Besten Dank für verschiedene Briefe und jetzt das Kongreßprogramm vom 22.7.
Ich wäre Dir dankbar für freundlichen Rat inbezug auf meinen Vortrag (oder 2 Vorträge). In meinem Hauptvortrag am 1. Tag möchte ich ausführen, daß unsre Aufgabe, die früher hauptsächlich die Ausschaltung der Metaphysik war, jetzt die Auflösung oder Aufspaltung der Erkenntnistheorie ist. Letztere ist unklare Mischung von psychologischen und logischen Fragen; diese müssen wir trennen, die ersteren der empirischen Realwissenschaft zuweisen, die letzteren exakt machen mit den Mitteln der logischen Syntax. Was meinst Du zu diesem Inhalt? Und wenn ja, wie den Titel formulieren? „Die Auflösung der Erkenntnistheorie“? oder „Die Auflösung der Erkenntnistheorie durch den logischen Empirismus“? oder „… durch die logische Syntax“? oder wie?1Publiziert als Carnap, „Von der Erkenntnistheorie zur Wissenschaftslogik“. Ferner möchte ich vielleicht einen zweiten Vortrag halten, über die Methode der wissenschaftlichen Nachprüfung, im Anschluß an die Diskussion SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick-NeurathPNeurath, Otto, 1882–1945, öst. Philosoph und Sozialwiss., heiratete 1912 Olga Neurath und 1941 Marie Neurath-HempelPHempel, Carl Gustav, 1905–1997, dt.-am. Philosoph, verh. mit Eva Hempel, ab 1947 mit Diane Hempel in „Erkenntnis“IErkenntnis, Zeitschrift und „Analysis“IAnalysis, Zeitschrift. Erstens über den Unterschied zwischen Wahrheit u. wissenschaftlicher Bewährung (was mir in Eurer Diskussion nicht genügend unterschieden zu sein scheint). Und zum Schluß kurz über die Frage, ob es unwiderrufliche Sätze gibt. Was meinst Du dazu? Und wenn ja, welcher Titel? „Über Wahrheit und Bewährung“? „Über empirische Nachprüfung“ oder wie?2Publiziert als Carnap, „Wahrheit und Bewährung“. Und wann? Vielleicht 17. Nachmittag?
Zum Programm. Im allgemeinen einverstanden. Ich weiß, wieviel Mühe die Verteilung macht, und will deshalb auch nicht mehr viel im einzelnen Änderungen vorschlagen. Nur einige Punkte. Es ist nicht zum Ausdruck gebracht, welcher der Sektionsvorträge gemeinsam sein soll; vielleicht immer der in der erstgenannten Sektion? BraithwaitePBraithwaite, Richard Bevan, 1900–1990, brit. Philosoph ist aber keineswegs so wichtig. Bei den andern wäre allerdings großes Auditorium erwünscht. Aber läßt sich das nur so machen? Nicht vielleicht lieber, indem man sie zusammenlegt zu einer gemeinsamen Sitzung? Den Gedanken, die Halbtage nochmal zu durchbrechen, halte ich nach wie vor für nicht glücklich. In welcher der Sektionen soll dann über den betreffenden Vortrag diskutiert werden? Du denkst Dir die Verteilung in 5 Minuten geschehen. In Wirklichkeit werden alle Leute in der Halle stehen und schwatzen, unschlüssig, in welche Sektion sie wollen, und daher bei ihren Bekannten herumhorchend. Ich möchte vorschlagen, FeiglPFeigl, Herbert, 1902–1988, öst.-am. Philosoph, seit 1931 verh. mit Maria Feigl am 17. Vormittag aus der 1. in die 2. Sektion zu versetzen (hinter HempelPHempel, Carl Gustav, 1905–1997, dt.-am. Philosoph, verh. mit Eva Hempel, ab 1947 mit Diane Hempel), und dafür ChevalleyP (oder GreenwoodPGreenwood, Thomas, *1901, brit. Philosoph) in die 1. (Trotz Thema.) Weil die Wien-Berliner Leute HempelPHempel, Carl Gustav, 1905–1997, dt.-am. Philosoph, verh. mit Eva Hempel, ab 1947 mit Diane Hempel u. FeiglPFeigl, Herbert, 1902–1988, öst.-am. Philosoph, seit 1931 verh. mit Maria Feigl werden hören wollen. – Es wäre sicher wünschenswert, darin sind wir wohl einig, wenn über die 3 Hauptinteressen-Probleme große Diskussionen stattfinden würden: Physikalismus, Induktion, Empirismus (Protokollsätze usw.). Es wird aber wohl kaum möglich sein, dafür mehr Zeit zur Verfügung zu stellen als für die übrigen Diskussionen?
Wozu soll man Vortragstext und Résumé einsenden? 🕮 Genügt es nicht für den KongreßIKongressfuerEinheit@1. Kongreß für Einheit der Wissenschaft/Congrès International de Philosophie Scientifique, Paris, 16.-21.IX.1935, wenn die Résumés vervielfältigt und verteilt werden? Die Texte selbst könnten dann ja nachher gedruckt werden.
Habe an TinbergenPTinbergen, Jan, 1903–1994, niederl. Mathematiker und Ökonom geschrieben.3Rudolf Carnap an Jan Tinbergen, 16. Juli 1935, RC 029-09-22.
Zu Deinem Brief v. 16. an ReichenbachPReichenbach, Hans, 1891–1953, dt.-am. Philosoph, ab 1921 verh. mit Elisabeth Reichenbach, ab 1946 verh. mit Maria Reichenbach und mich. Ich begrüße Deinen Plan sehr, einen systematischen BerichtBComité d’Organisation du Congrès!Actes du huitième congrès international de philosophie über den KongreßIKongressfuerEinheit@1. Kongreß für Einheit der Wissenschaft/Congrès International de Philosophie Scientifique, Paris, 16.-21.IX.1935 für die „Erkenntnis“IErkenntnis, Zeitschrift zusammenstellen. Wenn Du das mit Index und allerhand statistischen und geographischen Übersichten versiehst, wird es sicher sehr reizvoll. Aber ist soviel Platz dafür nötig? Da doch die Vorträge selbst an anderer Stelle schon veröffentlicht werden! Stell mal einen Planentwurf auf!
Gedanke des Fragebogens ist ebenfalls verlockend. Aber wohl besser unabhängig vom Kongreßbericht. Denn Vorbereitung erfordert viel Zeit. Ich fühle mich als Spezialisten in Fragebogen und möchte gern mit Dir mal die Idee näher besprechen. Der Fragebogen muß mit deutlichen, ausführlichen Definitionen versehen sein, damit die Fragen nicht mehrdeutig sind. Habe einige Ideen dafür. Ist aber schwierig.
Persönlicher Kontakt in Paris ungeheuer wichtig, gewiß. Der wird aber nicht durch gemeinsame Vorträge gefördert, sondern durch Diskussionen und Privatgespräche. Um für beides Raum zu schaffen, sollten also die gemeinsamen Vorträge nach Möglichkeit eingeschränkt werden. So meinte ichs. Es ist ja auch im Programm einigermaßen geschehen. Gehts nicht noch mehr?
Bibliographie. Dann aber diejenigen weglassen (oder nur kurze Ergänzungen neuerer Veröffentlichungen angeben), die schon im Vorkonferenzbericht in der Bibliographie enthalten sind.
HempelPHempel, Carl Gustav, 1905–1997, dt.-am. Philosoph, verh. mit Eva Hempel, ab 1947 mit Diane Hempel setzte ich als selbstverständlich für die Nachtagung voraus.
Dein MSBNeurath, Otto!„Pseudorationalismus der Falsifikation“ über PopperPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine Popper, das Du am 12. ankündigtest, habe ich noch nicht bekommen.
Gegen ReichenbachsPReichenbach, Hans, 1891–1953, dt.-am. Philosoph, ab 1921 verh. mit Elisabeth Reichenbach, ab 1946 verh. mit Maria Reichenbach Vortrag am 1. Tag habe ich nichts einzuwenden. Der Vorsitzende möge nur darauf achten, daß er nicht (was er zu tun liebt) auf Kosten der Nachfolgenden übermäßig lange spricht.
Mit herzlichen Grüßen von Haus zu Haus,