Otto Neurath an das Organisationskomitee der Kongresse, 11. August 1937 August 1937

AN DAS ORGANISATIONSKOMITEE DER INTERNATIONALEN KONGRESSE FÜR EINHEIT DER WISSENSCHAFT.
CARNAP, FRANK, JØRGENSEN, MORRIS, NEURATH‚
REICHENBACH, ROUGIER, STEBBING

Numerierung beginnt mit 1. ab Pariser Konferenz 1937.

BESPRECHUNGEN während der Pariser Konferenz und Sitzungen 1. August usw.

  1. Auf Grund eingehender Besprechung ergab sich folgender BESCHLUSS:

    1. [label=.]

    2. Das Organisationskomitee der internationalen Kongresse für Einheit der Wissenschaft beschließt, eine neue Zeitschrift zu gründen und mit deren Herausgabe Mitglieder des Komitees zu beauftragen.

    3. Zugnächst erscheint die ERKENNTNIS weiter.

    4. Das Komitee beschließt, außer CARNAP auch ROUGIER damit zu beauftragen, als Herausgeber zu zeichnen.

    5. Ob die ERKENNTNIS eingestellt wird, sobald die andere Zeitschrift herausgegeben wird, bleibt zunächst eine offene Frage.

    6. Wenn das Organisationskomitee einen eventuell vorzuschlagenden Vertrag mit einem Verlag genehmigt haben wird, sollen CARNAP und REICHENBACH beauftragt werden, den Vertrag zu unterfertigen.

    7. Durch ein Gentleman Agreement wird festgelegt werden, daß die beiden Unterfertiger des Vertrages sich als Beauftragte des Organisationskomitees betrachten und ihre Rechte ihm, wenn nötig, wieder abtreten.

    8. Das ORGANISATIONSKOMITEE setzt die Tradition fort, die auf die GESELLSCHAFT FÜR WISSENSCHAFTLICHE PHILOSOPHIE IN BERLIN und den VEREIN ERNST MACH IN WIEN zurückgeht.

    9. In Hinkunft sollen drei redaktionell getrennte Abteilungen unterschieden werden. I. Vorwiegend reine und angewandte Logik, CARNAP und STEBBING werden gebeten, die Redaktion zu übernehmen. II. Publikationen des INTERNATIONAL INSTITUTE FOR THE UNITY OF SCHIENCE, insbesondere in Verbindung mit der ENZYKLOPÄDIE, hieher gehört insbesondere auch Bibliographie, Zeitschriftenschau usw., Aussprachen über Themen, die in der Enzyklopädie behandelt werden sollen. FRANK, MORRIS, NEURATH werden gebeten, die Redaktion zu übernehmen. III. Alle allgemeinen Themen, insbesondere 🕮 Anwendung der Wahrscheinlichkeitslehre, auch Geschichte der in Frage kommenden Gebiete. JØRGENSEN, REICHENBACH, ROUGIER werden gebeten, die Redaktion zu übernehmen.

    10. Diese Dreiteilung soll bereits in der ERKENNTNIS Platz greifen. Von den 27 Bogen pro Jahr sollen entfallen auf:

    11. 9 Bogen werden gemeinsam verwaltet. Ähnlich soll die Dreiteilung durchgeführt werden, wenn die neue Zeitschrift erscheint.

    12. aIm Original Fortsetzung der Zählung mit k..Gegenüber der Auffassung, daß man die ERKENNTNIS jedenfalls auflassen solle, wenn die neue Zeitschrift zustande kommt, wurde von einzelnen Mitgliedern des Organisationskomitees geltend gemacht, daß ein Stock von etwa 200 Lesern in Deutschland kaum in der Lage wäre, die neue Zeitschrift zu abonnieren wegen Devisenschwierigkeiten. Es sei aber wichtig, daß die UNITY OF SCIENCE MOVEMENT möglichst überall eine Zeitschrift habe. REICHENBACH meint, daß die CAMBRIDGE PRESS, die sich für die Zeitschrift interessiere, kaum bereit sein dürfte, sie zu übernehmen, wenn nicht die ERKENNTNIS ganz verschwinde, er wurde aber gebeten, mit der CAMBRIDGE PRESS im Sinne der Möglichkeit, die ERKENNTNIS weiter zu belassen, wenn MEINER interessiert zu sein sich erklärte, zu verhandeln, außerdem wurde einverständlich festgelegt, daß seitens des INTERNATIONAL INSTITUTE FOR THE UNITY OF SCIENCE an MORRIS geschrieben werde, damit er sich – im Einvernehmen mit REICHENBACH, der eben mit der CAMBRIDGE PRESS verhandelt – mit der UNIVERSITY OF CHICAGO PRESS zunächst ganz unverbindlich in Verbindung setze, um festzustellen, ob die UNIVERSITY OF CHICAGO PRESS prinzipiell bereit wäre, eine internationale Zeitschrift herauszugeben, die unmittelbar auch der Enzyklopädie dienen würde, wenn die ERKENNTNIS voraussichtlich in reduziertem Umfang (MEINER denkt an 6 Hefte in 112 Jahren statt in einem Jahr, da das Abonnement bandweise nicht jahrgangsweise erfolgt. 1932/33 war 🕮 ein Präzedenzfall) herauskäme.

    13. NEURATH sagte, er wolle sich um einen Sekretär für die Zeitschrift bemühen, da er ohnehin jemanden suche, der sich mit gewissen Arbeiten für die Enzyklopädie befasse – Zusammenstellungen verschiedener Art usw. ROUGIER erklärte, daß er sich nicht um die Arbeit für die Zeitschrift bemühen könne, auch nicht jetzt um die ERKENNTNIS, aber gern bereit sei, wenn das Komitee es wünsche, neben CARNAP als Herausgeber zu fungieren.

    14. REICHENBACH berichtet, daß man RUSSELL dafür gewinnen könne, bei Herausgabe der neuen Zeitschrift mit zu zeichnen.

    15. Solange die ERKENNTNIS weiter erscheint, wird CARNAP sich mit ROUGIER bezüglich der Abteilungen I und II auseinanderzusetzen haben, während ROUGIER sich nur um Abteilung III kümmert.

    16. NEURATH meinte, daß das INTERNATIONAL INSTITUTE FOR THE UNITY OF SCIENCE, wenn es einmal seinen „Sprechsaal“ und andere Publikationsmöglichkeiten in der neuen Zeitschrift habe, bes für Sonderabzüge, die es für seine Interessenten bekomme, wohl etwas werde zahlen und damit der Zeitschrift auch irgendwie werde helfen können.

    17. Es wird vermutet seitens einiger Mitglieder des Komitees, daß die CAMBRIDGE PRESS im Sinne englischer Zeitschriftentradition eigentlich nur eine rein englische Zeitschrift werde herausbringen.

  2. Es werden die nächsten Tagungen besprochen.

    1. [label=.]
    2. 1938, 18. Juli Bedfordcollege. Es wurde auch der Wunsch geäußert, etwa September 1938 zu wählen, falls es den Engländern ebenso passe. NEURATH teilt mit, daß bisher STEBBING die zweite Julihälfte 1938 als besten Zeitpunkt gewählt habe. Bis auf weiteres wird mit 18. Juli 1938 gerechnet. Der Umfang und Charakter der Tagung etwa wie Kopenhagen. Es wurde angeregt, einen Vertreter der kritischen Gruppe zu bitten, über unsere Bewegung zu sprechen – nicht SCHILLER, sondern jemand, der uns im Logischen näher steht, aber Bedenken hat.

    3. 1939, 5. September HARVARD UNIVERSITY. Umfang und Charakter wie Paris 1935.

    4. Vorläufig ganz unverbindlich anfragen, ob die Einladung nach WARSCHAU für 🕮 1940 in Betracht käme. Es soll aber noch nichts abgeschlossen werden.

    5. Im Jahre 1941 findet der Internationale Philosophenkongreß in GRONINGEN statt. ROUGIER regte an, auf einem Kongreß die Linguistik, insbesondere die Schule von GENF, zu Wort kommen zu lassen. Es wird daher vorläufig in Aussicht genommen, eine Konferenz so wie die Tagung von 1937 vor dem internationalen Philosophenkongreß in HOLLAND in Aussicht zu nehmen.

    6. Im Verlauf der Aussprache wurde erwähnt, daß es manchen Mitgliedern des Komitees, z. B. Jørgensen, erleichtert würde, nach USA zu kommen, wenn eine offizielle Einladung an ihn ergehen würde, die der Regierung oder der Universität vorgewiesen werden könnte. Im ORGANISATIONSKOMITEE sind ebenso wie im INTERNATIONALEN KOMITEE nur PERSONEN, nicht Länder oder Hochschulen vertreten.

  3. In der KONFERENZ selbst wurde die Weiterarbeit des SYMBOLIK-KOMITEES besprochen. Das Sekretariat (das im INTERNATIONAL INSTITUTE FOR THE UNITY OF SCIENCE geführt wird) hat einerseits mit CARNAP, der insbesondere zusammen mit seinen Mitarbeitern sich um die Hilfe der amerikanischen Logiker bemühen wird, zu verhandeln, andererseits mit der Gruppe von MÜNSTER (Scholz), die sich mit den Polen in Verbindung setzt. LINDENBAUM hatte vorgeschlagen, NEURATH mit dem Vorsitz zu betrauen. NEURATH lehnte ab unter Hinweis darauf, daß seine eigene Tätigkeit auf dem Gebiet der Logistik zu weit zurückliege, er sei gerne bereit, die Sekretariatsgeschäfte weiter zu führen und schlug vor, daß CARNAP den Vorsitz führe. CARNAP nahm für ein Jahr an. Dann soll weiter diese Frage besprochen werden.

OTTO NEURATH

Brief, Dsl., 4 Seiten, ON 330/O.3; Briefkopf: msl. Neurath, Signatur msl., daneben msl. 11. August 1937.


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