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Lieber Herr Carnap!
Sie dürfen mir nicht böse sein, daß ich die Antwort auf Ihre Bemerkungen zu meinem Manuskript
Aus ihr werden Sie entnehmen, daß ich den zentralen, die behaviouristische Grundauffassung analysierenden Teil völlig umgearbeitet habe. Dies ist nicht etwa darum geschehen, weil ich meine prinzipielle Stellungnahme geändert hätte, sondern aus folgenden zwei Gründen: Erstens wollte ich Ihren Anmerkungen Rechnung tragen und meine Einwände so weit als möglich in derjenigen Sprache vorbringen, die Sie selbst sprechen und die Ihnen auch besser ins Ohr geht und zweitens mußte ich mich nunmehr auch mit derjenigen Argumentation auseinandersetzen, die Ihr Aufsatz
Ich halte nämlich die dort vollzogene Neubegründung des Physikalismus für eine Umstellung prinzipieller Art und sehe in ihr – nach der Aufgabe der Theorie der Atomsätze – einen weiteren Schritt zur Überwindung von Auffassungen, die ich als irrig betrachte. Ich glaube, daß es für die weitere Entwicklung Ihrer Gedanken von größter Bedeutung sein wird, daß Sie die Tragweite der in der letzten Zeit vollzogenen Modifikation Ihrer Lehre nicht mehr unterschätzen und möchte Ihnen daher vor
Wenn ich mir nun eine Voraussage Ihrer weiteren philosophischen Entwicklung unter dem Zwange gedanklicher Konsequenz, dem sich ein Denker von Ihrer Schärfe und intellektuellen Rechtschaffenheit nicht entziehen kann, gestatten darf, so möchte ich sie wie folgt skizzieren:
Die weitergehende Analyse der indirekten Verifizierung von Sätzen wird Ihnen die Problematik der impliziten Voraussetzungen immer mehr ins Bewußtsein rücken und damit die Verdeutlichung, (rationale Nachkonstruktion) des im Denken „eigentlich Vermeinten“ als eine grundwichtige Aufgabe – es ist die Aufgabe der echten Philosophie – offenbaren. Im Zusammenhange damit werden Sie erkennen, daß die Art der gewählten Sprache (bzw. des Kalküls) zwar, wegen ihrer größeren oder geringeren Tauglichkeit als Instrument des Denkens, bzw. der Übermittlung von Gedanken, größte Bedeutung besitzt, daß aber für die wichtigsten der wissenschaftstheoretischen Probleme nicht nur nichts gewonnen ist, wenn man sie als Probleme der Sprache statt als Probleme des Denkens (bzw. des Sinns) bezeichnet, sondern daß hiedurch die Gefahr arger Mißverständnisse und Abwege von den zentralen Problemen nahegedrückt wird. Schließlich werden Sie auch von der in Ihrer „Syntax der Sprache“
So also wird sich meiner Meinung, oder doch meinen Wunschträumen
Ich hoffe mein Buch
Wenn ich mich mit Ihren Arbeiten befasse, so empfinde ich immer besonders intensiv den Wunsch Sie wiederzusehen und zu sprechen, einen Wunsch, der auch von meiner Frau
Bei uns geht alles gut, vor allem auch mit unserem Buben
Mit den allerfreundlichsten Grüßen und Wünschen an Sie beide bleibe ich
Ihr
Felix Kaufmann
Brief, msl., 3 Seiten, RC 028-20-03 (Dsl. FK 008209-008211); Briefkopf: gedr. Dr. Felix Kaufmann  /  Tel. B-10-4-53  /  Wien XIX.  /  Döblinger Hauptstraße 90, msl. 7. Juni 1935.