\brief[Carnap an Neurath, Chicago, 27.~Januar 1936]% {Rudolf Carnap an Otto Neurath, 27. Januar 1936}{Januar 1936} \anrede{Lieber Neurath,} \haupttext{besten Dank für Briefe v. 8. u. 23. Dez. u. 6. Jan. Inzwischen haben wir uns hier schon ganz gut eingelebt. Meine Vorlesungen und das Seminar sind gut besucht. Man hat hier viel Interesse für unsre Dinge, und auch mit Wissenschaftlern, die nichts von unserm Kreis wissen, ergeben sich oft interessante Diskussionen. Z.\,B. ist ein führender Linguist hier (Bloomfield\IN{\bloomfield}) sehr interessiert an unserm Physikalismus, weil er die ganze Sprachtheorie auf behavioristischer Grundlage aufbaut; gutes Buch: Language (Allen \& Unwin, London, 1935). Soeben kam eine Anfrage vom Dean eines Teachers College in Virgina, er möchte nähere Angaben über die Einheitswiss\ekl{enschaft} haben, weil sie ihren ganzen Lehrplan auf einheitswiss\ekl{enschaftlicher} Grundlage aufbauen möchten. So geht hier alles gleich ins Praktische. Ich habe ihm Literatur angegeben, auch Morris\IN{\morris} hat geschrieben. (Er war anscheinend durch einen Artikel von Kaempffert\IN{\kaempffert} auf uns aufmerksam geworden). Dann hab ich ihn wegen pädagog\ekl{ischer} Anwendung unsrer Auffassungen an Dich gewiesen; vermutlich wird er Dir schreiben. Gib ihm an, wann Du nach Amerika kommst; dann lädt er Dich vielleicht zu Vortrag u. Beratung ein. Über University Press und Encykl\ekl{opädie} schreibt Morris\IN{\morris} Dir.\fnE{Morris an Neurath ???} Sie nehmen die Sache sehr ernst. Und wenn wir die Sache fertig bringen, ists sehr wahrsch\ekl{einlich}, daß sie es verlegen. Vielleicht habe ich vergessen, Dir in den letzten Tagen in Prag zu schreiben, daß ich mit Frau Dr.~Mayer\IN{\mayerfraudrpragertagblatt} wegen Deiner Mitarbeit am Prager Tagbl\ekl{att} gesprochen habe. Sie zog es vor, nicht mit ihrem Vater, sondern mit ihrem Mann darüber zu sprechen, und sagte mir dann, Du möchtest Beiträge an ihren Mann adressieren (Dr. Mayer.\IN{\mayerherrdrpragertagblatt} Prager Tagbl\ekl{att}. Panska 12); er meint, er wirds dann schon unterbringen. Sie sagte mir aber, daß das P\ekl{rager} T\ekl{agblatt}\fnEE{Es konnten keine Beiträge Neuraths in dieser Zeitung nachgewiesen werden.} sehr schlechte Honorare zahlt. Zu \uline{Lutman}\IN{\kokoschinska}. Ich hab noch keine Korr\ekl{ekturen} von Meiner\IN{\meinerfelix}\IN{\meinerfelix} bekommen; Du wirst sie auch bekommen. Ja, es wäre vielleicht besser, wenn sie den Terminus \glqq Kohärenzth\ekl{eorie}\grqq\ wegließe. Dagegen haben Deine jetzigen Bemerkungen mich auch noch nicht davon überzeugen können, daß der Terminus \glqq wahr\grqq{} hier schlecht am Platze ist. Ich meine, er ist für den von Tarski\IN{\tarski} definierten Begriff nicht nur naheliegend, sondern eigentlich selbstverständlich. Dagegen habe ich gegen den Terminus \glqq absolute Wahrheit\grqq\ dieselben Bedenken wie Du. Wir haben sie ja auch in Paris ausgedrückt. Leider scheint Lutman\IN{\kokoschinska} ihn trotzdem beibehalten zu wollen. Zu \uline{Rougiers\IN{\rougier} Introduction}.\fnEE{Einleitend in den Kongressakten erschien von Rougier sowohl ,,Avant-Propos`` als auch ,,Allocution d'ouverture du Congrès``.} Im ganzen einverstanden, obwohl bei einigen Einzelheiten Bedenken; aber Diskussion lohnt nicht. (Einige Versehen: S.\,2: statt \glqq Nationalisme\grqq\ vermutlich \glqq Rat\ekl{ionalism}\grqq ? S.\,3 sub I, statt \glqq Suisses\grqq\ wohl richtiger \glqq Polonais\grqq ?). Mit Plan für Kopenhagen einverstanden. Wir hoffen sehr, Du kommst bald her. Wirst Du nach Deinen bisherigen Plänen nur im Osten sein oder auch in den mittleren Westen herkommen? Ich bin bis März hier, April im Osten. Dir, Olga\IN{\neuratholga} und Mieze\IN{\reidemeistermarie} herzliche Grüße, auch von Ina\IN{\ina}, } \grussformel{Dein\\R. Carnap}%\Apagebreak \ebericht{Brief, msl., 1 Seite, \href{https://doi.org/10.48666/846168}{ON 220 (Dsl. RC 102-52-40)}, Briefkopf: gedr. \original{Prof. Rudolf Carnap\,/\,Prag XVII.\,/\,Pod Homolkou 146}, msl. \original{Chicago, 27.~Jan. 1936\,/\,University of Chicago\,/\,Faculty Exchange}.}