Otto Neurath an Rudolf Carnap und Charles W. Morris, 16. Mai 1938 Mai 1938

Lieber Carnap
Lieber Morris

Ich sende diesen Brief rasch ab, damit er noch das Boot erreicht. Ich bin froh, daß die Zeitschrift unter Dach ist. Aber es wäre denkbar, daß wir sie bald herauszubringen uns entschließen. Da ist der Titel wichtig. Bitte kabelt mir, ob Ihr EINHEIT DER WISSENSCHAFT, UNITY OF SCIENCE, UNITÉ DE LA SCIENCE zustimmen könnt. Alle Vorschläge, auch der letzte von Carnap, sind nicht SLOGAN-artig und dabei doch milde, was man von UNITY OF SCIENCE sagen kann. Ich halte es gar nicht für gut, wenn man zusehr den Inhalt festlegt, als Wissenschaftslogik usw., d. h. als Reden über Wissenschaft! Seid nicht zu ängstlich wegen des Namens. Es war in PARIS nicht meine Absicht, mich um diese Angelegenheit zu kümmern, und ich habe mich jetzt nur damit befaßt, weil das Nicht-Erscheinen unserer ZEITSCHRIFT unser PRESTIGE schädigt – ernstlich! Auch suchen manche Ersatz. Wenn ich gefragt werde, sage ich, „unsere Zeitschrift“erscheint weiter, ich kann nicht „Erkenntnis“ sagen und der neue Titel liegt nicht fest.

Man kann mit der Publikation des neuen Kongresses beginnen, da ja die TEXTE bald einlaufen. In KOPENHAGEN haben wir die Vorausdrucke verteilt. Man könnte sie diesmal als HEFT 1 (oder 2) verteilen und dann noch ein Heft damit füllen. Sehr interessante Redner und Themen.

Daß der VERLAG gern UNITY OF SCIENCE haben möchte, ist verständlich, da er ja nun die ENZYKLOPÄDIE propagiert, die ZEITSCHRIFT herausbringt und unsere SAMMLUNG EINHEITSWISSENSCHAFT, von der ich den Titel von Heft 7 mitsende. Es hat keinen Zweck mehr, die Druckbogen zu senden, weil alles rasch zum Druck geht, damit wir vor dem Kongreß herauskommen und Zeit zur Propaganda haben.

Ich habe nun TOLMAN und DÜRR als nächste Hefte vor, die ja von Euch angenommen sind.

Da es ja denkbar wäre, daß man die Zeitschrift mit kurzem Aufruf der Herausgeber einleiten will, würde ich anempfehlen, daß Ihr jetzt schon einen Text aufsetzt und mir sendet, ich lasse ihn dann an die anderen Redaktionsmitglieder gehen, so daß eine gemeinsame Fassung gewählt würde. Ob die endgiltige Formulierung nochmals an Euch geht, ist natürlich nie ganz sicher. Aber es soll geschehen, was möglich ist, ich persönlich möchte betont als „ehrlicher Makler“fungieren und mich so wenig wie nur möglich in die Einzelheiten einmengen (sozusagen nur als 18), hingegen können wir hier im Institut die reine „Manipulation“und die „Zusammensetzung“durchführen, etwas Mittel sind ja für diese Arbeiten aus den Einnahmen zu erübrigen.

Dadurch, daß wir die Möglichkeit mit MEINER offen gelassen haben, ist auch für Kurt Grelling die Möglichkeit da, sich z. B. mit der Bearbeitung der fremdsprachigen Texte, der kurzen Inhaltsangaben usw. zu beschäftigen usw. Man wird das schon aus🕮 denken können.

Wenn Ihr einen Aufruf vorentwerft, bitte vergeßt nicht, die Wissenschaftliche Haltung zu betonen und die Synthese, die „Integration of Science“– das scheint jetzt beliebt zu werden. Dann natürlich wissenschaftliche Analysen der wissenschaftlichen Sprache, Verfahrensweisen (Procedures) usw.

Ich will nur betonen: sollte in LEIPZIG gedruckt werden (Fall MEINER), dann würden gemäß Pariser Besprechung CARNAP und ROUGIER bis Jahresschluß als Herausgeber fungieren, dann CARNAP und REICHENBACH.

Ich hoffe, GENERAL LINGUISTICS ist nun geordnet. Über Vorschlag RASHEVSKY habe ich nichts mehr gehört.

In Eile

Euer
Otto Neurath

Brief, Dsl., 2 Seiten, RC 102-54-30 (weiterer Dsl. ON 221); Briefkopf: gedr. International Institute for the Unity of Science mit näheren Angaben, msl. 16.V.38.


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