Otto Neurath an Rudolf Carnap, 20. Juni 1938 Juni 1938

Lieber Carnap!

In Eile. Zunächst vielen Dank für alles Liebevolle im Persönlichen. Schreibe bald.

Da wir die Zeitschrift anglisieren wollen (JOURNAL OF UNIFIED SCIENCE finde ich ohne Zögern den besten Titel, wie ich schon erwähnte), bitte ich Dich, mir englische Artikel für die ERKENNTNIS rasch zu senden. Bitte sende möglichst einen von Dir, berichte über Euer Seminar, über USA Arbeiten, laß andere berichten, veranlasse Helmer, was zu schreiben, MORRIS, BLOOMFIELD (bin sehr froh, daß er jetzt das ganze Heft macht – eine Sorge weniger).

ROUGIER ist einverstanden, daß zunächst Du allein als Herausgeber zeichnest. Später, wenn mehr französische Artikel kommen, legt er Wert darauf, daß er mit drauf steht, aber das geschieht ja automatisch, da es ja dann heißt: herausgegeben von CARNAP und REICHENBACH in Verbindung mit FRANK, JØRGENSEN, MORRIS, NEURATH, ROUGIER, STEBBING. Rougier bildet jetzt eine französische Gruppe.

Ich bin dafür, daß dann drei Adressen angegeben werden‚aKsl. ja. entsprechend den drei Gruppen der Redaktion. Ich wäre sehr dafür, daß die Bücher alle hier einlaufen‚bKsl. ja. damit wir sofort nach Einlauf sie anzeigen können, mit kurzer Inhaltsangabe, dann hat die BESPRECHUNG etwas Zeit – es ist ja nicht nötig, daß das 2–3 Jahre sind.

REICHENBACH war diesmal nicht unwillig, auch ROUGIER nicht, aber die Zweckmäßigkeit der Lösung war auch zu einleuchtend und daß, wenn eine Bewegung so breit ist, nicht Du redaktionell Reichenbach unterstellt mehr bleiben konntest, war doch klar, ebenso, daß unser Institut, das seit jeher die Kongreßberichte redigiert und sich um vieles bemüht, auch ein redaktioneller Teil ist. Daß wir endlich wieder eine Zeitschrift haben, erhöht unser Prestige, und daß wir Malisoff keine Konkurrenz in USA machen, ist gut. Ich glaube, so nett er ist, er hat anderes im Sinn als wir. Hast Du die redaktionellen Bemerkungen gelesen, wo er sosehr allgemeine Parität betont!

Nein, daß Grelling durch uns bezahlt würde, war nicht die Frage, sondern, daß man für gewisse Arbeiten für Enzyklopädie, Institut usw. man ihn honorieren könnte – jetzt ist ein anderer Plan im Gang, der aber noch vertraulich ist. Oppenheim überlegt, Hempel und GrellingcKsl. Grelling. zu übernehmen.

Ich bitte Dich dringend, den Vorsitz der SymbolikkonferenzdKsl. nein!. zu behalten und jemanden als Sekretär vorzuschlagen, z. B. HELMER oder sonst wen, der erreichbar ist, etwa HEMPEL. SCHOLZeKsl. am Seitenende Das macht doch nichts für die Symbolikkonferenz!. ist in einem Lande, in dem Vorsicht eine große Rolle spielt. Er hat zu unserer Bewegung ein sehr zwiespältiges Verhältnis. Sieht gar nicht ein, daß wir Diskussionskongresse sind, die Kontakt zwischen Gelehrten im Interesse des logischen Empirismus wollen, während er immer einen „Fassadenvortrag“halten möchte und findet, daß wir wie die Mathematiker alle vier Jahre tagen sollten usw. Auch jetzt sei es ihm und seinen Freunden nicht möglich zu kommen, da nach Ansicht der Regierung (und seiner) der Kongreß in CAMBRIDGE den Forderungen nicht entspräche, die an internationalen Kongreß zu stellen sind usw. Auch habe ich schon sehr bedenkliche Äußerungen gehört, die sich darauf be🕮 ziehen, daß SCHOLZ sozusagen als Vertreter unserer Bewegung erscheint, trotz wirklichem Anti-Empirismus und Metaphysizismus. Alles hat viele Seiten und QUIETA NON MOVERE!

Sei lieb und schreib mir ungefähr, wenn es Dir paßt:

…Da die Verhandlungen in Paris 1937 gezeigt haben, daß zunächst Sammlung und Analyse vorhandener Symbolik wichtig ist…, so wäre gut, wenn ein Sekretär dem Vorsitzenden beigegeben werde…(Name kann ja noch offen bleiben), den dieser bestimmen soll im Einvernehmen mit den Mitgliedern. Es wird damit gerechnet, daß insbesondere die Gruppe von Münster, die Polen und Vertreter der Logistik in USA die Arbeit des Sammelns und der Analyse fördern, die Kontakte werden durch das International Institute for the Unity of Science aufrecht erhalten. (Nicht, daß ich mich viel einmischen will, aber es zeigte sich, daß wir ein ruhender Pol in der Erscheinungen Flucht sind. Hier wird immer jemand sein, der etwas vermittelt, besonders seit Mathematiker und Physiker in dauerndem Kontakt mit uns stehen. SCHOLZ wird genau weiter arbeiten wie bisher und wir übernehmen keine Verantwortung für ihn, er nicht für uns, Vorsitzender eines Komitees sollte wohl immer jemand sein, der in einem unserer Ausschüsse sitzt! SCHOLZ scheint dadurch, daß jetzt der Wirkungskreis seiner Professur erweitert und ein eigenes logistisches Seminar geschaffen wurde, noch mehr als bisher um seinen „Kredit“, wie er das nennt, besorgt zu sein, während wir doch mehr schlichte Menschen sind, die zusammen Wissenschaft treiben wollen und möglichst wenig für Fassadenvorträge, Feierlichkeit, Kredit usw. sind – wenn wir auch wissen, was das ist und es gelegentlich berücksichtigen!)

Ich muß schließen, nächstens mehr‚

herzliche Grüße an Dich und Ina

Dein
ON

Brief, msl., 2 Seiten, RC 102-54-15 (Dsl. ON 221); Briefkopf: gedr. International Institute for the Unity of Science mit näheren Angaben, msl. 20. Juni 1938.


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