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Lieber Neurath:
Ich schicke gleichzeitig ein Ms. „The Logic of Economics“von Dr. Ottomar Pankraz, Prag, II., Na Vytoni 6, Mathematisches Institut. Pankraz hatte dieses Ms. an Morris geschickt, für seine Herman[n]-Sammlung. Frank hat an Morris geschrieben, daß Pankraz ein kompetenter Mathematiker und Logiker ist. Morris meint aber, es sei für seine Sammlung nicht geeignet und hat es mir für die „Erkenntnis“gegeben. Es scheint mir interessant, und die Idee, die logischen Hilfsmittel auf ökonomische Grundbegriffe anzuwenden, scheint mir vielversprechend. Der formale Teil (Logik und Mathematik) scheint im allgemeinen, abgesehen von einigen Einzelheiten, in Ordnung zu sein. Mir scheint aber, daß die ökonomischen Grundbegriffe besser geklärt werden müßten (z. B. Erläuterungen zu „nützliche und schädliche Mittel“). Glaubst Du, daß es zur Klärung der ökonomischen Begriffe wesentlich beiträgt und daher die Veröffentlichung wert ist? Wenn ja, schicke es, bitte, an den Autor zurück und schreibe es mir, dann werde ich ihm einige kleine Verbesserungsvorschläge schreiben. Ich schicke es Dir gleichzeitig zu.
Deine Bemerkungen zu Zilsel habe ich an ihn geschickt. Ferner habe ich ihm einen offiziellen Einladungsbrief zum Kongreß im Namen des Komitees geschickt. Vielleicht hilft ihm das etwas für die Erlangung eines englischen Visums und der Ausreiseerlaubnis. Ferner bin ich hier bemüht um ein Affidavit für ihn.
Besten Dank für Deine Bemerkungen zu meinem Heft. Ich will es jetzt im Sommer schreiben und dabei werden mir Deine Bemerkungen sehr nützlich sein. Auch die Bemerkungen von van Dantzig werde ich berücksichtigen. Sie scheinen mir aber in der Mehrzahl nicht recht zu treffen.
Ich habe mit Bloomfield gesprochen, daß er das ganze Heft schreiben soll, nachdem mir Andrade nochmals erklärt hat, daß ihm die Mitarbeit in diesem Jahre ganz unmöglich ist. Ich habe Bloomfield gebeten, die Abschnitte über die logischen Grundlagen der Mathematik lieber wegzulassen und dafür noch mehr auf die Frage der Stellung der Sprachwissenschaft im Gesamtsystem der Wissenschaft einzugehen. Jene Abschnitte waren sehr technisch und enthielten auch verschiedene bedenkliche Punkte. Bloomfield scheint aber solchen Suggestionen nicht leicht zugänglich zu sein, sodaß ich fürchte, er wird jene Abschnitte doch beibehalten trotz der von Morris und mir geäußerten Bedenken. In diesem Falle kannst Du vielleicht noch etwas dazu sagen, wenn Du die erste Niederschrift des Ms. bekommst (vielleicht im Herbst).
Zeitschrift: Reichenbach meinte, daß sein und mein Name wieder auf dem Titelblatt erscheinen könnten. Mir würde das auch am besten erscheinen, falls das möglich ist. Ich habe Meiner vor einiger Zeit gebeten, den Aufsatz von Feigl über Schlick zum Druck zu geben, sobald die Zeitschriftenfrage geregelt ist. Vielleicht erinnerst Du ihn auch noch einmal gelegentlich daran. Die „Erkenntnis“muß ja unbedingt, bevor sie eingeht, etwas über Schlick bringen.
Die Korrekturbogen des Konferenzberichtes habe ich Dir inzwischen zurückgeschickt. Beiliegend ein Programm über „Visual Education“, das Dich vielleicht interessiert.
Ich weiß nicht recht, ob es wirklich nützlich ist, wenn wir in verschiedenen Zeitschriften eigene Abteilungen für unsere Sache bekommen. Es wird dann schwierig sein, wirklich gute Beiträge für alle diese verschiedenen Abteilungen zu liefern. Sobald wir eine eigene Zeitschrift haben, brauchen wir doch solche Abteilungen in anderen Zeitschriften nicht mehr. Natürlich werden wir trotzdem noch Aufsätze in anderen Zeitschriften veröffentlichen.
Dagegen würde ein kleines monatliches Bulletin, wie Du es planst, wahrscheinlich recht nützlich sein.
Der Entwurf einer „standardized word language“ war nicht so gemeint, daß damit schon die Probleme der Begriffe der Einzelwissenschaften gelöst werden sollten, sondern zunächst wollte ich nur das logische Skelett für eine Wissenschafts-sprache entwerfen, also gewissermaßen Logistik ohne künstliche Symbole.
Reichenbach’s Buch enthält nach meiner Ansicht manches Richtige, viel Anregendes, dabei aber viel Verkehrtes und Verwirrendes. Lies Nagels Rezension darüber in „Journal of Philosophy“.
Über „Quotes“: Du hast sicher recht, daß es besser ist, den Autoren eine möglichst einfache Formulierung der Regeln zu geben. Könntest Du wohl die Formulierung in Deinem Brief vom 18. Mai (unter Streichung des letzten Absatzes „we write the definiendum…“) vervielfältigen und den Autoren zuschicken lassen? Wenn wir alles dem Setzer überlassen und die Autoren gar nicht orientieren würden, so würde doch zuviel Verwirrung entstehen. Der Setzer kann unmöglich entscheiden, ob der Autor über ein Wort oder über das mit dem Wort Bezeichnete sprechen will. Ich glaube, wir sollten die Autoren doch dazu verhalten, im ersteren Fall quotes zu verwenden. (Auch in Deinen Briefen wäre das sehr nützlich.
Was hast Du für Nachrichten von Deinem Sohn?
Kaufmann ist inzwischen in New York eingetroffen. Er schreibt, daß Neider außerordentlich unter den Zuständen in Wien leidet. Dasselbe berichtet auch Else Frenkel, jetzt Frau Brunswik; beide waren vor kurzem auf der Durchreise auf einen Tag hier. Neider soll auch Auswanderungspläne haben. Er selbst hat mir zwar einigemale geschrieben, es aber nicht erwähnt. Weißt Du etwas Näheres darüber, und wie könnte man ihm helfen?
Mit herzlichen Grüßen‚
Dein
Carnap
PS. Ich schicke gleichzeitig auch ein Ms. von Hollitscher. Er schreibt, daß es für die „Imago“angenommen war, aber jetzt natürlich nicht erscheinen kann. Ich habe den Eindruck, daß es im allgemeinen für die Erkenntnis geeignet ist, nur ist es an verschiedenen Stellen, mit Rücksicht auf den damaligen Zuhörerkreis, sehr breit. Mir scheint, da könnte verschiedenes gekürzt werden, was die Leser der „Erkenntnis“schon wissen. Vielleicht schaust Du es einmal an und schickst es dann an Hollitscher. Schreibe mir Deine Ansicht, oder, um Zeit zu sparen, falls Du mit mir übereinstimmst, schreibe ihm Deine und meine Ansicht, sodaß er es zur Veröffentlichung umarbeiten kann.
Brief, msl., 3 Seiten, ON 221 (Dsl. RC 102-54-17); Briefkopf: gedr. Rudolf Carnap\,/\,Department of Philosophy\,/\,University of Chicago und Chicago, Illinois, msl. ergänzt durch 17. Juni 1938.