Neurath an Ina Carnap, o. O., 6. September 1937 Otto Neurath an Ina Carnap, 6. September 1937 September 1937

Liebe Ina!

Vielen Dank für die Karte. Grüß mir den lieben Carnap und er soll sich nur recht rasch erholen. Hoffentlich nützt ihm diese Unannehmlichkeit nicht nur hinsichtlich der bösen Mandeln, sondern auch sonst. Er soll sich mit dem Schreiben nicht beeilen, damit er sich nicht unnütz anstrengt. Er soll mir aber jedenfalls das Elaborat von MorrisPMorris, Charles W., 1901–1979, am. Philosoph, bis 1951 verh. mit Trude Morris, danach mit Ellen Ruth Morris möglichst mit eigenen Bemerkungen senden. Arne Næss war kaum weg, so kam Tarski her und wir diskutierten eingehend den Wahrheitsbegriff. Ich hoffe, eine Form zu finden, in der ich meine Bedenken vorbringe, ohne irgendwie mehr zu kritisieren, als unbedingt nötig scheint. Ich schicke Carnap bald darüber etwas. Kurt G.PGrelling, Kurt, 1886–1942, dt. Philosoph wüßte gern, ob sein Brief richtig bei Schwester empfangen wurde. Er war auch sehr interessiert, Carnaps Meinung zu kennen. Aber das eilt ja nicht wirklich. Dringend ist nur, daß an FelixPMeiner, Felix, 1883–1965, dt. Verleger wegen der Zeitschrift geschrieben wird, damit er weiß, daß er das Material von Dr. HazebroekPHazebroek, Pieter, 1907–1971, niederl. Mathematiker bekommt. Ich nehme ja an, daß Carnap auch wegen des Bücherhonorars schreibt.

Nun ist mein SohnPNeurath, Paul, 1911–2001, öst.-am. Soziologe, Sohn von Anna Schapire-Neurath (1877–1911) und Otto Neurath auf nach dem Nordkap. Ich nehme an, daß er aber nicht viel weiter als bis Stockholm kommen wird. Aus Geschäftsgründen hatte er sich ein Motorrad gekauft – das hat er nun. Es ersetzt die früher von ihm ausgeübte Tippelei. Er erörterte mit mir seine Zukunft. Jetzt macht er gerade die letzte Prüfung, dann ist er Dr. jur.

Es ist schade, daß Ihr zu viel Menschen und zu wenig Berge gehabt habt. Aber wie soll mans eigentlich machen? Freundschaft ist so wichtig und Berge sind so wichtig, und vieles andere will auch getan werden. Ich sehe noch nicht, wie mans am besten machen soll. Das Arbeiten nimmt mich sehr in Anspruch, wenn auch jetzt allmählich etwas Hilfe zuwächst.

Wie geht es Dir sonst gesundheitlich. Was macht der vielfältige Sport? Du solltest mir auch über Deine sozialen Studien etwas erzählen und was Du dabei für Erfahrungen sammelst.

Ich bin 1. Okt. in New York. Ich hoffe auch nach Chicago zu kommen und dann wieder von Eurem Wolkenkratzer aus die Gegend zu überblicken, erfreulich gefördert durch Deine kalten Mischtränke.

Auf Wiedersehn, Grüße an Euch beide.

Otto

Brief, msl., 1 Seite, RC 102-51-14 (Dsl. ON 218); Briefkopf: msl. 6. September 1937.


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