Otto Neurath an die Fünf, 22. Juli 1935 Juli 1935

AN DIE FÜNF

Am 21. Juli Besprechung NeurathPNeurath, Otto, 1882–1945, öst. Philosoph und Sozialwiss., heiratete 1912 Olga Neurath und 1941 Marie Neurath-RougierPRougier, Louis, 1889–1982, fr. Philosoph in Brüssel, dann mit SchraenenP über die Möglichkeit, in Brüssel billig zu drucken, usw.

Gesamtprogramm wurde hergestellt durch Konkordanz von CarnapPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap Gesamtschema, NeurathPNeurath, Otto, 1882–1945, öst. Philosoph und Sozialwiss., heiratete 1912 Olga Neurath und 1941 Marie Neurath Vollprogramm, RougierPRougier, Louis, 1889–1982, fr. Philosoph Vollprogramm.1Gemeint ist das in Erkenntnis 5, 1935 (Heft 4 vom 31. Juli), veröffentlichte vorläufige Programm. Alle früheren Pläne mußten stark variiert werden, weil sehr viele neue Vorträge angemeldet wurden, zum Teil von sehr hohem Wert. PadoaP meldete drei Vorträge an, die wohl alle sehr reizvoll sein werden. Es sollte nun das Prinzip, den Empirismus zu betonen, eingehalten und doch auch CarnapsPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap Anregung, in Sektionen früh mit logischen Problemen zu beginnen, befolgt werden. Anregungen von FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank und ReichenbachPReichenbach, Hans, 1891–1953, dt.-am. Philosoph, ab 1921 verh. mit Elisabeth Reichenbach, ab 1946 verh. mit Maria Reichenbach lagen vor.

Dadurch, daß weder LangevinPLangevin, Paul, 1872–1946, fr. Physiker, noch BrillouinP, noch BachelardPBachelar, Gaston 1884 bis 1962 frz. Wissenschaftstheoretiker am 1. Tag sprechen, da sie alle nicht da sind, wurde die Schaffung eines sinnvollen ersten Tages schwierig. Die Lösung wurde gefunden, weil von EnriquesPEnriques, Federigo, 1871–1946, ital. Mathematiker der Wunsch vorlag, über PHILOSOPHIE SCIENTIFIQUE zu sprechen. Daß er als „Altmeister“ an erster Stelle steht, war klar. Dann kommt als erster Redner ReichenbachPReichenbach, Hans, 1891–1953, dt.-am. Philosoph, ab 1921 verh. mit Elisabeth Reichenbach, ab 1946 verh. mit Maria Reichenbach und es wurden nun noch CarnapPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap und MorrisPMorris, Charles W., 1901–1979, am. Philosoph, bis 1951 verh. mit Trude Morris, danach mit Ellen Ruth Morris in den ersten Tag hineingenommen, so daß er gewissermaßen einen Überblick über die Grundlagen gibt, mit starker Betonung des Empiristischen. Der Nachmittag kann ganz der Frage Physik und Biologie gewidmet werden. Dadurch wurde Raum in den nächsten Tagen geschaffen.

Am Sonntag ein Thee, bei dem wird RougierPRougier, Louis, 1889–1982, fr. Philosoph eröffnen, RussellPRussell, Bertrand, 1872–1970, brit. Philosoph, in zweiter Ehe verh. mit Dora Russell, ab 1936 verh. mit Patricia Russell und EnriquesPEnriques, Federigo, 1871–1946, ital. Mathematiker sprechen ein paar Worte – so hoffen wir namens der älteren Generation –, FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank antwortet, gewissermaßen als Vertreter der jüngeren Generation.

Man einigte sich, daß am 18. Sept. Vormittag und Nachmittag durch Induktion, Wahrscheinlichkeit, mehrwertige Logik möglichst verknüpft sein sollen. So daß diese Themen nicht auf zwei Tage verteilt werden sollten.

Der erste Tag (EnriquesPEnriques, Federigo, 1871–1946, ital. Mathematiker, ReichenbachPReichenbach, Hans, 1891–1953, dt.-am. Philosoph, ab 1921 verh. mit Elisabeth Reichenbach, ab 1946 verh. mit Maria Reichenbach, CarnapPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap, KotarbińskiPKotarbiński, Tadeusz, 1886–1981, poln. Philosoph, NeurathPNeurath, Otto, 1882–1945, öst. Philosoph und Sozialwiss., heiratete 1912 Olga Neurath und 1941 Marie Neurath, MorrisPMorris, Charles W., 1901–1979, am. Philosoph, bis 1951 verh. mit Trude Morris, danach mit Ellen Ruth Morris, FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank, Lecomte du NoüyPNoüy, Pierre Lecomte du, 1883-1947, fr. Biophysiker, GuyePGuye, Charles-Eugene professeur du physique-chimie à l’université de Genève, qui vient d’écrire des articles très remarquables sur le calcul des probabilités et les phénomènes biologiques.) ist gemeinsam. Sonst aber ist immer nur der erste Vortag jeden Halbtags gemeinsam.aKsl. schlecht!. Es ist der einzige Weg, einigen wichtigeren Vortragenden alle Hörer zu sichern. Der Zeitverlust bei der Aufspaltung in Sektionen ist ganz gering, da die drei Säle der Sorbonne um eine Halle herum liegen und Richelieu, Descartes sogar direkt nebeneinander liegen, Turgot gegenüber. An Hand einer Planskizze ergab sich das ganz klar.

Da alle drei Säle übergroß sind, braucht bei der Aufteilung auf den Fassungsraum keine Rücksicht genommen zu werden.

Es war das Bemühen vorherrschend, das ursprüngliche Programm so halbwegs einzuhalten, auch um Beschwerden zu vermeiden. Gewisse Aufteilungen ergeben sich jetzt zum Teil zwang[s]läufig. Der erste Tag ist jetzt der Wissenschaftlichen Weltauffassung im ganzen, dem Physikalismus und der Einheit der Wissenschaft gewidmet. Der zweite Tag bringt jedenfalls logische Syntax, Pseudoprobleme, Wissenschaftslogik einzelner Wissenschaften. Der dritte Tag bringt neben anderem Induktion, Wahrscheinlichkeit, Mehrwertige Logik. Der vierte Tag Geschichte der Logik. Geschichte der Logik wird am fünften Tag fortgesetzt, anschließend Wissenschaft[s]soziologie. (Geschichte anderer Wissenschaften fehlt, nur antike Mathematik kommt vor). Vom dritten Tag an mußte der Logik und Mathematik daneben breiter Raum eingeräumt werden. Psychologie und Soziologie wurden auf den vierten Tag verlegt. Wir sind in der angenehmen Lage, einen schönen diskussionsfreien Abschluß zu bieten. Da AyerPAyer, Alfred Jules, 1910–1989, brit. Philosoph sich bereit erklärt hat, die moderne englische Bewegung, die mit dem logistischen Positivismus sympathisiert, zu schildern, haben wir nun als Ergänzung zu den Referaten über Polen, USA nun auch England, Skandinavien, Sowjetunion, Frankreich.

Es werden alle Botschafter eingeladen.

Sprechzeit 15 Minuten, ausnahmsweise 20 Minuten. Wer ergänzen will, möge es in der Diskussion tun. 🕮

Die Diskussion muß breit geführt werden können, sonst geht der Sinn des so sorgsamen Aufbaus verloren.

Der Vorsitzende läßt nach 15 Minuten (eventuell wird eine Weckuhr aufgestellt) ein Glockenzeichen ertönen und nach 20 Minuten wird die Glocke eingeschaltet, die dann solange läutet, bis der Redner schließt. Die Vorsitzenden werden in dieser Tätigkeit hoffentlich von jemandem unterstützt, der sich dauernd mit diesem technischen Detail befaßt. Es muss sein, sonst bekommen wir wieder die Fälle, wie auf dem internationalen Philosophenkongreß, daß Redner nicht aufhören.

Mit allem drum und dran müssen wir pro Redner 25 Minuten rechnen.

VORMITTAGE: ca. 2 Stunden Vorträge und 112 Stunden Diskussion.

NACHMITTAGE: ca. 134 St[unden] Vorträge und 114 Stunden Diskussion.

Etwas Zeit – nicht viel – geht nach jedem gemeinsamen Vortrag bei der Verteilung verloren.

ES WIRD NICHT NACH DEN EINZELNEN VORTRÄGEN DISKUTIERT, SONDERN WENN DIE GRUPPE FERTIG IST.bKsl. ja!.

Es herrschte Einigkeit darüber, daß mehr als 3 Sektionen unbedingt zu vermeiden sind, auch deshalb, weil nur drei Säle beisammen liegen. Sollten noch weiter so viele Vorträge angemeldet werden, dann könnten die Tage, die jetzt mit 2 Sektionen belegt sind, mit 3 belegt werden, auch kann man zur Not den freien Donnerstag Nachmittag heranziehen. Aber schließlich muß man doch auch für Paris und für private Zusammenkünfte ein wenig Zeit frei lassen. Auch kann am Samstag Vormittag unter Umständen an Bildung von Sektionen gedacht werden.

RÉSUMÉ der Vorträge ist bis 20. August spätestens einzusenden, in der Vortragssprache, erwünscht Übersetzungen, die aber der Referent beistellen muß. In Französisch wird alles übertragen. Vervielfältigung auf einfache Weise. 1 Seite zu 400 Worten, Maximum 2 Seiten.

Die Referate sind bis 1. Sept. einzureichen. 6 Seiten, in Ausnahmefällen 8 Seiten. Diese Referate werden gedruckt. Wahrscheinlich ohne Résumé in anderen als den Vortragssprachen, da das Geld fehlen dürfte.

[Otto Neurath]

Brief, Dsl., 2 Seiten, RC 029-09-21 (weiterer Dsl. ON 330/O.3); die Fünf: Rudolf Carnap, Philipp Frank, Otto Neurath, Hans Reichenbach, Louis Rougier; Briefkopf: msl. 22. Juli 1935; ohne Signatur.


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