Ich habe mich sofort an Dein MSBNeurath, Otto!Die Entwicklung des Wiener Kreises und die Zukunft des Logischen Empirismus in französischer Übersetzung erschienen 1936 begeben und es eifrig und mit großem Interesse gelesen. Als Frucht davon entstand beiliegende Tabelle;1Nicht überliefert bzw. identifizierbar. bitte korrigiere und ergänze die Merkmale hinter den Namen, und schicks mir zurück. Ich würde es für sehr wünschenswert halten, wenn Du der Broschüre solch eine Übersicht beigeben würdest, besonders für Leute wie mich, die die Jahreszahlen nie wissen und nicht einmal die wichtigsten Zeitverhältnisse der verschiedenen Leute zueinander im Kopf haben. – Im MSBNeurath, Otto!Die Entwicklung des Wiener Kreises und die Zukunft des Logischen Empirismus in französischer Übersetzung erschienen 1936 hab ich Randbemerkungen gemacht. (S. 60 fehlt, 59 ist doppelt). Im allgemeinen einverstanden, d. h. ich weiß ja zu wenig von den historischen Dingen. Inbezug auf den Wiener KreisISchlick-Zirkel, Wiener Kreis selbst würde ich (aber das ist nur ein subjektiver Eindruck inbezug auf die Gewichtsverteilung) RussellPRussell, Bertrand, 1872–1970, brit. Philosoph und WittgensteinPWittgenstein, Ludwig, 1889–1951, öst.-brit. Philosoph noch mehr Bedeutung beimessen, als Du es tust.2Die publizierte Fassung geht nur an einer Stelle auf Wittgenstein ein, samt Hinweis auf die Opposition im Wiener Kreis gegen die Metaphysik des Tractatus (Le développement du Cercle de Vienne et l’avenir de l’Empirisme logique, 48f. / GphmS 697); Russell wird an mehreren Stellen, aber doch eher beiläufig erwähnt. Du legst das Hauptgewicht auf den Empirismus der HahnPHahn, Hans, 1879–1934, öst. Mathematiker, Bruder von Olga Neurath, verh. mit Eleonore Hahn-Neurath-FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank-Gruppe; ich würde es mehr auf die logischen Probleme legen, die im Anschluß an RussellPRussell, Bertrand, 1872–1970, brit. Philosoph u. WittgensteinPWittgenstein, Ludwig, 1889–1951, öst.-brit. Philosoph diskutiert wurden. Empiristische Leute gab und gibt es sehr viele; für den Wiener KreisISchlick-Zirkel, Wiener Kreis ist die logische Analyse hauptsächlich charakteristisch. Du betonst das ja auch. Es ist schließlich nur ein Unterschied in der Gewichtsverteilung. Ist es nicht so, daß die neuen Gedanken hauptsächlich von RussellPRussell, Bertrand, 1872–1970, brit. Philosoph u. WittgensteinPWittgenstein, Ludwig, 1889–1951, öst.-brit. Philosoph (und ein wenig von mir) kamen (später beim Physikalismus auch von Dir), während Eure Gruppe im wesentlichen die Auffassungen andrer (MachPMach, Ernst, 1838–1916, öst. Physiker und Philosoph, PoincaréPPoincaré, Henri, 1854–1912, fr. Mathematiker und Philosoph, RussellPRussell, Bertrand, 1872–1970, brit. Philosoph) diskutierte und annahm? Aber das soll kein Einwand sein; jeder sieht natürlich die Entwicklung in etwas andrer Perspektive.
Worüber soll ich auf dem KongreßIKongressfuerEinheit@1. Kongreß für Einheit der Wissenschaft/Congrès International de Philosophie Scientifique, Paris, 16.-21.IX.1935 vortragen? Syntax oder Wissenschaftslogik?
In unserm biologisch-physikalischen KolloquiumIPrager Donnerstagszirkel von Carnap und Frank ist außer FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank und mir wohl niemand, der für einen Kongreßvortrag in Betracht käme. Ich glaube, Gickl"-hornPGicklhorn, Josef, 1891–1957, tschech.-öst. Biologe könnte nicht gut die wissenschaftslogisch-prinzipiellen Fragestellungen herausheben.
Ich glaube, die Absicht, die Kongreßvorträge vorher zu drucken, müssen wir doch aufgeben, so schön es wäre. 1) aus finanziellen Gründen; 2) die Vortragsanmeldungen werden, wie man schon sieht, vielfach sehr spät erfolgen; man bringt dann schwer die Leute dazu, rechtzeitig noch ein druckfertiges MS abzuliefern.
Zu SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick (Dein Brief 19. IV.). Gewiß hat SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick da noch etwas realistische Metaphysik, von der Reste noch heute da sind. Aber außerdem vertritt er auch die These, „daß die raum-zeitlichen Begriffe zur Beschreibung jeder beliebigen Wirklichkeit ausnahmslos geeignet sind, also auch der Bewußtseinswirklichkeit“ (2. Auflage, S. 270); „die Physik ist das System exakter Begriffe, welche unsre Erkenntnis allem Wirklichen zuordnet.aHsl. coordinieren\,/\,correlieren. Allem Wirklichen; denn nach unsrer Hypothese ist im Prinzip die gesamte Welt der Bezeichnung durch jenes Begriffssystem zugänglich“ (S. 271).3Der erste zitierte Teilsatz beginnt mit „daß vielmehr die“, Hervorhebungen im Original sind hier nicht übernommen; Schlick, Allgemeine Erkenntnislehre, S. 270f. Das ist doch mehr als eine vage Anticipation; das ist doch schon die These des Physikalismus selbst.
Meinen Brief v. 10. Mai wirst Du inzwischen bekommen haben.
Mit herzlichen Grüßen