\brief{Otto Neurath an das Organisationskomitee der Kongresse, 14. Mai 1938}{Mai 1938} \anrede{AN DAS ORGANISATIONSKOMITEE DER KONGRESSE} \anrede{CARNAP, FRANK, JØRGENSEN, MORRIS, NEURATH, ROUGIER,\\ REICHENBACH, STEBBING} \haupttext{ Letztes Schreiben war vom 30. April 1938. \begin{enumerate} \setcounter{enumi}{21} \item Da weitere Redner für CAMBRIDGE sich anmelden, z.\,B. Fréchet, wird wahrscheinlich der 19.~Juli Nachmittag den „summaries“ gewidmet sein, der Vormittag aber für Vorträge bestimmt werden. Das Interesse für diesen Kongreß ist sehr lebhaft. \item ZEITSCHRIFT Da die Zeit drängt und mir bekannt wurde, daß eine holländische Zeitschrift (die übrigens mit uns gute Beziehungen unterhält und uns auch Raum zur Verfügung stellen will) ihre Arbeit erweitern will, durch Heranziehung von mehr Fachwissenschaftern usw., schien es ratsam, den Vertrag mit dem holländischen Verlag sofort abzuschließen. Ich wartete ab, bis von der Majorität des Komitees Antworten eingelaufen waren -- sie lauteten ohne Ausnahme zustimmend für Fall c. Da von Meiner noch keine Antwort eingelaufen ist, wurde der Vertrag durch ein Gentleman's Agreement ergänzt, demzufolge eine Vereinbarung mit MEINER angestrebt wird, um das Recht zu bekommen, diese Zeitschrift „FORTSETZUNG DER ERKENNTNIS“ nennen und die Adressenliste benutzen zu können. Da der unter (a) Genannte in den nächsten Tagen herkommt, werde ich Gelegenheit haben, über seine Vorschläge und die Haltung Meiners zu sprechen. Ich setze die Hauptpunkte des Vertrags hieher. Ich trete im Vertrag als der auf, „der die Interessen der zukünftigen Zeitschriftenherausgeber vertritt“, es wurde ausdrücklich die Schlußbestimmung aufgenommen: „Über Wunsch der Herausgebergruppe kann der Vertrag späterhin von anderen Vertretern unterfertigt werden, ohne dass sich die beiderseitige Verbindlichkeit verändert.“ Zuerst wird der Zweck der ZEITSCHRIFT gekennzeichnet. „Die Zeitschrift soll einen Titel erhalten, der in drei Sprachen verwendbar ist (z.\,B. Lateinisch oder Griechisch) oder in die drei Publikationssprachen übersetzbar ist, z.\,B. UNITY OF SCIENCE, UNITÉ DE LA SCIENCE, EINHEIT DER WISSENSCHAFT. Der Herausgeberstab wird bestimmte seiner Mitglieder als Herausgeber nominieren, so dass der Titel ungefähr lauten wird: herausgegeben von\ldots\ in Verbindung mit\ldots{} Es besteht die Absicht, für die Zeitschrift drei redaktionelle Abteilungen aufzustellen, von denen eine vorwiegend logische Fragen behandeln soll, eine das wissenschaftliche Handwerkszeug und gewisse allgemeine Fragen, die dritte, welche vom INTERNATIONAL INSTITUTE FOR THE UNITY OF SCHIENCE redigiert wird, vor allem Fragen, die mit der INTERNATIONAL ENCYCLOPEDIA OF UNIFIED SCIENCE zusammenhängen, außerdem wird es Artikel geben, die von allen drei Abteilungen gemeinsam untergebracht werden. Der Verlag wird von einer Stelle das druckfertige Material bekommen. Bisher ist für die redaktionelle Arbeit folgender Stab von Herausgebern in Aussicht genommen (Kooptierung und Rücktritt einzelner Mitglieder würde jeweils dem Verlag bekannt gegeben werden): CARNAP, FRANK, JØRGENSEN, MORRIS, NEURATH, REICHENBACH, ROUGIER, STEBBING. Der Verlag erklärt sich bereit, die Propaganda der Zeitschrift auf internationaler Basis durchzuführen. Es wird ihm zu diesem Zweck das nötige Material aus den Adressenlisten, die den Herausgebern zur Verfügung stehen, zur Verfügung gestellt. Der Verlag stellt an Redaktions- und Mitarbeiterhonorar, wenn mehr als 250 Abonnenten sind, 25 Gulden pro Bogen zur Verfügung, sollte die Zahl der Abonnenten 500 übersteigen, so sollen bis 600 Abonnenten je 5 Gulden mehr pro Bogen zur Verfügung stehen und so für jedes weitere angefangene Hundert (bis zu einem Maximum von 40 Gulden pro Bogen). Der Preis der Zeitschrift soll mit 12 Gulden angesetzt werden Zunächst sind Bände von 6 Heften zu ungefähr je 4 Bogen in Aussicht genommen (Doppelnummer vorgesehen.) Die Herausgabe von „Beiheften“ in gleicher Ausstattung und zu ähnlichem Preise ist in Erwägung. \neueseite Es folgen die Bestimmungen über Kündigung des Vertrages, wichtig ist, daß von vornherein festliegt, daß eine neue Zeitschrift erscheinen kann mit dem alten Namen, wenn an den Verleger durch zwei Jahre pro Abonnement über 250 der Betrag von 2 Gulden 50 bezahlt wird (wofür der Verlag auch die Adressenliste ausfolgt). Das erspart uns solche Schwierigkeiten wie jetzt mit Felix Meiner. Auf Grund des Gentlemen's Agreement kann nun mit Meiner verhandelt werden, auch bleibt jetzt noch möglich, dass Fall a (voriges Rundschreiben) mit diesem Fall c verbunden wird. \item Ich bitte zuzustimmen, dass die neue Zeitschrift UNITY OF SCIENCE, UNITÉ DE LA SCIENCE, EINHEIT DER WISSENSCHAFT heißen kann. Eventuell (wenn mit Meiner Vereinbarung geschlossen würde) UNTERTITEL: Fortsetzung der ERKENNTNIS. Es liegt bis jetzt kein anderer Vorschlag vor, der die Verknüpfung der Zeitschrift mit unseren KONGRESSEN und mit der UNITY OF SCIENCE MOVEMENT deutlich macht. Auch der Verlag meint, daß dieser Titel günstig wäre, da ja momentan alles, was auf Zusammenfassung der Wissenschaften hindeutet, populär ist. So erscheint jetzt z.\,B. hier in holländischer Sprache eine Enzyklopädie mit dem Namen SCIENTIA, die nach Sachgruppen geordnet eine Synthese versucht. Es sind spezielle Abteilungen verschiedenen Religionsgruppen und der Metaphysik gewidmet. Logik usw. spielt offenbar geringe Rolle. Auf Grund der bisher gesammelten Erfahrungen würde ich von einem Titel abraten, der die Analyse der Wissenschaften als AUFGABE kennzeichnet, weil das etwas so Abgeleitetes ist, und wir wollen ja auch BEISPIELE von Durchführungen bringen, z.\,B. WOODGER Formalized Biology, und nicht nur Artikel \uline{\gesperrt{über}} dies Thema! Auch scheint UNITY OF SCIENCE ausreichend neutral, während LOGICAL EMPIRICISM oder SCIENTIFIC EMPIRICISM sozusagen eine RICHTUNG bezeichnet und nicht ein Arbeitsgebiet. ERKENNTNIS war ein guter Titel -- es fehlt eine englische und französische gute Übersetzung. SCIENTIA, SCIENCE usw. ist vergeben. Schließlich kommt es darauf an, daß der Titel halbwegs der Stimmung einer größeren Anzahl wissenschaftlich gerichteter Menschen entspricht. Das ist der Fall, wenn ich etwa an die Einleitungsworte von NILS BOHR denke, die er der Enzyklopädie gewidmet hat, wo auch wieder Zusammenfassung eine große Rolle spielt. \item Im Sinne der Pariser Beschlüsse würde ich also vorschlagen, den Titel so zu formulieren: \begin{center} \gesperrt{EINHEIT DER WISSENSCHAFT}\\ UNITY OF SCIENCE, UNITÉ DE LA SCIENCE\\ (eventuell: \uline{Fortsetzung der ERKENNTNIS})\\ herausgegeben von\\ RUDOLF CARNAP und HANS REICHENBACH\\ in Verbindung mit\\ PHILIPP FRANK, JØRGEN JØRGENSEN, CHARLES W. MORRIS,\\ OTTO NEURATH, LOUIS ROUGIER, L. SUSAN STEBBING \end{center} \end{enumerate} } \grussformel{OTTO NEURATH} \ebericht{Brief, Dsl., 2 Seiten, ON 330/O.3; am Briefende msl. \original{14.~Mai 1938}; Signatur msl.}