\brief{Rudolf Carnap an Ernest Nagel, 28. Mai 1935}{Mai 1935} %, den 28.Mai 1935. \anrede{Lieber Dr. Nagel,} \haupttext{Besten Dank für Ihren Brief vom 17.\,Mai und für die freundliche Durchsicht der Übersetzung. Es ist ja betrüblich, daß Ihr Urteil auch so lauten mußte, aber ich bin doch sehr froh, von einem Fachmann ein Urteil zu haben und nicht nur auf mein Gefühl angewiesen zu sein. Ich habe Ogden\IN{\ogden} -- ohne Ihren Namen zu nennen -- Einiges aus Ihrem Brief darüber zitiert. Daß er einen andern Übersetzer nimmt, halte ich für höchst unwahrscheinlich. Aber Sie haben Recht, daß noch jemand außer mir die Übersetzung durchsehen muß, ehe sie zum Druck geht. Es wäre mir natürlich am liebsten, wenn Sie diese schwierige Aufgabe übernähmen. Bitte schreiben Sie mir, welches Honorar Sie für die Durchsicht für angemessen halten, damit ich mit Ogden\IN{\ogden} darüber korrespondieren kann; er ist allerdings in Geldsachen etwas schwierig und zähe. Besten Dank auch für Ihre Rezension\IW{} meiner Syntax\IC{\logischesyntax}. Ich bin sehr froh, daß eine so verständnisvolle Besprechung in englisch[er] Sprache so bald erschienen ist. Ich bin überzeugt, daß sie dem Buch\IC{\logischesyntax} manche Leser gewinnen wird. Wir waren beide sehr gerührt darüber, daß Sie sich über das Nicht-Gelingen einer Einladung nach New York so betrübt haben. Es ist ja wirklich schade, daß es nicht gelungen ist. Aber wie Sie aus dem beiliegenden Brief der Harvard-Universität\II{\harvard} ersehen, ist in der Zwischenzeit schon wieder ein kleiner Trost für dieses Mißlingen gekommen. Darf ich Sie bitten, meine Antwort an Perry\IN{} zu korrigieren und mir bald zurückzuschicken? Fassen Sie auch seinen Brief so auf, daß beide Kurse 6 Wochen nebeneinander laufen, daß es sich also um 10 Stunden wöchentlich handelt? Meinen Sie, daß die Begrenzung des einen Kurses auf ,,Ethik, Ästhetik, Geschichte der Philosophie etc`` sehr streng gemeint ist, oder könnte ich da einen Kurs ,,Einführung in die Philosophie`` oder ,,Einführung in die wissenschaftliche Philosophie`` als elementaren Kurs vorschlagen? -- Nun, da diese zweite Einladung gekommen und so gut honoriert ist, werden wir wohl beide fahren; solange wir nur die erste Einladung hatten, schien uns das zweifelhaft. Da die Harvard\II{\harvard}-Kurse am 6.\,Juli beginnen, müßte ich unmittelbar nach Schluß des Semesters hier abreisen. Ich glaube, daß das sehr anstrengend ist. Nun überlegen wir, ob wir vielleicht schon bald nach Ostern hinüberfahren sollten. (Das hat den Nachteil, daß ich, wenn ich ein Jahr Urlaub hier nehme, Ostern 1937 wieder hier sein müßte, daß also die 4 Monate Sommerferien in dieses Jahr rechnen würden, während ich, wenn ich nach Schluß des Sommersemesters fahren würde, erst ab Herbst Urlaub nehmen müßte.) Nun, vielleicht kommen noch andere so glorreiche Briefe, die uns diese schwierige Entscheidung abnehmen. Wenn Sie den Wunsch haben, in Europa noch Geld zu haben, (wenn vielleicht Ihre frühe Abreise nach USA damit zusammenhängt), ,,I would regard it as a great privilege'' Ihnen von meinem Londoner Konto anzuweisen; Sie könnten es mir gelegentlich in Amerika wiedergeben, wenn ich drüben bin. Bei dieser Gelegenheit auch besten Dank für Ihre Einzahlung. \neueseite{} Leider scheint auch uns, daß die Hoffnung auf ein Wiedersehn in Europa sehr gering ist. Wir werden erst im September nach Belgien und Frankreich kommen. Im August planen wir mit Woodgers zusammen nach Tirol zu gehen. Aber nun haben wir ja die sichere Hoffnung, Sie in nicht allzu langer Zeit in New York wiederzusehen. Wie schade, daß Sie nicht bei Hempels\IN{\hempel} \IN{\hempelfrau} waren! Wenn Sie Dr. Woodger\IN{\woodger} besuchen, dann müssen Sie ihn und seine Frau\IN{\woodgerfrau} sehr von uns grüßen. Und sorgen Sie doch dafür, daß W[oodger]\IN{\woodger} photographische Aufnahmen macht, damit wir Edith wenigsten im Bild kennen lernen. Bitte grüßen Sie sie herzlich von uns! Wir hoffen, daß Sie mit Ihrem Aufenthalt in England zufrieden sein werden, wenn ich auch bezweifle, daß Sie in Cambr[idge]\II{\cambridgeuniv} viel Neues in Philosophie lernen werden. Und Miss Stebbing\IN{\stebbing} ist immer vielbeschäftigt und diskutiert -- wie ich glaube -- nicht gerne. Haben Sie versucht, Wittgensteins\IN{\wittgenstein} Vorlesungen hören zu dürfen? Das ist wohl die größte Attraktion von Cambridge\II{\cambridgeuniv}. Wir haben dort noch einen Mann mit sehr originellen Ideen kennengelernt, einen Kristallographen namens Bernal\IN{\bernal}. Ihn kennenzulernen lohnt. Leider weiß ich nicht, an welchem College er ist. Mit vielen herzlichen Grüßen an Sie beide von uns beiden,} \grussformel{Ihr\\ \blockade{ksl.}} \ebericht{Brief, msl. Dsl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/870393}{RC 029-05-07}; Briefkopf: msl. \original{den 26.\,Mai 1935}.}