\brief[Neurath an Carnap, \ekll{New York,} 7.~Oktober 1936]% {Otto Neurath an Rudolf Carnap, 7. Oktober 1936}{Oktober 1936} \anrede{Lieber Carnap!} \haupttext{Meine Adresse: ROOM 600\fnA{\original{700}}, 130 EAST 22\textsuperscript{nd} Street NEW YORK CITY. Vielen Dank für lieben Brief und liebe Einladung. Nahes Hotel würde ich vorziehen. Speeches, Baden, Schlafen, Essen, Verhandeln \ldots\ das sind jetzt meine Tage. Ich bleibe also \gesperrt{drei} Tage. Ich fände es gut, wenn wir zur Chicago University Press gehen wollten, \gesperrt{nachdem} wir vorher den Plan nochmals besprochen haben. ENCYCLOPAEDIA AS MODEL wäre nett. Da könnte ich sowohl meinen Standpunkt über die Derbheit unserer Sprache, über Erschütterung, Bewährung usw. entwickeln, als auch das konkrete Enzyklopädieprojekt ungezwungen erörtern. Da uns diese Auseinandersetzung vielleicht Anregungen bringt, wäre auch aus diesem Grunde Besprechung mit Press-Manager darnach nicht abwegig. Ich werde meinen Speech wohl in Englisch halten. Ich rede ja ununterbrochen nur Englisch und die Termini Technici meiner Spezialgebiete habe ich für das Reden beisammen. Nur das \gesperrt{Verstehen} ist schwierig und Eure Hilfe sehr erwünscht, natürlich auch manche Antwort auf Fragen, die mir ferner liegen oder für einen Ausländer heikler zu beantworten \ekl{sind}. Besprechung mit Sozialwissenschaftern \gesperrt{sehr} nett, weil ich gerade eine Arbeit über Lebenslagen-Typologie abgeliefert habe,\fnEE{Neurath, ,,Inventory of the Standard of Living\grqq; die Besprechung fand wohl am (von Horkheimer geleiteten) Institut für Sozialforschung statt.} die ins Englische übersetzt wird. Da habe ich dann alle Termini beisammen. Das hängt ja mit rationaler Wirtschaftsbetrachtung zusammen. Peterl schrieb sehr erfreut über Deinen Brief. Ich soll Euch grüßen, besonders Inen. Es ist doch nett, so sukzessive alle zu sehn, die mal mit uns beisammen waren. NAGEL, FEIGL, MORRIS, und CARNAP. Wir müssen über eine Möglichkeit sprechen, Popper\IN{\popper} irgendwo zu lancieren. Der ist ja in einer scheußlichen Lage. Ebenso müßte man was für Waismann\IN{\waismann} tun. Dem gehts ja finanziell schlechter, aber er ist, glaube ich, mehr an sein außerordentliches Dasein angepaßt. Und Zilsel\IN{\zilsel} findet etwas Trost im Heroismus, übrigens ist er finanziell nicht so schlecht dran. Aber auch Frank\IN{\frankphilipp} scheint nicht glücklich in seiner Haut. \neueseite \cutcn{Ich habe den Artikel\fnAmargin{Ksl. \original{\textsp{Frank}}.} Kaempffert gegeben -- nachdem wir gestern mit Malisoff bis tief in die Nacht hinein die Tafel der möglichen theoretischen Verknüpfungen in der Physik, Protokollsätze und anderes diskutiert hatten --, er will ihn zunächst mal in eine elegante äußere Form bringen, damit die Editoren ihn liebevoll durch ihre überempfindlichen Hände gleiten lassen.}} Gute Grüße Euch beiden und allen! \grussformel{Dein\\Nth}\Apagebreak \ebericht{Brief, msl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/846402}{RC 102-52-11 (Dsl. ON 220)}; Briefkopf: gedr. \original{International Foundation for Visual Education} mit näheren Angaben, msl. \original{Prof. Rudolf Carnap\,/\,Chicago\,/\,The Standish Apartment Homes\,/\,5110 Kenwood Avenue Chicago} und \original{7.~Okt. 1936}.}