Rudolf Carnap an Otto Neurath, 15. September 1937 September 1937

Lieber Neurath!

Dank für zahlreiche Zusendungen! Inzwischen bin ich gut von der Operation erholt, morgen gehts nach Bremen, am 18. auf „Columbus“ab.

Gleich zum Wichtigsten. Soeben hat Felix1Gemeint ist Felix Meiner. mich hier besucht. Brachte Brief, Kopie lege ich bei, und fügte hinzu, daß er inzwischen schon definitiv erklärt hat, die Zeitschrift nicht fortzuführen. Von Reichenbach hab ich seit Paris nichts gehört, weiß also nicht, wie die Sache mit Cambridge jetzt steht. Ich schicke auch ihm Kopie; falls Cambridge gut geht, mögen die dann direkt mit Felix verhandeln. Du mußt wohl das KomiteeaKommittee informieren? Also nun ists schneller gegangen als gedacht. Was denkst Du zu dem Vorschlag, zunächst weiter in Deutschland zu drucken? Vorteil für die deutschen Bezieher: sie können in deutschem Geld bezahlen.

Brief an Rougier hiermit überflüssig; Reichenbach wird ihn informieren. Ich habe Felix gesagt: etwa eingehende Sendungen, Korrekturen usw. an Hazebroek. Aber zunächst ist ja nichts zu tun, bis Verleger gefunden ist. Ich werde natürlich mit Morris besprechen.

Zu den Diskussionen Paris. Ich finde jetzt (und in nächster Zukunft) gar nicht Zeit, meine Ausführungen zu formulieren für den Bericht; noch weniger die der andern Leute und meine Diskussion mit Reichenbach. Für meine Ausführungen über Wahrheitsbegriff könnt Ihr vielleicht die Notizen, die ich Dir vor Paris geschickt habe, auswerten? Ich bin allgemein etwas zweifelhaft, ob Veröffentlichung der beiden Diskussionen gut und nützlich. Sie hatten doch gerade den Zweck, öffentliche Polemik zu vermeiden! Außerdem fürchte ich, auch nach Durchsicht Eures Entwurfs, daß der Leser sich kaum ein klares Bild wird machen können; er wird womöglich noch verwirrter. Bitte überleg es noch mal! Zu Deinen Formulierungen: was ist gemeint mit „semantischer Kalkül“? Eine Semantik in Kalkülform gibts doch wohl kaum bisher; sondern fast alles in Wörtern. Oder ist gemeint: Semantik eines Kalküls? S. 3, Z. 7: nicht klar, worauf Sch[olz]aHsl. Scholz!. usw. hingewiesen haben.

MS Morris schick ich Dir ganz bald. Ich finde Fußnoten am Schluß (wie bei Frank u. Popper) sehr lästig für den Leser. Ich wäre dafür, Kleingedrucktes zuzulassen, aber nur spärlich zu verwenden.

Wir kommen 26. in NY an, fahren mit Hempels wahrscheinlich 29.–30. nach Chicago. Kommst Du wirklich schon am 1. Okt. dorthin? Das wäre eine recht ungünstige Zeit: wir gerade in der Hetze des Wohnungssuchens, Sich-Einrichtens usw. Am 4. geht der Betrieb an.

Wann es aber auch sei, wir werden uns sehr freuen, Dich und möglichst auch Mieze in Chicago zu sehen. Euch beiden herzliche Grüße, auch von Ina,

Dein
R. Carnap

Brief, msl., 1 Seite, ON 221 (Dsl. RC 102-51-11); Briefkopf: msl. R. Carnap und Weißer Hirsch, den 15. Sept. 1937.


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