\brief{Otto Neurath an Louis Rougier, Kopie an Carnap, 28. Juli 1935}{Juli 1935} RC 029-09-17; Typoskript An Carnap Den Haag 28. Juli Mein lieber Rougier! Eben kommt ein langer Brief von Carnap über den Kongreß. Er schreibt ausführlich über seinen Vortrag am Montag, der sich auf Erkenntnistheorie beziehen soll und bespricht mit mir einen sehrerfreulichen zweiten, der sich auf Wahrheit und Bewährung beziehen soll. Er stimmt unserer Einteilung im ganzen zu, regt nur an, daß man irgendwie um die gemeinsamen Vorträge herumkommen solle, weil sie so viel Unruhe und Zeitverlust bei der Aufteilung erzeugen. Sie wissen, wie kompromißbereit ich bin, aus meinem gestrigen Brief. Wie werden auch hiefür ein Kompromiß finden. Aber die Sache mit Tarski, Lutman muß ein großes Mißverständnis sein. Carnap hat offenbar keine Ahnung von dieser Plan ein Trio aufzuführen -- vielleicht war das mal ein Einfall oder ein Vorschlag von Tarski. Ich bin immer von vornherein bereit Tarski, der so bedeutend ist, entgegenzukommen aber ich ändere sehr ungern einen Plan, den man angenommen hat grundsätzlich. Hingegen schlage ich nun folgendes Kompromiß vor: Es bleibt bei der Generaleinleitung: 16. September. Physikalismus, Einheit der Wissenschaft usw. mit grundsätzlicherDebatte darüber, auch darüber, ob die verschiedenen Wissenschaften eine oder mehrere Methoden verwenden usw. 17. September. Syntax, Wissenschaftslogik, Pseudoprobleme. 18. September. Induktion, Wahrscheinlichkeit usw. 19. September. Geschichte der Logik usw. 20. September. Gesichte der Logik Fortsetzung und Wissenschaftssoziologie. 21. September. Enzyklopädie. usw. Geschichte unserer Bewegung Damit das klarherauskommt, daß wir unser Generalprogramm einhalten, sollen diese Gegenstände immer in Richelieu sein. Nun zum Detail. Da jetzt die Sache mit Carnap völlig klar ist, bin ich für die Lösung, die ich schon anregte, mit ein paar Varianten. A. Eröffnungstag. Frank kommt nach dem Vormittag geschoben nach ihm Schlick vor ihm eventuell Chwistek. Am 16. Sept. Nachmittag käme dann: Lecomte (Fortsetzung von Frank) Feigl und Braithwaite. (Ich bin dafür aus Rücksicht auf die nationale Zusammensetzung einenEngländer am 1. Tag sprechen zu lassen. Sein Thema paßt absolut hieher. Damit wird aber auch ein Vortrag frei für Carnap, Wahrheit und Bewährung. Der damit die Protokollsatzreihe. Posznanski, Tranekjaer-Rasmussen, Grelling aufs beste einleitet. Er war als Diskussionsredner ohnehin vorgesehn und legt, wie er mir schreibt gerade auf diesen Vortrag Gewicht. Er will die Diskussion, Schlick-Neurath-Hempel, die in der Analysis eifrig geführt wird klärend behandeln. Beginn in der Erkenntnis). 17. September. Vormittag. Zuerst die beiden Pseudoproblem referate, Rougier, Matisse. Dannsofort Tarski, Lutman. Dann anstelle von Chwistek Hempel. \sout{Carnap regt an, daß man Hempel mit Feigl sprechen läßt, weil alle Wiener diese Beiden nun in die Fern Gezogen.} \sout{Ferne Gezogenen gern werden hören wollen, und da auch Tarski den Wienern sehr nahesteht, ist wohl dies die Beste Lösung. Man bekommt die Pseudoprobleme mit den beiden Vorträgen Tarksi und Lutman zusammen}. Statt Braithwaite, der jetzt am ersten Tag Nachmittag drankommt spricht jetzt Carnap, als erster, über Wahrheit und Bewährung, während er ja am ersten Tag über die Auflösung der Erkenntnistheorie sprechen will, was sehr gut paßt -- auch zum Vortrag von Reichenbach, der von der Auflösung des Apriori redet. Sie sehn, daß jetzt diese Verschiebung mit einem Minimum an Änderung möglich ist und ohne jedeÄnderung der Programmgrundlagen. Wie sehr ich an sich entgegenkommend bin, sehen Sie daraus, daß wenn es hätte unbedingt sein müssen -- wozu aber auch die Zustimmung der anderen nötig gewesen wäre -- ich sogar den ersten Nachmittag hätte ändern lassen. Diese Umstellung dagegen können wir beide auf eigene Verantwortung durch führen, weil sie ja innerhalb des allen Programms bleibt. Carnap rät nochmals ab, daß man die gemeinsame Sitzung am Anfang jedes Halbtags macht. Seine Bedenken, daß so viel Zeit verloren geht, sehe ich ein. Und so meine ich, daß man gemeinsame Vorträge nur am Vormittag hat. Denn der Vorschlag von Carnap, die gemeinsamen Vorträge zusammenzuziehen halte ich nichtfür gut. Wir beide, Sie und ich hatten uns sogar geeinigt, daß Induktion und Wahrscheinlichkeit an einem Tag sein sollen, weil dadurch die Aussprache gewinnt. Also ich meine: Am 17. Vormittag. Gemeinsamer Vortrag Sie. (oder wenn Sie es wünschen Tarski) dann Matisse, Tarski, Lutman, Hempel, \sout{Feigl}. Dadurch bekommen wir Nachmittag einen Vortrag frei für einen der neu angemeldeten Vortragenden. Am 17. Nachmittag kein gemeinsamer Vortrag. Die Richelieu-reihe ist dann: Carnap (Wahrheit und Bewährung) alles andere bleibt. In Descartes bekommen wir einen freien Platz! Am 18. Vormittag schlage ich vor, daß Reichenbach und \L{}ukasiewicz hintereinander sprechen (von \L{}ukasiewicz habe ich noch keinen Vortragstitel, überhaupt noch keine bindende Erklärung, daß er kommt. Ajdukiewicz bemüht sich noch um Paß usw. Auch die anderen sind bemüht. Am 18. Nachmittag kein gemeinsamer Vortrag. Dadurch kriegen wir neuen Raum. Am 19. bleibt Padoa mit seinem gemeinsamen Vortrag. Am 20. weder Vor --noch Nach -- mittag gemeinsamer Vortrag\textit{.} Das heißt, die von Carnap achtmal gefürchtete Unruhe, wird wie Sie sehen, - und das kann uns nur recht sein, wegen Platz -- auf dreimal Unruhe reduziert, womit unser Freund sicher zufrieden gestellt ist. Herzliche Grüße Ihr