Ich hab Dir gestern noch in aller Eile den Text des ErkenntnisIErkenntnis, Zeitschrift-BerichtesBNeurath, Otto!„Erster Internationaler Kongreß für Einheit der Wissenschaft in Paris 1935“ zur Durchsicht gesendet, vielleicht hast Du Zeit, ihn auf der Bahn zu lesen.1Neurath, „Erster Internationaler Kongreß für Einheit der Wissenschaft in Paris 1935“. Bitte schick ihn mir rasch zurück, damit ich eventuelle Änderungen verwenden kann. Schreib hinein, streich, was Dir Spaß macht.
Du wirst bald sehn, wie bedenklich es ist 1. daß man uns den Titel Kohärenztheorie angehängt hat – auf die wir nach ROUGIERPRougier, Louis, 1889–1982, fr. Philosoph loyal verzichtet hätten!3Vgl. dazu Neuraths Zusammenfassung der Diskussion in Paris in Neurath, „Erster Internationaler Kongreß für Einheit der Wissenschft in Paris 1935“, S. 400. Zu Schlicks Vorwurf in „Über das Fundament der Erkenntnis“, Neurath vertrete eine Kohärenztheorie der Wahrheit, siehe oben, Brief Nr. . Hempel bezeichnet Carnap und Neurath als Vertreter einer „restrained coherence-theory of truth“; Hempel, „On the Logical Positivists’ Theory of Truth“, S. 57, Fußnote 6.1Vgl. dazu Neuraths Zusammenfassung der Diskussion in Paris in Neurath, „Erster Internationaler Kongreß für Einheit der Wissenschft in Paris 1935“, 400. Zu Schlicks Vorwurf in „Über das Fundament der Erkenntnis“, Neurath vertrete eine Kohärenztheorie der Wahrheit, siehe oben, Brief Nr. . Hempel bezeichnet Carnap und Neurath als Vertreter einer „restrained coherence-theory of truth“; Hempel, „On the Logical Positivists’ Theory of Truth“, 57, Anm. 6. und 2. daß die wirklich wertvollen Betrachtungen von TARSKIPTarski, Alfred, 1901–1983, poln.-am. Mathematiker und Logiker und LUTMANPKokoszynska@Kokoszyńska-Lutman, Maria, 1905–1981, poln. Logikerin mit dem Terminus „wahr“aKsl. nein!. herumlaufen.4Die in den Kongreßakten veröffentlichten Vorträge sind: Tarski, „Grundlegung der wissenschaftlichen Semantik“; Kokoszyńska, „Syntax, Semantik und Wissenschaftslogik“. Vgl. dazu auch oben, Brief Nr. .2Die in den Kongreßakten veröffentlichten Vorträge: Tarski, „Grundlegung der wissenschaftlichen Semantik“; Kokoszyńska, „Syntax, Semantik und Wissenschaftslogik“. Wenn Du noch kannst, solltest Du dafür einen anderen Namen verwenden. Ich kann mir nicht denken, daß dieser Terminus je zur Klärung dient, wohl aber, daß er ständig Verwirrung stiften wird, und schließlich wollen wir doch der Klärung dienen. Unter wahr versteht man eine (emotionelle, mehr minder) Betonung eines Satzes – philosophische, religiöse „Wahrheiten“ –, die man hat, die ein anderer nicht hat, obgleich etwa die mohammedanischen Sätze ebenso lauten wie die jüdischen, was die Form anlangt usw. usw. Das ist nämlich „wirklich wahr“ – so läuft nun mal der reelle Hase. Aber mag es so oder so sein. Ich wills nicht überwerten. Ich wills nur noch einmal recht nett und ernst Dir gesagt haben, weil ich nur schmerzlich es empfinde, was z. B. ROUGIERPRougier, Louis, 1889–1982, fr. Philosoph im Schlußwort über die Ver🕮 schiebung der Demarkationslinie zugunsten der Metaphysik sagte.5Rougier, „Allocation finale“, S. 89: „La ligne de démarcation entre le positivisme et la métaphysique nous paraît devoir être considérablement reculée.“ Nun kommt das „GEGEBENE“ wieder zu seinem Recht, während doch nur die Sätze neben anderen Dingen behandelt werden …6Vgl. vor allem Rougier, „Allocation finale“, S. 88f., der ein Ergebnis des Kongresses in der Wiedereinsetzung des klassischen Wahrheitsbegriffs sieht, und zwar als „correspondance avec un donné“.3Rougier, „Allocation finale“, 88f.
Vielleicht kannst Du was Gutes für mich drüben tun – es wäre nett und erfreulich. Da ich voraussichtlich, nach einem eben eingetroffenen Telegramm zu urteilen, zu Gastvorträgen über ISOTYPE und Bildpädagogik eingeladen werde, wäre mir auch sonstige Betätigung sehr erwünscht. Grüß mir drüben FeiglPFeigl, Herbert, 1902–1988, öst.-am. Philosoph, seit 1931 verh. mit Maria Feigl, BlumbergPBlumberg, Albert E., 1906–1997, am. Philosoph, LazarsfeldPLazarsfeld, Paul, 1901–1976, öst.-am. Soziologe, verh. mit Marie Jahoda, MorrisPMorris, Charles W., 1901–1979, am. Philosoph, verh. mit Trude Morris, und wenbwenn Du sonst siehst, den lieben NagelPNagel, Ernest, 1901–1985, am. Philosoph, verh. mit Edith Nagel mit FrauPNagel, Edith, geb. Haggstrom, verh. mit Ernest Nagel usw. Bald ist ja halb Europa drüben und halb Amerika kommt regelmäßig zu uns. Denk daran, daß es mir hier sehr dreckig geht und daß jede Art von Beschäftigung, die man persönlich oder institutsmäßig kriegt, ein Vorteil ist. Im übrigen gehts so: „behaglich mies“, wie immer.
Sehr nett wäre es, wenn mein BüchleinBNeurath, Otto!Le dévelopment du Cercle de Vienne et l’avenir de l’Empirisme logiquebKsl. (über Büchlein) französisches. über den Wiener Kreis bearbeitet in USA erscheinen könnte oder wenn sonst eine bezahlte publizistische Tätigkeit möglich wäre. Alles nicht wahrscheinlich, aber möglich. Ich weise nur auf die Möglichkeiten hin, weil vielleicht einmal der Tag kommt, wo sich eine realisieren ließe. Wichtig wäre, Gelder für die Enzyklopädie zu bekommen.
Wir warten auf FränzchenPRoh, Franz, 1890–1965, dt. Kunstkritiker, verh. mit Hilde Roh.7Franz Roh. Weißt Du Näheres über seine Ankunft?
Nochmals viel Glück auf die Fahrt. Gute Grüße von Haus zu Haus