\brief[Carnap an Neurath, Chicago, 12.~November 1936]% {Rudolf Carnap an Otto Neurath, 12. November 1936}{November 1936} \anrede{Lieber Neurath!} \haupttext{\cutcn{Hiermit ein Entwurf für Dein Rundschreiben über \uline{Symbolik}. Bitte formuliere den Text ganz nach Deinem Gutdünken um. Meine persönliche Antwort auf diese Rundfrage würde folgende sein: ich bin für Zulassung von Nr.~10 (weil ich es vielleicht mal brauchen werde) und Nr.~1 (aus Toleranz); für Nicht-Zulassung der übrigen.} Zu \uline{Tarskis}\IN{\tarski} Bemerkung:\fnEE{Das Folgende bezieht sich vermutlich auf eine Passage in Tarskis Brief an Neurath vom 7.~September 1936, in der Tarski bestreitet, dass mit einer Universalsprache das Auslangen zu finden ist, da dann die wichtigsten syntakischen Begriffe (wie z.\,B. ,,wahr``, ,,analytisch``, ,,Folgerung``) nicht eingeführt und präzisiert werden können; vgl. Tarski, ,,Drei Briefe an Otto Neurath``, 17. Vgl. auch TB über die am 29.\,10.\,1936 stattgefundene ,,heftige Diskussion`` über Tarksis Wahrheitsbegriff.} Man kann aber doch eine Sprache S\textsubscript{1} so aufbauen, daß sie aus einer Teilsprache S\textsubscript{2} besteht, in der die Wörter \textkritik{,,analytisch``, ,,Folge`` usw.,}\fnA{Msl. Einschub am Ende des Absatzes.} ,,wahr``, ,,falsch`` usw. nicht vorkommen, und ferner aus Sätzen ,,\ldots\ ist wahr in S\textsubscript{2}`` usw. Dasselbe kann man auch in mehreren Stufen übereinander (innerhalb \uline{einer} Sprache S\textsubscript{1}) machen. Das ist dann natürlich zwar nicht der unbeschränkte Gebrauch jener Wörter, wie wir ihn in der Umgangssprache haben, aber doch ausreichend für die Praxis des empirischen Wissenschaftlers. Der Logiker mag daneben mit einer unendlichen Folge von Sprachen arbeiten. Eben schickt Meiner\IN{\meinerfelix}\IN{\meinerfelix} eine behördliche Anfrage über die arische Abstammung der Herausgeber der ,,Erk\editor{enntnis}``. Was sollen wir machen, wenn die Behörden Schwierigkeiten wegen R\editor{eichenbach}\IN{\reichenbach} machen? Die Zeitschr\editor{ift} dort lassen und andern H\editor{erau}sg\editor{eber} nehmen? Oder nach Amerika verlegen? Über Deinen Enzykl\editor{opädie}-Brief habe ich ausführlich mit Morris\IN{\morris} gesprochen, und er hat Dir das Ergebnis geschrieben.\fnE{Siehe oben, Brief Nr.~\refcn{1936-11-02-Neurath-an-Carnap-Morris} bzw. Charles W. Morris an Otto Neurath, 9.~November 1936, Dsl. RC 102-52-08.} Habe McGill's\IN{\mcgill} Artikel in ,,Science \& Society`` gelesen.\fnEE{McGill, ,,An Evaluation of Logical Positivism``.} Ich finde das ziemlich bedauerlich. Kannst Du nicht mal mit ihm reden? Er ist in NY, Nagel\IN{\nagel} kennt ihn. Die Rand\IN{\rand} hat mir ihren Aufsatz über Kotarbińskis\IN{\kotarbinski} Buch ge\-schickt.\fnEE{Rand, ,,Kotarbińskis Philosophie auf Grund seines Hauptwerkes`` ist die für die \textit{Erkenntnis} erstellte Aufsatzfassung ihrer Dissertation.} Ich hatte ihn bestellt, für ,,Erk\editor{enntnis}``. Willst Du das MS mal lesen? Mir scheint, es ist an manchen Stellen zu ausführlich, sollte erheblich gekürzt werden; vor allem ihre krit\editor{ischen} Bemerkungen. Wir haben Deinen Besuch hier sehr genossen. Hoffentlich kriegen wir Dich doch noch zu sehen, solange Du im Lande bist. } Mit herzlichen Grüßen, auch von Ina\IN{\ina} \grussformel{Dein\\R. Carnap}%\Apagebreak \ebericht{Brief, msl., 1 Seite, \href{https://doi.org/10.48666/846383}{ON 220 (Dsl. RC 102-52-06)}; Briefkopf: gedruckt \original{Rudolf Carnap\,/\,Department of Philosophy\,/\,University of Chicago} und \original{Chicago, Illinois}, msl. ergänzt durch \original{den 12.~Nov. 1936}.}