Carnap an Neurath, Chicago, 12. November 1936 Rudolf Carnap an Otto Neurath, 12. November 1936 November 1936

Lieber Neurath!

Zu TarskisPTarski, Alfred, 1901–1983, poln.-am. Mathematiker und Logiker Bemerkung: Man kann aber doch eine Sprache S1 so aufbauen, daß sie aus einer Teilsprache S2 besteht, in der die Wörter „analytisch“, „Folge“ usw.‚aMsl. Einschub am Ende des Absatzes. „wahr“, „falsch“ usw. nicht vorkommen, und ferner aus Sätzen „…ist wahr in S2“ usw. Dasselbe kann man auch in mehreren Stufen übereinander (innerhalb einer Sprache S1) machen. Das ist dann natürlich zwar nicht der unbeschränkte Gebrauch jener Wörter, wie wir ihn in der Umgangssprache haben, aber doch ausreichend für die Praxis des empirischen Wissenschaftlers. Der Logiker mag daneben mit einer unendlichen Folge von Sprachen arbeiten.

Eben schickt MeinerPMeiner, Felix, 1883–1965, dt. VerlegerPMeiner, Felix, 1883–1965, dt. Verleger eine behördliche Anfrage über die arische Abstammung der Herausgeber der „Erkenntnis“. Was sollen wir machen, wenn die Behörden Schwierigkeiten wegen ReichenbachPReichenbach, Hans, 1891–1953, dt.-am. Philosoph machen? Die Zeitschrift dort lassen und andern Herausgeber nehmen? Oder nach Amerika verlegen?

Über Deinen Enzyklopädie-Brief habe ich ausführlich mit MorrisPMorris, Charles W., 1901–1979, am. Philosoph, verh. mit Trude Morris gesprochen, und er hat Dir das Ergebnis geschrieben.1Siehe oben, Brief Nr.  bzw. Charles W. Morris an Otto Neurath, 9. November 1936, Dsl. RC 102-52-08.

Habe McGill’sPMcGill, Vivian Jerauld, 1897–1977, am. Philosoph Artikel in „Science & Society“ gelesen. Ich finde das ziemlich bedauerlich. Kannst Du nicht mal mit ihm reden? Er ist in NY, NagelPNagel, Ernest, 1901–1985, am. Philosoph, verh. mit Edith Nagel kennt ihn.

Die RandPRand, Rose, auch Randin, 1903–1980, öst.-am. Philosophin hat mir ihren Aufsatz über KotarbińskisPKotarbiński, Tadeusz, 1886–1981, poln. Philosoph Buch ge­schickt. Ich hatte ihn bestellt, für „Erkenntnis“. Willst Du das MS mal lesen? Mir scheint, es ist an manchen Stellen zu ausführlich, sollte erheblich gekürzt werden; vor allem ihre kritischen Bemerkungen.

Wir haben Deinen Besuch hier sehr genossen. Hoffentlich kriegen wir Dich doch noch zu sehen, solange Du im Lande bist.

Mit herzlichen Grüßen, auch von InaPCarnap, Ina (eig. Elisabeth Maria immacul[ata] Ignatia), 1904–1964, geb. Stöger, heiratete 1933 Rudolf Carnap

Dein
R. Carnap

Brief, msl., 1 Seite, ON 220 (Dsl. RC 102-52-06); Briefkopf: gedruckt Rudolf Carnap\,/\,Department of Philosophy\,/\,University of Chicago und Chicago, Illinois, msl. ergänzt durch den 12. Nov. 1936.


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