Otto Neurath an Felix Meiner, 3. Januar 1937 Januar 1937

Sehr geehrter Herr Meiner!

Vielen Dank für Ihren Brief an Reichenbach. Ich legte natürlich den allergrößten Wert darauf, daß das Kongreßheft möglichst rasch nach dem Kongreß erscheint und hätte darauf gedrängt es auch unter Ausfall eines wichtigen Redners erscheinen zu lassen, wenn der eine nicht gerade — NIELS BOHR gewesen wäre, dem ich immer wieder teils direkt, teils durch Jørgensen zuredete, endlich sein Manuskript zu senden. Es hat wahrlich lange gedauert, bis es kam. Aber nun ist die Kongreßnummer glücklich beisammen – ich hoffe, daß Frank seinen Beitrag und den Nachruf auf Schlick geschickt hat – und es ist alles in Ordnung, hoffe ich.

Es hat seine Bedenken einen Kongreß in einer Zeitschrift erscheinen zu lassen, und es war der Vorschlag da gewesen, die Kongreßakten anderweitig herauszubringen, ich habe mich dafür eingesetzt, weil ich meine, daß es für den Kongreß besser ist, wenn ihn die Leser der Erkenntnis jedenfalls ins Haus bekommen und dann weil ich es im Interesse der ERKENNTNIS halte, wenn sie kontinuierlich die Kongresse bringt. Sie hat – einschließlich des ausführlichen Berichts über PARIS 1936 - alle Kongresse veröffentlicht, die unsere Bewegung abhielt: PRAG, KÖNIGSBERG, PRAG, PARIS, KOPENHAGEN.

Ich überlege, wie man das fernerhin machen soll. Vielleicht kann man einen kurzen Auszug der Redner selbst vor dem Kongreß bekommen, der dann erscheint, ergänzt durch eventuelle Diskussionsbemerkungen. Ich bin sehr traurig, daß Bohr solange ge 🕮 zögert hat. Mit meiner Amerikareise stand die Verzögerung in gar keinem Zusammenhang. Vielleicht hat meine Mitteilung nach Kopenhagen, das ich sie antreten werde, beschleunigend gewirkt. Bohr fühlte sich nicht wohl. Er war ja auch nicht in Harvard, um dort geehrt zu werden.

Ich schreibe sofort an FRANK, daß er die Ansprache in Kopenhagen anläßlich der Ermordung Schlicks endlich absendet. ich entnehme aus Ihrem Brief, daß er damit offenbar gewartet hat, bis er Bohrs Manuskript hatte, weil er ja seinen Vortrag noch etwas an Bohr anpassen wollte, da beide zusammen eine bedeutsame Einheit bilden.

Ich nehme an, daß CARNAP selbst noch einen Gedenkartikel auf Schlick schreiben wird. Leider habe ich ihn nicht befragt. Denn Franks Nachruf ist ja nur ganz kurz und eine Gelegenheitssache.

Hoffentlich hat der Artikel von Bohr Ihnen die von Reichenbach erbetene Weihnachtsfreude gemacht. Ich nehme an, daß auch er selbst etwas zur Weihnachtsfreude beigebracht hat. Wie mir mein Büro aus dem Haag mitteilt, sind alle Dinge, die einliefen an Sie weitergeleitet worden. Ich habe Ihnen alle Reste von Korrekturen geschickt. „Oh grolle nicht und wenn das Herz auch bricht: Oh grolle nicht!“Im übrigen kann ich Ihnen sagen, daß man sich hier allgemein für die ERKENNTNIS interessiert, wovon ich Ihnen auch schon im letzten Brief Mitteilung machte. Ich nehme an, daß die Sonderausgabe des KONGRESSES von Ihnen entsprechend angezeigt wird, vielleicht heben Sie besonders hervor, daß BOHR, LENZEN, RASHEVSKY, SOMERVILLE, TOLMAN (letzterer als AMERIKANER) auf dem Kongreß vertreten waren.

Es wäre nett, wenn Sie einen Einfall hätten, wie man ohne viele Kosten für sie die Separata für die Redner herstellen könnte. Es ist Bedürfnis dafür da.

Ich hoffe, daß die ERKENNTNIS ein gutes Jahr haben wird.

Mit verdoppelten Neujahrswünschen
Ihr

als Beilage geführt: Durchschlag von RC 102-51-83, kein Hinweis darauf, dass das wirklich dabei war.

Brief, msf., 2 Seiten, RC 102-51-84 (Durchschlag, WKA 266 ebenfalls Durchschlag); oben msl. Adresse bis Mitte Februar\,/\,130 East 22nd street Room 605, Durchschlag geht an CARNAP und REICHENBACH und 3. Januar 1937.


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