Vielen Dank, daß Du so rasch das MSKPTBNeurath, Otto!„Erster Internationaler Kongreß für Einheit der Wissenschaft in Paris 1935“ gelesen hast, so kommt der ErkenntnisartikelIErkenntnis, Zeitschrift noch zur Zeit heraus – nämlich in diesem Jahr, so daß das ERKENNTNISIErkenntnis, Zeitschrift-Jahr auch Kalenderjahr wird.1Heft 6 von Erkenntnis 5, 1935, das hauptsächlich aus Neurath, „Erster Internationaler Kongreß für Einheit der Wissenschaft in Paris 1935“, besteht, erschien tatsächlich erst im Februar 1936. Ja, Du hast recht, es war eine große Mühe für Dich, den TEXT über Wahrheit und BewährungB1936@„Wahrheit und Bewährung“, Actes du Congrès international de philosophie scientifique, Sorbonne, Paris 1935 IV, Paris, 1936, 18–23 so stark umzuarbeiten. Aber ich glaube, es hätte SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick protestiert und er ist ja schon verärgert genug. Denn letzten Endes bin ich ja ein friedliches Gemüt.
Warum hast Du eigentlich nicht der LutmanPKokoszynska@Kokoszyńska-Lutman, Maria, 1905–1981, poln. Logikerin klar gemacht, daß sie nicht von der Kohärenztheorie sprechen soll.2Siehe oben, Brief Nr. , Anm. . Das ist wirklich spaßig, wie attraktivaattractiv dieser Terminus ist. Nun steht es so:
1. Was in der Literatur der Engländer Kohärenztheorie heißt, hat kaum eine Ähnlichkeit mit dem, was SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick unter Kohärenztheorie versteht. Nun wohl auch LutmanPKokoszynska@Kokoszyńska-Lutman, Maria, 1905–1981, poln. Logikerin.
2. Niemals hab ich das behauptet (oder sonst jemand), von dem SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick behauptet, daß es behauptet wurde, daß nämlich die Wahrheit in der Übereinstimmung der Sätze besteht‚3Vgl. dazu oben, insbesondere Brief Nr. und . sondern nur, in der Übereinstimmung mit einer bevorzugten Satzmasse. Diese „Bevorzugung“ enthält alle jene Elemente, die für eine „realistische“ Auffassung wesentlich sind.
3. Ich glaube, daß TARSKIPTarski, Alfred, 1901–1983, poln.-am. Mathematiker und Logiker (und ebenso Du) mit den in sich korrekten Ausführungen viel Verwirrung stiften wird. Er zeigt, daß der von der Alltagssprache verwendete Wahrheitsbegriff in der Alltagssprache nicht verwendbar ist, wohl aber in formalisierten Sprachen. Also gerade dort, wo man diesen Terminus nicht braucht, da man ihn durch einen beliebigen anderen ersetzen könnte. Die Kontinuität wird also nicht gewahrt.aKsl. doch!. Aber ich glaube, das hängt mit viel umfassenderen Problemen zusammen. Ich spreche immer von Annahme ganzer Satzmassen, wie das dem Empirismus im Sinne von PoincaréPPoincaré, Henri, 1854–1912, fr. Mathematiker und Philosoph eignet, und TarskiPTarski, Alfred, 1901–1983, poln.-am. Mathematiker und Logiker, und, wie es scheint, jetzt auch Du, von der Annahme einzelner Sätze.bKsl. Nein! Nicht von der Annahme, sondern von ihrer Wahrheit!. Das führt, glaube ich, zu den Atomsätzen oder ähnlichem zurück. Ich bin auf den LutmanPKokoszynska@Kokoszyńska-Lutman, Maria, 1905–1981, poln. Logikerin-ArtikelBKokoszyńska-Lutman, Maria!1936@„Über den absoluten Wahrheitsbegriff und einige andere semantische Begriffe“, Erkenntnis 6, 1936, 143-165 gespannt.4Kokoszyńska, „Über den absoluten Wahrheitsbegriff und einige andere semantische Begriffe“. Weshalb sie mit solchem Behagen den Ausdruck „absolute Wahrheit“ verwendet, weiß ich nicht. Ich vermute, daß alles zusammen mit einer realistischen Metaphysik zusammenhängt, die via KotarbińskiPKotarbiński, Tadeusz, 1886–1981, poln. Philosoph usw. ausgebreitet wurde. Und TarskiPTarski, Alfred, 1901–1983, poln.-am. Mathematiker und Logiker knüpft seine so wertvollen Untersuchungen an etwas Vorhandenes an, ohne selbst darüber sich entscheidend den Kopf zu zerbrechen. Er sucht nur ein formales Modell, das gewisse Bedingungen erfüllt. Ich suche nach einer konkreten Satzmasse, zu deren Bewältigung man die formalen Modelle verwendet.
4. Was das heißt, ich würdige die Beobachtung nicht genug, verstehe ich wirklich nicht. Es handelt sich doch um ein wissenschaftslogisches Problem, doch nicht um ein gelehrtenbehavioristisches Problem. Die Frage ist, was passiert, wenn wir mit „Beobachtungssätzen“ arbeiten, statt mit der Wahrheitszuordnung, wie sie TarskiPTarski, Alfred, 1901–1983, poln.-am. Mathematiker und Logiker anregt. 🕮
Aus einer Bemerkung zum EnzyklopädiemskptBNeurath, Otto!„Une Encyclopédie internationale de la science unitaire“ habe ich den Eindruck, als ob Du meinen Enzyklopädieplan für recht jung hältst. Er ist sehr alt und es ist mehr als ein Jahrzehnt her, da habe ich einen Enzyklopädieplan – etwas anders geformt – mit EINSTEINPEinstein, Albert, 1879–1955, dt.-am. Physiker besprochen und von ihm sogar einen netten Brief darüber bekommen. Ich würde nie gewagt haben, mit einer solchen Sache hervorzutreten, wenn sie nicht vielfältig hin- und herüberlegt worden wäre. Z. B. ist sehr wichtig, die mögliche Stoffverteilung, die Raumverteilung, den Umfang usw. oft und oft durchgerechnet zu haben. Z. B. habe ich ausgerechnet, auf wie viele Zeilen ein SCHLAGWORT entfällt usw. Wie viel Schlagworte durch bloße Gleichsetzung mit anderen sozusagen nebenbei erledigt werden dürften usw. Natürlich ist das alles grob und wird in der Praxis anders aussehn. Aber das sind umfangreiche Vorarbeiten. Ich glaube, es ist gut, wenn Du das weißt und nicht meinst, daß das nur so ein Einfall ist, der zwar gut ist, aber noch unentfaltet.
Wichtig ist, was ich schon mehrmals schrieb, daß wir für gute QUERVERBINDUNGEN sorgen. Ich nehme an, daß Du hierüber mit MORRISPMorris, Charles W., 1901–1979, am. Philosoph, verh. mit Trude Morris sprechen wirst. Ich hoffe, daß er etwas bei Verlegern usw. erreichen wird, vielleicht auch Geldmittel auftreiben kann. Es wird eine wunderbare Sache werden. So etwas ist noch nie versucht worden. Da können wir zeigen, wie ernst es uns mit der EINHEIT DER WISSENSCHAFT ist.
Anbei die Mitteilung über KOPENHAGENIInternationalerKongressfurEinheit@2. Internationaler Kongress für Einheit der Wissenschaft, Kopenhagen, 21. –\.26. VI. 1936.5Erkenntnis 5, 1935, S. 429f. Was KELSENPKelsen, Hans, 1881–1973, öst.-am. Rechtswiss. anlangt, so müßtest Du trotz aller Arbeit einmal einen Blick in seine STAATSLEHREB tun, damit Du ein Bild bekommst.6Kelsen, Allgemeine Staatslehre. Es ist wichtig, daß wir in gemeinsamer Verantwortung solche Pläne auf uns nehmen.
Ich hoffe, es geht Euch sehr gut! Viel Glück für 1936. Vieles deutet darauf hin, daß ich 1936 in USA bin, wohl vor KopenhagenIInternationalerKongressfurEinheit@2. Internationaler Kongress für Einheit der Wissenschaft, Kopenhagen, 21. –\.26. VI. 1936. Eine Organisation hat schon 1000 Dollar zugesagt, wenn auch von anderer Seite Gelder beigestellt werden. Von anderer Seite 250 Dollar usw. Ich nehme an, daß ich bei der Gelegenheit auch die Enzyklopädiesache fördern kann. Die Frage der Vereinheitlichung der graphischen Darstellung. Es verbindet sich vielerlei – und alles nützt der EnzyklopädieIFoundations of the Unity of Science.
Mit guten Grüßen, auch an InaPCarnap, Ina (eig. Elisabeth Maria immacul[ata] Ignatia), 1904–1964, geb. Stöger, heiratete 1933 Rudolf Carnap von OlgaPNeurath, Olga, 1882–1937, geb. Hahn, auch Neuräthin und Peterl, öst. Philosophin und Mathematikerin, verh. mit Otto Neurath, Schwester von Hans Hahn und Louise Fraenkel-Hahn und mir