Besten Dank für Deine Briefe v. 18., 24. u. 28. Mai und Zusendung der Kongreßprogramme.
Zur Frage der empirischen Kontrolle logischer Sätze (Dein Brief 18.5.). Die zuerst angegebene Formulierung3Siehe oben, Brief Nr. . ist mir nicht unbedingt zuwider, wenn sie auch (ebenso wie die Formulierungen von MorrisPMorris, Charles W., 1901–1979, am. Philosoph, verh. mit Trude Morris)1Morris, „The Relation of the Formal and Empirical Sciences within Scientific Empiricism“; die diesem Text nachgestellte deutsche Zusammenfassung stammt von Carnap.4Morris, „The Relation of the Formal and Empirical Sciences within Scientific Empiricism“; die diesem Text nachgestellte deutsche Zusammenfassung stammt von Carnap; siehe oben, Brief Nr. . insofern nicht ganz unbedenklich sind, als sie beim Leser leicht eine empiristische, psychologistische Auffassung inbezug auf Logik u. Mathematik fördern können. Die dann angegebene Formulierung des Unterschiedes zwischen mathematischen u. empirischen Sätzen scheint mir aber nicht gut.5Siehe oben, Brief Nr. . Über diese Frage müßten wir mal mündlich sprechen. Dafür wäre aber Vorbedingung, daß Du Deine Meinung mal ebenso deutlich formulierst, wie ich meine (im Aufsatz „Formalwissenschaft“B1934@„Formalwissenschaft und Realwissenschaft“, Erkenntnis 5, 1935, 30-37 und in „Syntax“B1934@Logische Syntax der Sprache, Wien, 1934)6Carnap, „Formalwissenschaft und Realwissenschaft“ bzw. Logische Syntax der Sprache. formuliert habe. Wo im Buch „Syntax“B1934@Logische Syntax der Sprache, Wien, 1934 siehst Du die Gefahr von „Sätzen an sich“? – Ja, man könnte sich mit deskriptiver Syntax begnügen, ebenso wie man überhaupt die rein logisch-mathematischen Sätze weglassen könnte. Aber das wäre höchst unzweckmäßig (vgl. ErkenntnisIErkenntnis, Zeitschrift V, 32 unten – 35 MitteB1934@„Formalwissenschaft und Realwissenschaft“, Erkenntnis 5, 1935, 30-37).
Ja, RussellPRussell, Bertrand, 1872–1970, brit. Philosoph hat bedenkliche Sachen. Ich wollte auch nicht sagen, daß er metaphysikfreier oder sonstwie besser sei als FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank oder sonstwer, sondern, daß er hauptsächlich den Wiener KreisISchlick-Zirkel, Wiener Kreis beeinflußt hat. Wir haben, scheint mir, von ihm mehr gelernt als von irgendeinem andern; später erst haben wir dann bemerkt, daß auch er selbst zuweilen Scheinprobleme aufwirft.
SchlicksPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick ArtikelBSchlick, Moritz!„Facts and Propositions“ und HempelsPHempel, Carl Gustav, 1905–1997, dt.-am. Philosoph, verh. mit Eva Hempel ErwiderungBHempel, Carl Gustav!1935@„Some Remarks on ‚Facts‘ and Propositions“, Analysis 2, 1935, 93-96 hab ich gelesen.7Schlick, „Facts and Propositions“; Hempel, „Some Remarks on ‚Facts‘ and Propositions“. Ich finde auch, daß SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick Dich nicht gut behandelt. Und daß er Deine und HempelsPHempel, Carl Gustav, 1905–1997, dt.-am. Philosoph, verh. mit Eva Hempel Ausführungen nur flüchtig gelesen hat, sodaß er Euch nun Dinge entgegenhält, die Ihr selbst schon deutlich gesagt habt, z. B. Du über den Vergleich eines Satzes mit einem Stuhl. Andrerseits bist Du aber nicht ganz unschuldig daran, daß er in Deinen 🕮{}Ausführungen angreifbare Punkte fand, weil Du trotz meiner mehrfachen dringenden Warnungen die Behauptung beibehalten hast, daß Sätze nur mit Sätzen verglichen werden können. Ich sagte Dir schon damals, daß VogelPVogel, Thilo, *1903, dt. Philosoph und JuhosPJuhos, Béla, 1901–1971, ung.-öst. Philosoph (mit Recht) gerade hiergegen Einwendungen erhoben haben‚ und daß Du diese Formulierung aufgeben mußt, wenn Du unsre Position nicht immer wieder diesen Einwänden aussetzen willst. Du sagst zwar im letzten AufsatzBNeurath, Otto!1934@„Radikaler Physikalismus und ‚wirkliche Welt‘ “, Erkenntnis 4, 1934, 346-362, Du meintest damit nur dies und dies.8Neurath, „Radikaler Physikalismus und ‚Wirkliche Welt‘“, S. 355f. / GphmS 618f. Aber, wie Gegner nun einmal sind, ist ja klar, daß sie sich nicht an diese richtige Formulierung halten, sondern sie außer Acht lassen und die falsche Formulierung angreifen, die Du auch noch mitschleppst. Dies soll aber keineswegs eine Rechtfertigung für SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick sein. Ich freue mich, daß HempelPHempel, Carl Gustav, 1905–1997, dt.-am. Philosoph, verh. mit Eva Hempel ihm jetzt klar und deutlich entgegnet.
Mit Deiner Definition des „Physikalismus“ (28. V.) kann ich mich gar nicht befreunden. Ich meine, wir halten lieber an der klaren (oder wenigstens verhältnismäßig klaren, wenn auch in einigen Punkten noch klärungsbedürftigen) Definition fest, daß wir unter Physikalismus die These verstehen, daß jeder Satz (der Wissenschaft) in die physikalistische (oder besser: in eine physikalistische) Sprache übersetzt werden kann. Dagegen scheinen mir die Thesen, die Du noch nennst, zunächst viel zu unklar formuliert, als daß man sie zum Physikalismus zurechnen sollte. Und auch wenn man sie deutlicher formulieren würde (vielleicht so: daß es wünschenswert oder sogar notwendig sei, die inhaltliche Redeweise allgemein oder inbezug auf „Fakten“, oder noch spezieller, zu vermeiden, oder ähnlich), so würde ich es aus Gründen der klaren Terminologie vorziehen, ihr einen besonderen Namen zu geben, und dann zu sagen, daß wir außer dem Physikalismus auch diese These vertreten. – Analoges gilt für die These der Widerruflichkeit sämtlicher Sätze. Auch sie sollten wir auf keinen Fall unter dem Terminus „Physikalismus“ mitverstehen, weil sie ganz unabhängig von Physikalismus im oben angegebenen Sinne ist: man kann Physikalist im angegebenen Sinne sein und dabei die letztere These sowohl annehmen als auch ablehnen. – Du selbst bist doch sonst immer für die Tabellenmethode, d. h. doch: für deutliche Trennung der verschiedenen Teilbehauptungen in einer Gesamtauffassung. Das sollten wir beim Physikalismus unbedingt auch durchführen. – Mir scheint, wir müssen doch wohl sagen, daß SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick den Physikalismus bejaht; es sei denn, er würde den seltsamen „Konstatierungen“ den Charakter von Sätzen beilegen, was er aber vermutlich nicht tut.
Was bedeutet „isotyp“? Durch gleiches Bild dargestellt? Es erweckt bei Logikern die Assoziation: „von gleichem logischen Typ“. Könnte man nicht ein anderes Wort finden?
Mit herzlichen Grüßen von Haus zu Haus