Otto Neurath an Rudolf Carnap, 4. Juli 1938 Juli 1938

Lieber Carnap!

In Eile.

1. SCHLICK-Artikel. FeiglaKsl. Feigl. hat Korrekturabzug. Dränge ihn, daß er ihn mir gleich sendet. Man mußte ihm Möglichkeit geben, die Einleitung zu ändern, da sie nicht mehr paßt, seit die Verfolger zu Verfolgten wurden usw. usw. und seit Waismann die Aufsätze herausgab. Z. B. hat im Referat „1937-Paris“Schlick gerade den Terminus Wiener Schule sehr betont, während wir dabei waren, von „Wiener Kreis“zu „Unity of Science Movement“ überzugehen. Feigl hob hervor, wie fremd Schlick alle Schulbildung war, wie unagressiv er war usw. Das scheint sich allmählich geändert zu haben. Ich weiß darüber nichts. Ich habe auch nichts dagegen, wenn Feigl den Artikel druckt, wie er ist. Aber er war im Titel als Erinnerungsartikel an die erste Wiederkehr des Todes gekennzeichnet. Das ist er nicht mehr.

2. Ich habe das Bemühen, den laufenden ERKENNTNIS-Jahrgang so rasch als möglich zu liquidieren, damit dann gleich der neue Jahrgang hier gedruckt herauskommen kann. Ich möchte möglichst jede Hemmung in Leipzig vermeiden. Nun ließ mir MEINER ausdrücklich sagen, er lege uns dringend nahe, daß im laufenden Jahrgang kein Artikel von REICHENBACH und JULIUS KRAFT kommen möge (offenbar hat irgendwer sich darüber geäußert) – er teilte mit, daß bis jetzt meiner nicht absprechend Erwähnung getan worden sei. Nun wurde in PARIS beschlossen, daß der INHALT der Erkenntnis keine Konzessionen machen könne, es werden also jetzt Artikel von REICHENBACH erscheinen, mag daraus folgen, was immer. Einer liegt schon ein Jahr dort. Hingegen wurde ebenso in PARIS beschlossen, daß, solange in Deutschland gedruckt wird, der NAME Reichenbach nicht auf dem Titel erscheinen solle, sondern statt dessen ROUGIER. 🕮 Ich habe in Hinblick auf die Warnung ROUGIER nahegelegt, lieber es bei „CARNAP“allein zu belassen: Quieta non movere. Damit war er einverstanden. Er legt nur Gewicht darauf, daß sein Name im Titel kommt, wenn französische Artikel in größerer Zahl erscheinen. Es bildet sich eine französische Gruppe, die in unserer Zeitschrift publizieren will. OK. Ich habe, um Weiterungen auszuweichen, nur Deinen Namen mit Adresse angegeben‚bKsl. Da muß eine europäische Adresse angegeben werden!. obgleich wir in der neuen Zeitschrift den Büchereinlauf besser hier konzentrieren. Ich habe auch lieber Dr. Hazebroek’s Adresse, der jetzt die Korrespondenz mit EDLICH (Druckerei) führt, nicht angegeben. Es folgen ja jetzt: Nr. 2 mit DÜRR, WINTERSTEIN, ROSE RAND. Nr. 3 mit KONGRESS, Nr. 4 mit KONGRESS. Nr. 5 und 6, mit REICHENBACH, FEIGL über SCHLICK, GEIRINGER-REICHENBACH-Diskussion über Hypothesenwahrscheinlichkeit und einige Kleinigkeiten. Es fehlen BESPRECHUNGEN. Trotz meiner Bitte schickt mir REICHENBACH keine Mitteilung, wer Besprechungsexemplare hat und wen man mahnen kann, vielleicht weißt Du das.

3. Ich glaube nicht, daß wir Mangel an Artikeln haben werden, sondern Mangel an Raum. Überlege: KONGRESSBERICHTE jährlich ca. 8–10 Bogen, Besprechungen, Buchanzeigen, Nachrichten jährlich ca. 3–6 Bogen. Ich dachte, man sollte den Umfang von Artikeln mit vorwiegend 24 Seiten ansetzen, 32 und mehr als Ausnahme.

4. Ich hoffe, wir können Monatsberichte herausbringen. Freue mich, daß Du damit einig gehst. Die Abteilung, die wir als Institut bei MALISOFF haben, sollten wir nicht aufgeben, weil uns das doch eine gewisse Sicherheit gibt, bestimmte Dinge immer unterbringen zu können unter unserer Verantwortung, wenn er etwas Bedenken hätte. Ich denke an die Zeitschrift SYNTHESE hier, die dafür Interesse hat.

Mit guten Grüßen an Dich und Ina, nächstens mehr

Nth

Brief, msl., 2 Seiten, RC 102-54-13 (Dsl. ON 221); Briefkopf: gedr. International Institute for the Unity of Science mit näheren Angaben, msl. 4. Juli 1938, ksl. bekommen 26.7..


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