\brief{Otto Neurath an Rudolf Carnap, 2. Dezember 1935}{Dezember 1935} \anrede{Lieber Carnap!} \haupttext{ Ende Dez. im Haag, Roh\IN{\rohfranz} wäre ein erfreulicher Besuch -- schon so lange nicht gesehn. Wie aus einer anderen Welt. Petzälls\IN{\petzaell} Buch\IW{\petzaellmethodenproblem} habe ich an Hempel\IN{\hempel} geschickt. Er wirds hoffentlich besprechen. Es ist so schwer, mit Freunden unserer Arbeit wie Petzäll\IN{\petzaell} sich zu verständigen, weil sie so weit weg sind. Und doch sollte man diese Beziehungen pflegen. Petzäll\IN{\petzaell} will jetzt eine Aussprache über das Problem bringen -- denn besprechen will ich sein Buch\IW{\petzaellmethodenproblem} ja auch nicht, aber die Probleme selbst behandeln.\fnE{Neurath, ,,Physikalismus und Erkenntnisforschung [I]`` ist die ausführliche Diskussion im Anschluss an Petzäll, \textit{Zum Methodenproblem der Erkenntnisforschung}. Petzäll verfasste darauf eine Antwort (,,[Erwiderung]``), auf die wiederum Neurath, ,,Physikalismus und Erkenntnisforschung [II]``, die Replik darstellt. Zu dieser in der Zeitschrift \textit{Theoria} geführten Diskussion vgl. Uebel, ,,The Nature and Status of Scientific Metatheory``.}\fnSE{Neurath, ,,Physikalismus und Erkenntnisforschung [I]`` ist die ausführliche Diskussion im Anschluss an Petzäll, \textit{Zum Methodenproblem der Erkenntnisforschung}. Petzäll verfasste darauf eine Antwort (,,[Erwiderung]``), auf die wiederum Neurath, ,,Physikalismus und Erkenntnisforschung [II]``, die Replik darstellt.} Du solltest mal von KELSEN\IN{\kelsen} irgendetwas lesen -- da Rougier\IN{\rougier} meint, man solle mit ihm einen Kongreß organisieren. Olga hat das begreifliche Bedenken, Geld auszugeben für Radio zu einer Zeit, da uns Freunde, denen es nicht gut geht, Geld schicken etwa im Betrag des aufzuwendenden Zolls. Sie läßt Dir vielmals und herzlich danken. Wir leben eben sehr knapp dahin --- sozusagen von 14 Tagen zu 14 Tagen, trotz vieler Chancen. Es ist noch immer besser, 10 Tauben auf dem Dach als keine, aber noch schöner wäre der Spatz in der Hand. Daß Du mich mit Frank\IN{\frankphilipp} zu einer Vertretung vorschlagen willst, ist sehr erfreulich, so könnte ich meine einstige Habilitation doch noch fortsetzen und damit einen Start schaffen, um irgendwo anzukommen.\fnE{Zur Habilitation Neuraths siehe oben, Brief Nr. \refcn{1932-10-09-Neurath-an-Carnap}, Anm.~\ref*{1932-10-09-Neurath-an-Carnap-Habil}.} Es ist alles so schwierig und jede Aussicht schon ein Trost. Vielen Dank für den Plan. Ich hoffe, Du wirst bald mit Morris\IN{\morris} über die Enzyklopädie\II{\enzyklopaedie} sprechen. Ich finde, daß die EINHEITLICHKEIT das Ziel ist. Es kommt gerade auf die „Querkomitees“ an. Ich hoffe, daß Hempel\IN{\hempel} und Oppenheim\IN{\oppenheim} gut helfen werden. Die beschäftigen sich doch querdurch mit allen Wissenschaften. \neueseite{} Ich denke, für jede Fachgruppe ein kleines Komitee und für bestimmte Quergruppen, für die dann auch eigene Bändchen in Frage kommen, z.\,B. über ORDNUNG usw. Ich werde gern Lutman\IN{\lutman} einiges sagen, vielleicht mich vorher mit Hempel\IN{\hempel} besprechen.\ Aber ich glaube, daß die Anlage der Behandlung vorwiegend bedenklich wirken wird, so sauber es im ganzen ist. Adresse von AYER\IN{\ayer}:\fnAmargin{Ksl. \original{\textsp{notiert}}.} Oxford, Christ Church College. Ich hoffe, bald Deinen Text\IC{\vortragkongresspariszwei} zu bekommen.\fnE{Gemeint ist die überarbeitete Fassung von Carnap, ,,Wahrheit und Bewährung``.} Von Frank\IN{\frankphilipp} ist Deine Anmerkung-Sammlung zum Enzyklopädietext\IW{\neurathenzy} noch nicht da.\fnE{Gemeint sind Carnaps Anmerkungen zu Neurath, ,,Une Encyclopédie internationale de la Science unitaire``; vgl. oben, Brief Nr.~\refcn{1935-10-29-Carnap-an-Neurath}.} Auch hoffe ich auf Deine Bemerkungen zu meinen Texten\IW{\neuratheinzel}\IW{\neurathvortragpariseins}.\fnE{Neurath, ,,Einzelwissenschaften, Einheitswissenschaft, Pseudorationalismus``, bzw. ,,Mensch und Gesellschaft in der Wissenschaft``.} Grüß alle aufs beste von uns } \grussformel{herzlichst Dein\\Otto Neurath} \ebericht{Brief, msl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/846130}{RC 102-50-06}; Briefkopf: gedr. \original{Mundaneum Institute The Hague} mit näheren Angaben, msl. \original{Prof. Rudolf Carnap\,/\,Pod Homolkou} und \original{2.X.1935}, hsl. korrigiert zu \original{2.XII.1935}.}