besprechungen mit anderen organisiert werden und dgl. Es ist immer gut, wenn man dem Immigration Officer klar machen kann, was man treibt.
Da ich jetzt einen ganz normalen deutschen Paß für 5 Jahre als Ersatz meines österreichischen Passes bekommen habe, habe ich wie immer mein Visum ohne weiters bekommen.bKsl. (also keine Einladung nötig!). Ich will in New York mit Freunden überlegen, wie mans machen kann, damit unser ganzes Büro jederzeit hinüberkann. Das ist nicht einfach einzurichten. Ich möchte nicht eine Vorzugsposition einnehmen. „Der Kapitän …“ Hier haben wir jetzt viel zu tun, es lebt sich still und ruhig dahin, wenn nur das Zeitalter nicht so maßlos trübe wäre. Dr. Oswald RichterPRichter, Oswald, 1886–1938, öst. Rechtsanwalt, den Du wohl auch kanntest, ist im Konzentrationslager an Herzschwäche gestorben. Ich bin um viele in Sorge. Am selben Tag kam die Nachricht, daß der Sohn des verstorbenen Physikers EhrenfestPEhrenfest, Paul, 1880–1933, öst. Physiker, verh. mit Tatjana Ehrenfest-Afanassjewa durch eine Lawine beim Ski-Fahren getötet wurde.
Schade, daß NagelPNagel, Ernest, 1901–1985, am. Philosoph, verh. mit Edith Nagel die Gelegenheit, über die Enzyklopädie zu schreiben‚ nicht anders ausgenutzt hat. Es ist irgendwie mit der Art GrellingsPGrelling, Kurt, 1886–1942, dt. Philosoph verwandt, der auch den Dingen keinen rechten Humor abgewinnen kann, denen er nahe steht. Man kann ja sehr bedauern, daß BohrPBohr, Niels, 1885–1962, dän. Physiker und RussellPRussell, Bertrand, 1872–1970, brit. Philosoph nicht mehr geschrieben haben, aber eigentlich soll man doch, besonders, wenn man selbst mitarbeitet, sagen, wie nett es ist, daß RussellPRussell, Bertrand, 1872–1970, brit. Philosoph unsere Sache begrüßt und daß BohrPBohr, Niels, 1885–1962, dän. Physiker im Lauf der Zeit uns immer näher gekommen ist. Das ist doch von symptomatischer Bedeutung. Schade, daß alle neuen Gedanken, die ich in meinem Artikel zum besten gab, dem Rezensenten „familiär“ sind, oder daß er mindestens meinte, sie seien es. Dadurch erfährt der Leser nicht, was ich eigentlich behaupte, nur daß ichs unzulänglich tu. Na ja. Tus zum übrigen. Was man durch Enzyklopädie und anderes leistet, wird man ja nach einiger Zeit deutlicher sehen als jetzt. Wenn es auch nur etwas Bescheidenes ist – ich habe den Eindruck, daß immer mehr Menschen die Enzyklopädie als etwas empfinden, um das man sich gruppieren kann. Ich sprach hier in einem progressiven Klub über ENTZAUBERUNG DURCH LOGISCHEN EMPIRISMUS. Der Vorsitzende hatte die Enzyklopädie neben sich liegen, deren Abonnent er ist (ich kannte ihn vorher nicht), und mehrere der Anwesenden sagten, wie nahe ihnen das alles ist, was wir sagen. Ein bekannter Kritiker berichtete mir, wie sehr ihn die Aufsätze von SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick berührt hätten. Ich hatte gehofft, daß NagelPNagel, Ernest, 1901–1985, am. Philosoph, verh. mit Edith Nagel ein wenig diese Fragen berühren würde. Die Bemerkung über DEWEYPDewey, John, 1859–1952, am. Philosoph führt, glaube ich, irre. DeweyPDewey, John, 1859–1952, am. Philosoph ist nämlich einig mit uns, daß man nur von Dingen redet, die ein „Wo“ und „Wann“ haben (Physikalismus), er hat nur Bedenken gegen Zurückführung auf PHYSIK im engsten Sinne, wenn man z. B. soziale Probleme diskutiert. Wir haben doch gegen molare Behandlung z. B. in der Psychologie nichts einzuwenden und meinen nur, daß die Gebilde solche sind, wie sie auch in der Physik auftreten usw. usw., und daß die Sätze von der selben Art sind. Aber, das ist mal, wie es ist.
Schreib bald. Die Zeiten sind grauslich. Wenn Du das Pinguin-Buch von LondonderryPLondonderry, Charles Vane-Tempest-Stewart, 1878–1949, brit. Politiker liest GERMANY AND OURSELVES‚ verstehst Du vieles besser. Ja, und da arbeitet man im Detail dies und das, schreibt sogar Bücher über das Zeitalter …Habe eben die Korrekturbogen von meinem gelesen, das in New York erscheint.iKsl. Was ist das??. Na ja. So ist das Leben. Ich habe dort so viele Möglichkeiten der Kriegskombination erwähnt, daß ich die Bilder nicht ändern mußte trotz der Ereignisse …Und was hat man schon davon. Skeptischer Optimismus ist das einzige, was bleibt, und Vitaler Stoizismus. Meinst Du nicht?
Mit Wünschen für Dich und InaPCarnap, Ina (eig. Elisabeth Maria immacul[ata] Ignatia), 1904–1964, geb. Stöger, heiratete 1933 Rudolf Carnap herzlichst grüßend