valep\(\mathsf{\TeX}\): conversion from \(\mathsf{\LaTeX}\) to HTML |
Mein lieber Carnap!
Ich danke für die liebe Karte. Es war lieb von Dir, daß Du mich von Brüssel an begleitet hast, und ungemein erfreulich, daß ich Dich sehn und sprechen konnte. Ich fürchte, daß dieses Zusammensein in USA diesmal schwerer fortgesetzt werden wird, da ich eben wieder einen Brief aus Mexiko habe, in dem ich und MR gebeten werden, im Interesse einer sehr dringenden Ausstellung bald zu kommen. Aber sicher ists noch nicht, da ja dort alles labil ist. Ich hoffe aber jedenfalls, wenn auch auf kurze Zeit, nach CHICAGO zu kommen, schon um mit der PRESS zu sprechen usw., mit der COMPTON Gesellschaft usw. Ich hoffe, Ihr werdet mir wieder so ein nettes Beisammensein mit Euren weisen Männern und jungen Strebenden vermitteln. Jetzt kann ich ja viel mehr erzählen, nicht nur von Hoffnungen und Träumen.
Hier ersticke ich in Arbeit. Allmählich finden wir in Holland gute Mitarbeiter. Ich habe mich nunmehr entschlossen, einen jungen Mathematiker (ca. 30 Jahre) zur Mitarbeit an der ENZYKLOPÄDIE heranzuziehen. Er hatte seinerzeit ein Buch über Geschichte der Philosophie gelesen, in dem war der moderne Positivismus schlecht gemacht, aber ausgerechnet dieses Aschenbrödel fand sein Interesse und nun kam er via SCHLICK, MACH usw. zur ERKENNTNIS und lernte so unsere Bewegung kennen, mit der er schon gut bekannt ist. Vor allem liebt er sie. (Du siehst, wie wichtig sie ist). Er ist recht allein hier. Aber ich kenne noch einen anderen „Anhänger“unserer Bewegung im Haag, der von Zeit zu Zeit auftaucht. Der kommt aber als Mitarbeiter kaum in Frage. Ich weiß auch bereits von einem Chemiker, der auf Ausflügen die „Protokollsätze“mit all ihren Einschachtelungen als Scherz-Deklamation verwendet. So weit sind wir also schon.
Nun wird Herr Dr. P. HAZEBROEK (ich lege Dir Daten gesondert bei‚
Da er dauernd an der Enzyklopädie mithelfen soll (Bibliographie, auch Korrespondenz, er schreibt ENGLISCH und FRANZÖSISCH), wird er auch den Teil der ERKENNTNIS betreuen, der auf uns entfällt, ich würde meinen, daß er auch für den Teil, der Dir untersteht, die Korrekturen usw. lesen und, wenn nötig, Korrespondenzen führen kann. Ich glaube, das ist der Mann, den wir suchen. Er macht einen guten Eindruck, ernste, kluge Züge, ordentlich (nicht übertrieben) gekleidet, überlegt und klar sprechend, sehr vielseitig interessiert. Man kann ihn überall hinschicken, um etwas für uns zu besprechen. Ich hoffe, man wirds möglich machen können, daß er nächstes Jahr nach LONDON mitkommt. Er ist bereit, alle KORREKTUREN für die ERKENNTNIS zu lesen und unter seiner Adresse die Korrespondenz mit MEINER zu führen.
Ich bitte Dich nun
1. schreib MEINER, daß Herr Dr. P. HAZEBROEK von Dir autorisiert ist, mit ihm in Sachen ERKENNTNIS zu verkehren, wenn Du zu weit entfernt bist, vor allem alle Korrekturen zu lesen.
2. schreib ROUGIER, daß HAZEBROEK als der Mitarbeiter unseres INSTITUTES (in dessen Leitung Du sitzt) beschäftigt ist, daß er dauernd bei der Vorbereitung
Ich bitte Dich, mir den Durchschlag Deines Briefes an ROUGIER zu senden. Ich bin sehr froh, daß die Lösung gefunden ist. Es ist das der Mathematiker, an den ich immer dachte.
Augenblicklich ist ARNE NÆSS ein paar Tage hier, dann kommt – wenn nichts dazwischen kommt – TARSKI. Auch Schumann ist hier, sowie mein Sohn Paul, der dann mit seiner Maschine nach Skandinavien fahren will. Kennst Du dort jemanden, der ihm in den Bergen gute Ratschläge geben kann? Seiner Abenteuerlust entsprechend will er natürlich bis zum Nordkap kommen. Er ist ganz gut durchs Leben durchgekommen. Daß er sein Jahr Handelsakademiekurs gemacht hat, war ihm sehr nützlich, er ist jetzt ein wohlakkreditierter „Handelsangestellter“(da er darüber hinaus 1 Jahr in einem kommerziellen Betrieb war und das eine Jahr Akademie 3 Lehrjahren gleichgestellt ist) und bezog daher auch länger, als es sonst der Fall gewesen wäre, „Arbeitslosenunterstützung“. Wie er ausrechnete, mehr, als die Akademie gekostet hat. Jetzt macht er noch seine letzten Prüfungen und ist dann Dr. Jur. Die schweren sind alle glücklich überstanden, der Schluß ist leicht, „ROMANUM“. Nun überlegt er, wie er seine Kombination von technischen Kenntnissen (Kurs für Werkmeister des Maschinenbaus und der Elektrotechnik, Kurse für autogenes Schweißen mit guter Prüfarbeit), Kommerz und Jus, nebst Interesse für vielerlei gut verwerten könne. Viele Lebensprobleme. Für ihn hat Olga viel bedeutet, weil er mit ihr Lebensfragen eingehend zu erörtern pflegte.
Laß mal von Dir hören, erzählt von Philipp und Hanja und Kaufmanns und anderen lieben Menschen.
Meine milden Ausführungen in Paris wurden unter Herauspicken einer sozusagen gelegentlichen Stelle zu hämischen und unerfreulichen Pressenotizen mißbraucht. Na ja.
Grüß mit Ina und die Fränke‚
alles Gute
Dein
ON
NB. Da ich jetzt MEINER lieber nicht schreibe, bitte ihn, er möge damit einverstanden sein, daß für die Ausarbeitung des PARISER KONFERENZBERICHTES 1937 analog den früheren Fällen 250 Mark in BÜCHERN als Honorar usw. zur Verfügung gestellt werde. Umfang des Berichtes ein HEFT der ERKENNTNIS. Entweder soll er die Antwort DIR schreiben, was mir das liebste wäre, oder an HAZEBROEK. (NB. Hast Du von Reichenbach Nachricht über seine Verhandlungen?).
MR
Brief, msl., 2 Seiten, RC 102-51-18 (Dsl. ON 221); Briefkopf: gedr. International Institute for the Unity of Science mit näheren Angaben, msl. 27. August 1937.